Wolfgang J. Fuchs
Reinhold C. Reitberger
Anatomie eines Massenmediums
Heinz Moos Verlag München
Zu den Autoren: Wolfgang J. Fuchs (links, Jahrgang 1945) und Reinhold C. Reitberger (rechts, Jahrgang 1946) war es in der damaligen amerikanischen Besatzungszone vergönnt, von frühester Jugend an die Entwicklung deutscher Comic Books zu verfolgen und sich zugleich intensiv mit den amerikanischen Originalen zu beschäftigen. Auf die Jahre unbefangenen Konsums folgte eine Periode des gezielten Sammelns und reflektierten Sichtens, die schließlich in die kritische Analyse der Comics mündete. Als Zeitungswissenschaftler (Fuchs) und als Amerikanist (Reitberger) konnten sie das in »lebenslangem Kontakt« erworbene Wissen in den massenmedialen und gesellschaftlichen Kontext stellen.
Zum Umschlagbild: Gezeichnet von Reinhold C. Reitberger unter subtiler Verwendung von Rembrandts »Anatomie des Dr. Tulp«.
Zum Titelbild: Herb Trimpe, den Produkten seines Zeichenstiftes ausgeliefert. © 1970 Marvel Comics Group / Herb Trimpe Scanned by Doc Gonzo
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© 1971 Heinz Moos Verlag München, 8032 Gräfelfing vor München. Gesamtherstellung: K.G. Lohse, Graphischer Großbetrieb, Frankfurt am Main, Am Industriehof 7—9. Jede Veröffentlichung mit den Mitteln des Druckes, der Fotokopie, über Mikrofilm un d auf jede andere Weise bedarf der Zustimmung des Heinz Moos Verlages. ISBN 3-7879-0054-3
Inhalt Vorwort I Charakteristika der Comics
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Comics als Massenmedium Geschichte der Comics Produktionsmethoden Formen und Merkmale
II Humor und Alltag
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Pechvögel und Groteske Kin-der Strips Der Familien-Strip, Spiegel des Lebens Oh selig, ein Teenager zu sein Donald Duck & Co. Geistreicher Höhenflug Pogofenokee Dogpatch, U.S.A. Peanuts Beetle Bailey Die neue Welle
III Abenteuer und Melodram
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Erfolgreicher Doppelschritt Zurück zur Natur Science Fiction If you enjoy being scared out of your wits . . . Der Ritterroman Die hohe Schule des Melodrams Detektive und Polizisten Die Abenteurer Der Krieg: G. I. Joes Taten als Heldenepos Der Western: Die »Frontier« als amerikanisches Eden?
IV Superhelden
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Moderne Mythen Die Geschichte der Superhelden Marvel, eine neue Ära Der Superhelden-Boom Die Hypertrophien Supersex Der »Sidekick« Die Motivation Die »Secret Identity« Die Superheldinnen Superbösewichte Brain vs. brawn
V Kritik und Zensur
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VII Intermediale Dependenzen
Die gemeinsame Geschichte der Medien »Pulps«, Vorläufer der Comic Books Rundfunkserien, Comics ohne Bilder Film und Fernsehen: bewegte Comics, bebilderter Rundfunk, verfilmter Roman Der Zeichentrickfilm 175
VIII Die europäische Comicsszene
Die europäische Comics-Tradition Comics in Deutschland Comics in Frankreich und Belgien Comics in Italien Comics in anderen Ländern 207
IX Sex und Satire Intellektuell, sexy, dem »Untergrund«
elitär
MAD
Comics
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X Die Kunst der Comics Comics und die Hochrenaissance Stil und Technik Comics und Pop Art
XI Trends und Entwicklungen
aus
Comic
Art
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Die Helden werden menschlicher Neger und ethnische Minoritäten Drogen und der aufgeweichte Code Auf zu neuen Ufern
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Dr. Wertham und der Horror Die Geschichte des Verbrechens Der Code und die Zensur Comics im Klassenzimmer
VI Das Gesellschaftsbild der Comics
macher Law and Order Comics-Produzent und Demos Comics und Werbung Die amerikanische Institution
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Das Gesellschaftsbild der Comics in Zahlen Ethnische Minoritäten Der Krieg als großer Gleich-
XII Anhang Danksagung Anmerkungen Bibliographie Zeittafel Code der Comics Magazine Association of America, Inc. Register
246 247 251 253 259 261
Nick Fury — Agent of S.H.I.E.L.D. Zeichner: Jim Steranko © 1968 Marvel Comics Group
Vorwort
Charges . . . that (the comics) were, in general, a corrupting influence, glorifying crime and depravity can only, in all fairness, be answered: »But of course. Why else read them?« JULES FEIFFER:
Die Comics haben ihre Unschuld verloren, denn man ist ihren Geheimnissen auf die Spur gekommen. Als Untersuchungsobjekt endlich erkannt und seziert, ist ihr Part im Orchester der Massenmedien definiert. Man hat den Schleier gelüftet, der ihren Warencharakter verdeckte, der verbarg, daß sie systemperpetuierendes »big business« sind. Wie den Gleißnern von Hollywood ist endlich auch den Verführern von der Madison Avenue, dem Sitz der Werbe-, Magazin- und Comicsbranche, die Maske vom Gesicht gerissen. Die Schöpfer der Comics sind nicht länger die väterlichen Freunde ihrer jugendlichen Leser. Ihre ruchlosen Motive sind Geld- und Profitgier. »Aber natürlich!«, möchte man wie Feiffer1 rufen, der seinerseits in der korrumpierenden Wirkung der Comics den Anreiz zu ihrer Lektüre sah. Welchen Grund sollte man sonst haben, sie zu lesen? Heute darf man offen zugeben, daß man gerne Comics liest. Ja, als intimer Kenner der Materie erntet man ringsum ehrfürchtige Bewunderung. Welch Hochgefühl, mit avantgardistischen Strömungen wie der Peanuts-Welle oder dem Donald Duck-Revival vertraut zu sein. Abgewendet hat man sich bereits wieder von den elitären Faibles für Nacktes und intellektuelle Satire und verfolgt mit Genugtuung die Flut akademischer Arbeiten über die Comics, die alle nur bestätigen, was man selbst seit frühester Kindheit wußte: Sie sind wichtig, weil man sie so gerne liest! Comics gibt es seit nunmehr 75 Jahren. Da die Zeitungsstrips von Anfang an die Lieblingslektüre von Erwachsenen bildeten, waren sie schon lange vor den Comic Books legitimiert. Paradoxerweise machten zunächst nicht die riesigen Auflagenzahlen die Comic Books zum Untersuchungsgegenstand. Erst das hysterische Geschrei der Tugendwächter lenkte in den 50er Jahren den Blick auf die bevorzugte Lektüre der unschuldigen Kleinen. Und durch das Grauen derHorrorComics blindgemacht, warf man auf Jahre alle anderen Comics mit in den Topf der Verdammnis (= Jugendgefährdung).
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» THE GREAT COMIC BOOK HEROES «
Inzwischen haben die Comics das zäh haftende Stigma der Jugendgefährdung auf der Peanuts- und Asterixwelle reitend überwunden und allmählich auch den deutschen Markt erobert. Sie erzielen hier gegenwärtig eine Auflage von rund 144 Millionen Heften im Jahr. Selbst konservative Tageszeitungen bekehren sich nun zum Comic Strip. Zwar wird er oft noch als banales Blendwerk betrachtet, doch ein Blick auf Leserumfragen und Auflagenziffern bildstreifenfreundlicher Blätter läßt alle Bedenken dahinschwinden. Denn Comic Strips fördern durch den hohen Beachtungswert die LeserBlatt-Bindung. Der Großteil der in Deutschland vertriebenen Comics stammt aus Amerika. Superman, Batman und andere Comics-Charaktere. Auch hierzulande — wo trotz großer Tradition wenig eigenständige Comicskultur entstand — erliegt man der Faszination der Comics, weil dieses Medium unmittelbar fundamentale Wünsche und Neigungen seiner Leser anspricht. Nicht nur die amerikanischen Archetypen finden sich hier wieder, nicht nur stereotype Figuren des amerikanischen Unterhaltungsmythos befriedigen durch ihre ewige Wiederkehr die Erwartungen der Leser in aller Welt. Denn Comics sind nicht nur synthetische Ware. Zusammen mit den anderen Massenmedien sind die Comics Ersatz echter Folklore und Kultur und haben sich so von hintergründiger Unterhaltung zur sich selbst fortzeugenden Institution gewandelt, die als Teil des »American Way of Life« in diesen integriert ist und in diesen integrieren kann. Deshalb spiegelt sich auch von all den amerikanischen Massenmedien in den Comics das kollektive amerikanische Unbewußte am deutlichsten. Und nicht erst seit McLuhan wissen wir, daß diese Manifestation des Unterbewußten wieder auf dieses zurückwirkt, es manipuliert und exploitiert. Auf diese Weise wuchsen schon mehrere Generationen mit den Comics auf. Die Nostalgie sanktioniert und verklärt die phantastischen Träume der Jugendzeit, und waren sie auch im Trivialen der Comics, Groschenromane und Hollywoodfilme fixiert. Nur wenige guterhaltene Hefte und die ver-
klärenden Erinnerungen blieben von diesen Träumen übrig, denn all die riesigen Auflagen wurden richtiggehend zerlesen und weggeworfen. Seit einigen Jahren werden nun alte Comic Books und die Seiten der Sonntagsstrips zu erheblichen Preisen gehandelt. Tauschzentralen und spezialisierte Comics-Antiquariate im großen Stil haben sich etabliert. Und so ruhen jetzt die alten, selten gewordenen Hefte bei einigen glücklichen Sammlern oder in den Safes von Millionären, die es sich leisten können, der Comics-Passion zu frönen. Doch nicht nur nostalgisches Sammeln macht alte Comics so begehrt, sie sind auch wertvoll als Referenz- und Untersuchungsmaterial für publizistische und soziologische, semantische und kulturhistorische Untersuchungen oder für Konservierungszwecke an Museen. Ungleich schwieriger als beim Film ist es bei der Flut der Comics, sich einen Überblick über die wachsende Fülle und den Formenreichtum zu verschaffen, obwohl gerade auch in diesem Formenreichtum die Faszination der Comics zu suchen ist. Natürlich ist ein großer Teil der Comic Books ohne jedes Niveau. Aber gerade die »schlechten« Comics sind vom sozialpsychologischen Standpunkt her am interessantesten. Und in diesem Wust billiger Unterhaltung gibt es (wie beim BFilm Hollywoods) unvermutete Perlen, die bislang im Verborgenen schimmerten.
Allzuleicht saugt sich auch hier der Blick fest an den arrivierten Strips, an den gemeinsamen Lieblingen von Millionen in aller Welt. Peanuts und Asterix sind köstlich, jeder weiß das. Doch obwohl zum Beispiel die Peanuts allein in Buchauflagen von über 52 Millionen vorliegen, repräsentieren sie eben nur einen Teilaspekt. Sie machen fast vergessen, daß heute die Comics, und besonders die Comic Books, wie die amerikanische Gesellschaft nach neuen Werten und Inhalten suchen. Deshalb soll in dieser Anatomie des Massenmediums Comics besonders auch der Rumpf, die Menge der trivialen Comic Books, gezeigt und seziert werden. Die Fülle der Illustrationen will einen Überblick vermitteln und zugleich die Comics für sich selbst sprechen lassen. Endlich ist man auch hierzulande soweit, daß nicht mehr jede Behandlung der Comics zu Anfang einer Legitimation der Subjektmaterie bedarf. Deshalb wird in diesem Buch auf eine Archäologie der Comics verzichtet, die sie mit ihrer Beziehung zu ägyptischen Reliefs, dem Teppich von Bayeux und barokker Emblematik auf ein legitimes Untersuchungsniveau emporzuheben sucht.
© 1970 Walt Disney Productions
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Ihre Trivialität ist Legitimation genug.
Zowie, bam, socko, gurp, plop, wow, glug, oof, ulk, whap, bing, flooie and grr. H..L. MENCKEN: »THE AMERICAN LANGUAGE«
Comics als Bestandteil der Kommunikationsmittel befriedigen in exemplarischer Weise das Bedürfnis der Lesermassen nach Schabionisierung psychischer Konflikte und Heroisierung überoptimaler Verhaltensweisen (der Superman-Typ, aber auch der Komische, Alte, Junge, Draufgänger, Schutzund Hilfsbedürftige u. a.). dtv-WÖRTERBUCH ZUR PUBLIZISTIK
I Charakteristika der Comics Comics als Massenmedium Als Mort Walker 1970 einen Namen für den kleinen Koalabären suchte, der in seiner unter dem Pseudonym Addison gezeichneten Serie Boner's Ark auftaucht, beteiligten sich 49 329 Kinder, Eltern und Großeltern an dem von einigen Zeitungen ausgeschriebenen Wettbewerb. So konnte der Koalabär schließlich auf den Namen Cubcake getauft werden. Das Ergebnis bewies, daß Comic Strips auch heute noch genauso enthusiastisch wie früher verfolgt werden. Schon Jahrzehnte davor waren Hunderttausende von Namensvorschlägen eingegangen, als Chic Young für die Tochter seiner weltweit bekannten Comic Strip-Figuren Blondie und Dagwood den passenden Namen suchte. Und zu Al Capps Li'l Abner gab es gar eine Million Einsendungen, als er seine Leser aufforderte, Zeichnungen von Lena the Hyena, der häßlichsten Frau der Welt, einzuschicken. Aber selbst Strips, die jahrzehntelang zu den Favoriten zählten und mancher Zeitung erboste Anrufe einbrachten, wenn sie einmal aus technischen Gründen nicht gedruckt werden konnten, oder deren Beliebtheit New Yorks Bürgermeister La Guardia während eines Druckereistreiks dazu bewegte, die Comic Strips über den Rundfunk zu verlesen 1, erscheinen heute nicht mehr nur als alte Bekannte, die man unreflektiert verschlingt oder bewundert. Al Capp, der seit 1934 in seinem Comic Strip Li'l Abner »ätzende Satire« gegen den »American Way of Life« sprühte, gilt vielen seiner 80 Millionen Leser, die täglich in über tausend Zeitungen in aller Welt seine Serie verfolgen, als Paradebeispiel dafür, in welch hohe künstlerische Regionen sich Comics emporschwingen können. Man hat Capp mit euphorischen Lobpreisungen nachgerade überhäuft und ihn — unter anderem — mit Rabelais, Ho-
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garth und Swift verglichen. Marshall McLuhan bezeichnete ihn einmal als die vielleicht einzige wirksam satirische Kraft Amerikas. Und niemand, der über Capp berichtet, vergißt zu erwähnen, daß John Steinbeck ihn einmal sogar für den Nobelpreis vorgeschlagen hat. Capp verehrt Steinbeck natürlich zu sehr, um dessen literarisches Werturteil anzuzweifeln. Das Abbröckeln amerikanischer Werte hat den satirischen Strich von Capps Feder ein wenig in Hysterie abgleiten lassen. Seine bevorzugten Angriffsziele sind nun langhaarige Studenten. Er befindet sich so bei seinem Parteifreund Spiro Agnew in guter Gesellschaft, der die aufbegehrenden Studenten »effete (ausgelaugte) snobs« nannte, und es auch sonst versteht, den Haß der Ungebildeten auf die liberale und radikale Intelligenz in Worte zu fassen. Anders als die meisten seiner treuen Anhänger glauben, ist Al Capp also kein progressiv satirischer Reformer, sondern ein Verteidiger der tradierten Tugenden des »American Way of Life«. Somit ist Li'l Abner nur ein Beispiel für den konservativen Strip. Aber er kaschiert seine »Message« stärker als zum Beispiel Little Orphan Annie. Zwischen Li'l Abner und den Underground Comics breitet sich ein Spektrum von Comics der verschiedensten Themen aus. Prinzipiell stehen Comics jeder Thematik und jeder Ideologie offen. Wie jedes Massenmedium können Comics unterhalten, informieren und erziehen. Teamwork, teure Produktionsmittel und die wegen des kostspieligen Apparats notwendigen hohen Auflagen beziehungsweise die weite Verbreitung legen den Comics ähnliche medienbedingte Grenzen und Tabus auf, wie sie in Funk, Film und Fernsehen bekannt sind. Die spezifische Art der Produktion, die Strichzeichnung, kostet Zeit. Um ein möglichst perfektes Produkt, eine konsumierbare Ware, möglichst vielen Abnehmern liefern zu
können, müssen Comics vorproduziert werden. Deshalb können Comics fast nur in Bezug auf länger anhaltende Zeitströmungen tagesaktuell genannt werden. Größtenteils sind sie latent aktuell, das heißt, ihre bloße Existenz weckt beim Leser den Eindruck von gegenwärtigem Geschehen. Und tyrannischer als Scheherazade fordern sie sodann, daß man ihren Erzählungen folgt. Obwohl die Form der Comics auch für kleinere Gesellschaftsgruppierungen eingesetzt werden kann, ist der Massenappeal für Comics-Syndikate und die Produzenten von Comic Books eine kommerzielle Notwendigkeit, um nicht beständig an der Rentabilitätsgrenze wirtschaften zu müssen. Der beste Paradecomic, der von einigen Fans hochgelobt wird, ist als Werbeträger uninteressant, wenn er nur eine Auflage von 100 000 Heften erreicht. Für Comic Books ist zudem das Lesealter zu berücksichtigen. Da es auf lange Sicht nicht gut möglich ist, für ältere Leser zu schreiben, ohne beständig über die Köpfe der jüngeren Konsumenten hinwegzureden, mußten Hefte wie Silver Surfer oder Deadman das Erscheinen einstellen, wenn sie das angestrebte Niveau nicht verraten wollten. Comic Strips werden von allen Schichten gleichermaßen gelesen, da sie fast jedem Leser auf dessen intellektuellem Niveau etwas bieten können. Sie begeistern so sehr, daß neue Redewendungen wie »Let George do it!«, »baloney«, »fall guy«, »got his goat«, »yardbird«, »yes, we have no bananas« auf den Alltag übertragen werden. Auch onomatopoetische Worte (Pengwörter), wie die eingangs zitierten, gehen in die Umgangssprache ein. ZACK! Little Jimmy von James Swinnerton war einer der beliebtesten Kinder-Strips. Swinnerton begann schon früh, seine Zeichnungen auf eine einfache, klare Strichführung zu reduzieren. © 1949 King Features/Bulls
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Der putzige Koalabär Cubcake macht Kapitän Boner weniger Schwierigkeiten als Rex, der Tyrannosaurier, und die anderen Tiere auf der Arche. Cubcake bekam seinen Namen bei einem Leserwettbewerb. Die Zahl der Einsendungen und der spontane Erfolg von Boner's Ark bewiesen einmal mehr, daß Comics beliebt sind wie eh und je. © 1970 King Features/Bulls
Aber das sprachliche Detail zeigt nur eine Nebenwirkung des Erfolges der Comics. Die Hinwendung an die Masse bedingt zwar eine Begrenzung des Inhalts auf nichtkontroversielle Themen — auf Humor, Melodram und Action —, aber da die Comics die archetypischen Gestalten aus Märchen, Mythos und amerikanischer Folklore übernommen haben, war ihr Erfolg so gut wie sicher. Alles, was auf Massenbasis die Menschen anspricht und mit kunsthandwerklichen Fähigkeiten unterhält, wird heute in Amerika als »popular art« bezeichnet. »Popular arts« sind also Film-, Rundfunk- und Fernsehshows und -Serien, Romanreihen und eben auch die Comics. Dabei steht der Begriff »popular art« meist für das betreffende Massenmedium und nur selten für einzelne Darbietungen oder Leistungen. Leo Bogart sieht ihren Erfolg wohl mit Recht so: »Der Anklang, den die »populär arts« finden, rührt daher, daß sie die Phantasien, Sehnsüchte und unterdrückten Impulse von Menschen ausdrücken, die in einer chaotischen Welt leben. In das von Frustration und Monotonie bedrückte Leben bringen sie eine momentane Befreiung. Ihre Helden und Heldinnen führen all die Dinge aus, die das Publikum der Leser, Hörer oder Zuschauer gerne tun würde.« 2 Geschichte der Comics Als 1942 das American Institute of Graphic Arts unter dem Motto »The Comic Strip, Its History and Significance« die erste Ausstellung zum Thema Comics ausrichtete, stellte es eine spanische Höhlenzeichnung aus der Zeit um 3000 vor Christus als einen der frühesten Vorläufer der Comics vor. Man kann natürlich die Geschichte des erzählenden Bildes, auch des humoristischen, bis in die Frühzeit zurückverfolgen. Aber für die Comics selbst sind Höhlenzeichnungen, ägyptische Hieroglyphen, Hokusaibücher, Votivtafeln und der
Teppich von Bayeux nur insofern interessant, als sie zeigen, daß Comics nicht isoliert in der Geschichte stehen. Für die Form des Comic Strip sind aber die direkten Vorläufer wesentlicher als die Urahnen. Da der comicskundige Leser bereits bestens mit den Melies, Lumieres und D. W. Griffiths der Geschichte der Comics vertraut ist, werden hier nur die wichtigsten Marksteine der Entwicklung des Massenmediums Comics aufgezeigt. Liebhaber von Statistik und strenger Chronologie finden darüber hinaus im Anhang eine bis ins Jahr 1971 führende Zeittafel. Die mit wenigen Strichen gezeichnete Aussage der Karikatur des Mittelalters war der Ausgangspunkt. Die großen Karikaturisten des 18. und vor allem des 19. Jahrhunderts, vor allem James Gillray (1737—1815), Thomas Rowlandson (1756—1827) und George Cruikshank (1792—1878) wußten schon gut mit Bildsequenzen umzugehen. Rowlandson verwendete, wie manch anderer, in seinen Karikaturen bereits »Sprechblasen«. Es war nur noch ein kleiner Schritt von der politischen Karikatur zum rein unterhaltenden Comic Strip. Dieser Schritt wurde dadurch erleichtert, daß die Wesenselemente der Comic Strips und Comic Books im 19. Jahrhundert in den komischen und ernsten Bildfolgen in europäischen und amerikanischen Zeitschriften schon so weit entwickelt waren, daß sie nur noch dem Zeitungsdruckverfahren angepaßt werden mußten. In den amerikanischen Zeitschriften Puck (gegründet 1877), Judge (1881) und Life (1883) erschienen schon Beiträge von Richard F. Outcault, James Swinnerton und Frederick Burr Opper, die für die Entwicklung des Comic Strip von eminenter Bedeutung waren. In Europa leisteten Zeichner wie Gustave Dore, Wilhelm Busch und Rudolphe Töpffer Vorarbeit. Die Fliegenden Blätter, die Images d'Epinal, Neuruppiner Bilderbögen und Witzblätter wie die englischen Comic Cuts, Ally Sloper's Half Holiday, The Illustrated Chips und Butterfly legten auch in Europa den Grund für die Comics. Viele dieser Zeitschriften wandten sich mit Bedacht an den Vulgärgeschmack und bereiteten so zusammen mit Dirne Novels und Groschenromanen das Kommen der Comic Strips und Books vor. Einer der ersten, die der Form des Comic Strip schon ganz nahe kamen, war Richard Felton Outcault (1863—1928), der 1894 für die New York World eine farbige Bildfolge in sechs Bildern zeichnete: The Origin of a New Species, or the Evolution of the Crocodile Explained. Der Übergang in die Zeitung war gemacht.
The Origin of a New Species, or the Evolution of the Crocodile Explained war eine der ersten Bildseiten, die Richard Felton Outcault, einer der Pioniere des Comic Strip, 1894 für die New York World zeichnete.
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Den ersten großen Aufschwung erlebten die Comics im erbitterten Wettkampf der Sensationspresse New Yorks. Was noch heute als Binsenweisheit gilt, hatte man schon damals erkannt: Neben den Schlagzeilen sind die Comics der beste und beständigste Anreiz zum Kauf einer Zeitung. Vor allem Joseph Pulitzers New York World und William Randolph Hearsts New York Journal waren am Wettstreit um die Gunst des Lesers beteiligt. Nicht nur mit sensationellen journalistischen Leistungen versuchten sie, die Konkurrenz auszustechen, sondern auch mit sonntäglichen Unterhaltungsseiten. Der Farbdruck, mit dem man den Gegner übertrumpfen wollte, erwies sich nach ersten Versuchen als vielversprechend. Nur die Farbe Gelb bereitete Kopfzerbrechen. Als auch dieses Problem gelöst war, testete Pulitzer das neue Verfahren auf der Unterhaltungsseite der World. Auf dieser Seite war seit Juli 1895 Outcaults Beitrag Down Hogan's Alley erschienen, zu dessen regelmäßigen Figuren ein kleiner Junge mit abstehenden Ohren gehörte, dessen Nachthemd bis zum Boden reichte. Am 16. Februar 1896 wurde diese Figur zur Hauptperson der großformatigen Zeichnung. Da das Hemd
nun gelb erstrahlte, wurde die Serie The Yellow Kid genannt. Die Kommentare Yellow Kids erschienen nach und nach auf seinem Nachthemd. The Yellow Kid agierte in New Yorks Slums mit äußerst kruden Spaßen und verscherzte sich so bald die Sympathie der Leser. Obwohl dieser Figur nur ein kurzes Leben gegönnt war, trug ihre Farbgebung dazu bei, daß jedwedem Sensationsjournalismus bis heute der Name »yellow journalism« anhängt. The Yellow Kid war ein Kind der Sensationspresse und diente wie die Schlagzeilen nur dazu, möglichst viele Leser zu angeln. In dieser Zeit, da sich die Zeitungen einen Kampf bis aufs Messer lieferten, erschien am 12. Dezember 1897 in Hearsts Journal auch die erste Serie, die den Namen Comic Strip voll und ganz verdient. Auf Seite 8 dieser Ausgabe startete der 19jährige deutschstämmige Zeichner Rudolph Dirks die Serie The Katzenjammer Kids, da Hearst Wilhelm Buschs »Max und Moritz« zu sehen bekommen hatte und sich etwas Ähnliches für seine Zeitung wünschte. Ursprünglich war diese Serie ohne Dialog. Aber schon bald sprachen die Akteure ein deutsch-akzentuiertes Amerikanisch in ihrem Phantasieafrika. Es darf nicht verwundern, daß die ersten Comic Strips in einer Zeit auftauchten, in der das Land ökonomisch beunruhigt war. Da nach den Spanischen Kriegen der Aufstieg Ame-
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The Katzenjammer Kids von Rudolph Dirks war der erste »echte« Comic Strip. In diesem frühen Beispiel, das auch die erste 1908 in Europa nachgedruckte Folge war, begnügen sich Hans und Fritz nicht nur mit einem Streich. Die Strafe ist dementsprechend. Aus: Hjemmet, Nr. 39, 30. September 1958. © Bulls Pressedienst
rikas zur Weltmacht nicht mehr aufzuhalten war, konnten zwar im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die innerpolitischen Spannungen in außenpolitischem Engagement abgelenkt werden (und die Frage Imperialismus oder Isolationis mus entschied 1900 die Wahl denn auch mit einer größeren Mehrheit als vier Jahre zuvor, zugunsten von Präsident MC Kinley, der für den Imperialismus eingetreten war), aber Unterhaltung der Massen mit Comics und ersten »bewegten Bildern« ließ auch für kurze Zeit die Alltagssorgen vergessen und konnte deshalb nur gelegen kommen. Der erste Comic Strip ist zugleich der älteste, der nach wie vor stets neu produziert wird. Die Katzenjammer Kids warfen aber auch schon die Frage nach dem geistigen Eigentum auf. Als Dirks die Zeitung wechselte, wollte er seine Erfindung mitnehmen. Er strengte einen Prozeß an, verlor dabei aber das Recht am Titel Katzenjammer Kids, nicht aber an seinen Gestalten, die er fortan unter dem Titel The Captain and the
Da die Spaße von Hans und Fritz bei H. H. Knerr noch wilder und grausamer wurden, gewannen die Katzenjammer Kids stetig an Beliebtheit, auch nachdem Dirks Hearsts New York Journal verlassen hatte. Der teuflische Schabernack der Kids wird ihnen mit demselben Sadismus zurückgezahlt. © 1938 King Features/Bulls
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Dirks führte 1912 bei Hearsts Konkurrenz seine Serie um Hans und Fritz unter dem neuen Titel The Captain and the Kids mit weniger Streichen und mehr »Abenteuer« fort. © 1962 United Feature Syndicate/UPI In den Esel Maud transponierte Frederick Burr Opper m enschliche Verhaltensweisen. Maud war eines der ersten anthropomorphen Tiere des Comic Strip. © King Features/Bulls
Kids bei der Konkurrenz zeichnete, nachdem sie bis zum Eintritt der USA in den 1. Weltkrieg noch Hans und Fritz betitelt gewesen war, was die ethnische Herkunft der Protagonisten schon im Titel deutlich machte. Diese Serie ist nicht so sehr auf »Afrika« fixiert wie die noch immer streng der ursprünglichen Idee folgenden Katzenjammer Kids. In derselben Ausgabe des New York Journal vom 12.Dezember 1897, in der die Katzenjammer Kids ihr Debüt feierten, erschien auch James Swinnertons Little Tiger, der aus der schon 1892 für die San Francisco Chronicle gezeichneten Reihe Little Bears and Tigers hervorgegangen war. Da Little Tiger unter dem Einfluß der Katzenjammer Kids zum echten Comic Strip wurde, der Sprechblasen, gleichbleibende Figuren und die nötige Kontinuität hatte, kann man diese Tierabenteuer wohl zu den Vorfahren aller Tiercomics zählen. Zu den interessantesten Sonntagscomics der Frühzeit zählt noch Buster Brown, den Outcault schuf, nachdem er 1902 vom Journal zum New York Herald übergewechselt war. Buster Brown ist ein Yellow Kid der gehobenen Gesellschaftsschicht. Dieser Junge mit dem Samtanzug versetzt (wie Yellow Kid) mit seinem Hund seine Umwelt in Angst und Schrecken. Allein diese Serie würde genügen, den gewaltigen Appeal der Comics, die von ihnen ausgestrahlte Faszination deutlich zu machen. Buster Brown beeinflußte Kindermoden und Spielzeug, Whisky-, Schuh- und Zigarrenwerbung. Es gab so viele marktwirtschaftliche Nutzungen dieser Serie, daß man damit in New York ein Buster-Brown-Museum füllen konnte (119 East 36th Street).
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Die Sonntagscomics waren schon einigermaßen etabliert, als 1907 ein weiterer entscheidender Schritt in der Entwicklung der Comic Strips getan wurde. Harry Conway (»Bud«) Fisher zeichnete am 15. November den ersten täglich erscheinenden Strip, der sich durchsetzte, Mr. A. Mutt.3 Wie Swinnertons Arbeiten erschien er zunächst in der San Francisco Chronicle. Dann kaufte Hearst die Serie für seinen Examiner ein. Im März 1908 trifft die himmellange Hauptperson Augustus Mutt in einer Irrenanstalt Jeffries, einen kleinen Mann mit Zylinder. Eine historische Begegnung, bei der Mutt die unvergeßlichen Worte »This is gonna be a scream« spricht. Und seither heißt der Strip Mutt and Jeff. Er wird heute von Al Smith gezeichnet, der ab 1932 bis zu Fishers Tod als dessen Assistenzzeichner mitarbeitete. Von Anfang an konnte so zur Konvention werden, daß es Comic Strips gibt, die sonntags, werktags oder an allen sieben Tagen der Woche erscheinen. Bei Strips, die täglich erscheinen, ist nur noch zwischen jenen zu unterscheiden, bei denen ein Zeichner beide Versionen zeichnet oder bei denen für Werktag und Sonntag verschiedene Zeichner arbeiten. Neben den hauptsächlich historisch wichtigen Comics gab es auch und vor allem in den Gründerjahren schon bald graphische Meisterleistungen. Lyonel Feiningers Kin-der-Kids, die er zeitweise von München nach Amerika schickte, sind dem Expressionismus verwandt. Winsor McCays Little Nemo
in Slumberland 1905—1911 und 1924—1927 zeigt eine deutliche Nähe zum Jugendstil, ebenso George McManus' Serien The Newlyweds (ein Vorläufer von Blondie) und Bringing Up Father. Eine der phantasiereichsten Comicsserien war schließlich 1911 George Herrimans Krazy Kat and Ignatz, die von 1913 bis 1944 unter dem endgültigen Titel Krazy Kat alle Bevölkerungsschichten begeisterte. Die dadaistische Welt von Krazy Kat war so sehr von ihrem Schöpfer Herriman bestimmt und geprägt, daß die Serie, die selbst Intellektuelle schätzten, mit seinem Tod eingestellt wurde. Dies war einer der seltenen Fälle, in denen das Vertriebssyndikat die Serie nicht mit einem anderen Zeichner weiterführen konnte.
In der Entstehungszeit enthielten die Comic Strips nur karikaturistisch heitere oder groteske Geschichten. Nur so konnten sie schließlich zu ihrem Namen kommen, der ihnen auch treu blieb, als sich parallel zu neuen sozialen Problemen das Abenteuer in den Comics breitmachte. Ethnischer Humor, also Humor, der eine bestimmte Einwanderergruppe aufs Korn nahm, war in dieser Frühzeit nicht selten. Neben den Katzenjammer Kids fanden sich die Franzosen Alphonse and Gaston von Frederick Burr Opper, der Hearsts Zeitungen außerdem mit Strips wie And Her Name Was Maud und Happy Hooligan versorgte. Auch Harry Hershfields Abie the Agent, der als der erste »adult comic« bezeichnet wurde, weil er sich nicht über seine Hauptfigur jü-
Happy Hooligan ist ein frühes Beispiel für Oppers besonderen Humor. Gerade der warmherzige Clown mit der Tomatendose auf dem Haupt ist sehr viel menschlicher als seine Mitbürger. © King Features/Bulls
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Seit 1930 erscheint Chic Youngs Blondie, der erfolgreichste Comic Strip der Welt. Aus diesem Jahr stammt der oberste Streifen. Am 17. Februar 1933 heirateten Blondie und Dagwood. Dagwood wurde daraufhin enterbt und begann sein Leben als typischer Amerikaner. © 1930 und 1933 King Features/Bulls
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Smitty von Walter Berndt ist einer der frühen Kid Strips. © 1928 Chicago Tribune — New York News Syndicate
discher Herkunft lustig machte, sondern den Humor aus der Konfrontation Abies mit der Umwelt bezog, gehört hierher. Die von Joseph Medill Patterson, dem Gründer der New York Daily News, 1917 erfundene und von Sidney Smith gezeichnete Familienserie The Gumps war schließlich ein getreues Abbild der amerikanischen Familie. Obwohl arm, bewiesen sie Ehrgeiz und Stolz, und die Mutter war jederzeit zur Verteidigung der Ihren bereit. Die Persönlichkeiten der Gumps wuchsen den Amerikanern ans Herz, weil sie sich in ihnen wiedererkennen konnten. Diese Serie brachte ihrem Zeichner den ersten Millionenvertrag ein: l Million Dollar für zehn Jahre, während der er die Gumps zeichnete. Als er 1935 den Vertrag um fünf Jahre zu je 150 000 Dollar eben verlängert hatte, verunglückte er bei einem Autounfall tödlich. Das erste Kapitel der langen Geschichte dieser heiteren Serie war abgeschlossen. Aber diese heiteren Comics waren nicht nur vom Leser gewünschte oder ihm vorgesetzte Unterhaltung: Die Geschichte der Comics zeigt, daß sie das Werkzeug einiger Verleger waren, die ihre Macht und ihren Marktanteil vergrößern wollten. Um nicht nur eine Zeitung von den auflagensteigernden Comic Strips profitieren zu lassen, entstanden schließlich die Syndikate, die für den Vertrieb der Comics sorgten und sie im Lauf der Zeit durch die große Verbreitung einzelner Serien auch kleineren Zeitungen zu erschwinglichen Preisen zugänglich machten. Aus Hearsts 1912 gegründetem Hearst's International Feature Service ging 1913/14 King Features Syndicate hervor, benannt nach einem von Hearsts Redakteuren, Moses Koenigsberg, der die Comics in den Vertrieb des Syndikats aufgenommen hatte.
Frank Willards Moon Mullins ist einer jener Familienstrips, die über die Jahrzehnte nichts von ihrer Beliebthut eingebüßt haben. © 1928 Chicago Tribune — New York News Syndicate
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Von da an wurden Comics über den ganzen amerikanischen Kontinent und schließlich über die ganze Erde verbreitet. Seit 1915 wurden die großen Syndikate zum »big business«, und die Comics machten sich allen Tageszeitungen mit Ausnahme der New York Times und des Wall Street Journal unentbehrlich. Der große Vertrieb setzte zwischen 1919 und 1925 ein, als Serien wie The Gumps, Harald Teen, Little Orphan Annie, Gasoline Alley, Moon Mullins oder Barney Google wesentlich zum nationalen Erfolg der Comics beitrugen. Heute gibt es in den USA zwölf größere und gut 200 kleinere Syndikate, die manchmal nur einen Comic Strip vertreiben. Für den Internationalen Austausch kommen noch Zweigniederlassungen und weitere Syndikate auf allen Kontinenten hinzu. Der Gedanke an Profit war schließlich auch mit der Grund dafür, daß sich neben den Comic Strips die Comic Books etablierten. Die erste Vorform datiert ins Jahr 1843, als Wilson and Company, die sich auf die beliebten Paperback-Romane ihrer Zeit spezialisiert hatten, unter dem Titel The Adventures of Obidiah eine Art Comic Book herausbrachten. Die Zeichnungen, so heißt es, waren weniger kunstvoll als sie es heute sind, und die Bilder waren ohne Sprechblasen. Die Gestalt des Obidiah Oldbuck war ein Vorläufer der Helden der Comic Books. Aber in der Geschichte der amerikanischen Populär- und Trivialliteratur steht diese Gestalt isoliert. Erst nach mehr als einem halben Jahrhundert kam man wieder auf die Idee der Comic Books zurück. Das bekannteste erste Comic Book mit richtigem Comics erschien 1911, als der Chicago American einen Sammelband der täglichen Strips von Bud Fishers Mu t and Jeff heraus-
In den Zwanzigern und Dreißigern hatten die Zeichner die Sonntagsseiten meist ganz für sich. Viele der beliebten Strips hatten deshalb einen zusätzlichen kleineren Top Strip. Chic Youngs Colonel Potterby and the Duchess, der Top Strip über Blondie, war zugleich ein Pantomimenstrip. © 1949 King Features/Bulls
brachte. Aber auch The Yellow Kid und andere Serien wurden — zum Teil schon 1904 — in zusammenfassenden Bänden zu 75 Cent in den Handel gebracht. Mutt and Jeff wurde gegen Einsendung von Gutscheinen verschickt, erreichte so eine Auflage von 45 000 und erwies sich für die Zeitung als auflagensteigernd. Trotz des Erfolges der Idee stellte man die Produktion der 18 x 16 Zoll großen Bände wieder ein. Erst 1929 hatte George Delacorte, der Besitzer der Dell Publishing Company, den Einfall, die auf Zeitungspapier in Tabloidformat4 gedruckte Zeitschrift The Funnies herauszubringen, sozusagen als Sonntagsbeilage ohne dazugehörende Zeitung. Nach dreizehn Nummern wurde die Reihe, die keine Nachdrucke, sondern speziell angefertigte Geschichten brachte, wieder eingestellt. Das Experiment schlug vermutlich fehl, weil diese »Comic Books« zu sehr wie ein Teil einer Zeitung aussahen und zu wenig wie eine eigenständige Publikation. Einen anderen Weg ging Whitman Publishing Company mit den »Big Little Books«, handlichen 10 x 12,5 Zentimeter kleinen Büchern von rund 260 Seiten Umfang, die zur Hälfte mit ganzseitigen Bildern, zur Hälfte mit fortlaufendem Text gefüllt waren. Die »Big Little Books« erfreuten sich in den dreißiger Jahren großer Beliebtheit, bis sie von den Comic Books verdrängt wurden. Zur selben Zeit benutzten auch verschiedene Hersteller »Comic Books« mit Nachdrucken der bekannten Strips als Werbegeschenke. M. C. Gaines, einer der Pioniere der Comic Books, versah die Gratisnummern des Titels Famous Funnies mit einem 10-Cent-Aufkleber. Die Händler, die er dazu überredet hatte, die so präparierten Hefte an ihren Kiosken auszulegen, hatten sie innerhalb weniger Tage verkauft.
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Das nächste größere Experiment führte Delacorte mit Nachdrucken in einer Auflage von 35 000 Heften durch, die in Kettenläden schnell abgesetzt wurden. Die Experten blieben pessimistisch. 1934 stellte die New York Daily News die Bedeutung der Comics für die Zeitung in einer Anzeige heraus. Die Eastern Color Printing Company, die schon die meisten früheren Versuchshefte hergestellt hatte, sah sich veranlaßt, nun doch noch einmal den Versuch zu wagen. Famous Funnies wurde produziert, für zehn Cent verkauft, und — die erste Nummer war ein finanzieller Mißerfolg. Nach dem fünften Heft kam die Zeitschrift aus den roten Zahlen. Die Comic Books faßten Fuß. 1935 verlegte Delacorte die von Gaines produzierten Popular Comics. Tip Top Comics von United Feature Syndicate und King Comics von der McKay Company (mit von King Features in Lizenz übernommenen Strips) erschienen im Jahr darauf. Im März 1937 kam das erste Comic Book mit Originalmaterial ohne Nachdrucke auf den Markt, das ein redaktionelles Konzept hatte: Detective Comics. Der Erfolg prägte die Form, weshalb dieses Heft oft als erstes »echtes« Comic Book angesehen wird. Die Anfangsbuchstaben sind noch heute auf allen Titelseiten der National Comics zu finden. Die Bezeichnung DC-Comics ist populärer als der volle Firmenname. Entscheidend für den Inhalt der neuen Comic Books mit eigens für die Hefte konzipierten Geschichten wurden 1938 Action Comics mit dem ersten Auftreten von Superman, 1939 Heft 27 von Detective Comics mit Batman und 1941 Heft 8 von All Star Comics mit Wonder Woman. Sie wurden richtungsweisend.5 1939-40 gab es schon sechzig verschiedene Comicbook-Reihen, Ende 1941 einhundertachtundsechzig, 1950 zirka dreihundert und 1954 vor Einführung des Comics Codes rund sechshundertundfünfzig. Unter Aufsicht der Code Authority sind bis Ende 1969 genau 18 125 Hefte erschienen, davon l 110 Hefte zu rund 175 Titeln im Jahr 1969. Mit den nicht an den Code gebundenen Heften waren in diesem Jahr rund 250 verschiedene Titel auf dem Markt.
Das erste Superman-Heft erscheint 1939 mit einem Nachdruck der ersten Geschichte aus Action Comics, Nr. 1. © 1939 National Periodical Publications, Inc.
Neben den Abenteurern der frühen vierziger Jahre konnten sich aber auch die allseits beliebten anthropomorphen Tiere aus Paul Terrys oder Walt Disneys Werkstatt in Comic Books wie Terrytoons Comics oder Walt Disney's Comics and Stories durchsetzen. Und nach den reißerischen Gestalten der ersten Exemplare des neuen Mediums tauchten auch informative »Comic Books« auf, wie George Heckts True Comics, die Classics Illustrated der Gilberton Company und M. C. Gaines' Educational Comics.6
Der zweite Weltkrieg brutalisierte die Inhalte aller Massenmedien, auch die der Comics. Was 1940 noch sadistisch gewirkt hätte, galt 1945 als genaue Berichterstattung. Aber dann gingen einige Comics zu weit. Dies fiel um so schwerer ins Gewicht, da Comics jedermann zugänglich waren, und für manche Kinder wegen des niedrigen Preises die einzige gekaufte Lektüre darstellten. Es kam, wie es kommen mußte. Die Auswüchse der Comic Books wurden angegriffen, alle Comics gemeinsam denunziert. Wie beim Film und bei den anderen Medien war es deshalb nötig, daß sich die Hersteller Satzungen gaben, die den Inhalt regelten. Die Comics Code Authority wurde geschaffen. Sie ließ den ohnehin aufgeblähten Comicbook-Markt gesundschrumpfen.7 Obwohl die Kritiker der Comics Heft- und Zeitungsstrips meist über einen Kamm schoren, blieben die Zeitungsstrips weitgehend vom Comicsdebakel verschont. Denn wie die Syndikate und die 1946 gegründete National Cartoonists Society immer wieder betonten, hatten Zeitungscomics schon längst Richtlinien für die Herstellung. Um nach der Bereinigung des Marktes das Prestige der Comic Strips weiter aufzupolieren, wurde schließlich 1955 das Newspaper Comics Council gegründet. Der Comics Code scheint der günstigste Schlußpunkt für diese Entwicklungsgeschichte, da mit ihm die Form der Comic Books festgelegt war. Alles, was sich danach — und nach der einsetzenden Verbreitung der Comic Strips durch Syndikate — an Serien noch entwickelt hat, wird im Bezugsrahmen der entsprechenden Genres jeweils seiner Bedeutung gemäß dargestellt.
Sappo, der Top Strip zu Elzie Segars Thimble Theatre, bexieht seinen skurril phantastischen Humor aus der Konfrontation von Menschen mit lebenden Pflanzen auf dem Planeten Sappo. © 1937 King Features/Bulls
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Bild aus einer Folge von Al Williamsons Secret Agent X-9 in Originalgröße. In diesem Format entstehen die meisten Tagesstrips. © 1967 King Features/Bulls
Produktionsmethoden Richard Quines Spielfilm »How to Murder Your Wife« bietet Jack Lemmon die Möglichkeit, einen Comicszeichner zu parodieren, der durch seine Arbeit zu Unrecht in den Verdacht gerät, seine Frau umbringen zu wollen. Auf Realismus bedacht, spielt er nämlich alle Abenteuer seines Helden vorher durch und fotografiert dabei wild drauflos, um Fotovorlagen für seinen realistischen Comic Strip zu bekommen. Der Beruf des Zeichners ist in diesem Film jedoch nur exotische Staffage, nicht mehr. Der von Lemmon verkörperte Stanley Ford führt ein Playboyleben in Saus und Braus. Die Arbeit wird kurz nach Mitternacht im Handumdrehen erledigt. Mit den so gefertigten Zeichnungen übt Cartoonist Lemmon-Ford Macht über die Nation aus, die nach seinen Abenteuern lechzt. Der erfolgreiche Comicszeichner erhält in dieser Darstellung den Glamour des Filmstars. Im besten Fall stimmen an diesem Bild — für den Spitzenkönner — die Einnahmen. Denn die Wirklichkeit übertrifft den Film an Hektik und sie ist wesentlich prosaischer. Sicherlich hektischer war die Arbeit an jenem Comic Book, das den ersten gemeinsamen Auftritt des Sub-Mariners und des Human Torch beinhaltete. Es wurde innerhalb von drei Tagen von einem knappen Dutzend Zeichnern erarbeitet und gezeichnet, weil der Verleger das Heft nach Besprechung der Idee sofort haben wollte. Und dieser Fall stand nicht allein
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da. Im Hintergrund lauern immer die Termine, an Urlaub ist meist nur nach entsprechender Vorarbeit zu denken. Prosaischer als im Film ist die ständige Arbeit in einem Archiv für Referenzmaterial, oder die Suche nach Material, das die Richtigkeit historischer Tatsachen gewährleisten soll. Obwohl Comic Strips und Books viele Gemeinsamkeiten haben, zeigen sich schon in der Anfertigung Unterschiede. Strips werden für den Vertrieb in Zeitungen als Fortsetzungen hergestellt und müssen deshalb auf die dramaturgischen Notwendigkeiten der Fortsetzungsgeschichten eingehen. Comic Books können einen größeren Zusammenhang aufzeigen und abschließen. Es gibt Comic Strips, deren Story vom Zeichner gemacht wird, und Strips, bei denen der Zeichner die ursprüngliche Idee hatte, bei weiteren Folgen aber einen meist anonymen Autor oder Gagwriter sucht, den er von seinem Honorar bezahlt. Comics wie das Phantom oder Mandrake wurden von einem Autor, Lee Falk, erfunden, der Zeichner vom Syndikat angestellt. Als ein Beispiel für die Anfertigung eines Comic Strips mag Hal Fosters Prince Valiant stehen. Zunächst wird die vorgesehene Geschichte in Romanform festgelegt, überarbeitet und auf Genauigkeit überprüft. Für die rühmenswerte historische Stimmigkeit dieser Serie ist zudem umfangreiches Bildmaterial erforderlich. Nach dem »Roman« entsteht der Bleistiftentwurf der einzelnen Seiten, die jeweils den Faden der
Vorwoche aufnehmen und auf einen neuen Klimax zusteuern müssen. Dabei wird der »Roman« um zwei Drittel gekürzt, um einen möglichst knappen Text zum Bild zu erhalten. Dann wird die 29 x 15 Zoll große Seite in Tusche ausgearbeitet, fotokopiert und die Fotokopie koloriert. Nach dieser Farbvorlage entstehen die Druckplatten. Bei der Tuschezeichnung muß sich der Assistent ganz auf Fosters Stil einstellen. So mußte zum Beispiel der Linkshänder Tex Blaisdell Posters Zeichnungen auf den Kopf stellen, wenn er den Hintergrund schraffieren sollte, damit der Ge samteindruck der Zeichnung der eines Rechtshänders blieb. Dieser Perfektionismus wird von den Syndikaten auch bei der Fortführung altbewährter Serien gewünscht, die im Stil des früheren Zeichners fortgeführt werden sollen. Wie die Zusammenarbeit zwischen einem Zeichner und Assistenten aussieht, erzählt Al Williamson, der 1960 Assistent von John Prentice für den Strip Rip Kirby wurde: »Ich machte gewöhnlich das Layout für einen Strip, zeichnete ihn dann mit Bleistift und führte den Hintergrund in Tusche aus. Später machte ich das Layout eines Strips, und John führte dann die Hauptfiguren mit dem Bleistift genauer aus. Danach detaillierte ich den Hintergrund, und dann führte John das ganze in Tusche aus — die Figuren und den Hintergrund. Ich hielt meine Tuschausführung nicht für sehr gut, aber gelegentlich, wenn ich mich mutig genug fühlte, zeich-
nete ich den Hintergrund mit Tusche aus. Das machte mir immer Angst, aber ich arbeitete so zwei oder drei Jahre für John, und dann gab er mir gelegentlich die Möglichkeit, das ganze Ding anzufertigen. . . . Als er anfing, mich alleine arbeiten zu lassen, zeichnete John die Köpfe der Hauptfiguren in Tusche ein, und schließlich war ich dann soweit, daß ich von Zeit zu Zeit den ganzen Strip machen konnte. Zu dieser Zeit fertigte ich auch ›Geisterarbeit‹ für weitere Zeichner.« 8 »Ghosting«, anonyme Mitarbeit an Comic Strips, ist keine Seltenheit. Assistenten nehmen dem Zeichner zeitraubende Recherchen ab oder sind auf Details wie Hintergründe oder Kleidung spezialisiert. Für die Schrift ist fast immer ein weiterer Spezialist zuständig, der Kalligraph. Nur wenige Zeichner arbeiten wie Charles M. Schulz ganz allein, weil nur so der fertige Comic ganz ihren Vorstellungen entspricht. Der von Schulz gewählte Zeichenstil ist wohl der Grund dafür, daß Schulz dennoch den mörderischen Zeitplan einhält, den ein an sieben Tagen der Woche erscheinender Comic Strip erforderlich macht. Die fertigen Zeichnungen werden dem Syndikat zur Begutachtung vorgelegt. Falls es nötig erscheint, werden noch Korrekturen an Text oder Bild gemacht. Dabei handelt es sich meist um Kleinigkeiten, denn die Geschichten sind ja vor der Ausarbeitung dem Syndikat aus der vom Verfasser vorgelegten Synopsis bekannt.
Rip Kirby von John Prentice ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Strip ohne Stilbruch nach dem Tod eines Zeichners (in diesem Fall Alex Raymond) weitergeführt werden kann. © King Features/Bulls
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Beim Syndikat werden im allgemeinen auch die Raster über die Zeichnungen gelegt, und zwar an den Stellen, die vom Zeichner hellblau laviert wurden. Die Farbe Blau wird später im fotografischen Prozeß der Herstellung der Druckvorlagen nicht reproduziert. Sonntagsseiten unterscheiden sich von den Tagesstrips häufig dadurch, daß sie mit weniger schwarzer Tusche, mit weniger schweren Schatten gezeichnet werden, damit die Möglichkeiten der Farbgebung voll ausgeschöpft werden können. Sonntagsstrips sind im übrigen an feste Regeln der Bildaufteilung gebunden. Die Bilder müssen so auf der Seite verteilt sein, daß sie eine ganze hochformatige Seite füllen und doch ohne Schwierigkeiten so ummontiert werden können, daß sie verkleinert eine halbe Zeitungsseite im Querformat ergeben. Aus Platznot, oder um mehr Comics in einer Zeitung bringen zu können, muß dann noch die erste Bildreihe entbehrlich sein, damit die ursprüngliche ganze Seite als Drittelseite eingesetzt werden kann. Für Humorcomics bedeutet das, daß in der ersten Bildreihe neben dem Titel ein mit dem übrigen Inhalt in Beziehung stehender Gag erscheint, der aber für die Pointe des Strips nicht unbedingt erforderlich ist. Er gibt das Thema vor, das in den restlichen Bildzeilen ausgeführt wird. Abenteuerstrips nützen die erste Bildreihe zur Aufrischung des Gedächtnisses. Reine Sonntagsstrips bieten dabei eine Wiederholung in neuen Bildern, Strips, die an allen Tagen der Woche ihre Story erzählen, bringen im ersten Großbild eine Zusammenfassung dessen, was der Leser versäumt hat, der die Wochentagsfolgen nicht kennt. Bei einer Drittelseite steht diese Zusammenfassung meist vor dem ersten Bild beim Titel der Serie.
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In den USA erschienen noch bis zu Beginn der fünfziger Jahre Comic Books mit Zeitungsnachdrucken wie Super Comics und King Com ics. Schon längst aber bildeten Comic Books wie hier DCs Flash Comics mit eigenständigen Serien das Hauptkontingent der Produktion. © 1947 Chicago Tribune — New York News Syndicate (links), © 1948 King Features/Bulls (Mitte), © 1948 National Periodical Publications, Inc. (rechts)
Comic Strips und Comic Books werden bis zu einem halben Jahr im voraus produziert. Während aber Comic Strips in Amerika immer an dem Tag erscheinen, der im Bild vermerkt ist, sind die Comic Books vordatiert. Fast alle existierenden Zeitschriften sind wegen der Lieferfristen vordatiert, aber nur wenige so extrem wie amerikanische Comic Books. Im »Golden Age of Comics« wurden viele Zeichner zunächst damit beschäftigt, die Tuschumrandungen der Bilder mit dem Lineal anzufertigen. Manch große Zeichnerkarriere begann auf dieser untersten Stufe. Der Produktionsprozeß eines Comic Books beginnt aber in der Regel mit dem Ausbrüten der Ideen durch die Redakteure, die daraufhin den Verfasser der Ge schichten beauftragen, ein »Drehbuch« zu schreiben, nach dem schließlich ein Zeichner den Entwurf fertigt. Dieser Bleistiftentwurf wird dann mit Tuschumrandung versehen und von einem Textzeichner betextet. Gelegentlich wird der Text auch nachträglich eingefügt oder eingeklebt. Schließlich fertigt ein zweiter Zeichner die Tuschezeichnung an. Manchmal übernimmt der »penciler« die Aufgabe des »inkens« selbst. Nachdem die Bleistiftlinien wegradiert sind, geht jede fertige Seite zur Comics Code Authority nach New York, wo sie nach den Grundsätzen des Comics Code durchgesehen wird.
Wenn es keine Beanstandungen gibt, wird die Seite mit dem Plazet der Code Authority versehen, zurückgeschickt, fotokopiert und mit der Fotokopie eine Farbvorlage hergestellt. Stan Lee von Marvel Comics führte eine rationelle und zugleich kreative Abweichung in der ersten Stufe ein: Die Grundidee einer Geschichte wird mit dem Zeichner diskutiert, dem dann weitgehend die Ausarbeitung überlassen bleibt. Zum vorgelegten Bleistiftentwurf wird dann der Text verfaßt, der anschließend wie oben im Bild placiert wird, bevor die Tuschezeichnung entsteht. Dies ist eines der Geheimnisse des berühmten Marvel-Touch. Formen und Merkmale In Comics (Strips und Books) wird eine Geschichte in der Wechselbeziehung von Bild und Text erzählt und »geschrieben«. Der »Kunstanspruch« ist nicht primär, da die Comics für den Verbrauch und nicht für Museen gemacht sind. Comic Strips wie Cisco Kid erscheinen nur an Werktagen, manche wie Prince Valiant dagegen nur an Sonntagen, und die Abenteuer von Dick Tracy kann man an allen Tagen der Woche verfolgen. Abenteuerstrips, die an sieben Tagen der Woche erscheinen, haben entweder zwei parallel laufende verschiedene Abenteuer wie das Phantom oder eine in Wochen- und Sonntagsfolgen miteinander verzahnte Geschichte,
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wie zum Beispiel Terry and the Pirates, Dazu ist oft eine komplizierte Handlungsaufteilung nötig, die übermäßige Wiederholung vermeidet und einem 7-Tage-Leser stets Neues bietet, ohne den Werktags- oder Nur-Sonntagsleser den Faden verlieren zu lassen. Die ersten Tagesstrips gingen noch quer über die ganze Zeitungsseite. Aber im zweiten Weltkrieg hieß es in Amerika Papier sparen. Und die Comics schrumpften von acht über sechs auf vier Kolumnen Breite, was etwa 18 cm entspricht. Die Zahl von einem bis zu vier Bildern pro Tagesfolge wurde beibehalten. Sonntagsstrips haben, wie Mary Perkins On Stage, mindestens vier Bildreihen, wenn sie ganzseitig im Hochformat wiedergegeben werden, oder sind wie Blondie auf sechs Bildreihen verteilt. Halbseitig haben sie meist drei Reihen wie die Peanuts darunter Charlie Brown, Snoopy, Woodstock, Lucy van Pelt und Co., zum Teil auch nur zwei Reihen wie Rick O'Shay. Die verschiedenen Formate der Serien werden für Tabloidformat und Zeitungsformat von den Syndikaten in der gewünschten Seitenaufteilung und Größe zur Verfügung gestellt.
Rick O'Shay von Stan Lynde. Dieser Western Comic wird zunächst für eine Drittelseite gezeichnet. Wenn er (wie hier) im Halbseitenformat erscheint, werden auf der linken Seite zwei Bilder weggelassen. © 1968 Chicago Tribune — New York News Syndicate
Auf Wunsch werden von den Syndikaten auch komplette Comics Sections für eine Zeitung zusammengestellt, mit dem Titel der Zeitung gedruckt und schließlich der entsprechenden Sonntagszeitung beigelegt. Ähnliche Comicsbeilagen gibt es in Europa erst seit einigen Jahren, als sie in Frankreich eingeführt wurden, wenn man einmal davon absieht, daß davor die europäische Ausgabe der Armeezeitung Stars & Stripes natürlich eine Sonntagsbeilage hatte, und daß die vornehmlich für amerikanische Soldaten gemachten Wochenzeitungen Overseas Weekly und Overseas Family Weekly dafür sorgen, daß Amerikaner in Europa neben den Comic Books die Strips nicht entbehren müssen. Comic Books haben im allgemeinen ein Format von etwa 17,5 x 26 cm, das aus der Halbierung des Tabloidzeitungsformats entstanden ist. Ursprünglich kosteten die amerikanischen Comic Books 10 Cent und hatten 64 Seiten Umfang im Zeitungsdruck. Dazu kam ein Umschlag aus festerem, glatten Papier. Heute ist der Heftumfang über 52 und 40 Seiten auf 32 plus Umschlag geschrumpft, der Preis über 12 auf 15 Cent angestiegen. Sonderhefte, »Annuals« genannt, die 96 Seiten plus Umschlag hatten, wurden für 25 Cent verkauft. Heute gibt es wieder Extrahefte für 25 Cent — mit 64 Seiten. Die Hefte boten gegenüber den Zeitungsstrips die Möglichkeit, abgeschlossene Geschichten zu präsentieren. Die Bildaufteilung im Rechteck der einzelnen Seiten konnte freier und phantasievoller vorgenommen werden als bei den Sonntagsstrips. Der Stil der Comic Books der 30er und 40er Jahre war kruder und simpler als der der Comic Strips, aber gerade das machte ihren Reiz aus. Die Distanz zum — meist jugendli-
chen — Leser war weniger groß. Die Zeichnungen sahen fast so aus, als könne man sie mit ein wenig Talent selbst anfertigen. Seit den Anfangsjahren der Comic Books, die heute gerne auch als »Golden Age of Comics« bezeichnet werden, hat sich die Reproduktionstechnik verbessert, und die Anforderungen an die Zeichner sind höhergeschraubt worden. Die Qualität der Comic Books ist wesentlich gestiegen. Neben den aus Amerika importierten oder in deren Stil gemachten Comicsheften, gibt es — speziell in Europa — noch die Comicszeitschriften, die eine Vielzahl verschiedener Abenteuerserien und Humorserien meist in Fortsetzungen bringen, und die außerdem noch Artikel über Themen der Jugend beinhalten. Diese Jugendzeitschriften entwickelten sich aus Bildertafeln wie den Images d'Epinal. Zu ihnen zählen der 1908 gegründete Corriere dei Piccoli, die 1946 gegründete belgische Zeitschrift Tintin und das französische Comicsmagazin Pilote (1959). Diese Zeitschriften erscheinen wöchentlich und eignen sich deshalb besser für Fortsetzungsgeschichten als die amerikanischen Comic Books, die monatlich, zweimonatlich oder vierteljährlich erscheinen. Manche europäischen Comics erschienen schon vor der Zusammenfassung in Zeitschriften, in Illustrierten oder Zeitungen wie zum Beispiel seit 1929 Tintin. Und von diesen haben sie auch den Hang zur Fortsetzung übernommen, der erst in jüngster Zeit allmählich zurückgeht. Diese Comicszeitschriften erscheinen meist im Format DIN A 4 (21 x 29 cm). Die Denkblase des großen bösen Wolfs (Big Bad Wolf) kündigt eine neue Teufelei an. Aus: Walt Disney's Comics and Stories, Nr. 111. © 1949 Walt Disney Productions
Linke Spalte oben: Donald Duck jagt mit Speed Lines um die Ecke. Aus: Walt Disney's Comics and Stories, Nr. 303, Nachdruck. © 1944 Walt Disney Produktions Linke Spalte unten: Speed Lines dienen häufig auch der Verschleierung von Violenz, der Stern im rechten Bild symbolisiert Schmerz. Aus: Die tollsten Geschichten von Donald Duck, Nr. 22. © Walt Disney Productions/Ehapa Verlag Stuttgart
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In Deutschland weisen Comic Books alle periodischen Erscheinungsmöglichkeiten von wöchentlich bis vierteljährlich auf. Die wöchentlich erscheinenden Hefte im klassischen Comicbook-Format, die verschiedene Serien unter einem Titel vereinen, wurden nach dem zweiten Weltkrieg als erste eingeführt, zunächst als Monatsschriften. Sie stehen bis heute an der Spitze der Auflagenzahlen. So hat Micky Maus mit 1,4 Millionen Heften den Löwenanteil an den 12 Millionen Heften, die in Deutschland jeden Monat verkauft werden. Nach anfänglich mehr oder weniger auf nationale Eigenheiten zugeschnittenen Comics-Serien setzte sich zunehmend ein internationaler Austausch durch. Die erfolgreichsten Serien gibt es meist auf allen Kontinenten zu lesen und manchmal auch in den verschiedenen politischen Eagern des Ostens und Westens.9 So unterschiedlich Comic Strip und Comic Book von der Form und vom Erzählstil her sein mögen, so sehr ähneln sie sich natürlich im stilistischen Vokabular, in der Art und Weise, in der die Bilder zu lesen sind. Wichtigstes Kriterium für Comics ist, daß der Text im Bild untergebracht ist. Strips wie Hal Fosters erste Tarzan-Folgen, bei denen der Text noch außerhalb des Bildes steht, zählen zu den Comics, weil sie in dramaturgisch ähnlich aufgebauten Fortsetzungen erschienen und deshalb schließlich ganz deren Form annahmen. Könnte der Text auch ohne Illustration auskommen, ist er also nicht auf die Wechselwirkung von Bild, Erzählung und Dialog abgestellt, kann man allenfalls von illustrierten Erzählungen oder Bildheften sprechen, nicht aber von Comic Strips oder Books. Der Text im Bild ist meist dialogisch aufgebaut, Übergänge werden durch eckig gerahmte Erzählungen gegeben. Der Dialog ist in Sprechblasen oder Ballons untergebracht, die verschieden geformt sind, und durch einen »Schwanz« den redenden Personen zugeordnet werden. Bei der Form der Sprechblasen beginnt jene Emblematik, die sich im Eauf der Jahre als mehr oder weniger verbindlich für alle Comics eingebürgert hat. Ein normales Gespräch wird in Sprechblasen geführt, deren Umrandung in einem durchgehenden Strich gezeichnet und mit einer Spitze dem Sprechenden zugeteilt ist. Eine durchbrochene Umrandung weist auf Flüsterton hin, ein kleiner als
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normal geschriebener Text in einer großen Blase verdeutlicht erstauntes oder beschämtes Sprechen. Ein Schrei läßt sich schon an der stachligen Umrandung erkennen, die berühmte »Stimme am Telefon« durch eine Zickzackumrandung, die über einen Zickzackpfeil im Telefon verschwindet. Frostig hochnäsige Sprechweise läßt am unteren Rand der Ballons Eiszapfen wachsen, wer denkt, hat eine Denkblase durch eine Reihe von Kreisen zugeordnet. Weist der Pfeil eines Ballons aus dem Bild, ist der Sprecher im Off. In diesen Textfeldern beginnt eine weitere Gruppe von lesbaren Hinweisen, die »Bildsprache«. Flüche werden durch Sterne, Rufezeichen und diverse andere Zeichen umschrieben, wem ein Eicht aufgeht, dem erscheint in Gedanken von der Kerze über die Glühbirne bis zum Kronleuchter alles, was in Redewendungen lange umschrieben werden muß. Niedergeschlagenheit äußert sich in schwarzen Wolken, in denen die Stimmung mit einem einzigen Wort wie »Gloom!« oder »Trübsal!« treffend umschrieben wird. Ist die Stimmung gar auf dem Tiefstpunkt angelangt, regnet es auf den solchermaßen Bedrückten zu allem Eeid auch noch aus der eigenen Denkblase herab.
Oben: In dieser Folge von Art Samsons The Born Loser wird die Denkblase effektvoll für einen Gag genutzt. © 1970 Newspaper Enterprise Association, Inc./UPI Eine besondere Art von Fluchsymbolik praktiziert A. Uderzo in Asterix. Die Goten werden durch Fraktur in der Sprechblase charakterisiert. Aus: Asterix und die Goten. © 1963, 1970 Dargaud S. A. Paris/Ehapa Verlag Stuttgart
Neben dem sprichwörtlichen Sägebock stehen ZZZZ und CHRRR für das Geräusch des Schnarchens. Sie sind ein Exempel für die Onomatopöien, die für alle Laute der Umwelt stehen können. Ob nun jemand mit den Fingern SCHNAPP! macht, aus gutem Grund GNNNH stöhnt oder mit einem VRRROAAAAW den Rennwagen startet, die lautmalenden Worte helfen den Comics, den fehlenden Bereich der Akustik ins Bild zu transponieren. Die onomatopoetischen Exzesse der Marvel Comics sorgten nach langen Jahren der Dürre für Neuschöpfungen wie THTIP!, FZOPPP!, SKLAK! und PTOOM! Aber die Totalsprache von Film und Fernsehen bleibt den Comics dennoch versagt. SPROIIINNNGNNG-NG! Einige Noten (oder regelrechte Partituren) deuten an, daß Musik ertönt, melodiös gesprochen oder gepfiffen wird. Der bildhafte akustische Eindruck deutet außerdem einen Zeitablauf an und somit auch Bewegung, jenen Teil der Umwelt, der den Comics fehlt, und für den sie auch einen Ersatz gefunden haben: die Speed Lines (auch Action Lines genannt). Sie zeigen die Bewegungsrichtungen an. Trifft eine solchermaßen bewegte Faust auf ein Kinn, kommt es zu einer sternförmigen Explosion von Strichen. Speed Lines folgen der
Richtung, die ein Gegenstand oder eine Person nimmt, um deren Bewegung anzudeuten. Demselben Zweck dient es, wenn die Konturen eines Gegenstandes zu einem Zeitpunkt vor dem letztgezeichneten wiedergegeben werden. Zeitabläufe müssen von Bild zu Bild dazugedacht werden. Besonders effektvoll lassen sich Zeitabläufe ohne die Zwischenbemerkung »Minuten später . . .« im »split panel« darstellen. Dabei werden zwei oder mehrere Bilder durch einen Hintergrund verknüpft, der sich über diese Bilder hinzieht. Die handelnden Personen können dann in jedem Bild sozusagen von links nach rechts vor dem Hintergrund durchs Bild gehen. Im Film entspräche diese Darstellung einer stehenbleibenden Totale, die den Zuschauer auf Distanz hält und Einsamkeit der handelnden Personen vermitteln kann. Neben der zeitlichen Bedeutung kann ein »split panel« auch Symbolwirkung haben; wenn zum Beispiel darauf hingewiesen werden soll, daß alle Menschen gleich sind, wird ein halber Kopf eines Negers und eines Weißen in einem »split panel« zu einem Kopf zusammengesetzt. Man könnte die »Emblematik« der Comics ad infinitum fortführen. Doch die angeführten Beispiele mögen genügen, denn die Umsetzung eines Geschehens ins Bild erfolgt nicht nach einem starren Zeichenschema. Die »Emblematik« ist ein reicher Fundus, der nach Belieben variiert werden kann. Die Auswahl aus dem Bereich der Bildverschlüsselung hängt überdies vom gewählten Genre ab. Wie alle Unterhaltungsbeiträge, die auf Serie abgestellt sind, haben die Comics natürlich auch ihre Hauptpersonen oder ihr Hauptthema. Die Geschichten dieser Hauptpersonen können in Fortsetzungen oder abgeschlossenen Folgen erzählt werden. Sie können täglich eine witzige Situation zeigen wie in Blondie oder in dem Pantomimenstrip Henry. Sie können täglich spannend auf einen Höhepunkt hinsteuern, dem am folgenden Tag der nächste Klimax folgt. Sie können werktags wie Dennis the Menace als cartoon panel auftauchen und sonntags ein veritabler Comic Strip sein. Sie können in Heften abgeschlossene Abenteuer sein, deren Fortsetzung sich aus den eingewobenen »subplots« ergibt. Sie können sich also, wie gesagt, auf alle möglichen Weisen mit jedem denkbaren Thema befassen. Doch wie soll man die Vielzahl der Serien katalogisieren?
Ein charakteristisches Beispiel für ein »Split Panel«, in dem die stehende Totale aufgeteilt wird, um ohne Erzähltext einen Zeitablauf darzustellen. Aus: Our Army at War, Nr. 218, Zeichner:Russ Heath. © 1970 National Periodical Publications, Inc.
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Auch Howie Schneider benützt in Eek & Meek öfter das Stilmittel des »Split Panel«. Eek ist der Mäuserich mit dem schwarzen Hut. © 1970 Newspaper Enterprise Association, Inc./UPI. Unten: Peanuts auf japanisch. Das onomatopoetische »SWOOP!«, das Snoopy im Original begleitet, hat auch in dieser Fassung seinen Reiz. © 1970 United Feature Syndicate/UPI
Comics-Inhalte sind bisher in zwei bis acht Hauptgruppen aufgeteilt worden. Die Einteilung in zwei Hauptgruppen scheint die geeignete, wenn man von der historischen Entwicklung ausgeht, die grob vereinfacht so aussieht: 1900 bis 1930 Funnies 1930 bis 1940 Abenteuer 1940 bis 1954 Superhelden Herbst 1954 Comics Code 1955 bis 1962 Rezession 1962 bis 1970 Neuer Comics Boom Der Zeitraum bis zur Einführung des Comicscode zeigt, daß sich humorvolle und abenteuerliche Inhalte der Comics zu verschiedenen Zeiten entwickelt haben. In diesen historisch bedingten Kategorien entwickelten sich im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Genres. Da das Abenteuergenre der Su-
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perhelden mit der Einführung der Comic Books zusammenfällt, und da Superhelden fast ausschließlich in Heften auftreten, scheinen sie wichtig und isoliert genug, um gesondert betrachtet zu werden. Alle anderen Genres werden im Rahmen der beiden Hauptkategorien vorgestellt und untersucht. Figuren aus DC und Marvel Comicserien mit Superman, Batman und Spider-Man. DC Comics mit Superman, Batman und Wonder Woman, und Marvel Comics mit Spider-Man, Hulk, X-Men und andere Marvel-Superhelden. Die Unterscheidung hier Abenteuer dort Humor erfolgt nach thematischen und formellen Kriterien. Ist die inhaltliche Absicht primär die, humorvoll zu unterhalten (sei es in witzigen Alltagssituationen oder in »Abenteuern« des kleinen Mannes) und wird diese Absicht durch einen karikierenden Zeichenstil unterstützt, zählt die Serie zur Gruppe Humor. Ist das Abenteuer der Ausgangspunkt (todernst, melodramatisch oder allenfalls leicht mit Humor gewürzt) und wird dem durch einen wie auch immer stilistisch geprägten Realismus Rechnung getragen, steht diese Serie in der Gruppe Abenteuer und Melodram.
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All comedy is based on man's delight in man's inhumanity to man. AL CAPP: » THE COMEDY OF CHARLIE CHAPLIN« The theological implications alone are staggering. LINUS
II Humor und Alltag Amerikanischer Humor, den »wir«, wer immer mit diesem persönlichen Fürwort gemeint ist, laut dem deutschen Kommentar zu einer Frank-Sinatra-Show nicht verstehen, das ist Mark Twain und Slapstick der Güteklasse Mack Sennet und Jerry Lewis, das ist die Tall-tale, die grenzenlose Übertreibung a la Münchhausen in den Geschichten der Frontier und das ist der Wortwitz der Fernsehshow »Martin and Rowans Laugh In«.1 Die meisten Amerikaner glauben, trotz allem noch immer einen »sense of humor« zu haben, diese sozial wirksame Eigenschaft im anglo-amerikanischen Volkscharakter. Aber schon seit langem muß ihnen beim Lachen Beistand geleistet werden, das heißt, es wird ihnen mit Gewalt im Rundfunk und Fernsehen per »canned laughter«, eingeblendetem Gelächter vom Tonband, klargemacht, an welchen Stellen sie zu lachen haben. Ähnliche Krücken haben die Funnies nicht nötig. Zwar besteht auch ihr Humor meist nur aus dem Gag, dem Witz ohne Substanz, aber das Geheimnis ihrer speziellen Wirkung liegt in der Natur der Comics, in der Paarung des Wortwitzes mit der Pointierung durch die Strichzeichnung. Die Comics kommen in wenigen Bildern zur Pointe, denn »brevity is the soul of wit«, wie es in der Hamlet-Ausgabe der Illustrierten Klassiker auf Seite 12 heißt. Ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst der Comics, das galt zumindest bis etwa 1930, denn bis die Abenteuer-Strips aufkamen, waren die Comics-Sektionen der Zeitungen eine reine Ansammlung von groteskem, burleskem Humor jeglicher Art, und deshalb hat sich bis heute für die Comic Strips auch das Synonym »The Funnies« gehalten. Little Nemo in Slumberland von Winsor McCay. Die Traumwelt von Little Nemo fasziniert durch Winsor McCays unerreichte Meisterschaft in der perspektivischen Darstellung. Auch in Europa begeistern sich nunmehr die Leser an Nachdrucken und Liebhaberausgaben, wie in diesem Beispiel aus einer niederländischen Edition. © 1945 McCay Features Syndicate by permission of Woody Gelman
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In ihrer Anfangsphase, vor der Ausbreitung auf die Zeitungen im ganzen Land, bevor die Funnies für die Syndikate zur Ware wurden, herrschte in den Comics noch die Freiheit des Experimentierens. Damals waren die Funnies noch skurril, boten herrlichen Nonsens und Slapstick, bestimmte reine Situationskomik ihren Inhalt. Es war ein Humor, der zumeist auf Schadenfreude beruhte. Der Stummfilmhumor profitierte stark von dem Klima, das die Funnies vorbereitet hatten. Mit der Syndikatisierung begann die Selbstzensur und so war (und ist bis heute) kein provokativer Humor möglich; die schwachen Ansätze eines ethnischen Witzes verschwanden wieder. Einen schwarzen Humor, einen »sick joke« hat es in den Funnies nie gegeben. Man beschränkte sich nun künftig auf das Lächeln über kleinere menschliche Schwächen universaler Natur und der satirische Witz, der indirekte soziale Kommentar war ohne Biß, da er als Selbstkritik der Massen niemandem wehtun durfte. Die breiteste der Käuferschichten, der untere Mittelstand (white lower middle class), fand sich in den Funnies schwach karikiert, aber nie wirklich satirisch provoziert. Je mehr der Wortwitz in die Comic Strips miteingebaut wurde, desto mehr boten manche Strips geistreichen Humor. Sie wurden »sophisticated«. Das Wörtlichnehmen des übertragen Gemeinten ist seit Till Eulenspiegel ein beliebtes Mittel, Lachen zu erzielen. Dieser Witz der semantischen Fehlinterpretation wurde nun in den Comics zum Teil mit der angelsächsischen Freude am puren Nonsens gepaart und zur Sophistication erhoben. Besonders diese geistreichen Strips waren es dann, die ihren Witz aus krassen Inkongruitäten bezogen, aus dem Ausspielen und bewußten Einsetzen absurder Mißverhältnisse und Widersinnigkeiten. Auch der Reiz der anthropomorphen Tiere beruht zum größten Teil auf dieser Art von Humor.
Trotz des Erfolges von Pogo (1948/49) und Peanuts (1950) etablierte sich dieser »sophisticated humor«, der nun mit einem Kommentar der Gesellschaft gekoppelt wurde, nur sehr zögernd. Erst nach 1955 setzte dann die Flut neuer Funny Strips ein, die bis heute andauert. Von den 39 zwischen 1956 und 1960 eingeführten Strips waren 32 humoriger Natur oder zumindest vom Zeichenstil her den Funnies zugehörig. Seit 1960 kamen nochmals über 30 neue witzige Streifen hinzu — doppelt soviele wie realistisch gezeichnete Abenteuer-Strips. Dabei ist zu bedenken, daß heute meist erst ein anderer Strip verdrängt werden muß, bevor sich ein neuer zu etablieren vermag. Je nach Definition und der damit verbundenen Bewertung von Zeichenstil oder Inhalt, sind heute etwa zwischen 60 und 80 Prozent der Comic Strips Funnies. Wie die Abenteuer-Strips gab oder gibt es die meisten der erfolgreichen Funnies auch als Comic Book, wobei es sich entweder um Nachdrucke aus den Zeitungen handelt, wie am Anfang der Comicbook-Entwicklung, oder um von GhostZeichnern gefertigte Produkte. Anders als die Funnies der Zeitungen werden die lustigen Comic Books fast ausschließlich von Kindern gelesen und auf diese hin ausgerichtet — was natürlich nicht ausschließt, daß sich auch Erwachsene, wie etwa bei einigen Walt-Disney-Heften, an dieser Kost delektieren. Pechvögel und Groteske Um ohne Umschweife leicht verständlich zu sein, griff man in den Funnies auf die Typen der humoristischen Folklore zurück, in der man schon den Pechvogel vorgeprägt fand, den ewigen Verlierer, den unfreiwilligen Clown, den »Underdog«. Mit dieser Figur begann auch die klar erkennbare soziale Funktion der Comic Strips. Mit der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen hatte die Leserschaft bald genug von dem plump geschmacklosen, sozialkritischen Element in Outcaults Yellow Kid und verlangte nach leichterer Kost, die ein befreiendes, kathartisches Lachen ermöglichte. Auch im Stummfilmhumor sollte Sozialkritik nur gelegentlich eingeschmuggelt werden, etwa beim kleinen Tramp Charlie Chaplin, der sich nicht integrieren läßt. Der erste der witzigen Narren, die tausendmal besser sind als die närrischen Wits, trug eine Konservenbüchse auf dem Kopf. Happy Hooligan, der 1899 zum erstenmal erschien, erweckt durch seine Menschlichkeit, seine Güte, mit der er allen mißlichen Lagen begegnet, in die er durch Zufall und Pech gerät, und durch die Geduld, die er allen Quälereien und Prügeln entgegensetzt, beim heutigen Betrachter nur eine leicht bitter gefärbte Schadenfreude. Frederick Burr Opper, der Schöpfer dieses richtungsweisenden Pechvogels, war einer der großen Innovatoren und Ge nies des Comic Strip und er wurde wie George McManus (Bringing Up Father) oder Herriman (Krazy Kat) eigentlich
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nur wegen eines einzigen Strips unsterblich, obwohl er doch, wie die beiden anderen Großen der Frühzeit der Comics, gerade mit seinen vielen anderen Strips ein breites Feld für die Epigonen bis zum heutigen Tage aufbereitete. Andere wichtige Strips Oppers waren Alphonse and Gaston, eine Serie über den Exzeß der Höflichkeit (»Nach Dir, lieber Ga ston« — »Nein, nach Dir, mein lieber Alphonse, ich bestehe darauf«, etc. etc.), und And Her Name was Maud, die heiteren Erlebnisse eines Maultiers, eine der ersten populären Tierfiguren in den Funnies, von der sich die zahllose Nachkommenschaft ableitet. Opper diktierte auch den Stil einer Schar von Zeichnern. Seine Gestalten mit dem breiten Mund, der großen affenartigen Oberlippe findet man genauso in der Anfangsphase von Herriman oder George McManus. Auch Rube Goldberg und Milt Gross stehen deutlich unter seinem Einfluß. Die Funnies selbst gaben der Gestalt des ewigen Pechvogels den treffenden Namen. Aus Bud Fishers Mutt and Jeff entstammt der »fall guy«, einer der wichtigsten Neologismen, die die Comics prägten. »L'homme moyen sensuel«, der Undefinierte Massenmensch, bekam im »fall guy« ein Gesicht, artikulierte sich in Happy Hooligan, Augustus Mutt, Barney Google, Dagwood oder Donald Duck, in Beetle Bailey, Archie oder in Mr. Mitchell, dem Vater von Dennis the Menace, Dennis the Menace und Gnasher, Minnie the Minx und The Beano. Der fall guy ist vom Schicksal dazu auserkoren, das Pech exemplarisch bis zur Neige auszukosten, um dem Leser ein Ventil für seine eigenen Frustrationen zu geben. Mutt and Jeff (siehe auch S. 14) haben sich mit ihrer bis heute andauernden Karriere einen prominenteren Platz in der amerikanischen Folklore erobert als etwa Laurel und Hardy, Blondie und Dagwood, Superman und Batman, und mehr. Der Begriff »fall guy« ging in die Umgangssprache ein, denn Mutt charakterisierte treffend eine jener Typen, die sich besonders durch stets fehlende Fortune auszeichnen — was bei Mutts extremer Liebe zu Pferdewetten besonders gravierend wirkte. Nachdem er sich mit Jeff zusammengetan hatte, begann Mutts Wettleidenschaft als Gagpotential zu schwinden und Mutt and Jeff wurden zu zwei Jedermanns (als Mute and Jute in »Finnegan's Wake« angedeutet), arm an Geist und materiellen Gütern. Zu Anfang verbanden sich in Mutt and Jeff der Appeal des fall guy mit der Groteske. Es kam Bud Fisher damals nicht darauf an, daß Mutt manchmal sechs oder gar sieben Finger hatte, denn alles war auf den Gag hin ausgerichtet. Wie in Happy Hooligan und all den anderen grotesken Streifen üblich, praktizierten auch Mutt and Jeff zur Unterstreichung eines Witzes gern etwas, das heute im Comic Strip selten geworden ist: Sie fielen in Ohnmacht, ja es warf sie oftmals förmlich rückwärts aus dem Bild, so daß nur mehr ihre Beine und die Bewegungslinien zu sehen waren. Dieses Stilmittel zur Darstellung outrierter Gefühlsausbrüche wie Entsetzen oder höchstes Erstaunen, das man in der Comicgroteske und im Slapstick so gerne praktizierte, wurde im Laufe der Jahr-
Snuffy Smith von Fred Lasswell. Snuffy bei seiner üblichen Tätigkeit: Er ruht, neben sich den »moonshine«. Durch den Hinterwäldler-Dialekt in Snuffy Smith wurde die amerikanische Sprache wiederholt bereichert. © 1965 King Features/Bulls
zehnte immer seltener eingesetzt, da sich mit zunehmender Verfeinerung des Comic-Witzes auch die zeichnerische Emblematik wandelte. Barney Google, von Billy de Beck ab 1919 gezeichnet, war wie Mutt ein fall guy, ein Versager. Barney das kleine herumgestoßene Männchen, das keinen Job lange halten konnte, bekam eines Tages ein Rennpferd geschenkt, das praktisch nie ohne seine bodenlange Pferdedecke zu sehen war. Spark Plug hieß dieses Zerrbild eines Reittiers. Der stets mit einer Melone behütete, glubschäugige Barney (den »Goo-goo-googly eyes«, wie sie in einem populären Schlager besungen wurden), auf Spark Plug dahingaloppierend — ein grotesker Anblick für Götter. Da Spark Plug aber eines Tages ein Rennen gewann, war Barney ein gemachter Mann, dem nun nicht mehr so stark das Odium des fall guy anhaftete. Vielleicht gewannen deshalb die 1934 eingeführten Hinterwäldler Snuffy Smith und seine Frau Loweezy so rasch an Popularität, daß sie bald zu den Hauptfiguren des Strips wurden und Barney Google auch fast aus dem Titel des Strips verdrängten. Barney trat nun zum Kontrast zu seinen neuen Freunden als »city slicker«
auf. Die Snuffy Smiths sind Hillbillies irgendwo in den »hills beyond«. Während Loweezy die Arbeit besorgt, schläft Snuffy, wenn er nicht gerade pokert oder »moonshine«, schwarzgebrannten Whisky, fabriziert. Barney wird nur dann aktiv, wenn es gilt gegen die Revenooers (Steuereintreiber) zu Felde zu ziehen. Barney Google und Snuffy Smith haben die amerikanische Sprache unendlich bereichert, so mit »the heebie-jeebies«, »fiddlin' around« oder »time's a wastin'«, um nur ein paar der Ausdrücke zu nennen. Wie Barney Google begann auch das von Elzie Crisler Segar gezeichnete Thimble Theatre 1919, ein reiner Gag-Strip mit den Mitgliedern der Familie Oyl. Erst 1919/1929 wurde Popeye the Sailor eingeführt. Popeye war der erste Superman der Groteske, aber für lange Zeit mußte er sich hauptsächlich der von Olive Oyl angestrebten Heirat erwehren. Wenn Popeye Spinat ißt, ist nichts unmöglich, und die dankbaren Spinatfarmer in Crystal City, Texas, setzten 1937 der umsatzfördernden Comicfigur ein Denkmal. Eine weitere Gestalt in Popeye, der monoman auf »hamburgers« versessene Wimpy, sollte in den gleichnamigen Restaurants (obwohl deren Name ursprünglich nichts mit diesem Wimpy zu
Popeye von Bud Sagendorf. Seit Jahrzehnten vergeblich drängt Olive Oyl Popeye zur Heirat. Popeye verwendet auch hier sein charakteristisches »I yam«. Wie immer hat Wimpy nur das Essen im Sinn. © 1919, 1929, 1970 King Features/Bulls
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tun hatte), mit der kommerziellen Auswertung seines Ruhms den Verzehr dieser amerikanischen »Nationaldelikatesse« entscheidend fördern. Popeye, der auch in Max Fleischers Zeichentrickfilmen sehr erfolgreich war und es seit 1961 im Fernsehen in neuer Fassung immer noch ist, wurde in den Comic Strips nach Segars Tod von Bela Zaboly weitergezeichnet, auf den Ralph Stern und dann Bud Sagendorf folgten. Book McNutt von Rübe Goldberg 1918 und Count Srewloose of Toulouse 1919 von Milt Gross deuteten schon in ihren Titeln an, welche Wortwitze und Sprachexperimente in diesen Strips angestellt wurden, und in der Tat hat das Oeuvre Goldbergs und Gross' ungemein sprachbildend auf die Leser eingewirkt. »Banana Oil« von Milt Gross ging ebenso in die Umgangssprache ein wie »Mike and Ike — They Look Alike« von Goldberg (beides Begriffe aus Panel Gags). Boob McNutt war der Inbegriff des Tölpels, des totalen Toren, der hilflos in seiner Umwelt umhergestoßen wird. Am berühmtesten blieben Goldbergs bizarre Mechanismen, die den alogischen Wahnsinn in Boob McNutt kennzeichnen. Rube Goldberg, der Ende 1970 starb, hat mit seiner Art des Witzes die Comic Strips entscheidend beeinflußt und geprägt. Von ihm wurde auch der »Reuben«, der Oscar der Comic Strips entworfen, der seit 1946 alljährlich an den zum besten Cartoonisten des Jahres gekürten Zeichner verliehen wird. Der würdige Nachfolger der beiden großen Vorkämpfer der Groteske, Goldberg und Gross, wurde Bill Holman, der seit 1924 Strips und Panel Gags für die Funnies produziert. Holman ist der König des »puns«, des Wortwitzes, er ist der größte Verdreher der amerikanischen Sprache überhaupt.
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Smokey Stover, der Strip, den Holman seit 1935 zeichnet, ist am besten mit der Bezeichnung »nutty as a fruit cake« charakterisiert. Kein Mensch, vielleicht nicht einmal Holman, weiß, was »Notary Sojac« bedeutet, das in jeder Folge irgendwo angebracht ist. Smokey Stover ist auf seine Art unbeschreiblich, das Bildbeispiel mag für sich selbst sprechen. Ein Bild sagt mitunter mehr als tausend Worte. Waren die Vorläufer und die ersten Comic Strips ohne Blasentexte, allenfalls mit Bildunterschrift in der Tradition der Bilderbögen, so gibt es bis heute einige wenige Pantomimen-Strips, die diese Tradition fortführen. Anders als beim Cartoon und der Karikatur, die oft die Quintessenz ganzer Bücher in einem Bild treffend ausdrücken, besteht der PantomimenStrip aus einer Folge von Bildern, deren Auflösung meist ein einfacher Gag ist. In diese Kategorie fallen Henry von Carl Anderson (1932 in der Saturday Evening Post entstanden und 1935 in die Funnies übergewechselt) und The Little King von Otto Soglow, ein Strip, der 1934 aus dem New Yorker kam, wo er noch eine Persiflage auf den Kunden als König war. Diese beiden Strips sind von ihrer Herkunft aus Zeitschriften als Pantomimen-Strip verständlich, wobei in beiden auch gelegentlich einmal eine Sprechblase auftauchen kann. Andere Pantomimen-Strips sind Chic Youngs Colonel Potterby and tbe Duchess, Hapless Harry von Geo Eatley und der Sonntagsstrip von Mr. Mum, der werktags nur aus einem Panel besteht. Der wichtigste Vertreter dieser Sonderform der Funnies ist heute Louie von Harry Hanan, der das Martyrium eines »fall guy« unter seiner tyrannischen Frau schildert. Smokey Stover von Bill Holman. Das Wichtigste in Smokey Stover sind die zusätzlichen illustrierten Wortwitze, die »puns«. Im letzten Bild auch hier das »Notary Sojac«, über dessen Bedeutung sich die Leser seit über vier Jahrzehnten den Kopf zerbrechen. © 1971 Chicago Tribune — New York News Syndicate
The Little King von Otto Soglow. Dieser Pantomimenstrip begann einst als Persiflage auf den Kunden als König. © 1970 King Features/Bulls
Henry von Carl Anderson. Henry zeigt, daß es im Comic Strip auch ohne Worte geht. Dieser Pantomimenstrip wird heute von John Liney gezeichnet. © 1970 King Features/Bulls
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Kin-der Strips In der Anfangszeit der Comics waren Kinder die Hauptakteure und das Genre des Kinder-Strips ist auch heute noch in den Funnies stark vertreten. Die Kinder der Comics sind keineswegs voll Liebreiz, und das nicht nur, weil die Katzenjammer Kids, der erste und älteste noch laufende Strip, Max und Moritz auf amerikanisch sind. Die Comic Strips entstanden nämlich in einer Ära, in der der »practical joke«, der Streich, der Schabernack, zum Kult erhoben war. Ein Paradebeispiel für die damalige Beliebtheit dieser praktizierten Schadenfreude ist — neben historisch belegten »practical jokes« berühmter Persönlichkeiten2 — George W. Pecks »Peck's Bad Boy and His Pa«, das 1883 erschien und zum Bestseller wurde. Die Episoden dieses und vieler anderer Bücher Pecks waren seit 1871 einzeln und unerhört erfolgreich als regelmäßige Features in den Zeitungen erschienen.3 Die Streiche, die Hennery, der »bad boy«, in diesen Episoden seinem Vater spielt, sind für heutige Begriffe unerhört schwerfällig, vulgär und grausam. Ab 1906 zeichnete Walt McDougall Peck's Bad Boy als Comic Strip, aber auch die anderen Funnies reflektierten von Anfang an die Beliebtheit des »practical joke«. Neben den Katzenjammer Kids waren andere wichtige Kinder-Strips mit Akteuren unterschiedlicher Bösartigkeit: 1902 Buster Brown (Richard Outcault), 1905 Little Jimmy (James Swinnerton), 1905 Tim and Tom the Terrible Twins (C. W. Kahles, der ab 1906 Hairbreadth Harry zeichnete) und ab 1912 die zweite Ausgabe der Katzenjammer Kids: The Captain and the Kids.
Auch ihre Fixierung auf die Jugend, besonders auf Knaben, übernahmen die Comic Strips aus der Belletristik, wo sich ein Bogen von den archetypischen Huck Finn und Tom Sawyer über die Knaben von Horatio Alger Jr. bis zu Booth Tarkingtons Penrod in den 20er Jahren spannt. Gerade in dieser Zeit begann dann nochmals eine Welle von Kinder-Strips, die ihre Entsprechung im Film hatte. Skippy von Percy Crosby war dabei einer der vielen Knaben, deren Aussehen und Ge baren von Jackie Coogan (»The Kid« 1921) inspiriert worden war. Wie Skippy, der 1930 zu Film- und Oscarehren kam, schien auch Smitty direkt aus den Büchern von Horatio Alger Jr. übernommen. Smitty, der von WalterBerndt seit 1922 gezeichnet wird, war wie viele seiner Kollegen ein »ragged Dick«, der auf seinem Weg »from rags to riches« als Laufbursche in einer respektablen Firma anfing und auf dieser hohen Sprosse der sozialen Stufenleiter bereits nicht mehr, wie etwa Skippy, in Lumpen (rags) gekleidet war. Smitty wuchs heran und sein kleiner Bruder Herby mußte für unschuldigen Kleinkinderhumor sorgen. Smitty hat es zwar bis heute nicht zu großen Reichtümern gebracht, aber er heiratete Ginny, die Sekretärin seines Chefs und hat heute selbst einen kleinen Herby. Ad Carters Just Kids (1921) oder Gene Byrnes Reg'lar Fellers waren wirklich lustige Kinder, natürlich sozialdarwinistisch gewitzt, aber von einem für Eltern durchaus ergötzlichen Wesen. Diese Art Kinderhumor blieb bis heute beliebt. Die Knaben in den Comics, wie auch das Mädchen Little Iodine von Jimmy Hatlo, waren und sind zwar »brats«, kleine Teufelchen, aber sie hatten trotzdem ihren kindlichen Charme. Auch die heutigen Comicskinder wie Winthrop von Dick Cavalli (1956), Nubbin von Sam Burnett und George Crandall (1957) oder Tiger von Bud Blake (1965) gebärden sich ihrem Alter entsprechend und tun das, was von Kindern eben erwartet wird. Im krassen Gegensatz dazu stehen die Kinder in Peanuts oder Miss Peach, die wie Erwachsene reden und handeln, und aus dieser Inkongruität ihren zum Teil satirischen Humor entwickeln. Ebensowenig »Kinder« sind die Katzenjammer Kids (siehe S. 13). Was Hans und Fritz betreiben, sind keine lustigen Streiche, kein einfacher Schabernack, sondern reine Teufeleien: Mit dem Schlachtruf »Society iss nix« führen sie totalen Krieg gegen die Repräsentanten der gesellschaftlichen Ordnung, einen Kampf bis aufs Messer gegen die Autorität in Ge stalt von »der Captain«, »die Mama« und »der Inspector«. Der erfolgreichste Nachfahr dieser beiden Teufel ist der von Hank Ketcham gezeichnete Dennis the Menace, der seit 1951 werktags in einem Cartoon Panel und sonntags in einem Comic Strip auftritt. Dennis treibt in 43 Ländern in über Dennis the Menace von Hank Ketcham. Dennis verübt werktags in einem einfachen Cartoon Panel, einem Witzbild, seine Untaten, nur sonntags hat er einen normalen Comic Strips für seine Streiche zur Verfügung. Seine Eltern haben sich in ein stilles Märtyrertum ergeben. © 1970 Publishers-Hall Syndicate
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Kids von Bert Greene. Diese heute fast vergessene Serie aus den 20er Jahren steht exemplarisch für die Unzahl der Kinder-Strips. Diese kleine Bande war damals schon rassisch integriert«. 1928 Chicago Tribune New York News Syndicate
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700 Zeitungen sein Unwesen. Die Nachdrucke der Werktagpanels in Taschenbuchformat sind große Bestseller. Besonders erfolgreich ist Dennis the Menace aber auch als Comic Book, da sich eben auch Kinder mit Dennis — welch schrecklicher Gedanke — offenbar gut identifizieren können. Als besondere Spezialität erscheinen regelmäßig auch Dennis the Menace-Sonderhefte, die den »household hurricane« mit seinen Eltern auf Reisen zeigen. Ein »writer-artist team« besucht dazu den jeweiligen Schauplatz, um naturgetreue Bilder liefern zu können. Vielleicht liegt das Geheimnis von Dennis' Erfolg darin, daß alle Eltern beim Anblick dieser kleinen Zerstörungsmaschine erleichtert aufatmen können, da ihr Sprößling im Vergleich dazu lammfromm ist. Anders als Hans und Fritz, die Katzenjammer Kids, ist Dennis nicht absichtlich böse oder bösartig. Er handelt aber derart impulsiv und ohne jede Überlegung, daß er überall die totale Destruktion hinterläßt, spontan zu Kinderhassern gewordene Polizisten, Busfahrer und Verkäufer. Seinetwegen zweifeln Kindergärtnerinnen an ihrer Berufung und Babysitterinnen kommen zu den Mitchells nur im Nahkampfanzug, wenn überhaupt. Dennis ist so erfolgreich, weil seine Eltern den Appeal der Durchschnittsfamilie in einer gemäßigten Bumsteads-Neuauflage bieten. Mr. Mitchell hat aber weniger unter seiner Frau zu leiden, und auch der stets etwas abgekämpfte Gesichtsausdruck von Mrs. Mitchell kommt nicht von ungefähr. Zu Weihnachten wünscht sich Dennis als fernsehbewußtes Kind stets ein Pony (er eifert Cowboy Bob nach), einen Elefanten und ein Unterseeboot. Speziell dem Kid Strip für Kinder sind die Hefte der Harvey Publications gewidmet. Da bei den kleinen Lesern Gestalten mit Superheldeneinschlag zur Identifizierung und Egoausweitung noch nicht gefragt sind, bietet man den Kindern die von ihnen bevorzugten Geschichten mit einer »message«, einer Moral. Am perfidesten ist dabei Richie Rich, der kleine brave Junge, der so glänzend zu veranschaulichen vermag, wie herrlich unendlicher Reichtum (Uncle Scrooge ist arm gegen Richies Vater) sein kann und wie schön und wohltäterisch edel die Menschen sind, die diesen Reichtum besitzen. Noch am besten bei Harvey ist, auch von der Zeichnung her, Casper the Friendly Ghost (von Charlton mit Timmy the Timid Ghost erfolglos imitiert). Der märchenhafte Charakter der Geschichten um den kleinen Geist, der seine Umgebung zwar erschreckt, aber doch immer Gutes tut und wieder ins Lot bringt, was seine bösen Verwandten (ebenfalls Ge spenster) verursachen, macht Casper bei den Kindern so beliebt. Harvey beutet den Erfolg Caspers mit mehreren Heften und ähnlichen Gestalten aus, so mit Hot Stuff, dem kleinen Teufelchen. Mit Playful Little Audrey, Little Dot und ähnlichen Heften wird auch den ansonsten meist vernachlässigten Mädchen Lesestoff geboten, denn unter der Vielzahl von Kinder-Strips
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in den Funnies sind nur ganz wenige, wie Ernie Bushmillers Nancy oder Marges Little Lulu, auf Mädchen hin ausgerichtet. Der Familien-Strip — Spiegel des Lebens Am erfolgreichsten waren und sind immer noch die Comic Strips mit dem »vulgar appeal«, die Funnies, mit deren Figuren sich die breitest mögliche Zielgruppe identifizieren kann. Es sind die Strips, in denen den Lesern von Reader's Digest, der (inzwischen eingegangenen) Saturday Evening Post und Opfern der Buchklubs der (Zerr-) Spiegel hingehalten wird, in dem sie sich selbst erkennen und über sich lachen können. An diesen Strips bewahrheitet sich am ehesten Goethes Wort, daß die Menschen durch nichts ihren Charakter mehr bezeichnen, als durch das, was sie lächerlich finden. Gilben Seldes spricht (1926) von dieser Kategorie (The Gumps, Gasoline Alley, etc.) als den »vulgar comic Strips«. Diese Funnies sind, richtig gelesen, Kommentare zum »way of life« ihrer Leser, den Kleinbürgern der »lower middle dass«. Deshalb reflektieren die Funnies auch nur so spärlich das Jazz Age F. Scott Fitzgeralds, da dies einen Lebensstil zumindest begüterter Jugend bedeutete. Polly and her Pals (1912) von Cliff Sterrett, tat dies noch am ehesten, da aber neben der emanzipierten, männermordenden Polly mit ihren »skandalösen« Kleidchen auch ihr darob entsetzter Vater und ihre Julie the Toiler von Rush Westover. Die kapriziöse, flatterhafte Tillie heiratete wie alle Sekretärinnen letzten Endes doch ihren Chef. © 1949 King Featur es/Bulls
Bringing Up Father von George McManus. Maggies Prunksucht bietet McManus Gelegenheit, seine geniale Zeichenkunst in der Darstellung stilisierter Interieurs und im barockhaften Detail zu entfalten. Wie immer wird Maggie in Tun und Aussehen ni misogyner Darstellung präsentiert, im Gegensatz zu Tochter Noras ätherischer Schönheit. © 1941 King Features/Bulls
Mutter eine wichtige Rolle spielten, darf der Erfolg von Polly and her Pals auch dem »domestic interest« des Strips angelastet werden. Auch Tillie the Toller von RUSS Westover (1921) zeigt Mode, interessanter als Tillie aber war ihr Freund Mac, der ebenfalls wie seine Vorgänger ein unansehnlicher Verlierertyp war. Die Serie endete 1958 nach dem Wechsel auf einen anderen Zeichner mit der Hochzeit der beiden. Nach etwa zehn Jahren des Experimentierens — auch mit Familien-Strips wie The Newlyweds (1904) — fand George McManus in Bringing Up Father die richtige Formel, dem breiten Publikum eine Identifikationsgestalt zu bieten. 1913 begann der Strip um Maggie und Jiggs, die irischen Immi-
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granten, die es schon in der ersten Generation geschafft hatten und sich plötzlich mit einem neuen Status als nouveaux riches, als Emporkömmlinge, konfrontiert sahen. Während Maggie, die ehemalige Waschfrau, mit Gusto daranging, die soziale Stufenleiter emporzuklettern, um in einer Gesellschaftsklasse Eingang zu finden, zu der ihre Tochter Nora bereits ohne Anstrengung gehörte, war Jiggs immer auf der Flucht in Dinty Moores Saloon. Dort, am Billardtisch, bei seinem Leibgericht »Corned beef and cabbages«, genoß er die zu Hause entbehrten »einfachen« Freuden des Lebens, dort revoltierte er gegen den gestärkten Kragen und seine Hundedeckchen.
In dem gedrungenen Jiggs hat sich George McManus selbst porträtiert, während seine Frau ihm als Modell für die schöne Nora diente. Maggie dagegen, die jede noch so verrückte Mode nachäffte, ist zur Strafe für ihre aggressiv brutale Art, mit der sie Jiggs tyrannisiert, mit einem häßlichen Gesicht gesegnet, obwohl sie einen perfekt modellierten Körper hat. Mit ihrem lächerlichen Snobismus dient Maggie als Zielscheibe für die misogynen Gefühle der Leser, die sich mit Jiggs identifizieren. Es war nicht allein McManus' genialer Zeichenstil, der Bringing Up Father so erfolgreich machte, sondern vor allem die in diesem Strip enthaltene und propagierte Lehre: Reichtum allein macht nicht glücklich. Und so waren es auch die Millionen Leser zufrieden, nicht das schreckliche Los der Reichen teilen zu müssen. Sie mußten nicht wie Jiggs den unbequemen Zylinder und die lächerlichen Gamaschen tragen und konnten bei »beef and cabbages«, das durch Jiggs Sehnsucht danach aufgewertet war, auf das Steak verzichten. Das verstand man auf der ganzen Welt. Jiggs war überall beliebt, ob als Don Pancho in Mexiko, als Illico in Frankreich oder als Herr Schmerbauch in Deutschland. Bühne und Film propagierten Jiggs Image genauso erfolgreich wie in beiden Weltkriegen die Bomber der 11th Bombardment Squadron, die sein Abbild zierte. Mindestens ebensolcher Beliebtheit wie Bringing Up Father erfreuten sich The Gumps von Sidney Smith (1917), die weder besonders witzig noch besonders gut gezeichnet waren. Doch gerade ihr Erfolg trieb sehr stark die Syndikatisierung der Comic Strips und ihre Ausbreitung auf die Zeitungen des ganzen Landes voran, was wiederum rückwirkend die inhaltliche Ausrichtung der Comic Strips auf das breitest mögliche Publikum zur Folge hatte. Klatsch, Nichtigkeiten und die Nöte einer armen, aber stolzen Familie machten den Inhalt von The Gumps aus, die durch einen manchmal bitteren Humor gekennzeichnet waren. Doch gerade dieser Inhalt war den Lesern vertraut, und in Andy Gump, dem disproportional gezeichneten Versager ohne Kinn, und in seiner abgründig häßlichen Frau Min erkannten sie sich wieder. Doch eines Tages begann auch die Popularität der Gumps zu schwinden, und ab 1959 wurden sie in die Archive verbannt. Moon Mullins dagegen ist beliebt wie eh und je. Von Frank Willard 1923 begonnen und ab 1957 von Ferd Johnson im selben Stil weitergeführt, schildert der Strip eine ganze Kollektion von Versagern, die ein Haus geerbt haben und nun in den Tag hinein leben. Obwohl die Ansprüche aller hochgesteckt sind, arbeitet keiner von ihnen gern, und wenn, nur gelegentlich. Moon Mullins träumt von Geld und schönen Mädchen, hat aber weder beim Kartenspiel oder Würfeln Erfolg, noch vermag er wegen seiner rohen, ordinären Art bei einem Mädchen zu landen. Lord Plushbottom und seine Frau Emma (die in ihrer Häßlichkeit ein Abbild von Min Gumps und Maggie ist), sind hier gestrandet und verdeutlichen mit ihrer
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ridikül feinen Art nur noch die Vulgarität der anderen Mitglieder dieser Wohngemeinschaft. Auch Gasoline Alley schildert seit 1919 das eigentlich ereignis lose Leben einer Mittelstandsfamilie. Die Geschichte der Wallets, von der Coulton Waugh schrieb, daß sie nicht nur eine Facette des Lebens, sondern das Leben selbst darstelle, ist besonders dafür bekannt, daß die Charaktere dieses Strips im Gegensatz zu den anderen Comicsfiguren ganz normal altern. Am Anfang war Gasoline Alley noch ein Cartoon Panel und der Inhalt drehte sich um Autos, um eine Garage, deshalb auch der Name des später zum Strip ausgeweiteten Panels. Auch heute noch haben die Wallets ein Faible für das Produkt aus Detroit und sind dadurch treffliche Vorbilder für ihre Leser. Walt Wallet, dem Besitzer der Reparaturwerkstatt, wurde am 14. Februar 1921 ein Baby vor die Tür gelegt. Skeezix, wie der Findling getauft wurde, feierte im Strip am Valentinstag 1971 seinen 50. Geburtstag. Frank Kings Gasoline Alley wird als Generationsroman der Kleinbürgerfamilie Wallet bezeichnet, denn der Strip schilderte mit versonnener Heiterkeit nicht nur Skeezix bisheriges Leben, sondern auch das seiner Verwandten. Skeezix Jugendzeit, wie er während des Krieges als einfacher G. I. das Seine für die Moral seiner Leser tat, und dann zurückgekehrt (natürlich) seine Jugendliebe Nina heiratete, wie Onkel Walt zum mehrfachen Großvater wurde, das alles und noch mehr durften die Leser von Gasoline Alley miterleben. Mit seinem ruhigen, unaufdringlichen Humor bietet Gasoline Alley den Lesern Anschauungsunterricht, wie in den simplen Ereignissen und im Ablauf des Alltags mit Hilfe eines Schmunzelns Stütze und Erbauung zu finden ist. Deshalb vermochten gerade Comic Strips wie The Gumps, Gasoline Alley, Moon Mullins oder auch Blondie eine Art Institutionscharakter anzunehmen; sie hatten den Hauptanteil daran, daß sich die Funnies insgesamt als Teil des »American Way of Life« etablierten. Eine dieser Institutionen ist Blondie, von Chic Young seit 1930 gezeichnet. Dieser Strip hat in Amerika längst den Sättigungspunkt erreicht und erscheint in über 1200 Zeitungen in aller Welt. Blondie ist seit Jahrzehnten der beliebteste Comic Strip überhaupt, nicht nur in Amerika, und das liegt zum großen Teil an der Gestalt von Dagwood Bumstead, der den Appeal des von seiner Frau unterjochten Gatten (a la Jiggs) mit dem des fall guy verbindet. Marshall McLuhan meint, deshalb wäre Dagwood der geeignetere Titel für den Strip. Deshalb gab es wohl auch neben der Comic-Book-Serie Blondie eine Heftreihe, die nur Dagwood gewidmet war. Chic Young erklärt sich den Erfolg seines Strips so: »I ... use the greatest, simplest, and most interesting continuity of all, the continuity of life itself, and add a little humor, the spice of life!« 4
Moon Mullins von Ferd Johnson. Trotz subtiler Methoden hat Moon Mullins keinen Erfolg bei den Frauen. © 1966 Chicago Tribune — New York News Syndicate
Gasoline Alley von Bill Perry. Zwei Wochen vor Skeezix' Geburtstag faßt Onkel Walt Wallet diesen Generationenroman der Comic Strips noch einmal zusammen und präsentiert die wichtigsten Stationen aus dem Leben des Findelkinds, das er damals vor seiner Tür fand. © 1971 Chicago Tribune — New York News Syndicate
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Dagwood Bumstead, dessen seltsamer Haarstil ihm ein konstant düpiertes, gehörntes Aussehen verleiht, ist der Durchschnittsamerikaner und zugleich dessen erschreckendes Zerrbild. Dagwood ist ein Versager und in praktisch jeder Situation überfordert. Jeder Morgen beginnt für ihn mit dem Kampf gegen die Uhr. Er gewinnt ihn stets nur durch den berühmten Sprung auf den bereits fahrenden Bus, der ihn ins Büro von Mr. Dithers befördert, wo Dagwood als Null ohne Gesicht im »white-collar« Proletariat nur deshalb auffällt, weil er pausenlos wegen seiner Fehler entlassen wird. Vom Beruf ausgelaugt, für häusliche Arbeit nicht mehr geeignet, nur für passives Rezipieren vor dem Fernsehgerät, besteht Dagwoods Freizeit aus dem Kampf gegen Vertreter, Nachbarskinder und andere Störenfriede. Dagwoods Freuden, für die er lebt, sind ein kleines Schläfchen auf der Couch oder ein genüßlich in die Länge gezogenes Bad, doch während beider Aktivitäten wird er unweigerlich gestört. Dagwood, für den des Lesers Herz mitleidig schlägt, kompensiert seine Frustrationen mit mitternächtlichen Raubzügen zum Kühlschrank, wo er für seine Freßorgien meist das berühmte (mehrere Fuß hohe) »Dagwood-Sandwich« bereitet. Blondie war vor der Heirat ein Stenogirl in der Firma von
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Dagwoods millionenschwerem Vater, aber sie war keineswegs ein »golddigger«, ein berechnendes Wesen wie Dumb Dora, die Chic Young vor Blondie gezeichnet hatte. Dagwoods Angebetete war damals ein hohlköpfiges Ding, durch ihren Namen hinreichend gekennzeichnet, doch sofort nach der Heirat — deretwegen Dagwood enterbt wurde — übernahm Blondie das Kommando in der Ehe. Dagwood ist völlig von ihr abhängig, seine lächerlichen häuslichen Revolten werden gar nicht registriert. Ein neues Kleid oder ein »bargain sale«, ein Gelegenheitskauf, bedeuten für Blondie das höchste Glück auf dieser Welt, und zu diesem Zweck ist ihr Dagwoods Geldbörse hilflos ausgeliefert. Unter den zahlreichen Familien-Strips, die vor 1930, dem Entstehungsjahr von Blondie, schon existierten, war Toots and Casper der direkteste Vorläufer des beliebtesten aller Comic Strips. Mit Toots and Casper von Jimmy Murphy begann schon 1919 ein Strip, in dem sich der unansehnliche, unbeholfene Casper (!) fragt, mit was er eigentlich die Liebe seiner schönen Gattin verdiene. Toots ist im Aussehen und dominierenden Gebaren ganz klar das Vorbild für Blondie. Toots and Casper ist auch deswegen interessant, weil Jimmy Murphy die Sprechblasen teilweise dreidimensional als echte Wolken ins Bild zeichnete. Comicserien Blondie und Dagwood und Co.
Blondie von Chic Young. Ein typischer Tag im Leben des Dagwood Bumstead, mit all seinen kleinen Freuden. King Features/Bulls Dagwood Bumstead, der Prototyp des amerikanischen Mittelstandsbürgers, auf der Rückkehr von einem mitternächtlichen Raubzug zum Eisschrank. © 1958 King Features/Bulls
Hi and Lois (Familie Biegler) von Dik Browne und Mort Walker. Diese Familie ist wegen ihrer Normalität und ihres Durchschnittsappeals liebens- und hassenswert zugleich. Mort Walker (Beetle Bailey, Boner's Ark) liefert die Gags für diesen von Dik Browne gezeichneten Strip. © 1970 King Features/Bulls
Hubert von Dick Wingert. Der Alptraum eines Besuchs der Sc hwiegermutter ist für Hubert zum Dauerzustand geworden. © 1969 King Features/Bulls
Lancelot von Penn / Coker. Hier wird das erfolgreiche Stereotyp des tyrannischen Weibes auf den Kopf gestellt, um erstmals den Mann in einer amerikanischen Ehe dominieren zu lassen. Zeichner Phil Coker jr. ist besonders durch seine Beiträge in MAD bekannt geworden. © 1970 Newspaper Enterprise Association, Inc./UPI
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All die Familien-Strips, die nach 1930 entstanden, orientierten sich am Erfolg Blondies. In dem Strip mit dem sehr bezeichnenden Titel The Born Loser von Art Samson, wird in Brutus Thornapple, einem Dagwood-Typ, der fall guy im Extrem ausgebeutet; auch der Name der Flop Family von George Swan sagt über den Inhalt der Serie genug. Einen etwas verhaltenen Humor bietet Hi & Lois, von Mort Walker (Bestie Bailey) geschrieben und von Dik Browne gezeichnet. Es ist der übliche Durchschnittsalltag einer Mittelstandsfamilie, in der sich jedermann wiedererkennt. In Hubert von Dick Wingert versteht es der von Frau und Schwiegermutter tyrannisierte, gemütlich runde Hausherr, sich von Zeit zu Zeit auch einmal durchzusetzen. Während bei all diesen Familien-Strips die Bezeichnung »Hausherr« nur zum Hohn gebraucht werden kann, bietet Lancelot von Penn und Coker Jr. eine erfolgreiche Umkehr des Schemas und zeigt endlich die Frau einmal dem Manne unterlegen. Das dargestellte Ehepaar wird die Männer befriedigen, weil es hier den Frauen einmal gezeigt wird, während die Frauen darüber schmunzeln, daß in diesem Strip völlig »utopische« Zustände herrschen.
Oh selig, ein Teenager zu sein Den Ansatz seiner roten Haare über den Ohren durch ein einfaches »criss-crossing« (mehrere Striche über Kreuz) angedeutet, eine orangekarierte Hose, die er früher auch gern als Knickerbocker trug, und ein schwarzer, ärmelloser Pullover — das war Archie, seit dem zweiten Weltkrieg Inkarnation des »typischen« amerikanischen Teenagers. Kreiert wurde Archie von Bob Montana für MLJ-Comics. Doch der unerhörte Erfolg der Hefte veranlaßte MLJ bald, sich in Archie Comics umzubenennen und ihre Superheldenhefte fast gänzlich aufzugeben. Bob Montana zeichnet Archie seit dem Krieg für die Zeitungsstrips, während mehrere andere Zeichner, zum Teil nicht schlechter als Montana, die Comic Books produzieren, von denen jährlich über 50 Millionen verkauft werden. (Das entspricht etwa dem Ausstoß von Marvel.) Nicht alle, aber die meisten dieser Hefte haben Archie und seine Freunde als Protagonisten, so Archie, Archie's Jokes, Archie and His Friends, Betty and Veronika, Reggie, Jughead und viele andere mehr.
Zwei Episoden aus dem Leben Arcbies, des typischen amerikanischen Teenagers, der jede Modeerscheinung mitmachen muß. © 1970 Archie Comic Publications, Inc.
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Unschuldig rein sind die Freuden des typischen amerikanischen Teenagers! Seine Aktivitäten kreisen zum Großteil um das »dating game«, der Rest ist »clean innocent fun«, der saubere unschuldige Spaß, wie ihn die Heranwachsenden in aller Welt so sehr lieben. Archies Freunde sind unglaublich differenzierte Charaktere, wie der weiberfeindliche Jughead, dessen Lebensinhalt das Essen (speziell Hamburgers, wie ein potenzierter Wimpy) und der Schlaf sind. Archies Antagonist ist der eingebildete Reggie, der Unsympath der Clique. Dann sind da noch der geistig minderbemittelte, doch bärenstarke Moose und, wie könnte es anders sein, der schwächliche Dilton Doily, das wissenschaftliche Genie. Archies einzige große Liebe ist die schwarzhaarige Veronika, die Tochter eines Multimillionärs. Veronikas Rivalin um die Gunst Archies ist die blonde Betty, die nicht nur durch ihre Haarfarbe, sondern auch durch ihre bescheidenen pekuniären Verhältnisse von Veronika unterscheidbar ist. Auch ist Betty nett und hilfsbereit, während die Arroganz Veronikas wieder einmal deutlich die charaktergefährdende Last eines Millionenerbes beweist. Die Lehrer Archies und seiner Freunde sind alles drollige Originale, die trotz ihrer kauzigen Schrullen nicht vergessen haben, daß sie selbst einmal jung waren. Deshalb bringen sie trotz aller Strenge den köstlichen Streichen ihrer Schüler stets warmherziges Verständnis entgegen. Da ist Miss Grundy, die alte Jungfer, die immer dasselbe rüschenbesetzte Schlauchkleid trägt, der dicke Rektor Weatherbee mit dem Toupet (unerschöpflicher Born ingeniöser Streiche) und der vertrottelte Professor Noodle. Etwa 15 Jahre lang änderten sich die Figuren in Archie um kein Haar. Da trug Veronika ihre Haare stets a la Theda Bara und Betty bevorzugte zwecks besserer Unterscheidbarkeit einen Pferdeschwanz. Nicht nur die beiden sind versatiler geworden, auch Reggie, der Rudolph-Valentino-Typ, hat seinen pomadigen Haarstil mit Mittelscheitel vor einiger Zeit modisch verändert. Noch trägt Archie seine Haare sehr kurz und fährt wie jeder typische Teenager ein uraltes, im Auflösungszustand begriffenes Auto. Doch schon kleidet auch er sich nach der jeweils neuesten Mode. Archie Comics reflektieren so genau die »fads«, Modeerscheinungen, und tragen ihr Scherflein dazu bei, die Strömungen des Konsumterrors bei den jugendlichen Lesern »in« zu machen. Während das James-Bond- und Man from U.N.C.L.E.Fieber grassierte, agierte Archie in den Comic Books als Man from R.I.V.E.R.D.A.L.E. und hängte sich jüngst auch als Super-Archie an den Superheldenboom an. Über die nationalen Grenzen hinaus wurde Archie durch die Archies bekannt. Zur hohen Zeit des Beatfiebers hatte Archie auch eine Zeichentrick-Fernsehshow und wurde mit seiner Beatgruppe »The Archies« populärer als die kopierten »Monkees«.
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Typischer Teenager -Humor. © 1970 National Periodical Publi cations, Inc.
Natürlich gibt es diese lustigen Teenager nicht nur bei Archie Comics, die sich selbst mit Josie, einer etwas popigeren, aber ebenso stereotypen Ausgabe von Archie kopierten. Bei Marvel scherzt man gern darüber, daß sich Millie the Model zum Beispiel besser als die Superheldenhefte verkaufe. In Inhalt und Zeichenstil genausowenig vom Vorbild unterscheidbar sind DCs Binky, Binky's Buddies (die nach längerer Pause modernisiert wiederbelebt wurden) und Scooter, Harveys Bunny oder Towers Tippy. Etwas differenzierter war DCs Dobie Gillis, eine TV-Adaption, die sich aber nicht allzu lange zu behaupten vermochte. Vor Archie lehrte in den Comic Strips schon Etta Kett von Paul Robinson seit 1925 Etikette (get it?). Die Jugend Amerikas agierte in diesem Strip ebenso unschuldig und mit leerem Gesichtsausdruck wie in Teena von Hilda Terry, Penny von Harry Haenigsen, Ponytail von Lee Holley, Aggie von Roy Fox (das männliche Gegenstück zu Ponytail) oder Emmy Lou von Mary Lind. Heute gibt es dazu noch Teen-Wise von Berrill, das auf seine Weise dazu beitragen will, den Teenagern bei ihren Problemen mit der älteren Generation und den Schwierigkeiten mit sich selbst zu helfen. Zeichentrickfilm darunter Micky Maus, Bugs Bunny, Daffy Duck, Popeye, Betty Boop, Felix the Cat, Tom und Jerry, Casper, Mighty Mouse, Bimbo, Koko der Clown, Rocky und Bullwinkle, Katzenjammer Kids, Woody Woodpecker, Pink Panther und Klein Lulu. Disney, Warner Bros., Hanna-Barbera, DC und Marvel Zeichentrickfilm und Comicserien darunter Micky Maus und Winnie Puuh, Schneewittchen und Cinderella, Bugs Bunny und Daffy Duck, Tom und Jerry und Familie Feuerstein, Superman, Batman und Wonder Woman, und Spider-Man, Hulk und X-Men.
Donald Duck & Co. Seit Äsop müssen die Tiere dazu herhalten, in Parabeln menschliche Schwächen aufzuzeigen, und seit Swifts ätzender Satire wissen wir, daß diese Tiere doch die besseren Menschen sind. Nicht nur in der Fabel und im Märchen, auch in der Kunst gibt es eine lange Tradition der Darstellung anthropomorpher Tiere. Wie die Japaner Kiosai und besonders Hokusai im 18. und 19. Jahrhundert die Welt mit ihren satirischen Tierbildern kommentierten, so karikierte Grandville, Zeitgenosse und Mitarbeiter Daumiers, mit seinen »animaux parlants« die menschlichen Schwächen in der Maske von Tieren. In den Comics ist Walt Kelly mit Pogo eigentlich der einzige, wie später gezeigt wird, der echt in dieser Tradition steht. Die ersten Tiere in den Comic Strips, wie Swinnertons Little Bears and Tigers (1892), Oppers Maultier Maud (1905) und auf einem höheren Niveau Herrimans Krazy Kat, sind wie alle ihre Nachfolger zwar anthropomorph, erzielen mit dieser Inkongruität aber nur Witz, keine Satire. In all den Comic Books und Strips mit aus dem Zeichentrickfilm übernommenen Tieren wie Bugs Bunny, Tom und Jerry oder dem kleinen bösen Wolf, wird wie im Film praktisch immer ein und dasselbe Grundthema variiert: Ein schlauer und gewitzter Tierdavid bleibt letztlich über seinen physisch stärkeren Antagonisten siegreich. Exemplarisch begann dies mit dem großen bösen Wolf und den drei kleinen Schweinchen von Walt Disney. Tom und Jerry, Tweety und Sylvester, Bugs Bunny und Eimer Fudd, Woody Woodpecker und Buzz Buzzard, und all die vielen anderen feindlichen »Brüder« führten das Schema fort. Mit Donald Duck, dem anthropomorphen fall guy, wurde eine Tiergestalt auch für Erwachsene faszinierend. Durch eine Kontroverse mit polar entgegengesetzten Standpunkten über die ideologischen Inhalte der Donald Duck Comics, nahm die Donald Duck-Forschung neuerdings einen geradezu unerhörten Aufschwung. Bei diesem Streit pochte die eine Seite auf die Entdeckung linken Gedankengutes, während die andere Seite den kryptologischen Gegenbeweis erbrachte, wonach Donald Duck der faschistoide Kleinbürger schlechthin ist.5
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1940 begann Walt Disney, seine Comic Strips in Heften wie Walt Disney's Comics and Stories zusammenzufassen. Hier Heft 90 aus dem Jahr 1948, als Donald Duck schon zur beliebtesten DisneyFigur geworden war. Nachdrucke der Tagesstrips erschienen zu diesem Zeitpunkt nur noch auf wenigen Seiten. © 1948 Walt Disney Productions
Tatsache ist, daß Donald Duck auf Erwachsene einen besonderen Reiz ausübt, während dies bei anderen Gestalten von Walt Disney nicht so sehr der Fall ist. In Amerika gibt es in den Zeitungen seit 1930 einen Mickey Mouse-Strip und seit 1938 auch einen Donald Duck-Strip. Seit Oktober 1940 tummeln sich die beiden auch in dem Comic Book Walt Disney's Comics and Stories, das bis April 1943 nur Nachdrucke von Zeitungsstrips brachte. 1947 wurde in diesem Heft auch Uncle Scrooge eingeführt. Mickey, Donald und die anderen Figuren Walt Disneys agieren in einer großen Zahl von Comic
Books, deren Titel der Name der jeweiligen Figur ist. Von diesen Heften haben Donald Duck, Mickey Mouse und Uncle Scrooge die längste Lebensdauer bewiesen. In Walt Disney's Comics and Stories hat Donald die ersten 10 Seiten für sich, während sich Mickey mit dem hinteren Teil des Heftes begnügen muß, und es ist Donald, der zwecks größerem Kaufanreiz auf dem Titelblatt prangt. In vielen Ländern der Erde wird Donald und nicht Mickey im Titel der Walt Dis ney-Hefte genannt, denn wie im Zeichentrickfilm hat Donald Mickey auch in den Comic Books an Popularität längst übertroffen. Diese Beliebtheit der Ente ist zum einen ganz besonders auf Carl Barx zurückzuführen, den genialen Zeichner der Ge schichten in Uncle Scrooge und Walt Disney's Comics and Stories. Leider zeichnet Carl Barx seit 1968 nicht mehr und seitdem ist Donald nicht mehr derselbe. Die Nachdrucke — man kann auf einen Fundus von über zwei Jahrzehnten zurückgreifen — lindern den Schmerz über diesen Verlust ein wenig. Durch Carl Barx wurde vor allem aber Uncle Scrooge (Onkel Dagobert) so populär, daß er zeitweilig Millionenauflagen erreichte. Diese außerordentliche Popularität Scrooge MC Ducks erklärt sich nicht nur durch das humoristische Potential, das sich aus der Tatsache ergibt, daß er der reichste Fantasticatrillionär der Welt ist und seinem Namen auch, wie sein Vorbild bei Charles Dickens, alle Ehre macht. Eine ganz besondere Faszination der Uncle Scrooge-Geschichten liegt darin, daß Scrooge mit Donald und seinen Neffen Huey, Dewey and Louie (Tick, Trick und Track) das Abenteuer nachvollzieht, dessen Schilderung seit jeher die Leser fesselte: Die Schatzsuche! Sie führt ihn mit seinen Neffen in alle Kontinente, in alle Winkel dieser Erde, und dort sucht und findet Uncle Scrooge neue Reichtümer. Er folgt den Spuren Ponce de Leons oder entdeckt El Dorado, Ophir oder die sagenhaften Sieben Städte von Cibola. Er findet den Hort des Montezuma, die Schatzkammern König Salomos oder das arcanum arcanorum, den »philosopher's stone«, den Stein der Weisen. Uncle Scrooge, Donald und die Neffen haben praktisch jedes Märchen, jeden Mythos und jede Sage auf ihre Weise nachvollzogen. In diesen Geschichten wurden Stevenson und Enid Blyton mit dem Disneytouch vermengt. Und nebenbei wurde jedes Abenteuerklischee persifliert, das je einem Publikum vorgeflimmert wurde. Sozialdarwinistisches »from rags to riches« und Glorifizierung des »free enterprise« ist inkarniert in Uncle Scrooge, der einst mit nichts auf den Goldfeldern von Klondike begann
Bugs Bunny von Ralph Heimdahl und Al Stoffel. Im Zeichentrickfilm und in den Comics gleichermaßen wird stets der lispelnde Eimer Fudd von Bugsy düpiert. © 1970 Warner Bros, Inc. / NEA / UPI
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Von seinem Geldberg herab predigt Uncle Scrooge seinen Neffen Huey, Louie und Dewey sein spezielles kapitalistisches Credo. Aus: Uncle Scrooge, Nr.4l, Zeichner: Carl Barx. © 1959 Walt Disney Productions
und seit dieser härtesten aller sozialdarwinistischen Schulen Gold und Geld bereits auf weite Entfernungen zu riechen vermag. Uncle Scrooges Fantasticatrillionen, die er in seinem Geldsilo hortet, sprechen jeder kapitalistischen Investitionspolitik Hohn. Und warum häuft er das Geld zu Bergen? Weil es ihm eben ein Hochgenuß ist, wie ein Seehund hineinzuspringen, wie ein Maulwurf darin herumzuwühlen und es in die Luft zu werfen, daß es ihm auf die Glatze prasselt. Das ist hochgradiger Geldfetischismus, Apotheose des Mammon und extremste Darstellung des Reichtums zum Zwecke des Humors. Nie kann sich Uncle Scrooge ein wenig Mäzenatentum abringen; eine Scrooge McDuck-Stiftung nach Art Rockefellers oder Fords existiert nicht. Scrooge verhält sich so nach dem Credo der »Gospel of Wealth« völlig unamerikanisch. Vielleicht hat Scrooge dazu auch gar keine Zeit, muß er doch seinen Hort fortwährend vor der Bedrohung durch die Beagle Boys (der Panzerknackerbande) schützen. Dabei greift er stets auf die kostenlose Hilfe Donalds und Huey, Dewey and Louies zurück. Daß es Donald nie seinem Onkel gleichtun kann, bedingt sein Wesen als fall guy, als ewiger Pechvogel, als Abbild und Identifikationsgestalt für die erwachsenen Leser. Diese stereotype Funktion erklärt Donalds Beliebtheit bei den Lesern in fortgeschrittenem Alter, denn Donald ist Dagwood, Happy Hooligan oder Augustus Mutt in Gestalt einer Ente. Wer über Donald lacht, wer ihn bemitleidet, sich zu ihm hingezogen fühlt, meint immer nur sich selbst — den fall guy. Donald steht im steten Kampf mit der Tücke des Objekts, doch nicht nur ein mißgünstiges Schicksal verhindert ein bleibendes Glück. Donald probiert alles und jedes und vermag auch bei mancher Arbeit unglaubliches Geschick zu entwikkeln. Doch da dies alsbald in hybride Selbstüberschätzung umschlägt, folgt rasch das Mißgeschick, das alles wieder zunichte macht.
Gladstone Gander wird fast immer von Fortuna auf Donalds Kosten überschüttet. Aus: Walt Disneyfs Comics and Stories, Nr. 342, Zeichner: Carl Barx. © 1951 Walt Disney Productions
Pausenlos schüttet die Glücksgöttin dagegen ihr Füllhorn über Gladstone Gander (Gustav Gans) aus, über Donalds Antagonisten und Nebenbuhler um die Gunst Daisy Ducks. Da unser Herz für Donald schlägt, erscheint uns Gladstone, der große Glückspilz, als unsympathisch und vermag nicht einmal eine Wunschidentifikation in uns zu erwecken. Gyro Gearloose (Daniel Düsentrieb) ist der harmlose »Mad Scientist« der anthropomorphen Disneywelt und ein Beispiel mehr, wie herrlich Klischees und Stereotypen aus anderen Bereichen in Walt Disney Comics persifliert werden. Die Schadenfreude über Donalds Mißgeschicke mag für die kleinen Leser als Ventil ihrer Aggressivität dienen, eine Identifikation findet aber besonders mit Huey, Louie und Dewey statt, die alles das sind, was sich Kinder zu sein wünschen: Sie sind klüger, das heißt abgeklärter, als die Erwachsenen und sie erleben dank Uncle Scrooge, dem sie als »trouble-shooters« dienen, all die Abenteuer, von denen andere Kinder nur träumen und die sie eben bei Donald Duck lesen. Dank ihrer Zugehörigkeit zu den Junior Woodchucks von Duckburg (Pfadfinder von Entenhausen) und ihres Junior-WoodchuckHandbuches sind Huey, Louie und Dewey in keiner Situation um einen Ausweg verlegen. Sie erziehen sich selbst. Da sie Donalds Rolle im Leben als erfolglos erkannt haben, können sie ihm nicht nacheifern —, im Gegenteil, Donald wäre ohne seine Neffen schon längst verloren. Abenteuerlust und die Haßliebe zum Abwasch hält die Familie Duck zusammen. Auch bei Disney sind, wie bei anderen Kinder-Comics, die Verwandtschaftsbeziehungen durch strenge Zensur festgelegt. Um in kindlichen Lesern keine Überlegungen in punkto Sex aufkommen zu lassen, gibt es keine »Eltern« in den Ge schichten — auch deren sanktionierte Beziehungen werden ausgeklammert — und so bestehen nur Relationen zwischen Onkeln, Tanten, Neffen und Kusinen. Damit ist natürlich (nicht nur) in Donald Duck Comics jeder Interpretation verdrängter Sexualempfindungen Tür und Tor geöffnet.
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Auf Grandma Ducks Farm ist Amerika noch in Ordnung. Apfelkuchen, Omas Elektromobil und die Absenz moderner Geräte beschwören die gute alte Zeit. Donalds Grandma hat ihren faulen Knecht GUS Goose nur deshalb noch nicht entlassen, weil er ihr Neffe ist. Aus: Walt Disney's Vacation Parade, Zeichner: Carl Barx. © 1950 Walt Disney's Productions
Auch Mickey Mouse erlebt mit Goofy in den Comic Books ähnliche Abenteuer wie Uncle Scrooge mit seinen Neffen. Im Gegensatz zu Donald steht Mickey, der zu Goofy eine Art Mutt- und Jeff-Relation unterhält, mit beiden Beinen im Leben. Um die Geschichten interessanter zu gestalten, wurde Mickey der fall guy Goofy zur Seite gestellt, der neuerdings auch als Super Goof die Superhelden persifliert. Die Disney Studios haben die Auswertung ihrer Filmfiguren sehr kommerziell angepackt und jeden Zeichentrickfilm durch parallele Movie Comic Books oder Comic Strips ergänzt, aus denen dann häufig eigene Comicbook-Reihen entstanden. Gerne stellte man dabei aber eine Nebenfigur des Films ins Rampenlicht. So wurde zum Beispiel aus »The Three Little Pigs« in den Comics Li'l Bad Wolf (Der kleine böse Wolf, der gar nicht böse ist). Aus »Lady and the Tramp« wurde Scamp (Strolchi), »Jungle Book« wurde zu Mowgli und aus »The Sword in the Stone« (»Merlin und Mim«) wurde Madam Mim.
Übrigens ist die Nachfrage nach Walt Disney Comics in Europa so groß, daß in Italien eigene Walt Disney Comics in Lizenz gezeichnet werden. Paperino (Donald Duck) und Topolino (Mickey Mouse) unterscheiden sich nicht nur durch die mindere Qualität der Zeichnungen von den amerikanischen Originalen, auch ihr Inhalt ist simpel und plump schematisch.
Mickey Mouse und Goofy, das anthropomorphe Mutt & Jeff-Gespann, fallen von einem humoristisch aufbereiteten Abenteuer ins andere. Wie in den Funnies üblich, fliegen die Hüte den Reitern auf der Flucht hinterher. Aus: Walt Disney's Comics and Stories, Nr. 335. © 1968 Walt Disney Productions
Geistreicher Höhenflug Die surrealistische Traumwelt eines kleinen Jungen als Comic Strip begeistert bis heute besonders die erwachsenen Leser. Jede Folge von Winsor McCays Little Nemo in Slumberland führt in das Land des Königs Morpheus und endet meistens im letzten Bild damit, daß der kleine Nemo sich jäh erwachend neben seinem Bett wiederfindet. Little Nemo in Slumberland begann 1905 und erschien vorerst nur für sechs Jahre, denn dann half Winsor McCay mit dem ersten kommerziell einigermaßen erfolgreichen Zeichentrickfilm »Gerde the Dinosaur« dieser neuen Kunst auf die Beine und produzierte ab 1911 unter dem Pseudonym Silas außerdem Dreams of a Rarebit Fiend. McCay zeichnete Little Nemo dann aufs neue drei Jahre lang von 1924 bis 1927. Als nach McCays Tod Little Nemo 1947 erneut vertrieben wurde, erschien parallel dazu Dick's Adventures in Dreamland von Neil O'Keeffe bei der Konkurrenz. Noch heute berauscht man sich an der Poesie Little Nemos, an seinem unwirklichen Fluidum. Nemo wird auf seinen Abenteuern meist von Flip, einem kleinen grünen Iren begleitet, der ob der märchenhaften Lokalität durchaus ein pervertierter, zigarrenrauchender Leprechaun (irischer Gnom) sein kann. Nemo, Flip und ihre verschiedenen Gespielen gleiten ruhig mit ihrem Luftschiff durch die seltsam versponnene Atmo sphäre des Schlummerlandes oder haben ihre Not mit den phantastischen Metarmorphosen ihrer Umwelt.
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Mit dimensionensprengenden Perspektiven und einer opulenten Architektur des fin de siecle machte Winsor McCays Zeichenstift jedes Bild zu einem Festakt graphischer Kunst. Mitte der 60er Jahre, durch den ungeheuren Erfolg der drei Wegbereiter Peanuts, Pogo und Beetle Bailey bestärkt, setzte eine wahre Flut von Comic Strips mit höherem Anspruch ein. Es begann einst damit, daß George Herrimans Krazy Kat ein Genre innerhalb der Funnies begründete, das mehr als eskapistisches Lachen bot, das umwoben ist von einer speziellen »mystique«, die sehr leicht bei kryptologischem Approach zerstört wird, da eine gewisse Art von Witz erklärt nicht mehr witzig ist. Es sind die Strips, die »sophisticated humor« bieten, die in der Reflektion der »comedie humaine« auch die »condition humaine« kommentieren und satirisch beleuchten, bei denen das Lachen manchmal schmerzt. Krazy Kat ist der Strip, der bei vielen auch heute noch als das Beste gilt, was je in den Comics produziert wurde. Gilben Seldes, einer der ersten, die in Amerika die Medientheorie vorantrieben, widmete in seinem Buch »The Seven Lively Arts« 1924 Herrimans Krazy Kat ein Kapitel mit dem Titel »The Highest Praise«, und erklärte darin diesen Strip zu Kunst. Krazy Kat wurde von allen sozialen Schichten gelesen und war der erste Strip, der auch besonders bei den Intellektuellen ankam.
Krazy Kat begann 1910 als Zusatzstrip unter Herrimans The Family Upstairs, wurde aber bald unabhängig und lief ab 1911 unter dem Titel Krazy Kat and Ignatz. Bis 1913 hatte Krazy Kat The Family Upstairs verdrängt und lief nur mehr unter dem Titel, unter dem er berühmt wurde. Der Zauber und die Poesie von Herrimans Idiosynkrasie waren so speziell, daß nach seinem Tode 1944 der Strip nicht weitergeführt werden konnte. Das Grundthema ist eine widernatürliche menage a trois, eine Umkehrung der Natur: Krazy Kat, die Katze oder der Kater unbestimmbaren Geschlechts, liebt die Maus Ignatz, und Offissa Pup, der Hund, liebt Krazy Kat. Über die ihm entgegengebrachte Liebe empört, warf Ignatz nun Krazy 34 Jahre lang Ziegelsteine an den Kopf, die er sich in der Ziegelfabrik Kolin Kellys extra anfertigen ließ. Krazy sah dies jedoch als Beweis einer Zuneigung, die sich anders nicht artikulieren konnte. Offissa B. Pup, der Gesetzeshüter, sah in dem Wurf des Ziegels einen Bruch des Gesetzes. Auch wollte er den/die geliebte(n) Krazy vor der Unbill bewahren und so endete Ignatz am Schluß vieler Folgen im Gefängnis. Herriman variierte dieses Grundthema in völliger Freiheit mit einem Dialog voll unsinnigem Witz und Joyceschem Höhenflug ohne semantische oder grammatikalische Restriktionen. Besonders charakteristisch waren die Metamorphosen, die die Dinge im Hintergrund und die Gestirne am Firmament von Bild zu Bild vollzogen. John Alden Carpenter, der Krazy Kat 1922 als Ballett adaptierte, beschrieb Krazy als eine Kombination von Parsifal, dem reinsten aller Toren, und Don Quixote, dem perfekten Ritter. Nun, wenn man so will, war Krazy die Reinkarnation des weisesten aller Narren, der in einem aus Liebespein geborenem Masochismus seinen Ziegel erwartet. Man kann Krazy aber auch als das dümmste Tier ansehen, das je durch einen Comic Strip wanderte.
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Krazy Kat von George Herriman. Krazy Kat, Ignatz Mouse, der Ziegel — und Offissa B. Pup. Und das über 33 Jahre lang. © 1938 King Features/Bulls
Herriman, der Hearst angeblich einmal um eine Gehaltserniedrigung bat, hatte sich bereits seit 1903 mit verschiedenen erfolgreichen Strips versucht. Eine seiner damaligen Reihen, Don Kiyoti and Sancho Pansy, zeigt, wie sehr Herriman von Cervantes fasziniert war. Auch in Krazy Kat taucht wieder eine Nebenfigur namens Don Kiyoti auf. Meistens wird Krazy aber als Symbol der reinen und letztlich siegreichen, allumfassenden Liebe gesehen. Offissa Pup ist dann ebenfalls eine allegorische Figur, das Gesetz, die Moral selbst, gegen die die Anarchie in Gestalt Ignatzens immer unterliegt. Herrimans Kunst war die eines abstrahierten und potenzierten Lewis Carroll und Robert Warshow schrieb in seinem Hymnus an Krazy Kat: »Krazy Kat is ›pointless‹ and ›silly‹, it comes from the peripheral world where the aims and pretensions of society are not regarded.« 6 Vielleicht liegt gerade darin der Schlüssel zu Krazys Erfolg. Ein unmittelbarer Nachfolger Krazy Kats war Felix the Cat. Felix, der von Pat Sullivan für den Zeichentrickfilm kreiert wurde, kam 1923 in die Comic Strips. Heute fehlt Felix the Cat die Sophistication der Anfangsjahre, als der Strip lange Zeit ein phantastisches Element hatte, das wie bei Krazy Kat auch die Erwachsenen zu begeistern vermochte. Felix war damals eine einsame Katze, die durch eine groteske Landschaft wandelte, die von bizarren, jedem Naturgesetz spottenden Gestalten, auf dem Dach stehenden Häusern und anderen abstrusen Objekten gefüllt war. Mit der Zeit verlor Felix seine plagiathafte Nähe zu Krazy und wandelte sich zu einem Comic Strip ohne besondere Auszeichnung.
Pogofenokee Nach Herrimans Tod vergingen ein paar Jahre, ehe in Walt Kelly ein legitimer Nachfolger auftrat. War es einst Krazy Kat, so verdient seit 1949 von allen Comic Strips Pogo das größte Lob. Nicht Al Capp, sondern Walt Kelly ist der Swift der Comics, seine mannigfaltigen Houyhnhnms benehmen sich so, daß wir in ihnen unser Yahoo-Sein erkennen. Im Okefenokee-Sumpf von Georgia schuf Kelly sein scheinbar pastorales Pogofenokee-Land, ein, wenn man will, wie Faulkners Yoknapatawpha County allegorisches Amerika. Doch die Eklogen der Sumpfbewohner sind ein Freudenfest potenzierten freudianischen Wortwitzes und Joycescher Sprache. Reuel Denney7 bezeichnet diese Sprache als eine Art Pogo-Latein oder Okefenokese (Okefenokesisch). Unablässige semantische und phonetische Verdrehungen, das Wörtlichnehmen der Metapher, Malapropismen die Menge, ergeben eine Kommunikation ohne wahre Verständigung, und auf diese Weise werden die jeweiligen Phobien und Neurosen der einzelnen Sumpfbewohner um so deutlicher. Walt Kelly geht in Pogo schöpferisch frei mit der amerikanischen Sprache um. Auch die ohne Lineal gezeichneten Randlinien, die je nach Bedarf wegfallen, unterstreichen die Natürlichkeit und Freiheit in Pogo. Die Sprechblasen sind nicht nur formalistische Mittel zum Zweck, sondern werden oft als echte Objekte in die Geschichte mit einbezogen. Und wie sind diese Ballons gefüllt! Jede der Hauptfiguren in Pogo — dazu tummeln sich im Sumpf noch über 150 (!) feste Nebenfiguren — ist mit einer unerhörten Eloquenz begabt und spricht in einem eigenen komplizierten Sprachstil oder Dialekt. Die Flut der Worte ist überdies bei einigen Tieren in äußerst artifiziellen, auf den ersten Blick gar nicht erfaßbaren Schrifttypen in die Sprechblasen gebannt. Deacon Mushrat spricht zum Beispiel nur in gotischen Lettern, die sein Pharisäertum noch mehr verdeutlichen. Am ausgeprägtesten ist diese vielgerühmte Technik Kellys bei dem Bären P. T. Bridgeport, der dem Zirkusgiganten P. T. Barnum und in der Diktion W. C. Fields nachemp funden ist. Phineas T. Bridgeports Sprechblasen sind alle kleine Zirkusplakate. Pogo ist fürwahr nicht leicht zu lesen. Die Rhetorik der Bewohner des Sumpfes und ihre Neigung zur Demagogie sind auch der Grund, weshalb den Lesern in Europa das Beste, das amerikanische Comic Strips zu bieten haben, versagt bleibt. (Natürlich abgesehen von den Nachdrucken in SpezialZeitschriften für Comic Fans wie Linus oder Stripschrift.) Daraufhin angesprochen, meint Kelly lakonisch: »Pogo language does not improve in translation.« Traurig aber wahr. Walt (Walter Crawford) Kelly arbeitete vor seiner Comicstrip-Zeit von 1935 bis 1941 in den Walt Disney-Studios. Der (positive) Einfluß Disneys ist ganz deutlich in Kellys Pinseltechnik zu sehen, mit der er seinen Tieren eine unvergleichliche Mimik verleiht.
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Für Kinder wie für Erwachsene hat Pogo den Appeal der anthropomorphen Tiere, denn im Gegensatz zu ihrem Sprachgebaren sind die Bewohner Pogofenokees nämlich drollig und kauzig anzusehen. Manche, wie der kleine Alligator Alabaster, sind zum Fressen süß. Chuchu, the Mailman Duck, der einfältige Briefträger, bietet einen gewissen Donald Duck-Touch. Pogo ist so auf mehreren Rezeptionsebenen goutierbar. Als lustiger Tiere-Strip a la Disney und als große Satire. Auf diese Weise vermag Pogo auf lange Sicht den Leser unter Umständen von einer Ebene auf eine höhere hinaufzuführen. Kelly schuf Pogo für die Comic Books. 1942 erschien in den Animal Comics von Dell eine fünfseitige Geschichte, betitelt »Albert the Alligator«. Bis heute sollte Alligator Albert die eigentliche Hauptfigur in Okefenokee bleiben. 1943 trat ein Opossum namens Pogo, das noch völlig unpogohaft aussah, in der Geschichte »Bumbazine and Albert the Alligator« auf. Wegen des Erfolgs wurden die Animal Comics in Albert and Pogo umbenannt. 1949 wurden sie als Pogo Comics wieder aufgelegt, und bis 1951 erschienen davon acht Stück. Diese Comic Books von Dell verkauften sich sehr gut — heute sind sie erlesene Raritäten, Sammlerstücke. Nach einigen mißglückten Anläufen — die Zeitung Star (New York), in der Pogo 1948 als Comic Strip erschien, stellte im Januar 1949 ihr Erscheinen wieder ein — wurde Pogo im selben Jahr beim Hall-Syndicate gestartet. Nach einer kurzen, entmutigenden Anlaufszeit war der Erfolg dann enorm. Seit 1951 erscheint Pogo auch in Buchformat mit Nachdrukken sowie Originalgeschichten. In der Abgeschiedenheit des Sumpfes, im absoluten Ge gensatz zum urbanen Dschungel, scheint in dieser Idylle die Zeit stillzustehen, und doch macht Kelly die aktuellste Satire aller Comic Strips. Schon 1948 beschwerten sich die Republikaner, weil Kelly ihren Kandidaten Dewey als mechanische Puppe dargestellt hatte. 1952 schrieb LIFE, daß wegen der Unschuld der Bewohner des Sumpfes Kellys' Satire niemals bissig sein könne. Hätte man nur etwas genauer hingesehen! Vielleicht wollte man auch nicht erkennen, daß die »Audible Boy Bird Watchers Society« des Sumpfes kaum verhüllt die rechtsextreme John Birch Society anprangerte. Mushrat Deacon (man beachte die subtile Symbolik der Namen), der protestantische Heuchler, dessen Salbaderei in besagten gotischen Lettern im Ballon steht, ist der Head Bird Watcher. Molester Mole MacCarony ist ein weiteres Mitglied dieser Gesellschaft, die (wie die echte John Birch Society Amerika) den Sumpf vor artfremden Immigranten bewahren will. Ein Dritter im Bunde ist Wiley Catt, der nur in der Lynchjustiz ein Heilmittel sieht. Kelly ließ 1953 und 1954 Joseph McCarthy, den Hexenjäger aus Wisconsin, in Pogo auftreten. Kelly gab ihm den Namen Simple J. Malarkey (Quatsch) und zeichnete ihn in Gestalt eines Luchses beziehungsweise einer Wildkatze, da er als Vetter des Lynchers Wiley Catt eingeführt wurde.
Pogo von Walt Kelly. Vorbereitung auf Amerikas Nationalfeiertag, den 4. Juli, als politische Satire in den Wochentagsfolgen von Pogo. Spiro T. Agnew glänzt auch als Hyäne mit seinen Alliterations-Exzessen. Deacon Mushrat salbadert in Fraktur. Das Gefängnis füllt sich. © 1970 Walt Kelly
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Simple J. Malarkey, der stets einen teuflischen Gesichtsausdruck zur Schau trug, riß sofort die Führung der OkefenokeeJohn Birch Society an sich, die den Geist, den sie rief, bald gerne wieder los gewesen wäre. Es sollte nicht das einzige Mal bleiben, daß daraufhin Zeitungen Pogo von ihrer Comics-Sektion suspendierten. Kelly, dessen Darstellung von Personen der politischen Bühne ohnehin eng mit der politischen Karikatur verwandt ist, prangerte nicht nur hier eine gewisse Richtung an; auch später antizipierte er in seiner Satire die Gefahr von rechts. 1970 agierte Spiro T. Agnew als Hyäne (!) in Pogo, und wieder waren es die »Boy Bird Watchers«, die dem Faschismus in Okefenokee den Weg bereiteten. Nicht nur einmal persiflierte Kelly im Rollenspiel seiner Akteure Harold Grays Little Orphan Annie, einen der konservativsten und beliebtesten Strips. Es war kein Zufall, daß just in den McCarthy-Folgen auch einmal Beauregard als »lorn Orphan« auftrat. Schon vorher (1952) hatten sich Pogo und Beauregard als »Li'l Arf An' Nonny« betätigt, liefen mit weißen Knopfaugen herum und fielen deshalb blindlings ins Wasser. Harold Gray fand dies gar nicht lustig, auch nicht als sich Albert 1958 als »Lulu Arfin' Nanny« gebärdete. Alle vier Jahre ist auch im Sumpf Wahl. Dann tritt Tammananny Tiger, der Zeremonienmeister, auf den Plan. (Der Tiger ist die Personifikation von New Yorks Tammany Hall, der demokratischen Parteimaschinerie.) So verschärft der aktuelle Bezug immer wieder den gewohnten Lauf normalen Irrsinns in Okefenokee. Frei von jedem Stereotyp agieren die Tiere im Sumpf, betätigen sich als die großen Schauspieler der Comics. Ganz Okefenokee ist eine einzige große Bühne und manche der Rollen sind durchaus traurig. Nur Pogo Possum selbst bleibt immer eine einfache, etwas beschränkte Gestalt und dient so als Kontrast für die anderen Charaktere. Kelly schuf mit Pogo die große Satire auf die Unnatürlichkeit des Menschen, der als Marionette seiner gesellschaftlichen Repressionen lebt. Einzig Pogo läßt sich nie zum wahnwitzigen Rollentausch verleiten, bleibt sachlich, wohl auch, weil er zu dumm ist, oder sich wie jedes Opossum den bedrückenden Realitäten verschließen kann.
Welche Bühne hatte je schillerndere Schauspieler? Da ist Seminole Sam, der süßmäulige Fuchs, der einzige, der seine Rolle aus der Fabel weiterspielt. Er ist der betrügerische Vertreter, ein roßtäuscherischer Snopes aus Faulkners »The Hamlet«. Ein weiterer Scharlatan ist Sarcophagus MacAbre, der Geier, dessen Sprechblasen manchmal wie Todesanzeigen aussehen. Houn'dog Beauregard, der Hund mit dem unterentwickelten Olefactorius, ist ein weiterer der ganz großen Rhetoriker in Okefenokee mit Hang zum Selbstbetrug. Porkypine, das Stachelschwein, ist der immer finstere Misanthrop im Sumpf. Churchy La Femme, die Schildkröte mit dem Piratenhut, ist das dümmste von allen Tieren. Er dient oft Prof. Howland Owl in dessen wahnwitzigen Experimenten als Handlanger. Die Eule mit dem Merlinshut ist der Wissenschaftler ohne jeden Sinn für die Implikationen seines Tuns. Miss Ma'm'sell Hepzibah, das vamphafte Stinktier (!), bringt gelegentlich das romantische Thema in den Strip. Und Albert der Alligator ist der größte Schauspieler von allen. »Why do dogs get all the good parts?« fragt er einmal. »Alligators can out-dog dogs the worst day they ever crawlt.« Albert leidet an unbewußten kannibalistischen Trieben. Reuel Denney sieht Alberts Zigarre — er ist nie ohne — als Ersatzbefriedigung seiner diesbezüglichen Tendenzen, für die er als karnivorer Alligator ja eigentlich nichts kann. Albert brachte seinen latenten Kannibalismus aus seiner Comicbook-Zeit mit. Kelly sagt dazu, daß er die Episoden, in denen Albert sich etwas einverleibt, was er sich nicht hätte einverleiben sollen, ganz einfach anfertigte, weil er sie lustig fand, bis er aus Zuschriften erfuhr, er selbst habe einen entsprechenden Komplex. Aber Kelly ist natürlich nicht darüber erhaben, sich auch selbst hochzunehmen. So machte einmal Barnstable der Bär einen Strip im Strip auf und schob so den eigenen Thespiskarren des Sumpfes ins Licht der Satire.
Wieder einmal hat der große Mime, Albert der Alligator, die eigentliche Hauptfigur in Pogo, seinen Trieb, sich alles und jedes einzuverleiben, nicht bezähmen können.
© 1970 Walt Kelly
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Li'l Abner von Al Capp. Die Yokums. © 1970 Chicago Tribune — New York New Syndicate
Dogpatch, U.S.A. Auf die Frage nach dem amerikanischen Comic Strip schlechthin, bekommt man stets Li'l Abner zur Antwort, und in der Tat ist Amerika selbst Subjektmaterie in Al Capps Strip, denn seit jeher interpretiert man Dogpatch, das Dorf der Hillbillies, als ein symbolisches U.S.A. und sieht in Li'l Abner den »true American boy« und gleichzeitig seine Karikatur. Aber wer möchte sich schon in Li'l Abner wiedererkennen, dem reinen unschuldigen Toren mit dem schwachsinnigen Ge sichtsausdruck, dem amerikanischen Hans im Glück? Als Al (Alfred Gerald Caplin) Capp8 im August 1934 Li'l Abner begann — er hatte vorher bei Harn Fishers Joe Palooka assistiert — waren Li'l Abners Eltern, Mammy und Pappy Yo kum, noch von normaler Größe. In der ersten Zeit des Strips begannen sie alsbald zu schrumpfen, wurden wieder groß und blieben nach einigem Hin und Her zwergenhaft klein und symbolisieren so die Sohn-Eltern-Relation in Amerika. Mammy Pansy Yokum ist die allmächtige, absolute Herrscherin über die Yokums und über Dogpatch, inkarniertes amerikanisches Matriarchat. Mit ihrem Grundsatz »Goodness is stronger than evil because it's nicer« ist sie unbesiegbar. Aus ihren Augen strahlt Güte in solcher Stärke, daß sie damit sogar Evil Eye Fleegle, den »Master of the Whammy« überwindet. Das Gute siegt, das Böse nicht: Man kann sich des Verdachts nicht erwehren, daß das bei Capp nicht satirisch gemeint ist. Mammys Mann, Lucifer Yokum, ist auf ein nutzloses, kriecherisches Männlein reduziert, das einzig und allein aufs Es sen bedacht ist. Auch beider Sohn Li'l Abner frönt stets leiblichen Genüssen, hat meist eine Banane in der Hand und mampft. Im Lauf der Jahre hat sich in Li'l Abner eine groteske Galerie von Charakteren angesammelt, die alle an ihrer subtilen Namenssymbolik leiden. Im Unterschied zu den meisten männlichen Figuren, wie Big Barnsmell, Hairless Joe, Clark Raspuntigable, Robin Hoodlum oder Senator Jack S. Phogbound, sehen die Mädchen in Dogpatch alle aus wie »you know how« 9: Moonbeam McSwine und Stupefying Jones sind Idealgestalten der »farmer's daughter«, und Daisy Mae, Li'l Abners Frau, wird gern mit Marilyn Monroe oder Mae West verglichen.
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Capp läßt seine Figuren nach einem ganz einfachen Schema agieren: »My formula is to throw comedy characters into melodramatic situations and to show them solving their monstrous tribulations in a simple-minded way.« 10 Li'l Abner altert zwar nicht, aber 1952 mußte er auf den Druck der öffentlichen Meinung hin in den Stand der Ehe eintreten. Seine Hochzeit mit Daisy Mae war ein nationales Ereignis, über das in allen Medien ausführlich berichtet wurde. Diese Heirat war der Gipfelpunkt in Capps Satire auf das oberste Ziel der amerikanischen Mädchen: sich einen Mann zu angeln. Mit dem in Dogpatch seit 1946 begangenen Sadie Hawkins Day hatte Capp zuvor schon dank seines MassenAppeals das amerikanische Brauchtum bereichert. An diesem Tag, dem 15. November, werden in Dogpatch die Junggesellen zu Freiwild erklärt und von den bis dato unbemannten Frauen und Mädchen gejagt. Wer »erlegt« wird, muß heiraten. Auf dem Campus vieler Universitäten beging man daraufhin jedes Jahr auch einen Sadie Hawkins Day. Besonders lieb sind aber allen Amerikanern die Dinge in Li'l Abner, die sich kommerziell ausschlachten lassen, wie der mirakulöse »Kickapoo Joy Juice«, der bald einer käuflichen Limonade den Namen gab. Den größten Erfolg aber hatte die Figur des Shmoo, die lange Zeit auf allen nur erdenklichen Artikeln warb. Die Shmoon sind kleine schmackhafte Tiere mit der Fähigkeit, jeden materiellen Wunsch erfüllen zu können und vor Freude tot umzufallen, wenn man sie hungrig ansieht. Da die Shmoon durch diese Eigenart das kapitalistische Leistungssystem gefährdeten, mußte man sie töten, um einen paradiesischen Zustand zu verhindern. Man beschuldigte Capp des »Shmoocialism« und diskutierte überall heftig die Grundfragen des Kapitalismus, wie in einer Rundfunksendung mit Al Capp unter dem Titel: »Does Capitalism Meet the Needs of Modern Man?« Man kam aber bald allgemein zu einer bejahenden Einsicht. Etwas weniger Furore machten die Kygmies (kick me), an denen sich jedermann mit einem Fußtritt abreagieren konnte. »What this country needs is a good five-cent masochist« sagte Capp über seine Motivation, diese Wesen zu erfinden.11 Als nun der Glanz Amerikas zu verblassen begann, als schließlich die alten Ideale angezweifelt wurden, wurde auch Al Capps Ruhmeskranz welk, der aus den größten Hymnen gewunden war, die je einem Comics-Zeichner gesungen wurden. Time nannte ihn in der Cover-Story den D. W. Griffith, den Gershwin der Comics, andere verglichen ihn mit Voltaire, Dante oder Mark Twain. Und in Li'l Abner glaubte man eine Komplexität wie in den Romanen von Henry James (!) zu entdecken.12 Wenn schon nicht in der Literatur, wollte man sich doch zumindest im Comic Strip endlich den »großen amerikanischen Roman« erküren können. So ist es nicht verwunderlich, daß Capp von John Steinbeck für den Nobelpreis vorgeschlagen wurde. Nicht erst wegen seines VietnamEngagements 13 sah man sich dann Steinbecks Werk genauer an, tauchten Zweifel am Wert seines Urteils über Capp auf.
Die aufbegehrende Jugend aus der Sicht des »großen amerikanischen Satirikers«. © 1970 Chicago Tribune — New York News Syndicate
Mit Beginn der Civil Rights- und anderer Bewegungen Anfang der 60er Jahre hatten Teile der Jugend nun plötzlich mehr im Kopf als die Aspiration amerikanischer Ideale. Al Capps Satire war der Boden entzogen und als Konservativer versuchte er, zu verteidigen, was ihm heilig und wert war. Er richtete seinen Zeichenpinsel nun bevorzugt gegen langhaarige Hippies und Studenten und prangerte an, wie wenig die Polizei doch imstande sei, »law and Order« herzustellen. Es mutet tragikomisch an, daß Li'l Abners Haartracht 1970 auf einen modischen Stil hingetrimmt wurde. Al Capp bestimmt zwar die Ziele seines satirischen Witzes, er selbst zeichnet aber nur mehr die Köpfe in Li'l Abner. So hat er mehr Zeit, seinen Standpunkt in Fernsehauftritten, in Artikeln und besonders in seiner syndikatisierten Kolumne »Al Capp Here« zu vertreten. Dort kann man deutlicher noch als in seinem Comic Strip nachlesen, wie wenig progressiv der große amerikanische Satiriker in Wahrheit ist. Schon 1965, als er in einem entlarvenden Interview14 Jules Feiffer lobte, meinte dieser, bei Capps Ansichten über gesellschaftliche Zusammenhänge sei solches Lob doch sehr zweifelhaft. Schon 1954 bemerkte Robert Warshow, er finde den größten Teil von Capps Satire mechanisch und ziemlich geschmacklos (eine Ansicht, die Capp manchmal mit ihm teilen würde). Al Capps ungeheurer Erfolg — Li'l Abner erscheint in über 1000 Zeitungen und erreicht damit etwa 80 Millionen Leser — beruht eben gerade auf seinem fehlenden Esprit, auf der Tatsache, daß er mit seiner Satire nicht soziale Mißstände an greift, sondern die altüberlieferten Tugenden der amerikanischen Gesellschaft zu bewahren sucht. Dabei machte sich doch Al Capp augenscheinlich über den amerikanischen Volkscharakter lustig. Dogpatch ist Amerika, die Yokums sind die Amerikaner, und sie bieten ein wenig schmeichelhaftes Bild. Doch die, die damit gemeint waren, wenn Capp mit ungewöhnlich scharfem Blick ihre Verhaltensweisen aufs Korn nahm, lachten nur selbstgefällig. Denn niemand wollte sich mit diesen Hinterwäldlern identifizieren, jeder fühlte sich über diese einfältigen Hillibillies erhaben.
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In Li'l Abner erscheint auch häufig ein »Strip im Strip«: Fearless Fosdick, eine Parodie auf ehester Goulds Dick Tracy. Polizei-Detektiv Fearless Fosdick verdient zwischen zehn bis zwanzig Dollar die Woche, geht aber immer wieder durch ein Mißgeschick seiner in jahrelanger Mühsal anvisierten Ge haltserhöhung verlustig. Fosdicks Spezialität ist es, bei der Festnahme von Verbrechern auch zahlreiche »innocent bystanders«, nichtsahnende Passanten, mit einem Loch im Kopf zu versehen. Bei der Verfolgung eines Baiionverkäufers ohne Lizenz erlegte er die staatliche Zahl von 42 Stück — der Ballonverkäufer entkam natürlich. Ab und zu baut Al Capp auch gerne Zunftkollegen in seinen Strip ein. So ließ er einmal in Li'l Abner »Allen Flounder« samt seiner Kreation »that idol of the comics-page ›Mary Worm‹ Amerika's most beloved busybody« auftreten. Allen Saunders, der Mary Worth schreibt, fühlte sich dadurch keineswegs geschmeichelt (im Gegensatz zu ehester Gould), und konterte in seinem Strip mit einem trunkenboldischen Zeichner namens Hal Rapp. Die Syndikate schalteten sich daraufhin ein und verbaten sich weitere Privatfehden. Long Sam von Bob Lubbers. Al Capps eigenartiger Humor zeigt sich auch in dem von ihm geschriebenen und von Bob Lubbers gezeichneten Melodram um das Hillbilly-Girl Long Sam. © 1962 United Feature Syndicate/UPI
Aber in den drei Sonntagsfolgen vom 13. bis 27. Oktober 1968 nahm Al Capp in Li'l Abner einen anderen Zeichner namens »Bedley Damp« aufs Korn, dessen Strip »Peewee« förmlich troff vor Aussagen a la »Krafft-Ebing, Jung, Adler and ›Dear Abby‹«. »Croopy«, der Hund des Strips, gebärdete sich als amerikanisches Flieger-As Eddie Rickenbacker. Bedley Damp bezog die Ideen für Peewee von seinem Nachbarn, einem Psychiater. Als dieser wegzog, wurden die Kinder und der Hund in Peewee wieder normal, Bedley Damp wurde vom Syndikat gefeuert, und der Psychiater an seiner Stelle unter Vertrag genommen. Den neuen Zeichner für den Strip fand man in Li'l Abner, dessen Gekritzel als ideale Ergänzung zur Aussage der Peewees empfunden wurde. Bezeichnenderweise erschien diese »Satire« in den Sonntagsfolgen, von denen Capp selbst sagt, daß er, bei zwei Ideen für seinen Strip, die weniger gute oder erfolgversprechende auf die Sonntagsseiten verbannt. Peanuts Man kann in Capps Persiflage der Peanuts ein Körnchen Wahrheit erkennen. Es ist inzwischen allgemein bekannt, daß der Schöpfer der Peanuts, Charles M. Schulz, Laienprediger in der »Church of God«, einer konservativen, bibelorientierten »Protestant Denomination« ist. Auch Bücher wie »The Gospel According to Peanuts« oder »The Parables of Peanuts«, beide von Robert L. Short, haben gezeigt, daß die Peanuts ontologisch zu interpretieren sind. Short illustrierte seine Bibelparaphrase über die menschliche Situation mit Folgen aus Peanuts, und es zeigte sich ganz deutlich, daß Schulz auf seine Weise die menschliche Malaise sehr viel trefflicher kommentiert als die von Short bevorzugt zitierten Kierkegaard, Barth oder Tillich. Theologie in den Peanuts von Charles M. Schulz. © United Fe ature Syndicate/UPI
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Der Comic Strip, dem bis heute der größte Erfolg beschieden war, begann 1950. Aber erst nachdem mehrere Syndikate Schulz' Strip Li'l Folks abgelehnt hatten, konnte er ihn an United Feature Syndicate verkaufen, wo man ihn über seinen Kopf hinweg in Peanuts umbenannte, da es bereits einen Strip mit dem Titel Linie Folks gab. Schulz hätte statt dessen seinen Strip nun gerne Good Ol' Charlie Brown betitelt, aber erst etwa 20 Jahre später konnte er es sich erlauben, die Sonntagsfolgen der Peanuts mit diesem Untertitel zu versehen. Schulz ist übrigens einer der wenigen Zeichner, die alles — von der Idee bis zur Schrift — ohne Assistenten machen. Er braucht für einen Sonntagsstrip etwa einen Tag, die sechs Wochenstrips schafft er oft an einem Nachmittag. Sein Zeichenstil ist zwar genial, aber nicht zeitraubend. Die meisten Schwierigkeiten bereitet ihm Charlie Browns Kopf, am leichtesten geht ihm Snoopy von der Hand. Trotz oder gerade wegen des Schulz unpassend erscheinenden Titels etablierten sich die Peanuts nicht nur in nahezu allen Comics-Sektionen amerikanischer Zeitungen, sondern sie wurden auch in aller Welt heimisch. Die Auflagen der Buchnachdrucke sind derart hoch — sie bewegen sich auf die 60-Millionenmarke zu — daß Schulz als Bestseller-Autor in einem Atemzug mit Erle Stanley Gardner oder Mickey Spillane genannt werden kann. Die zusätzliche Auswertung der Peanuts hat unüberschaubare Ausmaße angenommen; 1967 war es nach LIFE bereits ein 15-Millionen-Dollar-Geschäft. Mit Fernsehshows, Filmen, einem Musical, Schallplatten, Puppen jeglicher Art geriet Peanuts in den Sog des reinen Kommerzes, und verlor dadurch einiges von seinem ursprünglichen Zauber. Walt Kelly, der mit Pogo ein ähnliches Geschäft machen könnte, hat eine kommerzielle Ausbeutung seiner Figuren abgelehnt. Seit 1950 sind die Kinder in Peanuts um etwa ein bis zwei Jahre gealtert, geistig machten sie aber eine viel stärkere Veränderung durch. Ganz zu Anfang benahmen sich Charlie Brown und seine »Freunde« noch wie völlig normale Kinder. Sally hatte Charlie Brown lieber als Shermy, und stritt sich gar mit Violet, die ihn noch lieber haben wollte. Ja, das waren noch schöne Zeiten für Charlie Brown. Doch bald wurde sein ballonartiger Kopf die Zielscheibe bösartiger Bemerkungen. Und während sich im fortschreitenden Soziationsprozeß die anderen Peanuts immer mehr Eigenarten zulegten, sich in Phobien flüchteten und diese auch noch offen zur Schau trugen, blieb Charlie Brown menschlich und wurde deshalb zum Außenseiter. Die Zeit der Unschuld war vorbei. Seine genialsten Höhepunkte erreichte Schulz immer dann, wenn er das Unvermögen des simplen, naiv humanen Charlie Brown schilderte, sich im Gegensatz zu den anderen Peanuts in die Rollenerwartung der Gesellschaft zu integrieren, in eine Gesellschaft, in der Einzelgängertum mit einem sozialen Stigma behaftet ist. Während alle Peanutskinder in einem kleinen Plastik-Swimmingpool tollen, sitzt Charlie Brown
allein in einem Eimer hinter dem Zaun und ächzt ein aus tiefster Seelenpein geborenes »Sigh«. Wenn die anderen Kinder Astronaut spielen, ist Charlie Brown ein »Lonesome Cowboy«. Lucy und die anderen Peanuts sind bereits entfremdet, haben sich angepaßt, sind integriert. Von ihnen wird Charlie Brown emotionell förmlich geschlachtet. Seine Anfälligkeit gegen diese psychischen Verletzungen beruht einzig auf seinem unzeitgemäßen Gefühlstyp. Er ist ein sensibler Humanist, dessen gepeinigtes vegetatives Nervensystem nie zur Ruhe kommt. Geistig noch nicht so weit fortgeschritten wie seine Interpreten, will Charlie Brown einfach Mensch sein, ohne großes ontologisches Geschwätz, ohne theologisches Leiden. Charlie Brown erweckt Mitleid und Bewunderung des Lesers, denn er nimmt nicht den Ausweg des Feiglings in die offen gezeigte Neurose. Charlie Brown, der bei vierzigtausend Damespielen hintereinander unterliegt, der es nie schafft, seinen Drachen steigen zu lassen, gibt nicht auf, denn er ist kein »quitter«. Mit seinem Baseball-Team verliert er jedes Spiel (einmal gar 123:0) und es ist stets an ihm, die entscheidenden Punkte zu verpatzen. Dann ist Charlie Brown der verspottete und gemiedene »goat«, der Schafskopf, der »blockhead«. Doch Charlie Brown will nicht allein sein, praktiziert unartikuliert Donnes »No man is an island«, will sich anpassen, doch bleibt ihm dies wegen seines Soseins verwehrt. Der einzige, dem er sich ab und zu anvertrauen kann, ist sein »pencil-pal« (Charlie Brown vermag den »pen« noch nicht für einen »pen-pal« adäquat zu handhaben). Wann endlich läßt Schulz einmal einen Glücksstrahl in Charlie Browns Leben scheinen, wann endlich wird Charlies unglückliche Liebe zu dem kleinen, rothaarigen Mädchen dadurch erhört, daß sie ihr Pausenbrot mit ihm zusammen verzehrt? In den Peanuts reflektiert Schulz sehr genau die jeweiligen literarischen Strömungen. War es in den 50er Jahren die Psychoanalyse (Lucy), so sieht man nach 1960, daß Charlie Brown sehr viel mit »Herzog«, der Titelfigur von Saul Bellows psychologisch-philosophischem Roman gemeinsam hat, der 1964 und 1965 in den Bestsellerlisten zu finden war. Auch das spätere Tendieren zu »pure fantasy« in den Peanuts ist eine Parallele zu Strömungen in der Literatur. Auch Charlie Brown ist ein fall guy, eine Identifikationsfigur für jedermann. Er ist der Sohn eines Friseurs (wie Charles M. Schulz), und auch er träumt wie jedes Kind davon, einmal ein Baseballstar zu werden, vielleicht sogar Präsident. Wie einfach haben es im Gegensatz zu ihm die anderen Peanuts in ihren gewählten Rollen, die es ihnen einmal leicht machen werden, das Leben stereotyper Erwachsener in Amerikas Suburbia zu führen. Sie alle haben bereits ihre geistigen Krücken fürs Leben. Da ist Charlie Browns Hauptpeinigerin, Lucy Van Pelt. Bar jeden Mitleids, rein materialistisch, selbstsüchtig, egoistisch bis zum Exzeß, ist sie mit ihrer tyrannischen Penetranz auch
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Die Einsamkeit des Charlie Brown. © 1959 United Feature Syndicate/UPI
für den Leser eine Qual. Aus dem einstigen Limonadenstand der Kinder ist bei Lucy ein Kiosk für psychiatrische Behandlung geworden. Ihre Diagnosen zu 5 Cent sind grausam wahr. Ihren Bruder Linus veranlaßt Lucy zur Erkenntnis: »Big sisters are the crab-grass in the lawn of life.« Doch Linus hat ja seine Decke aus Flanell, die alle seine Ängste und Frustrationen absorbiert. Charlie Brown bemerkt: »I think most of life's problems are too complicated to be solved with a spiritual blotter.« Es war Charlie Brown, der Schröder mit dem Spielzeugklavier bekannt machte. Schröder begann sofort virtuos zu spielen, komponierte wenig später eine Rhapsodie und bekam einen Vertrag von der »New York Philip Harmonie«. Auf die Frage, wie dies möglich sei, da die schwarzen Tasten auf dem Klavier doch nur aufgemalt seien, gab Schröder zur Antwort: »Ich übe eben viel.« Schröder ist der monomane Virtuose mit dem BeethovenTrauma. Nur der Kunst weiht er sein Leben und ist so sicher in seiner Paranoia etabliert. Während Schulz selbst eher Brahms oder Dvorak bevorzugt, ist Schröder auf Beethoven fixiert. Allerdings umfaßt sein Repertoire auch die anderen Klassiker, die er ebenfalls schätzt, aber nur bei Beethovens Neunter läuft es ihm so kalt über den Rücken, daß er sich einen Mantel anziehen muß. Andere Peanuts-Figuren wie Frieda mit dem »natural curled hair« oder Pig-pen, an dem der Dreck der Jahrtausende haftet, haben ähnlich außergewöhnliche Eigenarten. Sally, Violet oder Shermy sind noch am ehesten »normal«, deshalb aber uninteressant, und kommen auch nur selten in den Peanuts vor.
Immer mehr schob sich dagegen Snoopy, der Beagle-Hund, in den Vordergrund, wurde zum Mittelpunkt und zur Hauptfigur des Strips. In der philosophischen Phase der Peanuts war Snoopy noch der perfekte Hedonist, der auf dem First seiner Hütte dem süßen Nichtstun nachging. Auch er hatte zeitweilig seine »hang-ups«, legte dann aber einfach seinen Kopf in den Wassernapf. Während er anfangs nur aufs Fressen aus war, von klaustrophoben Anfällen im hohen Gras einmal abgesehen, überschritt Snoopy sein einfaches Hundsein sehr schnell. Bald war seine Hundehütte mit Klimaanlage, Billardtisch, Teppichen, getäfelten Wänden, einer Schallplattensammlung und einem Van Gogh ausgestattet, der nach einem Brand von einem Andrew Wyath ersetzt wurde. James Thurbers »Walter Mitty« mag Pate gestanden haben, als Snoopy begann, seine Tagträume auszuleben. Er imitierte Geier, Gorillas oder Dinosaurier und begann als »The Mad Punter« sein Unwesen zu treiben. (Es war ihm ein Hochgenuß, einen herumliegenden Football wegzukicken — wieder hatte der »Mad Punter« zugeschlagen.) Friedas Katze mußte wieder aus dem Strip verschwinden, da Snoopy im Gegensatz zu ihr zu sehr als normaler Hund gewirkt hätte. Schulz sagt scherzend dazu, er habe außerdem gemerkt, daß er gar keine Katze zeichnen könne.15
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Der Hund Snoopy, des Menschen bester Freund, auf seiner Sopwith Camel im Kampf gegen den roten Baron. © 1966 United Feature Syndicate, Inc./UPI Charlie Browns edle Einfalt und stille Größe stempeln ihn unter den anderen neurotischen Peanuts-Kindern zum anachronistischen Gefühlstyp ab. Diese Sequenz, eine der besten und beliebtesten von Peanuts überhaupt, eröffnete auch den ersten Peanuts-Spielfilm »A.Boy Named Charlie Brown« (»Charlie Brown und seine Freunde« 1969/1970). © 1970 United Feature Syndicate, Inc./UPI
Bald lief Snoopys Phantasie Amok, Traum und Realität vermischten sich. Nicht nur in den Peanuts machte sich im Gefolge des Films »The Blue Max« ein Faible für die Kampfflieger des ersten Weltkrieges bemerkbar. Snoopy nahm auf seiner Hundehütte, das heißt mit seiner Sopwith Camel, den Kampf gegen den Roten Baron (Richthofen) auf, so daß dieser Ritter der Lüfte mit seiner roten Fokker sehr bald zu sagen pflegte: »Happiness ist eine kleine kaput beagle.« (So die MADVersion.) Snoopy wurde des öfteren hinter den feindlichen Linien abgeschossen und mußte sich mühsam zu seiner Hundehütte vor Charlie Browns Haus zurückschleichen. Doch nicht die ausgelebten Tagträume Snoopys, sondern die »Metaphysik« machte den Reiz der Peanuts aus. Der Witz von Snoopys Aktivitäten als Schriftsteller, Eishockeyspieler oder »weltberühmter Verkäufer in einem Kolonialwarenladen« besteht eben darin, daß er zumindest von der Gestalt her doch ein Hund ist, und das ist auf die Dauer nicht skurril und lustig, sondern formelhaft. Charles Schulz deutet jedoch in Peanuts an, daß er zu den alten Inhalten zurückkehren will, deretwegen er in die Comicsgeschichte eingehen wird. Beetle Bailey Ähnlich erfolgreich wie die Peanuts sollte Mort Walkers Beetle Bailey werden, der ebenfalls 1950 erschien. Beetle Bailey ist in über 1100 Zeitungen in 43 Ländern vertreten. Mort Walker bekam, wie Schulz, fast jede Auszeichnung und jeden Preis, der für Comicstrip-Zeichnungen zu vergeben ist, doch obwohl Beetle Bailey ein lustiger Soldaten-Strip ist, wurden Mort Walker noch keinerlei Ehrungen von Seiten des Militärs zuteil. Die Air Force hat Steve Canyon und Terry and the Pirates, die Navy hat Buz Sawyer und Thorn MC Bride und was hat die Army? Sad Sack und Beetle Bailey! In der Tat sind diese beiden keine strahlenden Helden, die die Moral der Truppe stärken und in deren Glorienschein sich die Angehörigen der Armee sonnen könnten.
Lustige Soldaten-Strips vor Beetle Bailey waren zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs Clyde Lewis' Private Buck, der sehr beliebte Private Breger von Dave Breger und George Bakers Sad Sack. Sad Sack, der fall guy der Armee, wurde während des Zweiten Weltkriegs in der Militärzeitschrift Yank eingeführt, doch nach dem Krieg vermochte Sack nicht in den Comic Strips Fuß zu fassen. Sad Sack hat jedoch bei Harvey Publications als Comic Book hohe Auflagen, da er gern als Complimentary Issue, als von der Armee subventioniertes Freiexemplar für die Soldaten, verwendet wird. Beetle Bailey ist dagegen keineswegs nur ein fall guy. Er wird zwar nie befördert (da sonst dem Strip die Grundlage entzogen wäre), aber wie ein amerikanischer Schwejk vermag er dem Militärleben gewisse Annehmlichkeiten abzugewinnen. Außerdem ist ja Friedenszeit, und das Leben in Camp Swampy ist so schlecht nicht. Beetle Bailey ist eine genuine Satire auf das Soldatenleben. Beetle selbst ist ein Zivilist in Soldatenkleidern und deshalb stets auf der Flucht vor den Pflichten eines Soldaten, zu denen eben auch Küchen- und Latrinendienst gehören. Sergeant Snorkel, sein Gegenspieler, ist fett und gefräßig, doch auf seine Weise durchaus kompetent und damit das genaue Ge genteil des vertrottelten Generals Halftrack. Cookie, der Koch, hat in der Kantine und in der Feldküche mit dem von ihm produzierten Essen noch nie einen Soldaten zufriedenstellen können. Mort Walker hat in Beetle Bailey, wohl durch den Erfolg Snoopys in den Peanuts inspiriert, den Hund Otto eingeführt, der als Maskottchen auch eine Uniform trägt, auf zwei Beinen geht und sich so seine Gedanken über das Militärleben macht. Auch sonst persifliert Mort Walker in seinem Strip gerade gängige Moden. So agierte Sgt. Snorkel in seinen Träumen als Super Sarge (28. 11. 65), oder betätigte sich als Haws Snorkwright in Bananza, mit Gen. Halftrack als »Ben Snorkwright, owner of the Mama Rosa Ranch, und Beetle als Little Joke« (22. 1. 67).
Beetle Bailey von Mort Walker. Der übliche Umgangston in Camp Swampy. Beetle wird nie einsehen, daß er gegen den Sarge eben doch meist den kürzeren zieht. © 1970 King Features/Bulls
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Die neue Welle Mel Lazarus verwendet wie Charles Schulz seit 1957 in Miss Peach nicht nur Kinder, die keine Kinder sind, sondern auch eine ähnliche Zeichentechnik. Durch den gekonnt infantilen Stil scheinen die »Kinder« von Lazarus auf den ersten Blick nur aus einem Kopf zu bestehen, in dem obendrein beide Augen bei Profilansicht auf einer Seite plaziert sind. Neben seinen Sprößlingen läßt Lazarus aber auch Erwachsene auftreten, die jedoch in ihrer naiven Beschränktheit die wahren Kinder des Strips sind und nur dazu dienen, das intellektuell pervertierte Verhalten der Kinder zu verdeutlichen. Bar jeder kindlichen Unschuld, ohne einen Funken kindlichen Charmes, geben die kleinen Teufel in ihrem Klassenzimmer in der Kelly School Anschauungsunterricht für Psychiater. Mit leicht abwesendem Blick sehen Miss Peach und Miss Crystal dem Treiben zu und vermögen ebensowenig darauf Einfluß zu nehmen oder Autorität auszuüben wie Mr. Grimmis, der inkompetente Rektor der Kelly School. Kameraderie oder Freundschaft sind unbekannte Worte in dieser Schule des Grauens, in der sich alle Aktivitäten um Klubs, Organisationen, Exkursionen oder eben um sezierende Diskussionen drehen, um all dies, nur nicht um Unterricht. Man mag in der Kelly School ein Abbild der amerikanischen Gesellschaft sehen. Süßere Schulkinder gab es nie: Marcia ähnelt stark Lucy Van Pelt aus Peanuts, denn sie tyrannisiert ihre Mitschüler. Freddy, der Zyniker sitzt in der letzten Bank und hat dadurch automatisch immer das letzte Wort. Der gefräßige und feige Ira, der seine Fehler fatalistisch eingesteht, und andere kleine Ungeheuer wie Arthur, Lester oder Francine komplettieren diese Comicstrip-Schulklasse, die nicht dazu angetan ist, den Lehrermangel in Amerika zu lindern. Viele der in der Zeit des großen Erfolgs von Peanuts, Pogo und Beetle Bailey entstandenen Funnies trugen dem neuen Bewußtsein der Leser Rechnung. Die Betonung des fall guy und anderer Identifikationsfiguren für das »lower middle class«-Proletariat wurde in den Comic Strips immer schwächer. Ein weiterer echter und würdiger Nachfolger George Herrimans ist Johnny Hart, der mit seinem Strip B. C. (1958) herrlichen »off-beat humor« produziert, höheren Nonsens in der Steinzeit, genauer im Pleistozän, angesiedelt hat. Die Höhlenmenschen um B. C., den unauffälligsten Urmenschen von allen, verhalten sich völlig anachronistisch. Da ist der ungeschickte Brillenträger Clumsy Carp, der Schriftsteller Wiley mit seinem Piratenholzfuß, und Thor der Speedster mit seinem Rad. Peter Curls mit seinen sophistischen Bemerkungen ist schon sehr viel weiter in der Evolution fortgeschritten als Grog, die Haarkugel auf zwei Beinen. Zwei Mädchen und eine anthropomorphe Menagerie vervollständigen die Darstellerliste von B. C. So wird die menschliche Komödie allgemein und die heutige Gesellschaft im besonderen in der Ur-
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zeit reflektiert und kommentiert. Wenn der Schreckensruf ertönt: »The Midnight Ecologist skulks again!!« (Der Mitternachts-ökologe treibt wieder sein Unwesen!), sieht man den Superheldenboom bis ins Pleistozän wirken. Johnny Hart schreibt auch die Gags für den von Brant Parker gezeichneten Wizard of Id (1964), in dem der Humor fast noch weiter »out« ist. Dieser Strip spielt in den »Dark Ages«, dem finstersten Mittelalter. Der zwergenhafte König (a fink) wird wegen seiner Kleinheit von Neurosen und Komplexen gepeinigt und tyrannisiert deswegen seinen Ritter Sir Rodney, sowie den ewig betrunkenen Hofnarren, diverse leibeigene Bauern und den Gefangenen im Verlies, dessen Los weitaus besser als d as seines Wächters ist. Der Zauberer straft sich mit seinen fehlerhaften Zaubersprüchen und seiner zänkischen Ehefrau selbst genug. Die nur im Mittelalter möglichen Drachen hindern Hart und Parker keineswegs, unvermittelt auch eine Apollo-Mondfähre oder den Lone Ranger auftauchen zu lassen. So erzielen beide Strips, B. C. und Wizard of Id, beim Leser das Lachen durch den einfachen Kunstgriff, die Charaktere im Mittelalter und in der Urzeit wie moderne Menschen in ihren von Psychiatern und Soziologen determinierten Rollen agieren zu lassen. Mit ähnlichen Mitteln historischer Verfremdung arbeiten zwei Comic Strips im Bereich des Western: Tom K. Ryans Tumbleweeds (September 1965) und Gordon Bess' Redeye (1967). Tumbleweeds ist dabei der Strip, der seinen Humo r ganz aus dem Setting eines Western bezieht. Der Cowboy Tumbleweeds schleicht auf seinem verschlafenen Pferd Blossom durch den Wilden Westen rund um den Ort Grimy Gulch. Er nimmt die guten Westernklischees um Cowboys, Indianer und Kavallerie sanft auf die Schippe, ohne die Grenzen des Genres durch Anachronismen zu durchbrechen. Wesentlich mehr Freiheiten nimmt sich Gordon Bess bei Redeye, der humorig satirischen Darstellung von Häuptling Redeyes Indianerstamm. In dieser Serie figurieren nur die Mitglieder des einen Indianerstammes. Weiße oder rote Gegner greifen zwar ins Geschehen ein, bleiben aber immer im Off. Redeye ist jedoch keine bloße Aufbereitung des Lebens in einem Indianerlager. Wenn sich der Medizinmann als golfspielender praktischer Arzt oder Psychiater entpuppt, die Frau des Häuptlings ihrem Mann absichtlich den Appetit auf ihr Abendessen vermiest, um endlich einmal wieder ausgehen zu können, wenn der Häuptling ständig seinen Kummer im Alkohol (daher Redeye!) ertränkt und Tanglefoot, der dümmste seines Stammes, stets vergeblich um Redeyes Tochter anhält, wenn also Gegenwart und Vergangenheit sich mischen und zu einer satirischen Skizze der amerikanischen Gesellschaft gerinnen, dann wird anhand dieser intelligenten Anspielungen auf die amerikanische Denkungsart wieder einmal deutlich, was Marshall MacLuhan meinte, als er behauptete, die moderne Gesellschaft versuche, sich im Rückspiegel ihrer Vergangenheit (in Amerika speziell in der Form des Western) zu erkennen.
Miss Peach von Mel Lazarus. Unterricht in der Kelly School als Kommentar zum Kulturbetrieb der amerikanischen Gesellschaft. Miss Peach und Miss Crystal scheinen nie völlig zu begreifen, was da vor sich geht. © 1958 New York Herald Tribune, Inc./Publishers-Hall Syndicate.
The Small Society von Brickman. Der Kommentar zur politischen Szenerie rückt diesen Strip in die Nähe der politischen Karikatur. Eines der vielen Beispiele für die zunehmende Sophistication der Funnies in den 60er Jahren. © 1970 Washington Star Syndicate / King Features/Bulls Redeye (Häuptling Feuerauge) von Gordon Bess. Der Fluch des Feuerwassers. © 1970 King Features/Bulls
Boner's Ark von Addison. Der Captain machte seinen ersten »Boner« (Patzer), als er von jeder Spezies nur ein Exemplar in seiner Arche mitnahm. Mort Walker signiert seinen Strip mit seinem ersten Vornamen Addison. © 1970 King Features/Bulls
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Tarzan von Burne Hogarth. Durch versunkene Kulturen streift Hogarths Tarzan mit dynamischer Eleganz. Um die beabsichtigte Wirkung zu intensivieren, färbte Hogarth den Dschungel mit einer der Stimmung des jeweiligen Bildes entsprechenden Farbe. © 1939 United Feature Syndicate, Inc./UPI
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Tired with the everyday routine? . . . Wanna get away from it all? . . . We offer you . . . ESCAPE. EINLEITUNG DER AMERIKANISCHEN RUNDFUNKSERIE » ESCAPE«
III Abenteuer und Melodram Wash Tubbs, das war der nicht gerade abenteuerlich klingende Titel eines Comic Strips von Roy Crane, der 1924 erstmals Exkursionen ins weite Feld der Abenteuer bot. Aber noch gab sich die Mehrzahl der Amerikaner mit den humo ristischen Menüs zufrieden, die ihnen die Comicssyndikate servierten. Es bestand kein Bedarf an Abenteuern. Der erste Weltkrieg lag noch nicht allzu lange zurück. Das Gefühl, eine Mission erfüllen zu mü ssen, war einem desillusionierten Zynismus gewichen. Die Zwanziger waren eine Periode intellektueller Negation und Passivität. Es galt, Versäumtes nachzuholen. Eine Art Reichtumskult machte sich breit, denn das Volksvermögen wuchs, und alle Klassen strebten danach, ihren Teil des Kuchens zu bekommen und zu genießen. Traditionelle Vorstellungen von »thrift« wichen Orgien der Kaufwut. Die Werbung regte zu Ratenkäufen an und das Spekulieren an der Börse kam in Mode. Die Urbanisierung schritt rasch voran. Die soziale Mobilität wurde mehr und mehr zu einer auf das Automobil beschränkten geographischen Ersatzmobilität, die darüber hinwegtäuschte, daß die Zeiten der »frontier«, des Ausweichens in unbekannte Gefilde, vorbei waren. Die große Ernüchterung kam eines schwarzen Freitags im Oktober 1929. Korruption, Mißwirtschaft und die untragbaren sozialen Zustände der von der laissez-faire Politik der republikanischen Partei heraufbeschworenen Depression ließen die amerikanische Gesellschaft und mit ihr die ganze Welt ins Wanken geraten. In dieser Zeit gesellschaftlichen Aufruhrs fand sich eine Möglichkeit, zu neuen Grenzen aufzubrechen, dem trostlosen Alltag zu entgehen, allenfalls noch bei den Funnies, in Groschenromanen, beim Sport (auch hier wurde der Amerikaner mehr und mehr aus der aktiven Rolle des Beteiligten in die passive des Zuschauers gedrängt) und im Film. Das Medium Film hatte schon lange abenteuerliche Stoffe aufgegriffen, um sein Publikum zu unterhalten. Und so wagte man schließlich auch bei den Comic Strips den Schritt zum Abenteuer.
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Erfolgreicher Doppelschritt Am 7. Januar 1929 erschienen zwei neue Comicsbeiträge in amerikanischen Zeitungen. Daß beide am selben Tag erschienen, war Zufall, ebenso daß sie gleich zwei, immerhin fünf Jahrhunderte voneinander entfernte Abenteuerwelten in die Comics einführten. Daß sie überhaupt erschienen, war seit geraumer Zeit vorbereitet worden, und ganz gewiß kein Zufall. Tarzan of the Apes und Buck Rogers, so hießen die beiden Neulinge. Tarzan entführte den Leser in eine exotisch wilde Urwaldwelt, Buck Rogers ins 25. Jahrhundert. Wie war es dazu gekommen? Joseph H. Neebe, einer der Direktoren der Werbeagentur Campbell-Ewald in Detroit, hatte 1928 in Los Angeles Edgar Rice Burroughs getroffen, den er schon seit langem bewunderte. Er schlug Burroughs vor, er solle doch Tarzan, die Geschichte eines von Affen großgezogenen Menschen, in Form eines Bilderstrips genehmigen, die Serie sei gewiß ebenso erfolgreich wie seine seit 1912 erscheinende Romanreihe und die seit 1918 unternommenen Verfilmungen. Burroughs stimmte zu. Für den Verkauf des Tarzan-Strips gründete Neebe als Ableger der Campbell-Ewald Agentur ein kleines Syndikat, Famous Books and Plays, Inc. Dann wandte er sich an Allen St. John, den gefeierten Illustrator der Tarzan-Bücher. Doch dem schienen die Produktionsabstände zu kurz. So vertraute Neebe die Illustration des auf 30 000 Worte kondensierten Romans einem Werbezeichner seiner Firma an. Es war schon ein rechter Glücksfall, daß dieser Zeichner ausgerechnet Harold R. Foster hieß und den Auftrag übernahm. Da die Werbeagentur Ewald-Campbell zwar wichtig, aber auf dem Gebiet der Comics völlig unbekannt war, wollten ihr die Zeitungen die Serie nicht abnehmen. Erst nach der Fusion mit einem New Yorker Vertriebssyndikat wagten mehrere Zeitungen den Versuch mit der neuen Serie. Diese
erste Versuchsreihe, die sich streng an den Roman hielt, bestand aus 60 Werktagsfolgen zu je 5 Bildern. Der Text war zwar außerhalb der Bildumrandung, aber jedes Bild hatte seinen nur zu ihm gehörenden Text. Als am 16. März 1929 die letzte Folge erschien, stand fest, daß die Serie wegen ihrer Publikumswirksamkeit fortgesetzt werden sollte. Aber trotz des Erfolgs wandte sich Foster wieder der Werbegraphik zu. Die zweite Episode, The Return of Tarzan, die vom 17. Juni 1929 an erschien, wurde von Rex Maxon gezeichnet. Noch im selben Jahr wurde Fosters Tarzan von Grosset und Dunlap als Buch herausgebracht. 1930 kaufte United Feature Syndicate die Metropolitan Newspaper Service and Famous Books and Plays, Inc. samt dem von ihr vertriebenen Tarzan-Strip auf. Am 15. März 1931 mußte Maxon auf Wunsch der Leser eine farbige Sonntagsseite zum Werktagsstrip einführen. Mit dieser Arbeitslast war er hoffnungslos ü berfordert. Zum 27. September des gleichen Jahres übernahm Hal Foster die farbigen Sonntagsseiten, während Maxon weiterhin die Werktagsfolgen zeichnete. Doch sie waren nur die ersten Zeichner der Serie. Zu den vielen Künstlern, die sich an Tarzan versuchten, zählen unter anderen John Lehti, Bob Lubbers, Nick Cardy, John Celardo und Rubimor. Neben Foster machte aber vor allem Burne Hogarth bei Tarzan Comicsgeschichte. Nach langen Jahren der Dürre knüpft heute Russ Manning wieder an die Tradition von Foster und Hogarth an. Tarzan war aber keine Erfindung der Comics, sondern eine Übernahme aus der erfolgreichen Trivialliteratur. Buck Rogers hingegen wurde für die Comic Strips geboren. Aber auch er hat seine Vorläufer. Die Idee zu dieser futuristischen Serie hatte John F. Dille. Er überzeugte auch Dick Calkins, die Serie zu zeichnen, und Phil Nowlan, sie zu schreiben. Um den Zeitbezug zu wahren und die Identifikation zu erleichtern, ließ man die Hauptperson aus dem 20. Jahrhundert stammen. Wie ein moderner Rip Van Winkle überschläft Buck Rogers 500 Jahre, um dann eine neue Karriere zu starten. Dem Erfolg dieser beiden Strips ist es zu verdanken, daß sich in den folgenden Jahren die Abenteuerstrips immer mehr ausbreiteten. Während Wirtschaft und Gesellschaft im Zuge des New Deal notwendigerweise mehr oder weniger reglementiert wurden, mußte die Phantasie auf der Flucht vor immer stärkeren Repressionen in Ersatzwelten ausweichen. Was Comic Strips dabei primär für Erwachsene leisteten, gaben die Comic Books bald darauf auch den Kindern. Binnen einem Jahrzehnt waren Abenteuer und Melodram so verbreitet, daß sie die Hälfte des Comic Strip-Angebots ausmachten. (Heute ist ihr Anteil nur noch ein gutes Drittel.) Schnell entwickelten sich auch in dieser Kategorie viele Genres. Zurück zur Natur Eine verderbte, technisierte Gesellschaft verlangt förmlich nach einem Urwaldstrip. In einer Hauptperson wie Tarzan
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hat man einen »edlen Wilden« Rousseauscher Prägung, der die eigene Aversion gegen die Segnungen der Zivilisation zum Ausdruck bringt, ohne daß man sich deshalb gleich selbst aus der gewohnt-gehaßten Umgebung zurückziehen muß. Man entschwindet auf einige Minuten in ferne exotische Länder, tobt sich geistig in dampfenden Dschungeln aus, begleitet den Helden, der von Liane zu Liane schwingend durch die mittleren Baumterrassen zum Schauplatz seines nächsten Abenteuers eilt. Und nach jedem Triumph läßt sein tierhafter Siegesschrei die Dschungel erzittern.1 Tarzan als Comic Strip reüssierte aber nicht nur wegen Hal Fosters hervorragenden Illustrationen, sondern weil die Ge stalt des Dschungelmenschen davor schon in den »pulps« und im Film Triumphe gefeiert hatte. Nicht alle Werke des wortgewaltigen Edgar Rice Burroughs haben die gleiche Qualität, doch wurde sein Oeuvre bislang meist unterbewertet. Burroughs, der Jules Verne der »pulps«, war ein glänzender Erzähler, der seine Leser damit in den Bann schlug, daß er ihnen selbst die unwahrscheinlichsten Ereignisse und Lokalitäten durch detaillierte Beschreibung glaubhaft machen konnte. Burroughs hat streng darauf geachtet, »sauber« zu erzählen. Die heftigen Kämpfe, bei denen das Blut eimerweise fließt, ändern daran überhaupt nichts, da Gut und Böse so eindeutig definiert und charakterisiert sind, daß alle Aktionen logisch und zwingend moralisch sind. Der Großteil der Kritik an Burroughs Werk rührt daher, daß die Filmversionen den Helden Tarzan meist derart simplifizieren und verändern, daß die Burroughs-Version nicht mehr zu erkennen ist. In »Tarzan and the Lion Man« macht sich Burroughs deshalb auch über die Hollywoodpraktiken lustig. In diesem Roman gibt, ein Regisseur einem Adagiotänzer die Tarzanrolle, während Mr. Clayton, der echte Tarzan, dem Produzenten allenfalls in einer kleinen Nebenrolle als ängstlich vor einem Löwen fliehender Jäger vorstellbar ist. Die Comic Strips hielten sich eher an die von Burroughs vorgegebene Form, sei es, indem sie seine Romane werkgetreu ins Bild umsetzten, oder sei es, daß sie neue Tarzanabenteuer in Burroughs' Sinn nachempfanden. Dabei nahm Tarzan immer auch ein wenig von der persönlichen Gestaltungskraft und Phantasie seiner Zeichner an. Hal Fosters Tarzan war vom Aussehen her an Filmvorbildern (wie Elmo Lincoln, dem ersten Tarzan der Leinwand) orientiert, aber nicht deren billigem Sensationskitsch verpflichtet. Der gezeichnete Tarzan hat nun einmal keinen faltigen Bauch und er versteht es, anders als Johnny Weissmuller, sich wie die Romanvorlage zu artikulieren (und das nicht nur in Affensprache, sondern auch in Französisch, Englisch, Deutsch, Suaheli oder Arabisch). Tarzan ist nicht nur in der Kunst des Lesens Autodidakt, er ist obendrein auch noch ein polyglottes Genie. Neben dem Tarzan, der sich auf Fosters Sonntagsseiten tummelte, mußte Maxons Werktags-Tarzan natürlich abfallen. Er wirkte etwas hölzern, war nicht kraftstrotzend ge-
Tarzan von Harold Foster. Mit Harold Foster kam der Realismus in die Comic Strips. Wer Tarzan zeichnen wollte, mußte Anatomie beherrschen. © 1936 United Feature Syndicate, Inc./UPI
sund und auch nicht so agil. Fosters Tarzan galt schon zu seiner Zeit als Spitzenleistung der Zeichenkunst. Doch Foster wollte sich auf ein anderes Genre verlegen. Ein Tarzanabenteuer, in welchem Wikinger auftauchen, gibt einen ersten Hinweis auf seine Pläne, Abenteuer im England König Arthurs aufzuzeichnen. Als er deshalb 1936 ankündigt, er werde Tarzan nicht mehr weiterführen, schreibt United Features einen Zeichnerwettbewerb aus. Der Gewinner ist Burne Hogarth. Zunächst im Stil noch stark an Foster angelehnt, übernimmt er die Sonntagsseite am 5. Mai 1937 mitten im Abenteuer Tarzan and the City of Gold, und entwickelt nach und nach seinen eigenen, unverwechselbar kraftvollen Stil.2 Hogarth wollte einen intelligenten Tarzan zeigen und keinen primitiven. Damit konnte er aber allenfalls eine Abkehr vom Film-Tarzan erzielen. Das Abenteuerschema ent-
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spricht nun nämlich wieder dem vieler Burroughscher Ge schichten, da Hogarths Tarzan versunkene Kulturen durchstreift, die keines Menschen Auge je geschaut und von denen keines Menschen Ohr je gehört hat. Doch dann war das große Abenteuer der Ära Hogarth zu Ende. Wiederholte Auseinandersetzungen um die Freiheit der künstlerischen Gestaltung führten dazu, daß Hogarth für zwei Jahre seine Arbeit an Tarzan unterbrach und sie schließlich mit dem Strip vom 16. Juli 1950 ganz einstellte. Hogarths Weigerung, weiter unter der strengen Selbstzensur des Syndikats zu arbeiten, versetzte seinem Lord of the Jungle, den er zum Rang der Götter hatte emporheben wollen, den Todesstoß. Eine Anzahl anderer Zeichner versuchte sich mit mehr oder weniger Geschick an Tarzans Abenteuern, nachdem Hogarth an die New Yorker School of Visual Arts übergewechselt war, deren Leiter er später wurde. Tarzan war
GORILLAS?
nun guter Durchschnitt, ein Abenteuer unter vielen. Erst 1968 bekam der Comicstrip-Tarzan durch den Zeichner RUSS Manning wieder ein abenteuerlich-phantastisches Flair. Manning, ein Schüler Hogarths, hatte zu dem Zeitpunkt, als er die Tarzan-Sonntagsseite übernahm, schon rund fünfzehn Jahre lang für Comic Books gezeichnet. Er hatte bei Western Printing & Lithographing Company Film- und Fernsehcomics wie Ben Hur, Walt Disney's Summer Magie, Wyatt Earp, 77 Sunset Strip und viele andere mehr gezeichnet. Mit dem Tarzanheft, das im April 1938 mit Nachdrukken von Fosters Tarzan begonnen hatte, war er durch die Füllerserie Brothers of the Spear verbunden. Diese Füllerserien von vier bis acht Seiten Länge sind — zusammen mit ein bis zwei Textseiten — nötig, um den Postversand der Comic Books zu reduziertem Porto durchführen zu können. Daneben fertigte er für die meist vierteljährlich erscheinenden Tarzan-»Annuals« auch schon einige Tarzan-Stories. Der Comicbook-Tarzan unterschied sich nun aber von Burroughs' Romanfigur etwa genauso sehr wie der Film-Tarzan, das heißt, er war im Grunde eine Kombination der Filmund Literaturversion. In den Comic Books war Tarzan zwar verheiratet und sprach mehrere Sprachen, aber er lebte wie im Film in einem Baumhaus und hatte einen Sohn namens Boy.
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Manning brachte 1965 die Comicbook-Version wieder auf die von Burroughs vorgegebene Formel. Die Tarzanromane wurden nun — autorisiert von Hulbert Borroughs, der mit seinem Bruder John Coleman Burroughs schon viele Jahre lang an den Tarzan-Comics mitgearbeitet hatte — für Comic Books völlig neu bearbeitet. Als getreue Romanadaptionen wurden diese Tarzanhefte vom Verlag selbst zu Collectors' Editions deklariert. Dieser Tarzan of the Apes und das Heft Korak Son of Tarzan, das auch von Manning initiiert wurde, waren so süperb, daß sie dem United Feature Syndicate die Entscheidung über einen neuen Zeichner für den Tarzan-Zeitungsstrip leicht machten. In der Wolle gefärbte Anhänger des Hogarth-Tarzan werden zwar weiterhin auf ihren Zeichner eingeschworen bleiben, aber für neue Leser vermag daneben der Manning-Tarzan jene Welt zu erschließen, die Burroughs seinem Publikum geöffnet hat, als er vor über einem halben Jahrhundert Tarzan erfand, um seine finanzielle Lage zu verbessern. Der Gewinn des Zeitungslesers ist allerdings der Verlust des Comicbook-Käufers, da sich kein auch nur annähernd gleichwertiger Ersatz für Manning fand. Russ Manning folgt unter den drei großen Tarzaninterpreten Edgar Rice Burroughs' Ideen am getreuesten. Er sieht Tarzan so: RUSS
Tarzan wird seit 1968 von Russ Manning gezeichnet. In seinen Geschichten fängt Manning den Geist von Edgar Rice Burroughs' Romanen in allen Nuancen ein. Selbst die Affensprache wird eingesetzt, wie Burroughs es wollte. © 1969 United Feature Syndicate, Inc./UPI
»Der Tarzan der Originalromane, und jetzt des Comic Strips, ist wahrhaft der Herr seines Dschungels, wie wir alle es im Traum sind; rein vom Instinkt geleitet, widmet er sich dem Schutz seines Gebietes, seines ›Nests‹ und seiner Familie. Tief in ihm lauert die wilde Bestie, die auch in uns allen ist; die tobende, reißende, blindwütige Kreatur, die jedem Problem mit Brachialgewalt begegnet, wenn alle anderen Mittel versagen. Er ist ein Naturmensch und lebt in jener äußersten Fluchtwelt, nach der wir uns in unseren Betonschluchten sehnen. Sein Afrika ist nicht das der neuen Nationen, die mit Politik und Handelsausgleich kämpfen, sondern vielmehr der Dschungel seines Schöpfers, der den ›Schwarzen Kontinent‹ selbst niemals sah. Sein Afrika ist das unserer Phantasie, ewig geheimnisvoll, mit grenzenlosen Horizonten voll sich tummelnder heroischer Löwen und Elefanten und weiten unerforschten Landstrichen, wo unentdeckte goldene Städte liegen, die von halbbekleideten Barbarenfrauen beherrscht werden. Tarzan ist ein ›folk-hero‹, vielleicht der erste ›folk-hero‹, der in aller Welt Anklang gefunden hat; eine einfache, universelle Idee, in menschliche Form gefaßt, die jedermann verstehen, und mit der sich jedermann identifizieren kann — der Mensch, der wir lieber wären.« 3 Nie erliegt Tarzan dem Reiz anderer Frauen, denn er trägt stets das Bild seiner Jane im Herzen, die er schon bei der ersten Begegnung in seine starken Arme nahm, fest an seinen glänzenden, nackten Körper drückte, um ihren halbgeöffneten Mund mit einem heißen langen Kuß zu schließen. Tarzan, der monogame Held, ist treu seinem Weibe ergeben und hängt an seiner Familie, obwohl sich betörend schöne Königinnen und wilde halbnackte Priesterinnen in glühender Sehnsucht nach seiner Liebe verzehren. Vergebens! Wohin sich Tarzan auch wendet, überall findet er unerforschte Länder und Städte, Überreste alter Kulturen, die sich in abgeschlossenen Tälern erhalten haben. Und ob es sich
dabei um Opar, die letzte Stadt der Atlantiden (das »She«Motiv von H. Rider Haggard), um Cathne, die Stadt des Goldes, um Nimmr im »Valley of the Sepulcher« (das ewig neue Prester-John-Motiv) oder um das von einem undurchdringlichen Sumpf umgebene urweltliche Land Pal-Ul-Don handelt, immer streift Tarzan durch vergessene Welten unseres Unterbewußtseins. Und auf seinen riesigen Ländereien irgendwo in oder bei Deutsch-Ostafrika herrscht Tarzan, der »große Bwana«, gütig und patriarchalisch über seine treuen Waziri. Die Abenteuer dieses Wunschhelden sind stets Abwandlungen einer Formel, denn in der Wiederholung von Publikums erwartungen liegt größtenteils der Erfolg von Serienproduktionen. Die einzige Motivation ist die effektvolle Lösung eines aufgeworfenen Problems, um Tarzan Grund für immer neue Betätigung zu geben. Die Formel erstarrt jedoch fast nur in den in Mexiko produzierten, meist 32seitigen Tarzangeschichten, bei denen in jedem Heft mindestens ein Kampf mit einem wilden Tier (Löwe, Leopard, Krokodil, Gorilla) eingeplant ist, zum schmucklosen Schema. Diese Hefte beginnen fast immer damit, daß Tarzan um Hilfe gebeten wird, die er auch prompt gewährt, um am Schluß die glücklich Geretteten nach einem Festmahl zu verlassen oder wieder aus dem Dschungel zu geleiten. Burroughs hingegen variiert seinen Handlungsrahmen so raffiniert, daß die Formel verzaubert wird und nicht mehr ohne weiteres als solche erkennbar ist. Er bedient sich dazu einer ebenso einfachen wie wirkungsvollen Erzähltechnik: Auf dem Höhepunkt einer Episode bricht das Kapitel mit einem »cliff hanger« ab, und das nächste Kapitel beginnt mit einem der vielen anderen Handlungsstränge, die alle erst gegen Ende des Buches vereinigt werden. In manchem Produkt Burroughs mißlang diese Praktik allerdings mangels Sorgfalt und Zeit. Während die erwähnten mexikanischen Comic Books fast nur den Namen Tarzan ausbeuten, findet man in den getreuen Comicsadaptationen der »Collector's Editions« von Gold Key diese relativ komplizierte Erzähltechnik wieder.
Immer wieder finden in den Comics Elemente aus Mythen und Sagen Eingang. Hier symbolisiert der übergestülpte Adlerkopf des Schurken Auric Head die Vorstellung von einem Gott in Tiergestalt. © 1969 United Feature Syndicate, Inc./UPI
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Daneben ersteht in den Tarzanabenteuern der Zeichner Foster, Hogarth und Manning jener Tarzan wieder, der an das Tier im Menschen gemahnt, das unter dem dünnen Zivilisationsfirnis lauert. Einzig die Narbe auf Tarzans Stirn, die blutrot anläuft, wenn er in allesvernichtende Rage gerät, ist fast ausschließlich dem Tarzan der Romane vorbehalten. An Abenteuer- und Unterhaltungswert sind mandie ComicstripVersionen dem Original durchaus ebenbürtig. Aus ähnlichen serienfördernden Gründen wie bei Tarzan gibt der Dschungel den Hintergrund für einige andere Comic Strips ab. Exotische Länder, die weite Enge des unendlichen Urwalds, wo hinter jedem Baum ein Abenteuer lauert und auf jeder Lichtung ein Lagerfeuer knistert, heldenmütige Menschen und ihre einfallsreich teuflischen Widersacher, sie alle öffnen der Phantasie den Weg aus der entfremdeten Arbeitswelt der Gegenwart. Wenige Minuten täglich genügen, den Geist ein wenig abzulenken und das Leben erträglicher zu machen. Zu den Strips, die solchermaßen in ferne Welten entführen, zählen die von Lee Falk ersonnenen Abenteuer um den maskierten Herrn des Dschungels, The Phantom, eine Serie, die 1936 auf den Weg zum Weltruhm geschickt wurde. Die Zeichner Ray Moore, Wilson McCoy und Sy Barry lösten sich dabei in der bisherigen graphischen Gestaltung der Serie ab. Da das Phantom zu den Vorläufern der Superhelden zählt, wird im nächsten Kapitel noch mehr von ihm zu lesen sein. Lyman Youngs Tim Tyler's Luck geht, ohne kostümierte Helden, ähnliche Dschungelpfade wie das Phantom. Jungle Jim von Alex Raymond bringt dem gewogenen Leser die Abenteuer eines Großwildjägers und Dschungelführers näher, der sich primär durch Asiens Dschungel schlägt. Jungle Jim, nicht minder exzellent gezeichnet als Raymonds Flash Gordon, befand sich immer auf derselben Seite wie letztgenannter Strip. Es war nämlich lange Zeit üblich, daß eine Seite einem Zeichner ganz überlassen blieb. Er konnte zu seiner Hauptserie noch eine weitere Reihe bringen. Jungle Jim war so der »top strip« für Flash Gordon wie Colonel Potterby and the Duchess für Blondie oder Sappo für Thimble Theater. Dschungelhelden tummelten sich freilich nicht nur auf Zeitungsseiten, sondern auch in den Comic Books.
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Diese Tarzanfolge von John Celardo zeigt das typische Ende eines Bösewichts. Der Schurke verschuldet den Tod selbst, auf daß des Helden Hände nicht mit Blut besudelt werden. © 1962 United Feature Syndicate, Inc./UPI
The Phantom von Lee Falk. Zeichner: Sy Barry. Dieser Lone Ranger des Urwalds ist Ahn der Superhelden. Das Phantom, der »unsterbliche« Wandelnde Geist, schützt zusammen mit seiner Dschungelpatrouille sein Reich bei Afrika. © 1968 King Features/Bulls
Tim Tyler's Luck von Lyman Young und Tom Massey. Diese Serie beweist, daß man — anders als Tarzan — auf Dschungelpatrouille auch ohne Jugendelixir jahrzehntelang jung bleiben kann. © 1970 King Features/Bulls
Die von Dell als Comicbook herausgegebenen Fosternachdrucke, die pro Tagesfolge um je ein neugezeichnetes Bild erweitert wurden, entwickelten sich zu jener Tarzanheftreihe, die heute noch — bei Gold Key — fortgesetzt wird. Daneben wollte United Features seine eigenen Comic Books herausbringen. In Reihen wie Sparkler Comics fanden sich dann Nachdrucke des Hogarth-Tarzan. Jungle Jim und das Phantom versuchten sich auch in Comic Books. (Sie wechselten dabei den Verleger wie die Zeichner ihre Hemden. Die Figuren behalten dagegen wegen der besseren Erkennbarkeit meist das selbstreinigende, immer gleiche Hemd an.) Doch damit nicht genug. Andere Comic Books griffen gierig nach der Dschungelwelt. Zahllose männliche und weibliche Imitationen hüpften von Ast zu Ast in dem vergeblichen Bemühen, das große Vorbild Tarzan zu erreichen. Lendenschurz und knackende Löwenhalswirbel wurden zum unentbehrlichen Requisit so mancher am Zeichenstil Hogarths oder Fosters aufgestützten Dschungelsaga. Kaänga wäre eigentlich nur durch den Namen und einen leicht verfremdeten Ge sichtausdruck von Tarzan zu unterscheiden gewesen, wenn seine Erlebnisse etwas geistreicher gewesen wären. Auch Nyoka, Sheena und Rulah suchten Abenteuer im Dschungel. Doch diese modernen Amazonen brachten sich natürlich noch schneller als ihre männlichen Kollegen in die gefährlichsten Fallen, worauf dann ihr »Totemtier«, ein Helfer oder der »rettende Gedanke« immer aufs Stichwort warteten. Ka-Zar (die linguistische Nähe zu Kaiser fällt ins Auge, ein echter Herr des Dschungels also?) herrscht über seinen unterirdischen Urweltdschungel. Wie Tarzan kommt er aus den Trivialromanen. In Ka-Zar mischen sich zwei Lokalitäten aus Burroughs' Welten: Tarzans Dschungel und Pellucidar, die urzeitliche Welt im Inneren der Erde. Von all den vielen Tarzannachfolgern, die bei der Rezession nach 1955 in den Comics-Limbo entschwanden, hat nur Ka-Zar eine Option auf neues Leben in den 70ern.
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Da Tarzans Ruhm in alle Welt drang, konnten auch außeramerikanische Nachahmungen nicht ausbleiben. Erwähnt seien nur einige europäische Serien wie Artagow, fils des Dieux, der 1937, ein Jahr nach Tarzans erstem französischem Auftritt, auftauchte, Targa, Yorga, Akim, Tarou oder Djeki la jungle. Hier tritt neben die schlecht ausgeübte Kunst des »swiping«, des Plagiats von Zeichnungen, auch die Übernahme der nur minimal veränderten Erzählformel des Originals. Man darf aber wohl aus der Nachahmung der Tarzanidee schließen, daß sie beim Leser Wunschbedürfnisse befriedigte, die latent immer vorhanden sind. Die europäischen Imitationen hatten anders als ihre amerikanischen Kollegen aber ein zäheres Leben. Sie verdanken es unter anderem Tarzan, den man in Frankreich meist in verstümmelten Zeichnungen wiedergab. (Die Franzosen bewiesen hier eine ungeahnte Prüderie, indem sie alle Nudität mit Blattwerk verdeckten. Der graphisch eindrucksvolle Schlagschatten wurde »aufgehellt«, usw.) Hinzu kam, daß die Zeitschrift Tarzan 1941 schon nach einem Dreivierteljahr wegen Amerikanismus und Unmoral wieder eingestellt werden mußte. Damit war das Feld frei für tausendundeinen Nachfolger. Thematisch eng mit dem Dschungelcomic verwandt ist der Urweltcomic. Man trifft ihn zwar nicht allzu häufig an, weil er meist durch verschiedene Kunstkniffe in andere Genres integriert werden kann, aber es gibt ihn. Meist ist er auf Comic Books beschränkt. So erleben in der Serie Turok San of Stone zwei Indianer in einem urweltlichen Tal, das völlig von der Außenwelt abgeschnitten ist, Abenteuer mit Dinosauriern, Flugechsen und Höhlenmenschen. Diese Abenteuerreihe spielt offensichtlich im 18. oder 19. Jahrhundert. Damit ist man der Schwierigkeit enthoben, das dem Grand Canyon ähnliche Tal genauer zu lokalisieren, und kann die Tatsache, daß dieses Lost Valley heute nicht mehr zu finden ist, auf eine inzwischen eingetretene Naturkatastrophe abwälzen.
Interessant ist an dieser Serie die Mischung verschiedener zeitlicher Epochen, das Motiv der von der Umwelt abgeschlossenen Welt, das sich auch häufig bei Burroughs und anderen Autoren des phantastischen Abenteuerromans findet, die Diskrepanz zwischen Urwelt und »modernem Menschen« und die Tatsache, daß die Eindringlinge zwei Geheimnisse kennen, die sie den Urmenschen überlegen machen: Sie können Feuer erzeugen und wissen schnellwirkendes Gift für ihre Pfeilspitzen herzustellen, um sich so der feindlichen Fauna zu erwehren. Das wichtigste Element der Serie ist aber die Suche, das alte Sagenelement der »quest«, der Irrfahrt, hier als die stete Suche nach einem Weg aus dem Verlorenen Tal, in das die Hauptpersonen Turok und Andar verschlagen wurden. Die Inkompatibilität von Realität und Scheinwelt wird gelegentlich angedeutet, wenn sich ein Weg aus dem Tal auftut. Dann versuchen die Urweltungeheuer das Tal zu fliehen. Die beiden Helden müssen die Außenwelt retten und finden sich deshalb am Schluß immer wieder in ihrem Ge fängnis. In Turok San of Stone kommt die stete Suche nach der eigenen Persönlichkeit in der Behauptung gegen eine feindliche Umwelt seit über fünfzehn Jahren zum Ausdruck. Reine Urwelt-Strips, die wie der belgische Tounga Tausende von Jahren vor unserer Zeit spielen, können diese Suche nicht symbolhaft darstellen. Sie bieten aber fast immer eine Rückkehr zu den Ursprüngen der Menschheit, zu den ersten »Erlebnissen« des homo sapiens, die so oder ähnlich hätten verlaufen können, die aber gewiß nicht als Abenteuer emp funden wurden, sondern — aus heutiger Sicht romantisch verklärt — den Kampf um die nackte Existenz bedeuteten, der inzwischen im Umgang mit Maschinen, Kapital und Ideologien stattfindet. Seite 69 oben: Buck Rogers von John F. Dille, Philip Nowlan und R. W. Calkins. Gegenwart und Vergangenheit vermengten sich in dieser Science Fiction Serie mit futuristischen Vorstellungen und ließen eine abenteuerliche Welt entstehen, die man sich als Zukunft kaum wünschen konnte, die aber von gegenwärtigen Sorgen ablenkte. © National Newspaper Syndicate, Inc. Alley Oop von V. T. Hamlin. Alley Oop war lange Zeit ein eher lustiger Strip, der in der Urwelt angesiedelt war. Durch eine Zeitmaschine aus seiner Umwelt gerissen, erlebt er Abenteuer in allen Menschheitsepochen. © 1970 Newspaper Enterprise Association, Inc./UPI
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Science Fiction Science Fiction, diese Mischung aus gegenwartsverhafteter Ideologie und weitergesponnener Technologie, zeigt das Individuum in einer von Technik bestimmten Welt. Dabei wird je nach der vom Autor beabsichtigten »message« die Supertechnik zum Fluch oder zum Heilsbringer. Jules Verne und H. G. Wells wurden in den »pulps«, den billigen Groschenromanen Amerikas, von Edgar Rice Burroughs5 und den vielen Autoren, die unter ihrem eigenen Namen und einer Handvoll Pseudonyme schrieben, mit Elementen anderer phantastischer Genres vermischt. Die Comics führten diese Form der Science Fiction fort. Der erste Science Fiction Comicstrip erschien, wie gesagt, am 7. Januar 1929, zusammen mit Tarzan. Buck Rogers war der Held dieser Reihe, die im 25. Jahrhundert spielte.6 Buck Rogers wurde in 18 Sprachen übersetzt und erschien in vierzig Ländern. Es gab Buck Rogers-Puppen, Mondpistolen und Raketen. Heute gibt es von all der Pracht nur noch Archivabzüge und das 1969 erschienene Buch »The Collected Works of Buck Rogers in the 25th Century«, das zwölf Abenteuer aus den Jahren 1929 bis 1946 auf 370 Seiten in einem gewichtigen Band von gut fünf Pfund zusammenfaßt. Ray Bradbury, der sich selbst als Kind der zwanziger Jahre bezeichnet, schreibt im Vorwort, daß in seiner Jugend »Buck Rogers burst upon our vision like some grander July Fourth, full of rockets celebrating tomorrow.« Über die Bedeutung, die die Serie für ihre Leser hatte, sagt Bradbury: »Beaten down by dull reality, dying for romance, we waded out into a sea of space and happily drowned. The enemy of every boy is gravity, and here in the first few days of Buck Rogers that incredible stuff ›inerton‹ plucks us off our feet and hurls us through the sky, free at last. And free not only to jump over dogs, rivers, and skyscrapers, but to challenge the stars.« Da Abenteuerstrips gleich welchen Genres sich bis zum Erscheinen Tarzans und Buck Rogers' noch nicht durchgesetzt hatten, brauchte man Figuren, mit denen sich der Leser leicht
identifizieren konnte, wollte man dem Strip zum Erfolg verhelfen. Bei Tarzan war das naturgemäß einfach, doch bei Buck Rogers galt es, die Brücke über fünf Jahrhunderte in eine ungewisse Zukunft zu schlagen. Das einfachste Mittel war, die Hauptfigur aus der Gegenwart der Leser zu nehmen und irgendwie in die Zukunft zu versetzen, wo sie, gemeinsam mit dem Publikum, die Wunder der neuen Welt erforschen konnte. Buck Rogers basierte auf Philip Nowlans Roman »Armageddon 2419 A. D.« und begann damit, daß die Hauptperson in Form der Icherzählung dem staunenden Publikum erklärte, wie sie in die Zukunft gelangt war. Buck Rogers war Flieger im (ersten) Weltkrieg gewesen und hatte nach seiner Entlassung den Auftrag bekommen, in der Nähe von Pittsburgh die untersten Stollen einer Mine zu vermessen. Dort hatte die Luft »a peculiar pungent tang, and the crumbling rock glowed strangely«. Als er sich an die Untersuchung machte, stürzte hinter ihm die Stollendecke ein. Buck konnte nur noch wenige Sätze von sich geben: »TRAPPED!! Gas knocking me out, too . . . getting sleepy .... guess I'm done for . . . good bye all ... Mother . . .« Das Gas, das er nicht mehr hatte analysieren können, brachte ihn natürlich nicht um. Es hielt ihn in »suspended animation« am Leben. Als bei einer erneuten Gesteinsverschiebung Frischluft seine Nase kitzelte, erwachte er, stolperte aus der Mine, um seine Eltern und Freunde zu beruhigen . . . und fand sich stattdessen im Jahr 2430 wieder, wo er sogleich Wilma kennenlernt, die für die nächsten 39 Jahre seine Abenteuer teilt. Zunächst glaubte sie ihm natürlich nicht, daß er aus der Vergangenheit kam. Aber sein altes Dienstabzeichen überzeugt sie: »I believe you now«, haucht Wilma angesichts des Beweises, und die Lesergenerationen der nächsten Jahrzehnte glaubten ihm ebenfalls, auch wenn sie diese Szenen nicht gesehen hatten. Im Unterschied zur Sozialutopie nach dem Beispiel eines Thomas Morus, ist die Welt der Science Fiction meist nicht mit Frieden gesegnet. Sie ist auch nicht unbedingt wissenschaftlich, was die Ausführung ihrer Geräte anbetrifft. Der Anblick der Raketen aus Buck Rogers ließe jeden Raketenfachmann schrill auflachen. Wenn auch vom technischen Standpunkt aus nicht alle Forderungen erfüllt werden, die man an futuristische Gerätschaften und Vehikel stellen könnte, so sind sie doch nicht bloße Ausgeburten der Phantasie ihrer Erfinder. John Flint Dille, der die Idee zur Buck Rogers-Serie hatte, stand in ständigem Kontakt mit Wissenschaftlern der Universität von Chikago, die ihm stets einige der Probleme erläuterten, die sie gerade beschäftigten. Manches davon fand in der Serie dann auch Verwendung. So überlegte man sich, wie Raumanzüge beschaffen sein müßten oder wie man verhindern könnte, daß der Mond von Menschen verseucht würde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, daß bei Buck Rogers schon 1938 der Begriff der Atombombe auftaucht, noch bevor die
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Weltöffentlichkeit sie kennenlernte. Das war aber reine Spekulation der Autoren und keine Information, die sie von Wis senschaftlern erhalten hatten. Die Welt von Buck Rogers gibt sich zwar äußerst technisch und durchrationalisiert, aber sie hat auch ihre romantische Seite. Wilma, die junge Frau, die ihn in die Welt des 25. Jahrhunderts einführt, ist zugleich seine langjährige Verlobte. Und Buck Rogers wäre trotz aller Technik keine gute Science Fiction Story, gäbe diese Romanze nicht ständig Anlaß zu Abenteuern. Denn »Killer« Kane, einer der Erzgegner Buck Rogers, trachtet ständig danach, die Erde zu unterjochen, und versucht immer wieder, Wilma als Druckmittel gegen den Helden einzusetzen. Es versteht sich von selbst, daß ihm das nie gelingt. Buck Rogers sorgt auch in fernen Zeiten dafür, daß das Land demokratisch bleibt. Buck Rogers ist trotz aller Zukunftsattribute ein tief in der Gegenwart verwurzelter Streifen. Das zeigt sich weniger an den häufig antiquiert anmutenden Maschinen, als an den wie eben skizzierten Handlungsabläufen. Science Fiction-Strips dienen nicht der Einübung in bessere zukünftige Lebensweisen, sondern der Flucht in (meist) ferne, futuristisch-archaische Welten, die dem Helden eine nur ihm zustehende Form der Selbstverwirklichung oder ideellen Befriedigung gestatten. Der Begriff futuristisch-archaische Welten bedarf noch der Erläuterung. Das beste Beispiel dafür ist Alex Raymonds Flash Gordon, der seit 1934 die Leser von Sonntagsseiten erfreute (ab 1948 wurde die Serie von Mac Raboy gezeichnet, heute fertigt Dan Barry die Werktags- und Sonntagsfolgen).
ZARKOV FIGHTS OFF THE BEA6TS AND RUNS WILDLY INTO THE FOREST.....
Flash Gordon von Alex Raymond. Ab 1938 drängte Alex Raymond den Text an den Rand oder in die Bildecken als laufende Erzählung ohne Textblasen. Die Zeichner, die nach ihm die Serie übernahmen, führten die Sprechblasen wieder ein. © 1936 King Features/Bulls
Anders als bei Buck Rogers treten bei Flash Gordon die technischen Details in den Hintergrund. Die Serie beginnt damit, daß sich ein Planet der Erde nähert. Flash Gordon, seine Verlobte Dale Arden und Dr. Zarkov, ein brillanter Wissenschaftler, fliegen zu diesem Planeten, um die drohende Gefahr von der Erde abzuwenden. Der Planet erweist sich als bewohnt und wird von seinen Bewohnern Mongo genannt. Obwohl nun all die Königreiche dieses Planeten technisch weit fortgeschritten sind, weist Mongo noch viele weiße Flecken auf seinen Karten auf. Seltsames Getier bevölkert dampfende Dschungel und hitzeflirrende Wüsten. Auch an Verschwörern und Welteroberern mangelt es nicht. Ming the Merciless, der Erzbösewicht der Comics schlechthin, will den Planeten unterjochen — und wenn möglich auch gleich die Erde. Aber dank Flash Gordon wird seinen Mühen nie der unverdiente Lohn beschert. Tausendmal scheinbar ge-
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tötet, taucht Ming doch immer wieder aus der Versenkung auf, um als Buhmann Flash Gordon in neue Gefahren zu locken. Schwebende Städte, Hitzeschilde für Expeditionen in die eisigen Regionen des Planeten, zahlreiche Flugobjekte und Fortbewegungsmittel, sowie die unerläßlichen bizarren Strahlenpistolen (ZZZAP!) geben der Serie den futuristischen Touch. Die monarchischen Staatsformen, die Umwelt mit ihren für eine zukünftige Welt reichlich anachronistisch anmutenden Dschungeln, Sand- und Eiswüsten, den undurchdringlichen Sümpfen und Kraterlandschaften, Dolche und Degen, Hermelinbesatz der Kleidung und vieles andere mehr ergeben einen vertraut archaischen Look. Science Fiction dieser Art ist wohl unter anderem ein Versuch, dem Ritterroman ein modisch-technisches Mäntelchen umzuhängen, das die Identifikation mit dem archetypischen Helden erleichtert.
Flash Gordon ist eine Inkarnation des Guten und als solche muß er ständig gegen Ming den Grausamen, das verkörperte Böse, kämpfen. Während des zweiten Weltkriegs wurde dieser Kampf gegen den Bösewicht zum Kampf aller alliierten Staaten von Mongo gegen einen Feind, der sie alle bedrohte. Derart symbolhaft propagandatauglich waren in jener Zeit verständlicherweise die meisten Helden. Als Raymond schließlich Jungle Jim und Flash Gordon aufgab, um sich ganz seiner neuen Figur Rip Kirby zu widmen, hatte sich auch Mongo wieder von der Erde entfernt. Flash Gordon machte sich nun an die Erforschung des Weltalls und wurde damit im engeren Sinne des Wortes zur Science Fiction-Serie. Die antikisierenden Elemente wurden zurückgedrängt, aber nicht vollkommen ausgemerzt. Diesem Science Fiction-Typ entspricht auch die in der Gegenwart spielende Serie Drift Mario von Tom Cooke, die sich mit den Problemen der Weltraumfahrt auseinandersetzt, wie sie sich heute oder allenfalls morgen stellen. Die von Clarence Gray gezeichnete und von William Ritt geschriebene Serie Brick Bradford hatte schon seit 1933, wie später Flash Gordon, verschiedene Stilelemente gemischt. Die Erfindung eines Zeitkreisels trug in dieser Serie zum futuristischen Appeal bei, ermöglichte aber zugleich, daß vom kriminalistischen Abenteuer über den Western bis zur Erforschung des Mikrokosmos jedes Thema adaptiert werden konnte.
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Auch Comic Books profitierten von den Ausflügen in die Zukunft der Menschheit. Einerseits in Nachdrucken oder Neufassungen von Comic Strips wie Flash Gordon, Buck Rogers oder Drift Mario. Aber es gab auch eine Anzahl eigenständiger Science Fiction-Serien in Comic Books. Dazu zählen Planet Comics, die von 1940 bis 1954 erschienen, und deren Helden Futura, Red Comet, Mysta of the Moon, Star Pirate usw. eine Art erotische Science Fiction nachgesagt wird. Mit die besten Science Fiction-Geschichten erschienen in den E. C.-Heften Weird Fantasy und Weird Science, die später unter den Titeln Weird Science-Fantasy and Incredible Science-Fiction zu einer Reihe zusammengefaßt wurden. Unter den Geschichten dieser Hefte finden sich die Comicsversionen von Ray BradburyGeschichten wie »I, the Rocket«, »King of the Grey Spaces« oder »Mars is Heaven«. In einer Taschenbuchausgabe dieser Geschichten erklärte Ray Bradbury: »Einer der Gründe, warum wir uns ins Weltall begeben, ist der, daß wir uns wieder verlieren, Zauber kennenlernen, Geheimnisse ergründen, hochaufsteigen, ruhmreich sind und uns jäh zu Tode erschrecken lassen. Und wir erschrecken nicht nur vor anderen Welten und Kreaturen auf diesen Welten, sondern auch vor uns selbst. Wir sind immer noch das größte Rätsel und werden noch einige Jahrmillionen damit verbringen, uns selbst zu ergründen.« 7 Brick Bradford von Paul Norris. Zeitkreisel und phantastische Erfindungen erlauben bei dieser Sci Fi-Serie Abenteuer in allen Jahrhunderten. © 1970 King Features/Bulls
Twin Earths von Oscar Lebeck und Zeichner Alden McWilliams. Die Erde im Wettstreit mit dem t echnisch fortgeschrittenen Planeten Terra, einer fast exakten Kopie der Erde. Zeichner A. McWilliams arbeitet heute an Dateline: Danger! © 1962 United Feature Syndicate, Inc./UPI
Andere Firmen brachten weniger anspruchsvolle Kost in die Zeitschriftenständer der Händler. Mit wechselndem Erfolg entführten Space Adventures, Space War, und Tommy Tomorrow die Leser in die Zukunft. In Umkehrung von MacLuhans Wort wird hier die Gegenwart nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft aufgearbeitet, das heißt bestätigt. Neuzugänge in diesem Genre waren in den letzten Jahren unter anderem die Gold Key-Serien Magnus Robotfighter 4000 A. D., Space Family Robinson, Mighty Samson und M.A.R.S. Patrol. Die beiden letztgenannten Serien spiegelten die Furcht vor einem vernichtenden Weltkrieg wider. Samson zeigte eine Welt nach dem apokalyptischen Krieg, die in N'yark (New York) nach und nach der vernichteten Zivilisation wieder auf die Spuren kommt. M.A.R.S. Patrol erzählte von einer integrierten Spezialistentruppe, die auf amerikanischem Boden gegen einen feindlichen Invasoren kämpft. Magnus von Russ Manning. Magnus, der Held des Jahres 4000, ist mit seiner Freundin Leeja in einer anderen Dimension gefangen, über die Mogul Badur, eine Ming ähnliche Gestalt, herrscht. Magnus kämpft als eine Art futuristischer Superheld gegen Roboter, von denen die Menschheit immer stärker abhängig geworden ist. © 1968, 1966 Western Publishing Co., Inc./Bildschriftenverlag
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Nach drei guten Heften sank die Qualität, und der Feind entpuppte sich als Angreifer aus dem Weltall, ähnlich wie in der aus dem Fernsehen übernommenen Serie The Invaders. Space Family Robinson, eine Serie, die unter dem Titel »Lost in Space« vom Fernsehen aufgegriffen wurde, erzählte von der Odyssee einer amerikanischen Durchschnittsfamilie im Weltraum im Jahr 1999. Eine ähnliche Thematik wies auch Star Trek auf, wiederum eine Anleihe beim Fernsehen. Die vielleicht intelligenteste dieser Science Fiction-Serien war die von Februar 1963 an erscheinende Serie Magnus: Im Jahr 4000 ist die Menschheit technisch so weit fortentwickelt, daß sie sich fast nur noch auf Roboter verläßt. Der Mensch ist im Begriff, von den Maschinen unterjocht zu werden. Da tritt ein Kämpfer namens Magnus auf, der seinerseits von einem weisen, aber menschenfreundlichen Roboter aufgezogen wurde, und nun den Kampf gegen die Roboter und jegliche Unterdrückung aufnimmt. RUSS Mannings Zeichenkünste gaben dieser Serie ihren Reiz. Die Geschichten von 21 bis 27 Seiten Länge erlaubten relativ komplexe Erzählungen. Aber leider vermochte diese Serie Mannings Wechsel zur Zeitung nicht lange zu überdauern. Zusammen mit den eben genannten Gold Key-Titeln zog sich auch Magnus in den Comics-Limbo zurück. Auch bei DC erschienen zwei besondere Hefte des Science Fiction-Genres: Mystery in Space und Strange Adventures. Mit einer Handvoll Zeichner und Autoren wurde in diesen Heften für Freunde von Science Fiction gearbeitet. Trotz der erforderlichen Hinwendung an ein breiteres Publikum bildete sich eine Zielgruppe heraus, die man als Spezialpublikum für die hier gebotene Art von Science Fiction bezeichnen könnte. Viele der Geschichten wurden von John Broome und Gardner F. Fox verfaßt, die beide auch fleißige Romanschreiber sind.8 Fox, der auch lange Jahre die Geschichten der Justice League of America abf aßte, kann man ganz gewiß nicht nachsagen, er habe auf ein Mittelmaß hingearbeitet. Seine Stories sind randvoll mit »subplots«. Sie sind logisch, kompliziert-komplex aufgebaut und erfordern, das Mitdenken des Lesers.
Die verzwicktesten Abenteuer hat mitunter der Held der Serie Adam Strange zu bestehen, der auf der Erde Archäologe, auf dem fernen Planeten Rann aber ein Retter aus Ge fahren in einer Welt der Zukunft ist. Fox und Broome lassen ihren Helden die Distanz von 25 Trillionen Meilen, die zwischen der Erde und Rann liegen, mit Hilfe eines von dort ausgesandten Zeta-Strahls überwinden. Eine Hilfskonstruktion zur Erreichung des Schauplatzes, die Adam Strange mit Buck Rogers verwandt macht. Adam findet auf dem um Alpha Centauri kreisenden Planeten Rann seine Alanna. Doch viel zu schnell läßt nach jedem Abenteuer die Wirkung des Zeta-Strahls nach und der frustrierte Liebhaber findet sich auf der Erde wieder. Adam Strange, der ursprünglich in Mystery in Space auftrat (nach einigen Showcase-Versuchsnummern), wird heute in Strange Adventures nachgedruckt, dem sich für das eingestellte Mystery in Space die Reihe From Beyond the Unknown hinzugesellt hat. Neben reinen Science Fiction-Serien gibt es Abenteuerserien, die gelegentlich oder häufig Elemente der phantastischen Literatur übernehmen. Darunter befinden sich Reihen wie Nick Fury, Agent of S.H.I.E.L.D. oder europäische Geschichten mit Blake et Mortimer, Tintin, Dan Cooper und Bob Morane, und Superheldengeschichten wie Superman und Fantastic Four. Der Kampf gegen die Supertechnik verrückter Wissenschaftler bringt in viele Geschichten der Superhelden ein Science Fiction-Element. Besonders Marvels Fantastic Four, deren Anführer Reed Richards auch ein brillanter Wissenschaftler ist, stellten der »bösen« Technik Reeds »Gizmos« und phantastischen Apparaturen entgegen, die Abenteuer auf fernen Planeten, im Makro- oder Mikrokosmos oder im Innern der Erde ermöglichen.
trugen diese Serien zur Einführung des Comics Codes und zur »Säuberung« des Comics-Marktes bei.9 Die Geschichten in diesen Heften setzten eine Tradition des Schauerromans, der »gothic novel« fort. Diese literarische Form der Altmeister Horace Walpole, Ann Radcliffe, Matthew Gregory (»Monk«) Lewis und Mary Shelley wurde in Amerika von Charles Brockden Brown, Edgar Allen Poe, Nathaniel Hawthorne und in unserem Jahrhundert von H. P. Lovecraft und Ray Bradbury weitergeführt und verfeinert.
If you enjoy being scared out of your wits . . . Science Fiction ist verwandt mit der Literatur des Phantastischen und mischt sich oft mit deren Elementen. Alle Sagen um Vampire, Werwölfe und all die finster-knorrigen Ungeheuer, die in den hintersten Winkeln des menschlichen Gehirns darauf warten, befreit zu werden, um genüßliche Schauer zu erregen, während das Grauen aus den Gräbern aufsteigt, gehören ja schon lange zum Erzählschatz der Ge spenstergeschichten aller Nationen, Für Comic Strips schienen sie sich nie zu eignen, da man nur selten eine Hauptfigur finden konnte, die von einem Gruselabenteuer ins andere fällt, ohne Anstoß zu erregen. Für die Comic Books bot sich die Verwendung mehrerer verschiedener Geschichten in einem Heft an. E. C. Comics führten dazu ihre Ge schichtenerzähler ein, den Crypt-Keeper, den Vault-Keeper und die Old Witch, die ihre ironischen Kommentare zum Ausgang der Geschichten in den Heften The Haunt of Fear, Tales from the Crypt und The Vault of Horror abgaben. Neben anderen Heften der E. C. Publications
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Creepy. Titelbild von Frank Frazetta. Seit 1965 kann man exquisiten Horror in Comics-Zeitschriften genießen. Eerie und Creepy wenden sich auch an die Fans des Horrorfilms. © 1967 Warren Publishing Co., New York City, USA
In den Comic Books, die in dieser Tradition das Phantastische greifbar zu machen versuchten, fanden sich folglich auch Versionen von Geschichten dieser Autoren. So erschienen in den E. C. Comics zum Beispiel von Ray Bradbury Geschichten wie »The Small Assassin«, »The Handler« oder »Let's Play Poison«. Poe-Variationen und Erzählungen, die von Frankenstein oder Dracula & Co. bevölkert wurden, standen immer häufiger aber krude Hackebeilgeschichten gegenüber, die sehr schnell das ganze Genre in Mißkredit brachten. Möglich, daß damit viele jugendliche Leser über die Gebühr strapaziert wurden. Den größten Horror flößten diese Comics Pädagogen ein, die ihre Kinder lieber mit den guten alten Märchen schreckten.
Schauergeschichten erfüllen in technisierten Gesellschaften ein Bedürfnis nach irrationalen Erklärungen der komplexen Umwelt, nach ein ganz klein wenig Aberglauben, einer transponierten Zuflucht zu den Vorstellungen, die sich das Kind von den Vorgängen und Antrieben der Welt macht. Da sich die Tradition des Schauerromans unbeschadet von der Einstellung der Horror-Comics fortsetzte, mußte auch eines Tages wieder die Idee zu einer Comicsversion reifen. 1965 wurden solche Pläne in die Tat umgesetzt. Warren Publishing Co. publizierte zwei Zeitschriften, Eerie und Creepy, die wieder aus dem Born des Phantastischen schöpften und ihn ihrem Publikum zugänglich machten. Beide sind weit entfernt von den billigen Produkten, die die Comics in Verruf brachten. Die besten Zeichner (zum Teil dieselben wie bei den E. C. Comics) arbeiten für die beiden Titel, die keine Comic Books sind, sondern Zeitschriften, die ihre Geschichten in Comicsform erzählen. Obwohl nicht mit dem Siegel des Comics Code versehen, sind die Geschichten »in good taste« gemacht und fern von jenen marktschreierischen, übermäßig spekulativ aufgemachten Comics, denen man keine große Bewunderung entgegenbringen konnte. Die WarrenHefte fügen sich gut zu den Zeitschriften, die sich nur mit phantastischen oder gruseligen Filmen befassen, wie Famous Monsters of Filmland, Monster World, Screen Thrills Illustrated oder Castle of Frankenstein, da es dafür ein Spezialpublikum gibt. Daneben erscheinen auch in Comic Books wieder phantastische Geschichten, die die Grenzen des rationalen Verstandes abzutasten versuchen. Dazu zählen bei Gold Key die nach Rod Serlings Fernsehserie entstandenen Hefte der Reihe The Twilight Zone ebenso wie Thriller, das als Boris Karloff's Tales of Mystery fortgesetzt wurde, DCs House of Mystery, House of Secrets, The Unexpected, The Witching Hour und Beware . . . the Monsters Are Coming! und Marvels Tower of Shadows, Chamber of Darkness, Where Monsters Dwell, Where Creatures Roam, Fear, Monsters on the Prowl und Creatures on the Loose. Fast alle diese Hefte haben, wie seit langem üblich, ihre Erzähler: Den Romancier und Dramatiker Rod Serling, den Frankensteindarsteller Boris Karloff, das als Erzähler füngierende Haus der Geheimnisse, Cain, den Hausmeister, drei Hexen oder die Zeichner oder Verfasser der Geschichten. Manche dieser Bildgeschichten sind nicht ohne Reiz, manche sind ein wenig angestaubt, und manche übertragen wieder Romanvorlagen oder Kurzgeschichten von H. P. Lovecraft in die Form der Comics, doch verstößt keines der Hefte gegen die Grundsätze des Code.
Eine weitere Kategorie der phantastischen Literatur, die »Sword and Sorcery«-Saga, deren beste Vertreter sich in den Werken von Robert E. Howard, J. R. Tolkien, Edgar Rice Burroughs, L. Sprague De Camp und Otis Kline finden, ist auch in die Comic Books eingegangen, in Serien wie Conan the Barbarian, Nightmaster, The Viking Prince und in die modernisierte Version: Doctor Strange. Im Gegensatz zu Conan und Nightmaster setzt sich Dr. Strange, da er in der Gegenwart agiert, hauptsächlich mit Magie auseinander. Aber seine psychedelischen Abenteuer münden natürlich in Welten, denen auch das Schwert nicht fremd ist. Die Art, in der Steve Ditko die Welt des Okkulten in den Comic Books anschaulich machte, gab der Marvel-Serie Doctor Strange ihr spezielles Fluidum. Sie begann, wie es sich gehört, in einem tibetanischen Kloster a la Shangri La, in welchem Dr. Stephan Strange unter Anleitung des Ancient One die Wandlung vom heruntergekommenen Chirurgen zum edlen und entsagungswilligen, immer aufs Wohl der Menschheit bedachten »Master of the Mystic Arts« durchmachte. Dr. Strange ist es zu verdanken, daß der Dread Dormammu und der sinistre Baron Mordo nicht schon längst die ganze Menschheit als willenlose Zombies unterjocht haben. Die Magier tragen ihre Auseinandersetzungen mit Bannflüchen unter Anrufung der Crimson Bands of Cyttorak oder der Hoary Hosts of Hoggoth aus. Personifikationen der Ewigkeit, des Kismet und des Alptraums treten auf, und über allem wacht das Auge des Agamotto.
Das Genre des Phantastischen existierte auch nach Einführung des Comics Codes in den Comic Books fort. Im Gegensatz zu früher gaben sich diese Hefte sauber und unblutig. Die Geschichten waren alle äußerst moralisch und bezogen ihren Witz daraus, wie die auftretende Bedrohung der Erde beseitigt wurde. © 1958 Charlton Comics Group
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Dr. Strange von Steve Ditko. Der Entscheidungskampf der großen Magier. Wie immer ist die Erde der Preis der Auseinandersetzung zwischen dem finsteren Baron Mordo und dem edlen Dr. Strange. Noch nie waren Zaubersprüche und Bannflüche so »real« wie in den von Steve Ditko aufgezeichneten Abenteuern des Dr. Strange. Aus: Strange Tales, Nr. 132. © 1965 Marvel Comics Group
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Prince Valiant von Harold R. Foster. In der Sage vom Singenden Schwert ist das Abenteuer zugunsten der Minne etwas zurückgetreten. Prinz Eisenherz — selbst ein großer Ehestifter agiert nun in einem epischen Familienstrip. © 1954 King Features/Bulls
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Der Ritterroman Das erste Beispiel, das sich für den Ritterroman in den Comics anbietet, ist zugleich das beste von allen: der seit 1937 erscheinende Prince Valiant von Harold R. Foster. Prince Valiant, kurz Val genannt (eine Koseform, die beim eingedeutschten Namen Prinz Eisenherz nicht möglich ist), ist eine Heldengestalt, die im 5. Jahrhundert nach Christus agiert, und deren Abenteuer zu einem guten Stück auf der Artussage fußen. Der junge Prinz aus Thule (das sagenhafte Land im Norden ist hier irgendwo in Norwegen angesiedelt) will ein Ritter der Tafelrunde werden. Er geht König Arthur hilfreich zur Hand und wird nach entbehrungsreichen Monaten zum Ritter geschlagen. Hal Foster, der von der Gestalt des hehren Helden immer sagte, sie sei so, wie er sich zu sein wünschte, ließ diesen Prinzen Abenteuer durchleben, die die Faszination und Ausstrahlungskraft der großen alten Mären hatten. Prince Valiant wird auch als die Sage vom »Singenden Schwert« bezeichnet und reiht sich damit in die Erzählungen ein, die sich um Arthurs Schwert Excalibur, um den Balmung oder den Nagelring weben. So begegneten dem Prinzen von Thule anfangs Fabelwesen, Drachen und Riesen zuhauf. Er mußte sich mit den Tücken des Ritteralltags herumschlagen, als ihn Gawain, der Don Juan der Tafelrunde, in den ritterlichen Tugenden unterwies. Der greise Zauberer Merlin gab ihm weisen Rat.
Prince Valiant ist das große Epos um einen Prinzen und sein »Singendes Schwert«, in dem all die bekannten Gestalten der Artussage und noch einige mehr zum Leben erweckt werden. Lancelot, Gawain, Modred, Merlin und Königin Guinevere, sie alle sind da und bevölkern das fernhin leuchtende Camelot, Arthurs herrliche Burg. Fosters Genie läßt das Zeitalter der fahrenden Ritter, der Ehre und Minne auferstehen. Die Kunde vom Einfall der Hunnen in Europa kommt dem edlen Prinzen, der nach Abenteuern lechzt, gerade recht. Er greift in die Kämpfe ein, demoralisiert Attilas Horden durch Guerillatätigkeit und schwächt sie in einer großen Schlacht so entscheidend, daß Aetius später auf den Katalaunischen Feldern leichtes Spiel mit ihnen hat. Prince Valiant wird so zur eigentlich bestimmenden Gestalt dieser Ära und der Weltgeschichte überhaupt. Über Prince Valiants Kampf gegen die Hunnen ist schon viel geschrieben worden. Er wird meist als ein weiteres Beispiel dafür angegeben, daß Comicshelden aus Propagandagründen in den Krieg gegen Deutschland eingriffen. Diese Behauptung wird aufgestellt, da »Huns« auch als Bezeichnung für Deutsche verwendet wird (wie Fritz oder Kraut). Und 1939 muß die Analogie ziemlich deutlich gewesen sein, denn in Frankreichs freier Zone erschienen diese Abenteuer damals vorsichtshalber mit Patagos, imaginären Barbaren. Rückblickend erscheint es ein wenig fragwürdig, ob dieser ein Jahr andauernde Kampf gegen die Hunnen tatsächlich als ein starkes Engagement Fosters zur
Mediaeval Castle von Hal Foster. Zeitweilig hatte Hal Foster bei Prince Valiant den Zusatzstrip um ein mittelalterliches Schloß. Hier konnte er sein extensives Quellenstudium in eine leidenschaftslose Darstellung mittelalterlichen Brauchtums ummünzen. Darunter die Fußleiste mit den bekannten Figuren aus Prince Valiant. © 1944 King Features/Bulls
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moralischen Aufrüstung seiner Leser zu interpretieren ist, da dagegen die Tatsache steht, daß Foster für seinen Strip zwei Jahre Vorarbeit leistete, was eine so willkürliche Beeinflussung seiner Serie eigentlich verbietet. Ein Zusammenhang ist aber sicher nicht ganz auszuschließen. Ein extensives Quellenstudium erlaubte es Foster, nicht nur die Welt des alten England mit den im Widerstreit liegenden Angeln, Sachsen und Pikten auferstehen zu lassen. Auch der Glanz der Antike, der alten Welt des Mittelmeerraums, ersteht vor dem Hintergrund der Dekadenz und morbiden Pracht des untergehenden römischen Reiches. Und hier entdeckt der Königssproß aus Thule auch die sagenumwobenen Nebelinseln, auf denen er seine große Liebe findet, die Königin Aleta. Doch vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich einige Hindernisse gesetzt. Bis Valiant endlich seine Aleta wiederfindet und heiraten kann, wird er als Sklave verkauft und muß tausenderlei Gefahren bestehen. Zunächst änderte die Hochzeit nicht viel am abenteuerlichen Leben des Prinzen. Es wurde sogar noch risikoreicher, denn zusammen mit einem trauten Freund, dem Wikinger Boltar, folgt Valiant den Entführern seiner Frau gen Westen in die Neue Welt, von der einige Seefahrer berichtet haben. (Als Arn, der Sohn Valiants, Jahre später ebenfalls nach Amerika fährt, gründet er dort zum Wohle der Indianer den Algonquin-Bund.) Später zügelte der Prinz seine Abenteuerlust, vor allem als sich der erste Nachwuchs eingestellt hatte. Nach und nach rückte sein Sohn Arn ins Rampenlicht, während in den Folgen mit Prinz Eisenherz der familiäre Aspekt stärker betont wurde. Vor einigen Jahren tauchten in einer Folge dieser Serie unvermittelt zwei Geschichtsforscher auf, die angeblich die Sage vom Singenden Schwert entdeckt haben. Dabei wird festgestellt, daß an dieser Stelle eine Lücke im Text der Sage sei, und daß man den Prinzen erst wieder erwähnt finde, als er einen bestimmten Zeitraum später an einer anderen Stelle Europas wieder auftauchte. Damit wird ein Doppeleffekt erzielt: Ein Zeitraum wird möglichst schmerzlos überbrückt und gleichzeitig weist das Quellenstudium wieder auf den hohen Wahrhaftigkeitscharakter der Serie hin, der sich in einer vielfach gerühmten Detailfreude äußert. Wie bei jeder Sage ist es auch bei Fosters großem Epos leicht verzeihlich, daß dem Prinzen historische Ereignisse zugeschrieben oder doch seinem Mitwirken verpflichtet werden, wie neben den schon erwähnten Beispielen später auch noch die Christianisierung Britanniens. Obgleich Prince Valiant ein wenig zum abenteuerlichen Familienstrip geraten ist, bietet er doch noch die erfolgreiche Mischung von Historie und Erfindung, die ihn immer unter den Comic Strips hervorstechen ließ. Die französische Serie Yves le Loup fordert durch ihre Anlehnung an die Artussage zu Vergleichen heraus, die nur zugunsten des Originals aus Amerika ausfallen können. Comic Books, deren Helden Ritter sind, waren im Vergleich zu den Comic Strips relativ häufig. Figuren aus Disney, Warner Bros. und 20th Century Fox serien darunter Micky Maus, Bugs Bunny und Marilyn Monroe. Es sei hier nur auf einige
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wie den Black Knight oder die europäischen Erzeugnisse Thierry la Fronde, Sigurd oder Robin Hood hingewiesen. Die Ritter der amerikanischen Comic Books entpuppen sich häufig als eine Art verfrühter Superhelden mit Doppelleben und den erforderlichen Requisiten. Ein ähnliches Phänomen ist auch beim Western zu sehen. Die hohe Schule des Melodrams Comic Strips, die »mitten aus dem Alltag gegriffen« sind und an die Emotionen appellieren, werden in der Branche als »human interest« Strips bezeichnet. Dieses »Interesse am Menschen« bezieht sich auf einige spezielle Berufe wie Arzt, Fotograf, Journalist(in), Modeschöpferin oder Schauspieler(in), die sich besonders als Hintergrund für romantische Verwicklungen anbieten. EmotionsgeladeneRundfunk- und Fernsehserien prägten durch ihre Werbespots für Seife und Waschmittel den Begriff »soapopera«. Eine Entsprechung für diese Unterhaltungssendungen der Hausfrau findet sich in den melodramatischen »human interest« Strips, vor allem, wenn die Hauptperson eine Frau ist. Eine der ersten Serien dieser Art war Winnie Winkle, die Martin Branner 1920 als Gag-Strip anfangen ließ. Doch allmählich begannen die Figuren zu altern und weniger karikaturhaft zu werden. Winnies Bruder Perry, der den Sonntagsstrip für seine Streiche genützt hatte, wich der wochen- und sonntags durchgehend fortgesetzten Serie um die scheinbar verwitwete Modeschöpferin Winnie Winkle und ihre Familie. Ihr Mann ist seit einem Unglück verschollen. Und obwohl von Zeit zu Zeit ein Hinweis auftaucht, daß er noch leben könnte, deutet nichts darauf hin, daß dies tatsächlich der Fall ist. Stattdessen durchlebt die Heldin die »trials and tribulations«, die Sorgen und Nöte einer Mittelstandsfamilie. Als Seifenoper in Reinkultur gilt Mary Worth, eine Reihe, die 1938 aus Martha Orrs Folgen um die Apple Mary entstand und nach einem radikal umgeänderten Konzept die Erlebnisse einer älteren Dame zeigt, deren Kinder bereits erwachsen sind. Nun widmet sie sich mit Verve ihrer weitläufigen Verwandt- und Bekanntschaft als ungerufene Trösterin. Sie ist der ruhende Pol, der alle Störungen im familiären Gleichgewicht behebt. Die skurrilen Abenteuer der von Dale Messick erfundenen Reporterin Brenda Starr, einem Geschöpf der frühen vierziger Jahre, haben nur das eine Ziel, den Mann zu finden (und zu heiraten), den sie als einzig möglichen und akzeptablen Mann sieht. Brenda Starr ist ihrem Idealmann treu, von dem sie immer wieder getrennt wird. Seit Richardson leiden alle Heldinnen nach diesem Rezept. Bei jeder Trennung ergießt sich ein Strom von Tränen über das Zeitungspapier. Herz was willst du mehr? Abbie an' Slats von Raeburn Van Buren. Die Hauptrolle in diesem abenteuerlichen Melodram spielt der gutaussehende Slats, der in Notlagen immer bei seiner Tante Abbie, einer alten Jungfer, Rückhalt fin det. © 1962 United Feature Syndicate/UPI
Winnie Wtnkle von Martin Branner. Melodramatischer Höhepunkt e i n e r Sonntagsfolge aus dem Leben der Modeschöpferin Winnie Winkle Martin Branner zeichnete lange Zeit einen kleinen, humorvollen Zusatzstrip. Man könnte Looie als modernen Schattenriß bezeichnen in seiner Art wohl einzigartig unter allen Striptechniken. © 1960 Chicago Tribune - New York News Syndicate
Brenda Starr von Dale Messick. Brenda findet ihren geheimnisvollen Liebhaber selten genug. Kein Wunder, daß dann der Himmel voller Sterne hängt. © 1965 Chicago Tribune — New York News Syndicate
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Mary Perkins On Stage von Leonard Starr. In die Glamour-Welt von Bühne, Film und Fernsehen entführt dieser Strip, der sich durch eine besonders sorgfältige cinematische Darstellungsweise auszeichnet. © 1968 Chicago Tribune New York News Syndicate
The Heart of Juliet Jones von Stan Drake. Am 18. Oktober 1970 heiratete Juliet Jones den wohlhabe nden Owen Cantrell. Im Gegensatz zu den üblichen »soap-operas« von Rundfunk und Fernsehen schob Drake das Hochzeitsproblem nicht ewig vor sich her. Aber gerade durch die Hochzeit ist die Gelegenheit zu neuen Verstrickungen gegeben. © 1970 King Features/Bulls
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Vielleicht die Erlebnisse der berufstätigen Juliet Jones und ihrer Schwester Eve. The Heart of Juliet Jones, eine Serie, die der Zeichner Stan Drake zusammen mit Elliott Caplin im Jahr 1953 erfand, richtete sich so erfolgreich nach den liebesbedürftigen Lesern, daß sie schon bald in aller Welt zuhause war. (Nur als Beispiel: in Frankreich läuft die Serie unter dem Titel Juliette de mon coeur, in Deutschland unter den Titeln Das Herz der Julia Köster, bzw. Die beiden Schwestern.) Die beiden Schwestern Jones erfreuten sich siebzehn Jahre lang ihres Junggesellinnendaseins, brachen gelegentlich sich oder anderen die Herzen und fanden in Stunden der Trübsal immer eine Stütze an ihrem alten Vater. Aber 1970 geschah das schier Unfaßbare: Juliet Jones heiratete . . . noch dazu einen wohlbegüterten Mann. Der Fortsetzung der Serie tut das keinen Abbruch. Erstens kann man auch dem Leben einer verheirateten Frau tränenschwangeres menschliches Interesse abgewinnen, zweitens ist immer noch die ledige Schwester da, die sich unglücklich verlieben kann. Und Stan Drake war vermutlich auch froh, nach siebzehn Jahren einmal wieder Neuland zu betreten. Dramen als Hintergrund für ein Melodram bietet Leonard Starrs Mary Perkins On Stage, eine Serie, die 1957 damit begann, daß Mary Perkins (noch unter dem Titel On Stage) aus ihrer kleinen Heimatstadt losfuhr, um in New York den Broadway zu erobern. Das Märchen vom Erfolg wurde für Mary Perkins wahr. Sie fand den Mann fürs Leben, einen ebenfalls erfolgreichen Journalisten. Mary Perkins, die anerkannte Schauspielerin, die bei Bühne, Film und Fernsehen Erfolge feiert, lebt natürlich ein Melodram. Aber die Bezeichnung »Seifenoper« wäre wohl doch etwas zu hart, um nicht zu sagen verfehlt. Denn ein »tear-jerker« ist die Serie ganz gewiß nicht. Ihr Erfolg beruht vielmehr auf dem Einblick, den sie in den Lebensbereich einer höheren Gesellschaftsschicht »gewährt«. Der Glamour des Broadways, Kleidung, Licht, Menschen, Gesten und Gefühle werden in exquisiter Strichführung dargestellt, die alles stimmig macht. Doch damit ist der Frauen in Comic Strips noch nicht genug: In Apartment 3-G trifft man gar auf 3 Girls, die in New York eine Gemeinschaftswohnung haben, um auf diese Weise die exorbitanten Mietpreise erträglich zu machen. Die Lebensfreude der drei Apartementbewohnerinnen spiegelt sich im realistisch flotten Zeichenstil Alex Kotzkys. Die romantischen Erlebnisse scheinen manchmal von Jacquelin Susanns »Valley of the Dolls« angeregt zu sein, ohne freilich irgendeine Spur ausschweifenden Lebens vermuten zu lassen. Und seit einem Jahr bemüht sich eine neue junge Dame um die Zuneigung der Leser: die dunkelhäutige Fotografin Friday Foster von Jim Lawrence und Jorge Longaron.10 Liebe bietet sich auch als Comicbook-Thema an. Nur züchtig muß sie sein. Und ein wenig Anleitung über »richtiges« Verhalten von Teenagern im Umgang der Geschlechter schadet auch nicht. Comic Books wie Young Love, True Love und
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dergleichen mehr künden denn auch von moralisch einwandfreien, Liebesromane verdrängenden Jungmädchenerlebnis sen. Schon 1949 verkauften sich Comic Books wie Sweethearts, Teen-Age Romance, Romantic Secrets, Life Story und Young Love besser als Abenteuercomics, und die Liebesromane bekamen die Konkurrenz zu spüren. Die Spitze hielten dabei die Fawcett-Hefte Sweethearts mit einer Million Auflage und Life Story mit 700 000. Liebe ist auch heute in den Comic Books wieder im Kommen. Allein die Charlton Comics Group hatte Anfang 1971 die Titel I Love You, Sweethearts, Love Diary, Time for Love, Just Married, Secret Romance, Romantic Story, Hollywood Romances, Teenage Love, Teen Confessions und Career Girl Romances im Verlagsprogramm. Stets ist es die große oder die erste Liebe, die unsägliche Herzenspein bereitet, bis endlich doch die Hochzeitsglocken läuten oder die Einsicht kommt, daß es eben noch nicht der Richtige war. Aber auch Männer können im Mittelpunkt melodramatischer Unterhaltung stehen. Vor allem Ärzte wie Dr. Bobbs, Rex Morgan M. D., Dr. Kildare und Ben Casey, Richter wie Judge Parker oder — bis zu einem gewissen Grad — auch Pastoren wie David Crane sind hier zu erwähnen. Der Operationssaal ist ein Schauplatz des ewigen Kampfes um Leben und Tod. Das riecht nach Drama, nach Verwicklungen, die dem blendend aussehenden Stationsarzt oder Chirurgen im Konkurrenzkampf mit anderen Ärzten oder dadurch erwachsen, daß Patienten oder Krankenschwestern in Liebe zu ihm erblühen. Der kranke Mensch (auch der sozial Kranke, der vor Gericht kommt) ist ein ideales Vehikel zum Transport menschlicher Motivationen und Emotionen, die ihre Wirkung auf den Leser nie verfehlen. Daß der Idealismus jener Menschen betont wird, die einen sozialen Beruf ergreifen, versteht sich von selbst. Ärzte und Richter müssen wohl auch ein bißchen »überlebensgroß« dargestellt werden, sollen sie nicht dysfunktional wirken, sondern das Vertrauen des Lesers in sozial und hygienisch korrektive Institutionen stärken oder sie überhaupt erst mit den Problemen, die in diesen Berufen auftauchen, bekannt machen. Eine Testuntersuchung von Rex Morgan M. D. hat ergeben, daß solche Serien, die kostenlosen ärztlichen Rat geben, durchaus in der Lage sind, didaktisch auf ihr Publikum einzuwirken. Ein Melodram mit politischem Hintergrund (der extremen Rechten) bietet Little Orphan Annie, die von Harold Gray 1924 als kontinuierlicher Gagstrip damit begann, daß Mrs. Warbucks die Waise Annie in ihr Haus aufnahm, um der etablierten Gesellschaft ihrer Stadt zu zeigen, wie großherzig doch Neureichs sein können. Es hätte nicht viel gefehlt und Annie wäre nach einigen Wochen wieder ins Waisenhaus zurückbefördert worden. Aber als Mrs. Warbucks' Wagen zum Waisenhaus chauffiert wurde, begegnete ihnen Miss Fair (!), die einer zwar nicht reichen, aber doch zur gesellschaftlichen Spitze zählenden alteingesessenen Bürgersfamilie angehörte.
Dr. Kildare von Ken Bald. Die »üblichen« Probleme eines Assistenzarztes. Im Comic Strip sieht Dr. Kildare aus wie Richard Chamberlain, der diese Rolle im Fernsehen spielte. Die Gestalt des Dr. Kildare wurde schon vor dem zweiten Weltkrieg von Bestsellerautor Max Brand erfunden und in einer Film- und Rundfunkserie vorgeführt. © 1962 King Features/Bulls
Little Orphan Annie von Harold Gray. Auf dieser Sonntagsseite wird die ganze Philosophie der Serie zusammengefaßt: Der geheimnisumwitterte Daddy Warbucks ist von der Vorsehung dazu auserkoren, das Richtige für sich und sein Land zu tun. © 1967 Chicago Tribune — New York News Syndicate
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Um ihr Gesicht zu wahren, gibt Mrs. Warbucks vor, der Tag sei für eine Spazierfahrt doch wunderschön. Annie wäre lieber von Miss Fair adoptiert worden und nicht von der schrecklich blasierten, eingebildeten Mrs. Warbucks. Was in dieser Anfangszeit noch als versteckte Kritik am Snobismus neureicher Kriegsgewinnler zu deuten ist, schlägt aber bald um in eine unverhohlene Bewunderung und Propagierung des Großkapitals. Ihr väterlicher Freund, Mr. Warbucks, und dessen orientalische Handlanger Punjab und the Asp sind nie weit, wenn Annie mit ihrem treuen Hund Sandy, der nur ein bescheidenes »Arf! Arf!« hervorbringt, fortan von einem Abenteuer ins andere stolpert und von einer Verschwörung in die nächste gerät. Annie bügelt aus, was sich nicht in ihr streng konservatives, sozialdarwinistisches Weltbild einpassen läßt. Was nicht mit Warbucks' Vorstellung von »free enterprise« und einer »laissez faire«-Wirtschaftsideologie in Übereinstimmung zu bringen ist, muß geändert werden. Wer gegen Warbucks ist, Spionage treibt oder Verbrechen begeht, muß mit Warbucks' und Punjabs strafender Rache rechnen. Bezeichnend für die Aussage von Little Orphan Annie war es, daß Daddy Warbucks, während Roosevelts New Deal das »free enterprise« zügelte, auf dem Sterbelager dahinsiechte. Nach Roosevelts Tod fand er eine wundersame Heilung und seit Eisenhower ist er wieder voll auf dem Posten. Das Kapital, das sich streng puritanisch an Vorsehung, Glaube und Hoffnung hält, nimmt das Gesetz in die eigene Hand, wenn es dieses unterwandert glaubt oder keine andere Möglichkeit sieht, Verstöße zu ahnden. Im Sonntagsstrip unterstützen im ersten Bild passende Zitate Annies Botschaft.
Detektive und Polizisten 4. Oktober 1931. Sonntag. Dick Tracy tritt auf den Plan. Er stammt aus der Feder von ehester Gould, der seit sechs Jahren an Joseph M. (»Captain«) Patterson, den Gründer der New York News und Leiter des Chicago Tribune-New York News Syndicates, Entwürfe geschickt und endlich den zündenden Einfall gehabt hatte. Über das während der Prohibition zunehmende Gangsterunwesen erzürnt, wollte Gould mit einem Comic Strip das Verbrechen bloßstellen und bekämpfen. Seinen Plainclothes Tracy benannte Captain Patterson mit dem ihm eigenen Ge spür für zugkräftige Titel in Dick Tracy um. (»Dick« ist ein amerikanischer Slangausdruck für »Polizist«). Gould stellte besonders die Laxheit der örtlichen Polizei heraus und zeigte auf, wie ungestraft Ganoven operieren konnten. Goulds und Tracys Kampf galt den Behörden, die dem organisierten Verbrechen tatenlos gegenüberstanden oder gar mit ihm zusammenarbeiteten. Das Rezept war einfach: Tracy war dafür, hart durchzugreifen. Und daß ein einfacher Polizist Verbrecher hinter Gitter brachte und überführen konnte, das
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befriedigte die Leser. Tracy hatte für Bürokram wenig übrig. Erst in der direkten Konfrontation mit dem Bösen war er in Hochform. Dick Tracys erste Auftritte fanden an zwei aufeinanderfolgenden Sonntagen nur im Detroit Mirror statt. Er entlarvte dabei einen verkleideten Hoteldieb und verhaftete einen Bandenboß. Als am 12. Oktober 1931 die Serie auch wochentags beginnt, wird sie von der New York News übernommen, in der ab 13. Dezember schließlich auch die Sonntagsseite erscheint. In der ersten Wochentagsfolge besucht Dick Tracy Familie Trueheart und hält dort um die Hand von Tess Trueheart an. Doch da stürmen Räuber in die Wohnung der Truehearts und erschießen (am 16.) Tess' Vater, als er sich weigert, die sauer verdienten Dollar herauszugeben. Die Banditen nehmen Tess (am 19.) als Geisel mit und schlagen Tracy zweimal nieder. Am 22. Oktober wird er in die Plainclothes Squad der Polizei aufgenommen. Er macht sich sofort an die Arbeit, um die Räuberbande zu unterwandern und von innen her aufzurollen. Gould und Patterson machten Dick Tracy mit Vorbedacht zum Polizisten. Wenn Gangster das Gesetz brachen, mußte er nicht privatim zum Rächer werden. Er konnte eingreifen, denn er war das Gesetz. Von Anfang an wurde so in Dick Tracy die Gewalt dargestellt. Bis dato waren im Comic Strip Gewalt, Blut und Verbrechenstechniken mehr oder weniger tabu gewesen. Die Öffentlichkeit reagierte heftig auf den Strip, aber Gould ließ sich nicht von seiner Erzählweise abbringen, da er die Ansicht vertrat, die Wirklichkeit sei bei weitem blutiger als seine Serie. Dick Tracy wurde deshalb in den Anfangsjahren gelegentlich von den Comicsseiten einiger Zeitungen verbannt, aber nie für mehr als eine Woche.11 Sobald das Blut aufgewischt war, kam Dick Tracy wieder zurück. ehester Gould zeichnet seine Serie in einem äußerst flächigen Stil, der einen Eindruck von Realität vermitteln soll, wenngleich seine Charaktere nicht realistisch sind. Die Unzahl von fast karikaturhaft verzerrten Verbrechern, deren Name meist ihrer Physiognomie entspricht, tritt schon bald nach dem Beginn der Serie in Erscheinung (zum Beispiel Pruneface, Flattop, Miss Egghead oder the Mole, also Dörrpflaumengesicht, Flachkopf, Miß Eierkopf und Maulwurf). Die Spezialität vieler Verbrecher konnte man erraten, wenn man ihren Namen von rückwärts las: Johnny Naem, Junky Doolb, Professor M. Emire, Frank Rellik oder Frankie Redrum, ehester Gould achtet peinlich genau darauf, daß die von ihm geschaffene Illusion der Realität gewahrt wird, seit er sie 1936 einmal durchbrechen wollte, als er seinen Helden in eine ausweglose Lage gebracht hatte. Captain Patterson genehmigte jene Folge nicht, in der sich Tracy dem Beschauer zuwendet und sagt: »Gould, du bist zu weit gegangen!«, woraufhin die Hand des Zeichners im Bild erschien, und den Felsen über dem Mineneingang wegradierte. Stattdessen »fand sich« ein natürlicher Ausweg.
Dick Tracy von Chester Gould. Action und Gewalt als legitime Mittel im Dienst des Gesetzes. Der kraftvoll-vereinfachende Zeichenstil verleiht dem Geschehen die adäquate Räuber- und Gendarm-Atmosphäre. © 1968 Chicago Tribune — New York News Syndicate
Allein in den ersten 24 Jahren seiner Existenz wurde Dick Tracy 27mal angeschossen. Von den Fehltreffern zeugt inzwischen seine Sammlung von knapp fünfzig durchschossenen Hüten. Aber man wollte Tracy nicht nur mit Kugeln ans Leben. Er wurde geschlagen, fast eingefroren, chloroformiert, in die Luft gesprengt, mit 90 Stundenkilometer hinter einem Auto hergeschleift und erblindete auf längere Zeit, als man ihm sein Haus über dem Kopf ansteckte. Und wenn ihm wieder einmal ein Verbrecher seine Revolverhand zerquetscht hatte, bewies er dieselbe schnelle Genesungskraft, wie bei allen anderen Verletzungen. Seinem scharfgeschnittenen Profil und besonders seiner berühmten Hakennase wurde jedoch nie Schaden zugefügt. Will Goulds 1935 bis 1938 im New York Journal agierender Detektiv Red Barry erwies sich als nicht so zählebig. Auf-
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grund der dargestellten Violenz, die seine Nähe zur Schwarzen Serie des Films dokumentierte, starb Red Barry eines frühen Todes. Dick Tracys Abenteuer zählen mit zu den längsten unter den Fortsetzungsstrips. Sie dauern manchmal über ein halbes Jahr. Da Gould den Ausgang der einzelnen Abenteuer nie vorher festlegt, kann er sie solange fortsetzen, bis er ihrer müde wird und Lust verspürt, eine neue Story anzufangen. Er vermutet, daß er in dieser Beziehung ähnlich wie seine Leser reagiert. Und dann ist es meist soweit, daß der Erzgauner eines gewaltsamen Todes stirbt. Bei Dick Tracy kommen die Verbrecher selten wieder. Da in dieser Serie die Arbeit der Polizei das Hauptthema ist, kommt Tracys Privatleben ein wenig zu kurz. Deshalb hat er wohl auch erst am 24. November 1949 Tess Trueheart
Rip Kirby (Rip Korby) von Alex Raymond. Die Abenteuer des Bonvivants Rip Kirby, eines intellektuellen Detektivs mit Hornbrille, fanden beim Publikum Anklang, obwohl das Syndikat wegen des hohen Niveaus der Serie zunächst skeptisch gewesen war. © Bulls Pressedienst
geheiratet, mit der er praktisch von Anfang an verlobt war. Als Nachwuchs stellte sich 1951 die Tochter Bonny Braids ein. Neben Dick Tracy und der Galerie schillernder Verbrecher hat sich im Lauf der Jahre eine Reihe von Nebenfiguren etabliert, unter ihnen Junior, Tracys Assistent Sam Catchern, die Polizistin Lizz, der Vorgesetzte Chief Patton und viele andere, darunter die ganze Mondbevölkerung, denn Dick Tracy weist auch Spuren von Science Fiction auf. Der Flug durchs All ist eine Selbstverständlichkeit. Auf der Erde kann
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man sich mit geräuschlosen »Flugeimern« fortbewegen oder sich vermittels armbanduhrähnlichem »Two-way wrist TV« verständigen. ehester Gould kommentiert selbst die Comicsbranche allgemein mit zwei »Strips im Strip«. Den ersten führte er anläßlich eines Kriminalfalls 1964 ein. Es war Sawdust, ein Strip um sprechende, genauer gesagt kalauernde, Sägespäne. Der Erfinder der Serie hat vier Assistenten, die gleichzeitig an einer Folge arbeiten und die alle den Strip signieren. Einen ähnlichen Strip zeichnet eine der regelmäßigen Nebenfiguren,
Vera Alldid. Er zeichnet den Invisible Tribe, das heißt, er schreibt nur den Text, denn den unsichtbaren Stamm sieht man ja nicht. Zumindest bei Sawdust besteht die Möglichkeit, daß Gould sich selbst ein wenig auf den Arm nimmt. Andere Polizeistrips, die nach Dick Tracy kamen, zeigen stärker die menschliche Seite des Polizisten, wie zum Beispiel Lank Leonards 1936 begonnene Serie Mickey Finn, die zudem noch ein ethnisches Moment enthält, oder Jay Irvings Humorstrip um den Streifenpolizisten Pottsy. Mehr auf eigene Faust und Rechnung, aber auch vom Ge setz sanktioniert, arbeiten die Privatdetektive. Der beste unter ihnen ist wohl der intellektuelle Rip Kirby, ein Brillenträger, der die angenehmen Seiten des Lebens zu schätzen weiß. Er ist belesen, liebt klassische Musik und kann im Notfall auch einmal kräftig zuschlagen. Kirby spielt gerne Golf, trinkt ab und zu einen und versteht sich sowohl aufs Schachspiel als auch auf Frauen. Obwohl von der Anlage her alle üblichen Erwartungsmuster verletzt wurden, machte sich das Risiko, diesen Strip zu bringen, für King Features bezahlt. Nach seiner Rückkehr aus dem zweiten Weltkrieg hatte Alex Raymond wieder mit Jungle Jim und Flash Gordon begonnen, ehe er 1946 Rip Kirby dazu erfand. Und ab 1948 wid-
mete er sich nur noch diesem Strip, bis er 1956 bei einem Autounfall ums Leben kam. In Zeichner John Prentice fand er einen würdigen Nachfolger. Raymond zeichnete vor dem zweiten Weltkrieg neben seinen bekannten Weltraum- und Dschungelserien auch schon den von Dashiell Hammett geschriebenen Agentenstrip Secret Agent X-9. Raymond blieb wie Hammett bei dieser Serie allerdings nicht allzu lange. Sie wurde zunächst von Mel Graff, dann von Bob Lewis fortgeführt. 1967 wurde sie Al Williamson anvertraut, der den Titel in Secret Agent Corrigan abwandelte, um den Helden etwas menschlicher zu machen. Ian Flemings James Bond hat trotz des großen Erfolgs der Romane und Filme in Amerika kein Syndikat gefunden, das sich an seine Produktion herangewagt hätte. Der Grund dafür waren die hohen Lizenzgebühren. So blieb denn James Bond in seinem Heimatland beim Londoner Daily Express. In Amerika war er auf zwei Comic Books beschränkt, die zum Film »Dr. No« erschienen. Alfred Andriola hatte schon sieben Jahre lang die Detektivserie Charlie Chan gezeichnet, die erste Comicsserie, die — wie in den Romanen von Earl Derr Biggers — einen Asiaten
Secret Agent Corrigan von Al Williamson. Dashiell Hammett und Alex Raymond erfanden den Spionagethriller Secret Agent X-9, den nach Mel Graff und Bob Lewis der Zeichner Al Williamson übernahm und zur zeichnerischen Qualität von Raymond zurückführte. © 1968 King Features/Bulls
Al Williamson ist nicht nur in seinem Zeichen-, sondern auch in seinem Erzählstil Alex Raymonds Nachfolger. Immer wieder verbindet er den Spionagestrip Secret Agent Corrigan mit Elementen aus dem Schwert - und Degen-Genre. © 1968 King Features/Bulls
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Mandrake von Lee Falk, Zeichner Fred Fredericks. Auch in diesem Teil einer Sonntagsfolge der alte Trick: Mandrake gestikuliert hypnotisch. © 1967 Kin g Features/Bulls
als Hauptperson hat. 1943 bot er schließlich mit Kerry Drake seinen Lesern eine Serie, die sowohl einen Privatdetektiv als auch einen Polizeidetektiv als Hauptpersonen aufwies. Er knüpfte damit geschickt ans Schema der Kriminalromane an, in denen jeder Detektiv bei der Polizei einen Intimus oder speziellen Antagonisten hat, wie Mike Hammer und Pat Chambers oder Michael Shayne und Inspektor Lefebvre. Auch Batman und Polizei-Commissioner Gordon folgen dieser Figurenkonstellation. (Batman, der Superdetektiv, wirft sich im nächsten Kapitel ins Kostüm.) Eine besondere Spezies bilden jene Detektive, die mit magischen oder übernatürlichen Kräften ans Werk gehen. Der seit 1934 agierende Magier und Hypnotiseur Mandrake von Lee Falk löst hypnotis ch gestikulierend die verzwicktesten irdischen und intergalaktischen Fälle, im Zug der James-BondWelle sogar im Bereich der Spionageringe, gegen die eine Geheimorganisation a la Interpol, Inter-Intel, ankämpft. Mandrakes Faktotum Lothar, ein Prinz aus Afrika, unterstützt von Anfang an den Kampf seines Herrn gegen das Böse. Er hat sich dabei inzwischen vom tumben Diener zum gleichberechtigten Partner entwickelt. Will Eisners The Spirit wurde es seit .1941 nicht leicht gemacht, seinen besonderen Status als ungewöhnlicher Detektiv zu erhalten. Er wurde von seinem ersten Gegner betäubt, von seinen Kollegen für tot gehalten, und nachdem er wieder erwacht war, zum Schein beerdigt, auf daß er fürderhin als The Spirit, der stets eine Larve trug, dem Unwesen von Gangstern den Garaus bereiten konnte. Und das nicht nur auf Zeitungsseiten, sondern auch auf dem Zeitungspapier der Comic Books. Auch The Shadow, jener Romanheld, der die Fähigkeit hatte, den Verstand der Menschen zu benebeln und sich dadurch »unsichtbar« zu machen, machte lange Zeit Abstecher in die Comic Books, nachdem er neben den »pulps« schon den Rundfunk erobert hatte und auch dort jedesmal fragte: »Who knows, what evil lurks in the hearts of men? The Shadow knows!« Diesem Satz ließ er ebenso wie seiner lakonischen
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Feststellung »The weed of crime bears bitter fruit! Crime does not pay!« teuflisches Gelächter folgen.12 Manch anderer Detektiv und Agent läßt sich auch in den Comic Books sehen. Unter anderen findet man hier Ellery Queen, Sherlock Holmes, Perry Mason und Mike Shayne, manchmal jedoch nur wenige Hefte lang. Die Abenteurer 1934 begann Milton Caniff Terry and the Pirates, eine Serie, die eine exotische Landschaft mit spannenden Abenteuern füllte. Der Titel war wieder einmal von Captain Patterson bestimmt worden, dem Caniffs Titelvorschlag zu nichtssagend erschienen war. Caniff besorgte sich an Unterlagen, was er über China wissen mußte, und wurde so zum intimen Kenner der Vorgänge im Lande. Schon 1937 bekämpfte Terry auf der Seite der Chinesen die japanischen Eindringlinge, die bald auf Anraten des Syndikats nur noch als Invasoren bezeichnet wurden; während des zweiten Weltkriegs wurden sie dann wieder zu Japanern. Milton Arthur Paul Caniff (sprich ke ‹nif) hatte mit Terry and the Pirates die Chance von Captain Patterson erhalten; ihm war Caniffs Strip Dickie Dare aufgefallen, der von einem Jungen handelte, der Robin Hoods Gruppe beitreten wollte. Terry Lee war zu Anfang der Serie ein milchgesichtiger Junge, der in China eine verschollene Mine suchte. Die Mine fand er nie, aber unter Caniffs Händen erlebte er zwölf Jahre lang Abenteuer mit ansehnlichen Piratinnen und diversem anderem asiatischem Abrakadabra. Pattersons Wunsch, die Serie solle so gnadenlos gewohnheitsbildend sein wie eine Seifenoper, erfüllte sich. Caniffs Arbeit war so populär, seine Figuren so »real«, daß Millionen Amerikaner ihre Trauer bezeigten, als Schurken die Erbin Raven Sherman von einem Lastwagen stießen, und sie am Fuße einer chinesischen Klippe Steve Canyon von Milton Caniff. Unter den vielen Frauen im Leben des kühnen Fliegers Steve Canyon war Summer Smith Olson die einzige, der er wirklich zugetan war. Er konnte sie erst nach langen Jahren heiraten, nachdem sie Witwe geworden war. Die Abbildung läßt erkennen, daß die für die ganze Seite quadratischen Bilder jeweils am unteren Rand ergänzt wurden, um auch als Drittelseite in Zeitungen verwendet werden zu können. Die Montage der Panels (ursprünglich zwei Bildstreifen) wurde hier geändert. © 1953 Field Enterprises/King Features/Bulls
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Smilin' Jack von Zack Mosley. Flieger, Liebe und Romanzen gehören zusammen, vor allem dann, wenn die Hauptfigur ein Drauf gängertyp wie Erroll Flynn und Douglas Fairbanks ist. © 1960 Chicago Tribune — New York News Syndicate
starb. Studenten wandten sich mit entblößtem Haupt nach Osten und verharrten in andächtigem Schweigen. Tausende von Gebinden und Beileidsschreiben wurden an Caniff geschickt. Caniffs Held wurde bald erwachsen, und nachdem er sich schon seit fünf Jahren dem Kampf gegen die Japaner in China angeschlossen hatte, griff er 1942 ins Kriegsgeschehen ein. Dabei machte der Strip am 17. Oktober 1943 eine entscheidende Wandlung durch. Der Held wurde einer bestimmten Kategorie Abenteurern zugeordnet, den kühnen Fliegern. Damit stieß Terry ins traditionsreiche Genre der Fliegerstrips vor und überrundete an Beliebtheit bald Serien wie Skyroads von Dick Calkins, Tailspin Tommy von Hal Forrest, Ace Drummond von Cl. Knight, eine Serie die von Eddie Rikkenbacker, dem amerikanischen Fliegeras des ersten Weltkriegs, geschrieben wurde, Barney Baxter von Frank Miller, Smilin' Jack von Zack Mosley und Scorchy Smith von John Terry (ab 1930) und Noel Sickles (ab 1934).
Milton Caniff zeichnete neben Terry ab 1942 gratis Male Call für 300 Armeezeitungen, eine Serie, die den Soldaten eine Augenweide sein sollte. Außerdem zeichnete er »civiliandefense posters«, entwarf zahllose Insignien für Fliegerstaffeln und illustrierte unter anderem vertrauliches Instruktionsmaterial des Militärs. Wegen des »Geheimmaterials« in seinem Archiv wurde Caniffs Haus als »war plant« klassifiziert. Jeder, der ihn besuchte, mußte sich in einer Meldeliste einund austragen. Nach dem zweiten Weltkrieg verdiente Caniff zwar 70 000 Dollar im Jahr, aber er hatte, wie in der Branche üblich, keine Rechte an seinem Strip. Als ihm Marshall Field 1944 einen Fünf Jahresvertrag mit der Wochengarantiesumme von 2000 Dollar anbot, wenn er für das Chicago Sun Syndicate einen neuen Strip gestalten würde, sagte Caniff unter der Bedingung zu, daß er alle Rechte an seiner Serie behielte, und sie praktisch nur an die Sun vermiete. Fields Syndikat und King Features sollten die Serie vertreiben. Caniff wartete geduldig, bis sein Vertrag für Terry zwei Jahre später auslief. Field und Hearst konnten einstweilen nur mit Caniffs Ruf hausieren gehen. Mit Erfolg. Als es ruchbar wurde, daß Caniff ab 1947 eine neue Serie zeichnen würde, nahmen über 200 Tageszeitungen die Serie unter Vertrag, noch bevor der Name feststand und der erste Strich gezeichnet war. Die Spannung war nervenaufreibend. Erst zwei Wochen bevor Steve Canyon am 19. Januar 1947 erschien, ließ sich Caniff in die Karten sehen. Alle Beteiligten konnten erleichtert und zufrieden aufatmen. Steve Canyon begeisterte. Steve war ein gereifter, weltmännischer Terry, ein wagemu tiger Ex-Pilot der Armee (die Air Force hat sowohl Terry als auch Steve richtige Seriennummern zugeteilt), der ins Flugtaxigeschäft eingestiegen war. Caniff behielt seine kinematographische Zeichentechnik bei, die seit Jahren stilbildend für eine Schar aufstrebender Zeichner gewesen war.
1970 war es soweit: Steve und Summer heirateten. Die Canyons sind verliebt wie die Turteltauben, doch bald beginnt Mrs. Canyon, die Fäden in die Hand zu nehmen. © 1970 Field Enterprises/King Features/Bulls
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Buz Sawyer von Roy Crane. Im zweiten Weltkrieg kämpfte er im Pazifik für Amerika, heute hilft Buz in jeder Lebenslage, selbst als Entwicklungshelfer in Südamerika. Die Grauwerte in Cranes Zeichnungen werden durch das vielgerühmte »Crafttint«-Verfahren erzeugt, zu dessen Pionieren Crane zählt. © 1965 King Features/Bulls
Seine Geschichten erarbeitet sich Caniff nach einer eigenen Methode aus Zeitungsausschnitten, Rundfunksendungen, Büchern, Filmen, etc. (Newsweek meinte dazu, mit seiner Erzählweise käme Caniff in Amerika vielleicht der Arbeitsweise der Geschichtenfabrik der Dumas-Familie am nächsten.13) So war er stets auf dem laufenden und konnte wiederholt seinen guten Riecher bestätigt sehen. Fast peinlich war, daß er zwei Tage vor einer tatsächlichen Paratrooper-Invasion in Burma eine Vorlage dafür in Terry and the Pirates bot, die noch dazu schon Wochen vorher gezeichnet worden war. (Englische Zeitungen verdächtigten Caniff gar der Spionage!) 1949 vermutete Steve Canyon, daß Rußland in seinen Warmwasserhäfen U-Boote baute. Und wenige Monate später wurde diese Vermutung von Zeitungsberichten bestätigt. 1949 kam Steve Canyon wieder nach China, um gegen einen Eindringling aus dem Norden Stellung zu beziehen.
Aber auch sonst ist Stevenson Burton Canyon stets am Ball. Dabei unterstützen ihn Scharen von Nebenfiguren, die nach lebenden Personen gestaltet sind, deren Namen leicht verändert werden. Und seit dem 26. April 1970 teilt Steve Canyon seine Abenteuer und sein Bankkonto mit Summer Smith Olson, einer Witwe mit Sohn, die er schon vor vielen Jahren im Strip kennengelernt hatte. Auch andere Helden fliegen oder flogen durch die Lüfte. So zum Beispiel Roy Cranes Buz Sawyer, der 1943 entstand, als Crane seine Serie Captain Easy verließ, die im selben Stil weiterlief. Buz Sawyer beteiligte sich am Kriegsgeschehen im Pazifik. Um der ungemein zeitraubenden, doch stets erforderlichen Genauigkeit der Darstellung von Flugzeugen und militärischem Gerät wenigstens von Zeit zu Zeit zu entgehen, ließ Crane seinen Helden verschiedentlich abschießen und auf Südseeinseln notlanden. Es versteht sich von selbst, daß bei
Captain Easy von Crooks und Lawrence. Einst von Roy Crane angefangen, ist diese Serie auch heute in ihren Stilmitteln kaum von Buz Sawyer zu unterscheiden. © 1970 Newspaper Enterprise Association, Inc./UPI
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Johnny Hazard von Frank Robbins. Flugzeuge, Frauen, Agenten, Politik und verborgene Schätze sind die bestimmenden Elemente dieser mit flüchtigem Pinselstrich hingeworfenen Serie. © 1970 King Features/Bulls
solchen Gelegenheiten die Schönen der Inseln durch die Bilder wippten. Nach dem Krieg betätigte sich Buz Sawyer als Helfer in Entwicklungsländern und als Detektiv bei Krimmalfällen. Sein ehemaliger Kumpel Rosco Sweeney übernahm den humorigen Sonntagsstrip. Wie Terry Lee und Steve Canyon blieb aber auch Buz Vietnam nicht fern. Doch nur Steve Canyon wurde dabei in der Pravda als imperialistischer Krieger hingestellt, ein Vorfall, der in Caniffs Strip verwertet und beantwortet wurde. Während des zweiten Weltkriegs wurde auch Frank Robbins Johnny Hazard auf Papier gebannt. Robbins hatte dafür Scorchy Smith, den er eine Zeitlang übernommen hatte, wieder aufgegeben. Sein Johnny Hazard erlebte nun die Abenteuer, die er vielleicht für Scorchy gezeichnet hätte. Die Fliegerabenteuer in Frank Robbins Serie schlagen stilistisch in eine ähnliche Richtung wie Caniffs Werk. Seit einigen Jahren ist Hazard in seinen Abenteuern für den Geheimdienst tätig, der in seinen Mitteln leicht futuristisch beeinflußt ist, sich aber den technisierten Ballast einer aluminiumverkleideten Zentrale, wie sie in der Fernseh- und Comicbook-Serie Man from U.N.C.L.E. üblich war, verkneift. Wie es sich für einen guten Abenteuerstrip gehört, finden sich auch bei
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Robbins die verschiedensten Frauen, die beim Anblick des Helden dahinschmelzen und so für das nötige romantische Element sorgen. Natürlich verhält sich der Held Frauen gegenüber immer ritterlich, auch wenn sie ihm ans Leben wollen. Emanzipierte Frauen fehlen zwar in Comic Strips nicht, aber sie sind meist nur Randfiguren oder böse Gegnerinnen wie die Dragon Lady, eine von Terry Lees Antagonistinnen. Neben den Himmelsstürmern tauchten zu Beginn der Abenteuerära auch Sportler auf, die sich durch die Comic Strips boxten. Einer der ersten war Harn Fishers Joe Palooka, ein Strip, der einen Meisterboxer in der Hauptrolle zeigt. Harn Fisher hatte jahrelang versucht, einem Syndikat seine Serie zu verkaufen. Erst als er Vertreter des McNaught Syndicate wurde, wo er seine Fähigkeiten als gewiefter Serienverkäufer unter Beweis stellte, konnte er seiner Serie 1930 zum Erfolg verhelfen. Als sein Chef verreist war, nahm er Joe Palooka mit und bot ihn wie die anderen Strips an. Drei Wochen später hatte er seine Serie an zwanzig Zeitungen verkauft. Der Erfolg ließ sich nicht mehr aufhalten. Joe Palooka war schon immer eine der sentimentalsten Serien Amerikas. Als die Hauptfigur heiratete, wurde dieser Comic Strip zu einer Art gefühlsbetontem Familienstrip.
Das Problem bei Boxern ist, daß man sie nicht auf die Dauer als Boxweltmeister zeigen kann, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren. Das erkannte auch John Cullen Murphy, dessen Boxweltmeister Big Ben Bolt seit 1950 im Ring stand. Ben Bolt hat sich ungeschlagen aus der Arena zurückgezogen und zieht auf Abenteuersuche durch die Welt, wobei ihm seine Erfahrungen als Boxer stets von Nutzen sind. Der Krieg: G. I. Joes Taten als Heldenepos Die Bezeichnung G. I. Joe verdankt der amerikanische Soldat dem Comic Strip Private Breger von Dave Breger, der sich ab 1942 mit den heiteren Seiten des Soldatenlebens auseinandersetzte. Während des zweiten Weltkriegs hatten sich viele Comic Strips und Books ins Weltgeschehen eingeschaltet. Auch die papierenen Helden gingen an die Front, wo sie für Heim und Fahne kämpften, und so das Ihre für die Moral der Leser taten. Den bereits erwähnten Fliegern war es ohnehin selbstverständlich, für Familie, Herd und Apple Pie in den Krieg zu ziehen, und selbst Tarzan setzte sich nicht nur im Film, sondern auch im Comic Strip mit Nazis auseinander, die in den Dschungel eindrangen. Es war nur recht und billig, daß auch Mickey Mouse und Donald Duck im Dienste der Propagandamaschinerie standen. Heute verirren sich zwar manche Helden nach Vietnam, und es gab einige Jahre lang eine Serie, die sich nach dem Roman von Robin Moore mit den Tales of the Green Beret auseinandersetzte, die nach Vietnam und nach Lateinamerika führten. Das Involvement ist bei den Kriegen von heute aber zurückhaltender. Der Vietnamkrieg ist zu kontroversiell, um ein »all-out«Engagement zu rechtfertigen. Diese Erfahrung machten auch die Produzenten der Comic Books, die bei Vietnamstorys immer mehr ablehnende als zustimmende Zuschriften bekamen. Der erste und zweite Weltkrieg finden in den Comic Books noch immer statt. Die Helden wie Sgt. Fury oder Sgt. Rock und ihre Kampftruppen sind Überhelden, fast schon Superhelden. Die Kerntruppe überlebt, die zusätzlichen Randfiguren sterben. Dabei kommt es durchaus zu moralischen Konflikten. Die Taten G. I. Joes werden als Heldenepos überhöht. Über Kriegscomics werden verschiedene Ansichten geäußert. Jules Feiffer sagte etwas überspitzt: »Sie sind schädlich, verzerrt und vom Pentagon manipuliert und zum großen Teil langweilig.« Der Vertreter einer Firma, die selbst keine War Comics produziert, meinte dagegen: »Wir glauben, die Leser von Kriegscomics sind sich darüber im klaren, daß die meisten Geschichten Phantasie sind, und sie betrachten sie als Unterhaltung.« Fest steht, daß Kriegscomics Heldenfiguren vorführen, daß sie die Charaktere so überzeichnen, daß sie manchmal zur Karikatur ihrer selbst werden, und daß sie primär der Unterhaltung dienen sollen. Joe Kubert, der Redakteur der
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Kriegscomics von National Periodical Publications, betont auf Leserbriefseiten, daß er in seinen Heften nicht beabsichtigt, den Krieg zu verherrlichen, sondern allenfalls darzustellen, was der Mensch erdulden muß oder in extremen Notlagen zu leisten vermag. Im Krieg seien letzten Endes immer beide Seiten die Verlierer. Helden wie Sergeant Fury von Sgt, Fury and the Howling Commandos und Sgt. Rock of Easy Company aus Our Army at War sind wie alle Helden der Comics nahezu unverwundbar. Daß sie immer mitten im Kampfgetümmel auftauchen, zeigt sich schon an ihrer stets abgerissenen Kleidung. (Furys Hemdenverbrauch ist berühmt!) Sie sind Führergestalten, die ihre kleine Gruppe, einen Miniquerschnitt durch die Gesellschaft, vornehmlich hinter Feindeslinien bei Aktionen gegen neue Wunderwaffen führen oder im Führerhauptquartier ein- und ausgehen. Der Gegner wird — wie die Easy Company oder die Howling Commandos — oft auf eine Gruppe von wenigen Mann reduziert, wie zum Beispiel bei Baron Strucker und seiner Blitzsquad. So wird der Krieg zum Gesellschaftsspiel von Spezialisten verharmlost. Der ideologisch besser gerüstete Teilnehmer muß gewinnen. Auch im Kampf gegen eine (noch so große) Übermacht erweisen Sgt. Fury and His Howling Commandos. Diese Eliteeinheit gewinnt in stets entscheidenden Missionen den Krieg im Handstreich. Aus: Sgt. Fury, Nr. 6, Zeichner: Jack Kirby und Geo Bell. © 1963 Marvel Comics Group
exemplarisch aufgezeigt werden können. Ist Enemy Ace also ein Antiheld, das Heft, in dem er gastiert, ein Antikriegsheft? Fast. Denn der Kritiker muß feststellen, daß die meist faszinierend schönen Bilder dazu angetan sein können, diese Botschaft im Bewußtsein der Leser zu verdrängen. Hätte Coulton Waughs experimenteller Antikriegsstrip Hank (1945) eine ähnliche unterhaltende »Verpackung« gehabt, wäre ihm — vielleicht — ein längeres Leben als nur ein Dreivierteljahr beschieden gewesen. Der Western: Die »Frontier« als amerikanisches Eden?
Enemy Ace von Joe Kubert. Eddie Rickenbacker und Baron von Richthofen sind die Vorbilder für Rittmeister von Hammer, in dessen Kriegserlebnissen beide Fronten gezeigt werden. © 1968 National Periodical Publications, Inc.
sich die tapferen Kämpen als geschickter und zäher und gewinnen im Notfall so manche Schlacht im Faustkampf. In Sgt, Fury and His Howling Commandos hat man durch den Deutschen Eric Koenig, der mit den Commandos gegen die Nazis kämpft, den Unterschied zwischen den dargestellten »Deutschen« und »den« Deutschen hervorzuheben versucht. Bemerkenswert ist noch, daß in den letzten Jahren, vielleicht mit angeregt oder bestätigt durch Snoopys imaginäre Kämpfe mit dem Roten Baron und durch den Spielfilm »The Blue Max«, bei National Periodical Publications eine Comics-Serie unter dem Titel Enemy Ace erscheint, in der ein deutscher Flieger des ersten Weltkriegs die Hauptrolle spielt, Baron von Hammer, der Enemy Ace, ist in seiner ganzen Charakterzeichnung seinem amerikanischen Publikum eine Identifikationsgestalt. Da er aber zugleich ein Gegner ist, gestattet es diese Serie besonders gut, eine antikriegerische Position herauszuarbeiten. In Enemy Ace wird deshalb häufig über den Wahnsinn eines jeden Krieges reflektiert und speziell auch über verschrobene Ehrbegriffe, wie sie anhand des ersten Weltkrieges
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Solange es die »frontier« gab, konnten sich die Amerikaner noch ausleben, konnten sie immer weiter gen Westen ziehen, wenn sie sich eingeengt fühlten. »Go West, Young Man!« hieß die Devise. Der Wille des einzelnen war Gesetz. Der Mensch konnte seine Umwelt gestalten. Aber der Einzug ins Paradies der Freiheit war zugleich dessen Untergang, denn es konnte nicht ausbleiben, daß den ersten Pionieren andere Siedler folgen würden, die nach und nach alle Probleme der Zivilisation auf dem noch jungfräulichen Boden Amerikas ausbreiteten. Das geschriebene Gesetz drang langsamer nach Westen vor als der Mensch und die von ihm verübten Gewalttaten. Obwohl der Westen alles andere als ein Eden war, wurde er in der Erinnerung und in den Massenmedien alsbald glorifiziert. Besonders die Periode zwischen 1870 und 1890 ist der romantischen Verklärung anheimgefallen. Das liegt daran, daß in diesem Zeitraum eine Berufsgruppe die ganze Nation in einen Rausch der Bewunderung stürzte: die Cowboys. In einer Zeit, die schon die Urbanisierung kommen spürte, waren sie diejenigen, die noch »frei« und ungebunden waren, die sich mit den von der Natur heraufbeschworenen und nicht primär von Menschen provozierten Gefahren auseinandersetzen mußten. Neben der Pionierfolklore Amerikas, die Ge stalten wie Johnny Appleseed und Paul Bunyan hervorbrachte, entstand so die Cowboyfolklore, die die Tradition der »tall tales« der Pioniere fortführte. »Tall tales« sind schamlose Aufschneidereien und grenzenlose Übertreibungen zur Heroisierung von Individuen, kräftiger Ausdruck der Mythenbildung. Besonders die Geschichten um Pecos Bill gehören zu den »tall tales«. Hier wird von einem Cowboy erzählt, der mit Wölfen aufgewachsen ist und der die Sprache der Natur versteht. Er kann praktisch alles. Eines Tages wettet er um einen Stetsonhut, er könne einen Zyklon reiten. Er macht sich auf nach Kansas, fängt sich einen Tornado mit dem Lasso, springt auf und schon jagt er auf dem Rücken des Wirbelwinds durch Oklahoma hinunter zum Panhandle. Als der Tornado erkennt, daß Bill sich von ihm nicht abwerfen läßt, regnet er einfach auf die Erde nieder. Da Pecos Bill nichts mehr hat, worauf er weiterreiten könnte, ist dies das einzige Mal, daß er von seinem Reituntersatz herunterfällt. Man sollte glau-
ben, solch ein Held der mündlichen Überlieferung sollte auch in Comics gewürdigt werden. In Europa ja, in Amerika, abgesehen von der Disneyversion, im großen und ganzen nein. Der Westerner wurde glorifiziert, weil man so den Indianermord geschickt totschweigen oder gar legitimieren konnte. Owen Wister bezeichnet in »The Virginian« (1902) den Cowboy als die letzte romantische Gestalt auf dem Boden Amerikas: »He will be here among us always, invisible, waiting his chance to live and play as he would like. His wild kind has been among us always, since the beginning: a young man with his temptations, a hero without wings.« Dieser Held ist ritterlich und moralisch rein. Frauen sind für ihn schutzwürdig, er kommt von irgendwoher und reitet irgendwohin. Der Westerner spricht nicht viel, doch was er sagt, trifft präzise den Kern der Sache. Ihm ist eine besondere Art des Humors eigen, die in so bekannten Sätzen wie »When you call me that, SMILE!« Ausdruck findet. Den Westerner umgibt eine Aura der Reinheit und Kraft, die weit entfernt ist von der Komplexität der Liebe, von Verwandtschaft oder Arbeit und Urlaub. Der Cowboy ist die Verkörperung eines Ideals, das alle Wünsche — nicht nur Heranwachsender — erfüllen kann. Oberstes Lebensprinzip ist die Ehre, verknüpft mit dem sozialdarwinistischen Ge setz des Stärkeren. Dieses verklärte Bild, das aus einer nur kurzen historischen Epoche hervorgegangen ist, wurde vom Film, von Groschenromanen, von Büchern, und schließlich auch von Rundfunk, Comics und Fernsehen geprägt.14 Der Western lebt aber nicht nur von der Gestalt des Helden, sondern auch und vor allem von der Landschaft, vom Gefühl der Weite, das er den Rezipienten vermittelt, die von dieser Weite und echter sozialer Mobilität nur noch träumen können. Deshalb ist der Wilde Westen auch lange Jahrzehnte eine Domäne und nicht versiegende Einnahmequelle Hollywoods gewesen. Aber auch andere Medien profitierten von diesen Gefühlen. Anders als in den Comic Books gab es in den Zeitungsstrips nicht übermäßig viele Western. Doch die, die es gab, zeich-
neten sich meist dadurch aus, daß sie ihre Story mit großem Elan erzählten. Fred Harmans Bronc Peeler und Red Ryder zählen zu den frühen Westernern, die lassoschwingend durch die Comic Strips ritten. Die Erfolge von Film- und Rundfunkserien verhalfen einigen anderen Gestalten zu zusätzlichem Ruhm in den Comics. Tom Mix, Hopalong Cassidy, Roy Rogers, Gene Autry und Cisco Kid waren in allen Medien zu Hause. Obwohl der melodiöse Gesang von Gene Autry 15 und Roy Rogers den Comicslesern versagt blieb, hatten diese singenden Cowboys doch lange Jahre Erfolge in den von Dell verlegten Heften, die in alle Welt exportiert wurden. Einen der dauerhaftesten Erfolge hat der von George W. Trendle für den Rundfunk erfundene Held The Lone Ranger, der von 1933 bis 1954 zu den Klängen der WilhelmTell-Ouvertüre dreimal wöchentlich über die Rundfunkprärien ritt und sein markiges »Hi-yo Silver, away!« in den Äther schmetterte.15 Ab 1938 trat der Lone Ranger auch im Comic Strip auf. Bald darauf hielt er in Big Little Books und Comic Books Einzug. Die Legende vom Lone Ranger gehört inzwischen zum Ge meingut Amerikas. Deshalb gibt es dort auch für Snobs die Definition, daß sich jeder zu dieser Kategorie Mensch rechnen dürfe, der bei den Klängen der Wilhelm-Tell-Ouvertüre nicht sofort an den Lone Ranger denke. Aber weshalb ein Einsamer Ranger? Nun, sechs Ranger ritten in Bryant's Gap in den Hinterhalt, den ihnen die Butch Cavendish Gang gestellt hatte. Unter diesen sechs Rangern waren zwei Brüder. Einer von ihnen überlebte dank der Hilfe des Indianers Tonto das Massaker. Von Tonto wird er »Kemo Sabay«, treuer Freund, genannt, weil er diesem als Junge einmal das Leben gerettet hatte. Während der Verwundete noch fiebert, begräbt Tonto die fünf toten Ranger und macht ein sechstes »Grab«, damit die Banditen glauben, sie hätten die Patrouille ausgelöscht. Der Gerettete ist nun der Lone Ranger. Er beschließt, seinen Namen für immer zu begraben und sein Gesicht vor der Welt zu verstecken, auf daß er unerkannt die Mörder seines Bruders dem Gesetz übergeben kann. Und er bleibt dem Kampf
The Lone Ranger von Zeichner Charles Flanders und Autor Paul S. Newman. Seit dem ersten Rundfunkauftritt im Jahr 1933 ist der Lone Ranger in allen Medien im steten Einsatz gegen die Übeltäter des Wilden Westens. Wenn er über die Prärie sprengt, »hört« jeder die Wilhelm-Tell-Ouvertüre. © 1970 King Features/Bulls
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gegen alles Unrecht treu. Als »Trademark« benützt er Kugeln, die er aus dem Silber einer hinter einem Blockhaus verborgenen Mine fertigt, die einst sein Bruder und er absteckten. Die Silberkugeln haben natürlich einen tieferen Sinn. Wie Vampire und Werwölfe mit Silber getötet werden können, so wird mit diesen Silbergeschossen symbolisch das Böse ein für allemal besiegt. Den Kampf gegen Unrecht führt der Lone Ranger (der in Deutschland zu verschiedenen Zeiten unter den Titeln Der Einsame Reiter, Der Einsame Ranger, Der maskierte Ranger und Präriewolf erschienen ist) von seinem weißen Pferd aus, das analog zu seiner Munition Silver heißt. Das Pferd könnte nun aus dem einfachen Grund weiß sein, um jedermann noch deutlicher zu machen, daß sein Reiter der »good guy« ist, der die Tradition des edlen Ritters in strahlender Rüstung fortsetzt. Doch auch hier ist ein Teil der modernen Legende in den am Lagerfeuer ausgetauschten Erzählungen verwurzelt. Auf allen Prärien gab es besonders schöne Pferde, aber das begehrenswerteste war der Weiße Hengst, von dem es hieß, er überträfe alle anderen an Schnelligkeit und Ausdauer. In Washington Irvings »A Tour on the Prairies« werden 1832 diese Erzählungen erstmals erwähnt. So gesehen erweist sich der Lone Ranger nicht nur als »good guy«: Mit der Unterwerfung des seltensten, edelsten und stärksten Tieres beweist er die Allmacht des Guten und wird somit selbst zum Mythos. Er sorgt für Recht und Gerechtigkeit, ohne dabei je zu töten, denn »wenn der Lone Ranger schoß, dann schoß er, um zu entwaffnen oder zu verwunden, aber niemals um zu töten.« 16 Besonders eindrucksvoll waren die Abenteuer von Cisco Kid, die der Argentinier Jose Luis Saunas aufzeichnete. Cisco Kid ist aber wie der Lone Ranger keine Erfindung der Comic Strips. Er ist ein Sproß des Novellisten O. Henry. Auch diese Figur tauchte in allen Medien auf. 1958 kam mit Rick O'Shay in Amerika der bisher letzte Westernbeitrag in die Zeitungen. Spätere Comicstrip-Serien wie Tumbleweeds und Redeye sind reine Humorstrips, die das Westerngenre auf den Arm nehmen. Rick O'Shay ist in gewisser Hinsicht ein Zwischending. Sonntags bietet die Serie jeweils einen in sich abgeschlossenen Gag, werktags werden Abenteuer in Fortsetzung erzählt. Rick O'Shay wird von Stan Lynde in einem realistisch vereinfachten Stil gezeichnet. Es scheint angebracht, die Serie eher beim Western als beim Humorwestern einzuordnen, vor allem, wenn man auch die Verwandtschaft dieser Serie mit den »morality plays« des Mittelalters bedenkt. Die Namen der Akteure Rick O'Shay, Hipshot Percussion, Quyat Burp, Sudden De Mise sind nicht bloß Wortspiele. Sie kennzeichnen den Charakter der handelnden Personen und geben so dem Leser von vornherein wie beim Mysterienspiel ein Figurenarsenal an die Hand, mit dem er bestimmte Erwartungen verknüpfen kann. Film und Fernsehen haben für ihre Western bekannte Verhaltensmuster, die gesellschaftliche Vorgänge exemplarisch verkürzen. Die
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Billy the Kid von John Severin. Da man den wirklichen Billy the Kid schlecht als Titelhelden verwenden konnte, erfand man einen guten Vetter, der seine phänomenalen Schießkünste gegen das Banditenunwesen einsetzt. Wie es sich gehört, treffen die Comics Code Colts unblutig immer das gewünschte Ziel. Aus: Billy the Kid, Nr. 22. © 1960 Charlton Comics Group
reinste Form der Reduktion einer Abenteuerhandlung auf das Schema eines »morality plays« findet sich in diesem Western, der die Virtuen des alten Westens und seinen paradiesischen Aspekt betont. Häufiger als in den Zeitungen konnte man Westernabenteuer lange Zeit in den Comic Books finden. All die bekannten Film- und Fernsehhelden und Serien gaben sich hier ein Stelldichein. Unter ihnen waren Hopalong Cassidy, Tom Mix, Rocky Lane, Lash La Rue, Gene Autry, Roy Rogers und später Cbeyenne, Maverick, Wanted: Dead or Alive, Gunsmoke-, Shotgun Slade, The Rifleman, Wagon Train, Rawhide, The Lone Ranger, The Cisco Kid, Bonanza, Laramie, Wild Wild West und viele andere. Auch zu Western.gab es wie zu anderen Spielfilmen Comicsversionen, von denen nur einige wie Rio Bravo, Last Train from Gun Hill, MC Lintock and How the West Was Won erwähnt werden sollen. Daneben machten schier Hunderte von eigens erfundenen oder der Historie nachempfundenen Comicbook-Helden den Westen sicher, manchmal auch unsicher wie Jesse James. Hier fanden sich neben den bekannten Helden wie Buffalo Bill, Kit Carson, Wild Bill Hickok und Davy Crockett so neuartige wie The Trigger Twins, Johnny Thunder, Nighthawk, The Masked Raider, Maverick Marshal, Tim Holt, Tony Barrett, The Black Rider, The Ghost Rider und die lange Reihe der verschiedenen Kids: Cheyenne Kid, Durango Kid, Kid Colt Outlaw, Kid Montana, Kid Sloane, Outlaw Kid, zwei verschiedene Rawhide Kids und Two-Gun Kids, Ringo Kid und Wyoming Kid. Dazu kam noch Billy the Kid. Unter dem Comics Code wäre es aber sicher undenkbar gewesen, aus Billy the Kid einen Helden zu machen, deshalb ist dieser Billy auch nur ein Cousin des richtigen Billy, dessen Karriere erst beginnt, als Pat Garrett den historisch verbürgten Billy bereits erschossen hat. Der zweite »Billy the Kid« ist ebenso edel wie der Großteil der anderen Westernhelden. An der Häufung der Kids zeigt sich vielleicht, daß diese Art der Westerncomics das Primat der Jugend betonen und hier Identifikationsgestalten für jugendliche Leser anbieten. Unter den Kids ist Rawhide Kid bemerkenswert, weil dieser Held ständig auf der Flucht ist, sein muß, obwohl er immer hilfsbereit ist und sich nach Ruhe und Frieden sehnt. Aber man wird vermutlich zum Antihelden, wenn man sich in einem Western schwarz kleidet, obwohl man der gute Held ist. Unter einigen Zeichnern wie Jack Davis geriet Rawhide Kid in die Nähe einer Westernparodie. In jedem Fall aber verlaufen diese Geschichten nach den strengen Regeln der »morality plays«. Der Höhepunkt, die Konfrontation von Gut und Böse, findet im Showdown statt.
Gun Law von Harry Bishop. Wilde Schießerei auf den Straßen von Dodge City. Marshal Matt Dillon muß, wie in Rundfunk und Fernsehen, seinen Anteil an Verletzungen einstecken. Als Comic Strip gibt es die amerikanische Erfolgsserie »Gunsmoke« nur in England © 1968 Daily Express/Bulls
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Was im Film undenkbar war, ging in den Comic Books ohne weiteres: Indianer waren die Hauptpersonen mancher Serien wie Strong Bow, Straight Arrow, Lone Eagle oder Indian Chief. Selbst Lone Rangers Gefährte Tonto konnte in einem eigenen Heft Soloabenteuer bestehen. Aber das war auch dem Pferd Silver möglich. In eine ähnliche Abenteuerrichtung wie der Western schlagen jene Serien, die sich mit der Royal Canadian Mounted Police auseinandersetzen wie King of the Royal Mounted (nach Zane Grey) und Sergeant Preston of the Yukon. (Natürlich bekamen beide immer ihren Mann.) Auch Versuche eines mo dernen Western liegen mit Vigilante und einigen Geschichten von Pow-Wow Smith vor. In den letzten Jahren hat nicht nur der Italowestern dem Hollywoodwestern gelegentlich den Rang abgelaufen. Auch bei den Comics ist man in Europa im Gefolge der allmählichen Neuentdeckung und Wertschätzung amerikanischer Westernfilme auf den Geschmack gekommen. Manche Serien wie Gun Law (nach der amerikanischen Fernsehserie »Gunsmoke«) erschienen zwar schon seit über zehn Jahren in England, und auch in Comic Books konnte man den Abenteuern von Westernhelden folgen, aber einige der besten Serien wie Fort Navajo (Frankreich), Jerry Spring, Ray Ringo und Comanche (Belgien) sind erst in den letzten Jahren auf den Markt gekommen. Sie bieten wegen ihres Fortsetzungscharakters — sie erschienen in Comicszeitschriften und einige Zeit später in Buchform — häufig eine epischere
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Breite als die abgeschlossenen Comicbook-Geschichten der USA. Meist vertreten sie einen fast fanatischen Realismus im historisch bedingten Detail. Sie wirken deshalb manchmal überladen. Nicht selten sind die Maskenträger unter den Westernhelden. Der Lone Ranger machte da nur den Anfang. Outlaw Kid, Durango Kid, Tim Holt (als Redmask of the Rio Grande), Calico Kid, the Ghost Rider, the Black Rider, the Masked Raider, Nighthawk, ein Two-Gun Kid und andere arbeiteten mit Maske oder Verkleidung und mit einer doppelten Identität. Durango Kid erklärt, weshalb sie die Maske tragen: »Gesetzeshüter sind unmaskiert und benachteiligt. Bei mir sind die Banditen nicht im Vorteil, weil auch ich maskiert bin . . . und mich keiner kennt! Ich kann Dinge tun, die ein normaler Gesetzeshüter nicht tun kann.« 17 Diese Erklärung stellt Westernhelden, die ein Doppelleben führen, in eine Gruppe mit den Superhelden. Unheimliche Akkuratesse und Schnelligkeit sind die Hypertrophien dieser Schießkünstler. Wie die Superhelden müssen sie, solange sie der Gefahr ausgesetzt sind, den Gedanken an eine Hochzeit weit von sich weisen. Aber wenn man einigen Autoren glauben darf, haben die Westerner in ihrem Ersatzpenis, dem Colt, Befriedigung genug.18 Genaues aber weiß man nicht. Bis zum nächsten Heft vergeht meist ein Monat oder mehr. Das ist eine lange Zeit; da kann auch der willensstärkste Asket einmal schwach werden. Oder? Oder etwa nicht?
In den Western Comics wurden nicht nur die historisch verbürgten Gestalten glorifiziert. Vielerlei Lone Ranger-Kopien ritten über die P rärie, doch am häufigsten waren die phantastisch schießenden Kids. © 1954 Chariten Comics Group (links), © 1958 Charlton Comics Group (Mitte), © 1960 Marvel Comics Group (rechts)
Rawhide Kid (Rauhfell Kid) ist einer der besten und langlebigsten unter den zahllosen Kids. Besonders Anfang der sechziger Jahre geriet diese Serie vom Team Stan Lee, Jack Kirby und Dick Ayers des öfteren zur köstlichen Westernparodie. © 1962, 1968 Marvel Comics Group/Bildschriftenverlag GmbH
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The Silver Surfer, der Superheld mit messianischen Zügen, in Asgard. Aus: Silver Surfer, Nr. 4, Zeichner: John Buscema und Joe Sinnott. © 1968 Marvel Comics Group
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Clark decided he must turn bis titanic strength into channels that would benefit mankind. And so was created — — — SUPERMAN champion of the oppressed, the physical marvel who had sworn to devote bis existence to helping those in need! SUPERMAN COMICS
Aber wir müssen (Feinde) haben — unsere patriotische Begeisterung ist so groß, daß wir sie gegen irgend jemand betätigen müssen. GUSTAVE DORE » L'HISTOIRE DE LA SAINTE RUSSIE«
IV Superhelden Moderne Mythen Superman — der Mann aus Stahl, der Helfer der Schwachen und Unterdrückten, der Stärkste aller Männer, schier unbesiegbar, blendend aussehend, edel und sanftmütig, kurz — allen seinen Mitmenschen turmhoch überlegen. Er ist der ultimative Held, Inbegriff der Wunschträume seiner jugendlichen Leser. Und er hat viele Mitstreiter. Superman führt eine so unglaublich große Zahl von Helden mit übermenschlichen Fähigkeiten an, daß sie, wie Jules Feiffer meint, eigentlich zusammen mit den noch zahlreicheren Superbösewichten wie die Heuschrecken den Himmel verdunkeln müßten. Sie alle erleben ununterbrochen Abenteuer zum Teil kosmischen Ausmaßes. Unzählige Male retteten und retten sie die Erde vor der Vernichtung, ja ganze Galaxen vor der Unterjochung, Amerika vor der Entdemokratisierung. Als die Superpolizisten, die sie sind, gehen sie auf Patrouille, aber sie suchen nicht direkt das Abenteuer, den Kampf, wie die alten Rekken um Dietrich von Bern. Das Böse läßt sie nie zur Ruhe kommen. Pausenlos müssen sie ihre Superfähigkeiten unter Beweis stellen, denn das ist ihre raison d'etre: der immerwährende Kampf, in den sie so selbstverständlich hineingehen, wie der Normalbürger in sein Büro. Das Konzept des Superhelden, das in Gestalt Supermans 1938 erstmals verwirklicht wurde, war neu auf dem Comicsmarkt. Tarzan, The Phantom, Flash Gordon oder Buck Rogers, die schon vor diesem Zeitpunkt in den Comics agierten, waren natürlich auch ihren Mitmenschen weit überlegen, genauso wie etwa The Shadow, Nick Carter, Doc Savage oder Sherlock Holmes, die bereits seit Dekaden in den Millionenauflagen der Groschenromane die Bösewichte zur Strecke brachten.
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Aber Superman & Co. stellten für die noch jungen Comic Books eine neue Spezies von Helden dar, göttergleich in ihren Fähigkeiten. Eine Spezies, die sich von der alten vor allem durch die Gewandung unterschied. Die neuen Helden trugen ein farbenfrohes Trikot, mit oder ohne Maske und Cape, als eine Art Markenzeichen wie einst Herakles seine Löwenhaut. Uralt ist der Stoff, aus dem Superman und seine Mitstreiter geschaffen wurden. Achill, der strahlende Pelide, und Siegfried der Hörnerne standen bei Superman Pate, alle drei unverwundbar bis auf Achillesferse, Lindenblattstelle und Anfälligkeit gegen Kryptonit. Diese neuen »characters« der Comics, wie man die Superhelden in ihrer Gründerzeit nannte, wurden von ihren Verfassern in starker Anlehnung an die Gestalten der alten Mythen und Legenden »erfunden«. Joe Siegel beschrieb seinen Mann aus Stahl, »the world's greatest adventure strip character«, als »a character like Samson, Hercules and all the strong men I ever heard tell of rolled into one«.1 (Am Anfang war Superman noch nicht so maßlos hypertrophiert wie später.) Nicht nur für Superman lassen sich bei den Abkömmlingen der alten Sagen- und Märchengestalten so direkte Vorbilder finden. Der erste Flash ist als Reinkarnation des Merkur schon vom Kostüm her besonders auffällig, der moderne Ikaros Hawkman ist eine Wiedergeburt des ägyptischen Prinzen Knufu (der spätere zweite Hawkman kommt vom Planeten Thanagar). The Green Arrow (nach Edgar Wallaces »Der grüne Bogenschütze«) entspricht nicht nur vom Kostüm und Können her Robin Hood, Hawkeye ist ein mo derner Philoktet. An Aladin und seine Lampe dachte Bill Finger, als er The Green Lantern konzipierte. (Zuerst wollte er Green Lantern in seiner »secret identity« sogar Alan Ladd
Die Geschichte der Superhelden
The Amazing Spider -Man von Stan Lee. Von der Unzahl der Superhelden im »Golden Age of Comics« haben sich nur die Recken von Marvel und DC auf die Dauer behaupten können. Während aber früher fast jeder Held die Existenz der anderen leugnete, sind seit Beginn der Marvel -Ära solche Zwischenfälle möglich. Aus: The Amazing Spider -Man, Special Nr. l, Zeichner: Steve Ditko. © 1964 Marvel Comics Group
nennen!) Und Bill Everett, der Schöpfer Namors (»Roman« von hinten gelesen), des gewaltigen Submariners, ließ sich von einigen Zeilen aus »The Ancient Mariner« von S. T. Coleridge inspirieren. Die meisten der Superhelden beziehen so ihre besonderen Fähigkeiten aus den traditionellen Denkschemata der alten Mythen, verwandeln diese aber derart, daß sie schon wieder als ursprünglich, das heißt, neuartig im modernen Sinn anzusehen sind. Aber als Nachfolger und Reinkarnationen der antiken Heroen verkörpern alle Superhelden den auch heute noch vorhandenen Wunschgedanken nach dem Paraklet, dem Helfer, der göttergleich (als Schutzengel) den Sterblichen wunderbare Rettung bringt. Für die Marvel Comics streiten als besondere Spezialität die nordischen Götter höchstpersönlich, wobei Olympier wie Herakles gerne Gastspiele geben. Die edle Sif bevorzugt nun schwarzes Haar, Thor ist erblondet, bartlos und nicht mehr so grobschlächtig wie einst. Dafür ist er jetzt aber Superheld und Gott zugleich. Diese und all die anderen kleinen Inkonsequenzen sind verzeihbar, schützen doch die kommerzialisierten Götter und Heroen Midgard und das Universum auch heute noch vor dem Bösen. Stan Lee und Jack Kirby verstanden es, Thor und die »Tales of Asgard« so hervorragend neu aufzubereiten, daß die amerikanischen MarvelLeser heute mit Begriffen wie Ragnarök, Yggdrasil oder Bifröst besser umzugehen verstehen als die direkten Nachkommen der alten Germanen. Wen wundert es, daß man die Abenteuer der Superhelden als moderne Epen und Mythen bezeichnet und Marvels Stan (the Man) Lee, den großen Barden dieser Heldenlieder, als modernen Aesop und Homer des Pop-Zeitalters feiert.
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Die ersten Superhelden, die Protagonisten dieser modernen Epen, konnten nach Jahrtausenden der Vorbereitung des Publikums durch Göttersagen gegen Ende der dreißiger Jahre auf eine nichtsahnende Menschheit losgelassen werden. Eine erste Vorahnung dessen, was nun kommen sollte, gab schon ab 17. Februar 1936 The Phantom von Lee Falk, eine Mischung aus Sagengestalt und Superheld. Obwohl nicht mit überirdischen Kräften ausgestattet, scheint das Phantom unsterblich, da unter der Maske des Nothelfers die individuellen Züge der Persönlichkeit verschwinden. Dem Schwur des ersten Phantom folgend, hielten die gleichnamigen Nachfahren 4 Jahrhunderte hindurch die Tradition aufrecht und erweckten so den Anschein, als wäre der Gerechte nicht umzubringen. Die Entrücktheit von allen Realitäten äußert sich nicht nur im legendenfördernden Gebaren der Hauptperson, sondern auch in der Lokalisierung der Handlung auf einer großen Insel namens Bengali, vor der Ostküste Afrikas. Das Phantom herrscht in den »tiefen Wäldern« von der Totenkopfhöhle aus, wo sein Totenkopfthron steht. Diese Höhle der Erinnerung bietet schon eine erste Vorahnung der Höhlen und Verstecke der Superhelden, in denen sie Andenken und Trophäen sammeln, wie etwa Superman in seiner Festung der Einsamkeit (»Fortress of Solitude«) oder Batman in der Bathöhle. Der Traum vom Superhelden nähert sich seiner Verwirklichung: Lee Falk erfindet 1936 das Phantom, den Wandelnden Geist, den Vorläufer der Superhelden. Aus: The Phantom, Nr. 33. © 1969 King Features Syndicate, Inc./Charlton Comics Group
Schier überwältigend ist der Anblick, den Asgard einfachen Bewohnern Midgards auf den Seiten der Marvel-Hefte bietet. Für die Saga um den Gott und Superhelden Thor schöpfte Barde Stan Lee aus der nordischen Mythologie ein modernes Epos. Jack Kirby setzte das kosmische Schauspiel in Szene. Aus: Hit Comics, Nr. 34. © 1966 Marvel Comics Group Bildschriftenverlag GmbH
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Auch das Doppelleben der Superhelden ist beim Phantom vorweggenommen, wenngleich auf ungewöhnliche Weise: Das Phantom entäußert sich erst seiner individuellen Persönlichkeit, um zum Helden zu werden, der dann seinerseits zusätzlich die Rolle des Mr. Walker annimmt, was für »die Ghost Who Walks« (der wandelnde Geist) steht. Diese Rolle ist am ehesten mit Supermans zweitem Ich, dem Reporter Clark Kent, zu vergleichen, der Rolle, die Superman seiner Umwelt gegenüber spielt. Jerry Siegel und Joe Shuster, Supermans geistige Väter, ermöglichten den ersten Auftritt ihres Helden in Action Comics vom Juni 1938, nachdem sie zuvor fünf Jahre lang vergeblich versucht hatten, ihre Idee einem Verleger zu verkaufen. »Zu fantastisch« oder »nicht verkaufsträchtig« hieß es wieder und wieder. Die Redakteure erkannten nicht, was für Möglichkeiten in dieser Serie steckten. Doch dann war die Zeit reif für Superman, der sich als Super-Verkaufsschlager erwies: Die Auflage der Action Comics verdoppelte sich, Superman bekam eine eigene Zeitschrift. Und ab 1939 flog er auch auf den Comics-Seiten der Tageszeitungen. Amerikanische Soldaten kämpften im zweiten Weltkrieg mit Superman im Tornister. Er war ein Symbol der Hoffnung und des Siegeswillens geworden. Den Soldaten bot er fast einen Ersatz konventioneller Religion, zum großen Entsetzen der Militärgeistlichen. Der zweite Weltkrieg war der wahre Vater der Superhelden. Denn erst als sich die Achsenmächte als Gegner für Superman & Co. anboten, konnten sie so richtig loslegen. 1941 fing der patriotische Kampf der nun zu charismatischen Führerfiguren gewandelten Helden an. Die rein chauvinistische Aussage wurde ergänzt durch Aufrufe zum Kauf von Kriegsanleihen. Die Tragödie des Planeten Krypton sollte auch für die Erde von schicksalhafter Bedeutung sein, denn der kleine Kal -El wurde auf der Erde zum ersten und mächtigsten der Superhelden, zum Superman, dem Mann aus Stahl. Aus: (dts) Superman, Nr. 1. © 1966 National Periodical Publications, Inc./Ehapa Verlag Stuttgart
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Die Gegner waren nun geifernde Nazibestien und Bansaischreiende »Nips«. In ihnen hatten die Superhelden echte Feinde, die einen richtigen Superkampf erst ermöglichten, da das Konzept des Superschurken noch nicht voll entwickelt war. Superman war bis dahin meist nur bei Naturkatastrophen im Einsatz. Nun, im Kampf gegen feindliche Schlachtschiffe und U-Boote, konnten seine Fähigkeiten voll zur Entfaltung kommen (»... twisting submarines into pretzels ...«). Eigentlich läßt Superman neben sich keinen anderen Superhelden mehr zu, denn er besitzt nahezu alle Fähigkeiten, die man sich für Superhelden nur vorstellen kann: Er ist unverwundbar, superstark, superschnell (er ist schneller als das Licht und kann deshalb auch durch die Zeit reisen). Er hat Röntgen-, Hitze-, Mikroskopblick usw. Eine verborgene Schwäche zeigt er allein gegenüber Kryptonit der verschiedensten Farben, einer Art »radioaktiven« Gesteins, das beider Explosion von Supermans Heimatplaneten Krypton entstanden ist. Grünes Kryptonit kann Superman schwächen, ja sogar töten (!). Für Normalbürger ist es unschädlich. Rotes Kryptonit, in den 50ern erfunden, um ein neues Geschichtenpotential zu erschließen, hat stets neue, ungeahnte und unvorhersehbare Wirkungen auf Superman und andere Lebewesen vom Planeten Krypton. Es ändert Supermans Fähigkeiten, verwandelt ihn physisch oder psychisch. So kann es ihn zum Gedankenlesen befähigen, ihm einen Löwenkopf statt des eigenen geben, ihn unsichtbar machen oder seine Kräfte auf andere übertragen. Die magische Wirkung des roten Kryptonits wie auch die Magie selbst vermag den edlen Recken - zumindest für eine gewisse Zeit - zu bezwingen. Meist aber erkennt er rechtzeitig, daß ihm zum Beispiel Mr. Mxyzptlk2 einen magischen Streich gespielt hat. Durch eine List dazu verleitet, seinen Namen rückwärts zu sagen, verschwindet der Superman-Verächter wieder für neunzig Tage in der fünften Dimension. Magie war auch bei einem der erfolgreichsten Konkurrenten Supermans um die Gunst der Leser im Spiel, bei Captain Marvel, der sich mit der aus den Anfangsbuchstaben antiker Götter und Halbgötter zusammengesetzten Formel »Shazam« 3 unter Blitzen und Donnern vom jugendlichen Rundfunkreporter Billy Batson in den kraftstrotzenden Captain Marvel verwandelte. Da konnte Superman nur halb verächtlich, halb erzürnt fragen: »Shazam? Was ist Shazam?« Und dann brach sein Verleger DC-National Comics einen der wenigen Plagiatsprozesse der Comicsgeschichte vom Zaun. Supermans Alleinvertretungsanspruch für allumfassende Superkräfte zwang Captain Marvel dazu, sein mit goldenen Tressen verziertes weißes Cape an den Nagel zu hängen. Es wurde argumentiert, er sei vom Typ her eine Superman-Imitation der Firma Fawcett und deshalb müsse man seinen Abenteuern die Druckerlaubnis entziehen. Man hielt Captain Marvel nicht zugute, daß er sich in wesentlichen Details von Superman unterschied, und daß er — wenn schon von Su perman inspiriert — doch eher dessen Karikatur war, da er in
Rotes Kryptonit bewirkte bei Superman immer neue, unvorhersehbare Mutationen. Hier erzählt er von einigen besonders extremen Fällen aus seiner Zeit als Superboy. Aus: Superman und Batman, Nr. 15. © 1938, 1939, 1967 National Periodical Publications, Inc./Ehapa Verlag Stuttgart
einem erfrischend originellen Stil gezeichnet war und anthropomorphe Tiere zu den regelmäßigen Mitwirkenden seiner Abenteuer gehörten. Jules Feiffer meint sogar, er sehe nicht einmal aus wie Superman, sondern wie Fred MacMurray. Im Verlag Supermans erschien schon vor den Action Comics seit März 1937 Detective Comics, eine Serie, die es inzwischen auf über 400 Hefte gebracht hat. Im Mai 1939 schlug in Heft 27 dieser Heftreihe die Geburtsstunde von Batman, der am anderen Ende des Spektrums der Superhelden steht. Im Ge gensatz zum schier allmächtigen Superman ist er, wie das Phantom, ein »normaler« Mensch, der sich nach der Vorstellung seiner Erfinder Bob Kane und Bill Finger so lange trainiert und mit Hilfsmitteln ausstattet, bis es ihm möglich ist, einen Kampf gegen das Verbrechen zu führen. Wie viele seiner Nachfolger ist er finanziell unabhängig und kann als Playboy Bruce Wayne bei gesellschaftlichen Anlässen auftauchen, die offenbar immer Verbrecher anziehen. Um 1960 galt Batman schon als halbtoter Held, bis er durch eine Fernsehserie neues Leben und neuen Schwung bekam. Die eingefleischten Batman-Fans billigten diese verpopte Batman-Version nicht. Aber mit dem Ende der Fernsehserie, die sich umsatzfördernd ausgewirkt hatte, beruhigten sich die Ge müter, denn Batman kehrte anläßlich seines dreißigsten Ge burtstages zu seiner Tätigkeit als Detektiv mit dem Flair des Unheimlichen zurück. Schließlich versiegelte er im Dezember 1969 zeitweilig sogar die Bat-Höhle und schickte den seit seinem ersten Auftritt im Jahr 1940 um knapp vier Jahre gealterten jugendlichen Gehilfen Dick (Robin) Grayson aufs College. Nach ihrem erfolgreichen Debüt erhielten Superman und Batman eigene, nach ihnen benannte Zeitschriften, und blieben daneben aber den Heften ihres Erstauftritts treu. Superman war so erfolgreich, daß man sich nachträglich auch seine Ju-
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Captain Marvel bestand sein erstes Abenteuer in Whiz Comics, Nr. l, bevor er, Captain Marvel Jr., und The Marvel Family eigene Hefte bekamen. Die mächtige Konkurrenz neidete ihm den Erfolg seiner erfrischend-naiven Geschichten, und so endete der Held des SHAZAM
tragisch
durch
Gerichtsbeschluß. Aus: Whiz Comics,
Nr. 110. © 1949. Fawcett Publications
gendabenteuer für die Zeitschriften Adventure Comics und Superboy ausdachte. Dies führte manchen oberflächlichen Betrachter zu der irrigen Annahme, Superman habe einen kleinen Bruder. Seit 1950 gesellten sich dazu noch Hefte um Supermans Freundin Lois Lane und seinen ursprünglich für die Rundfunkserie erfundenen Freund Jimmy Olsen. Superman und Batman taten sich eines Tages obendrein zusammen und erlebten in World's Finest Comics gemeinsame Abenteuer. Bei dieser Gelegenheit verrieten sie sich gegenseitig zufällig ihr Inkognito, das sie ansonsten vor aller Welt hüten (von einigen wenigen Ausnahmen wie Präsident Kennedy abgesehen). Außerdem erleben Superman, Batman und Wonder Woman noch gemeinsame Abenteuer mit der Justice League of America, einer Zusammenfassung der wichtigsten Helden von National Comics. Der Erfolg der ersten Superhelden lockte viele Nachahmer. Diese aber mußten sich spezialisieren. Jeder mußte sich nun seine eigene Hypertrophie, seinen eigenen Namen, seine besondere Verkleidung, seine spezielle Stadt suchen. Die Helden der National Comics leben im allgemeinen in Orten mit imaginären Namen, die aber alle ein und denselben Stadttypus verkörpern: Superman lebt in Metropolis (der Name ist von Fritz Langs Film inspiriert), Batman in Gotham City, Wonder Woman in Paradise Island und Themyscira, Flash, der Supersprinter, in Central City usw. Bei Marvel Comics ist man direkter: Die meisten Helden wohnen und agieren in New York City. Schon allein diese Tatsache trägt dazu bei, den Marvel-Helden einen realeren Rahmen zu geben. Viele auf Superman folgende Helden erlebten 1940 bis 1949 eine kurze Blüte, bevor die Leser wegen des Überangebots nach Ende des Krieges das Interesse an ihnen verloren. Das patriotische Feuer, an dem sich die Helden gewärmt hatten, brannte nur noch auf Sparflamme. 1958 bis 1962, vor dem eigentlichen Beginn der zweiten Comics-Blüte wurden manche Superhelden wieder ausgegraben und modernisiert oder neu »geschaffen«. In letzterem Fall konnten sie dann mit den alten Helden gemeinsam auftreten. Die lange Abwesenheit wurde zum Beispiel bei National Comics mit der Existenz verschiedener, fast gleicher Parallelwelten erklärt, die denselben Platz im Universum einnehmen, aber in verschiedenen Dimensionen zu finden sind. Zur Unterscheidung tragen sie die Bezeichnung Erde Eins, Erde Zwei bis Erde N, denn nach Einführung dieser vielfachen ähnlichen Welten hatte man wieder neue Möglichkeiten für zusätzliche thematische Variationen. Im übrigen ist dies eine der Voraussetzungen für in duplo auftretende Superhelden. Daß eine Firma der anderen zwecks Mehrprofit die Idee für den einen oder anderen Helden abschaut, läßt sich nicht immer konkret nachweisen. Allerdings sind doppelt oder mehrfach vorkommende, ähnlich hypertrophierte Helden gegenwärtig nicht mehr allzu häufig, da sich praktisch nur noch die Firmen Marvel und DC in den Superheldenmarkt teilen. Wenn Heroen wie der Schnelläufer Flash (DC-National), Lightning (Tower) und Quicksilver (Marvel) scheinbar glei-
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ehe Fähigkeiten haben, sind sie zumindest auf verschiedenen Wegen dazu gekommen: Flash erhielt seine Kräfte bei einer durch Blitzschlag erfolgten chemischen Reaktion, Lightning durch ein von zwei Wissenschaftlern erdachtes Gerät, und Quicksilver sind sie durch genetische Mutation gar angeboren. Andere neubelebte Helden erwiesen sich entweder als zählebig und nur zeitweilig untätig oder, wie Captain America, als zwanzig Jahre im arktischen Eis eingefroren. Da diese Comics-Serie tatsächlich auf Eis gelegen hatte, darf man mutmaßen, daß damit die Uberwinterungsmethode leicht ironisch ausgenützt wurde. Allerdings bleibt bei dieser Erklärung unberücksichtigt, daß Captain America auch zu Zeiten des kalten Krieges um 1955 fleißig seinen Schild um sich warf. Ein findiger Leser erklärte das damit, daß es sich beim Interims Captain um einen Bruder des Original-Captain handelte, auf den in einigen Geschichten ohnehin Anspielungen gemacht worden seien. Der Verlag überläßt es aber den Lesern, darüber zu entscheiden, wie Inkonsequenzen zu erklären sind, die sich aus der unterschiedlichen Comics- und Realzeit ergeben. Denn in den Comics wird wie in Shakespearedramen ein doppeltes Zeitmaß angewandt. Doch während in den Dramen Jahre zusammengefaßt werden, um die Handlung auf einen scheinbar kurzen Zeitraum zu verdichten, wird bei den Comics die Lebensperiode der Helden meist stark gedehnt, um beliebig viele Episoden hineinzwängen zu können. DC Comics Comicserien darunter Superman, Batman, Wonder Woman & Co. Comicserien darunter Flash, Green Lantern und anderen wurde zwar schon vor dem Comics-Boom der 60er Jahre neues Leben gegönnt, neue Ideen kamen aber erst 1962 ins Superheldengeschäft, als bei Marvel Comics Stan Lee mit den Fantastic Four und Spider-Man frischen Wind in die erlahmenden Superheldenepen wehen ließ. Die neue Phalanx von realitätsbezogeneren Superhelden wurde in den folgenden Jahren um Thor, Daredevil, Iron Man, Hulk, den Silver Surfer, den wiederbelebten Captain America, um Submariner und andere erweitert. Das neue »Marvel Age of Comics« war — zumindest für die Dauer der nächsten Dekade — angebrochen. Für den Shakespeare-Liebhaber Stan Lee, der im Privatleben Stanley Lieber heißt, erfüllen die Superheldengeschichten dieselbe Funktion, die Mythen, Legenden, Romanzen und Märchen für frühere Generationen hatten.
Die Modernisierung und Wiederbelebung früherer Comicshelden bedeutete bei DC oft auch deren Verdoppelung, wie hier im Fall des alten und des neuen Flash, sehr zur Verblüffung der Leser aus dem »Golden Age«. Aus: Blitzmann, Nr. 104. © 1970, 1961 National Periodical Publicatio ns, Inc./Bildschriftenverlag GmbH
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Die Origin-Tale von Batman. So wurde Bruce Wayne der »ganz normale, durchschnittliche Millionär, der in seiner zweiten Identität gegen das Verbrechen kämpft«. Aus: Superman, Batman und Wonder Woman, Nr. 18. © 1938, 1939, 1941, 1968 National Periodical Publications, Inc./ Ehapa Verlag Stuttgart
Die Marvel Comics, deren Helden typisch menschliche Schwächen haben, prägten einen humorigen, leicht ironischen Ton. Ihr Rezept ließ im Laufe der Jahre auch manchen kränkelnden Helden des größten Konkurrenten, National Periodical Publications, genesen und zusammen mit seinen unvermindert gesunden Helden aus den eingefahrenen Gleisen ausweichen. Dabei führt die Experimentierfreudigkeit, die den Boom der Sechziger ermöglichte, nun auch zu direkt an gesellschaftlichen Belangen orientierten Geschichten. Einige Helden legen sogar, zumindest für eine gewisse Zeit, ihre Uniform ab und sehen sich, wie Green Lantern und Green Arrow, auf der Suche nach der Wahrheit endlich mit der sozialen Wirklichkeit im Lande konfrontiert. Marvel — Eine neue Ära 1962 begann triumphal das neue »Marvel Age of Comics«, wie es von Marvel selbst in schlichter Bescheidenheit benannt wurde. Etwas nostalgisch denkt man heute schon wieder an die Zeit zurück, als Stan Lee und Jack Kirby praktisch allein das Beste produzierten, was damals auf den Markt kam. Marvel ist die Fortführung der Timely Comics Group, die im November 1939 mit dem Superheldengeschäft, dieser »squinky division of the comics business« begann. Als sich das Ge schäft Ende der 40er Jahre totgelaufen hatte, verlegte man sich auf Romances (Liebesgeschichten) und gemäßigten Horror. 1962 schließlich knüpfte Marvel dort wieder an, wo es als Timely vor dreizehn Jahren aufgehört hatte. Nur hatte jetzt Stan Lee die Leitung. Die Umbenennung erfolgte nach den im »Golden Age« so erfolgreichen Marvel Comics. Von Anfang an verdiente sich Marvel den selbstzugelegten Beinamen »House of Ideas«, denn vieles von dem, was auf den Markt geworfen wurde, war wirklich neu. Nicht nur die Helden waren taufrisch (Submariner, Captain America oder Ka-Zar wurden erst einige Jahre später wiederbelebt), auch die Art ihrer Darbietung war ungewöhnlich. Fortsetzungsgeschichten, die sich über mehrere Hefte erstreckten, ermöglichten es, den Charakteren eine bis dahin nicht gekannte Komplexität zu verschaffen. Die ersten der neuen Superhelden waren die Fantastic Four, auf deren Heft schon zu Beginn die Worte »The World's Greatest Comic Magazine« prangten. Durch kosmische Strahlung verwandelt sich der Wissenschaftler Reed Richards in den kautschukähnlichen, an Plastic Man und the Elongated Man erinnernden Mr. Fantastic. Benjamin Grimm wird beim selben kosmischen Zwischenfall zum orangefarbenen Erdkoloß The Thing, der wie Figuren aus Disney und Warner Bros. darunter Micky Maus, Donald Duck, Goofy, Pluto, Bugs Bunny, Daffy Duck, Schweinchen Dick und Elmer Fudd vier Finger an jeder Hand hat. Sue Storni wird zum Invisible Girl, ihr Bruder Johnny zum neuen Human Torch, der nun wirklich eine menschliche Fackel ist. Solchermaßen vom Schicksal mit Superkräften bedacht, bleiben sie als Gruppe zusammen und nennen sich The Fantastic Four.
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Jeder Marvel-Held ist auf seine Weise auch Antiheld. The Hulk, den ein Leser als »the true existential man« beschrieb, ist die reinste Dr. Jekyll (Dr. Bruce Banner) und Mr. Hyde (Hulk) Figur der Comics. Sein grüner Leib und sein scharfkantiges Gesicht gemahnen an Frankenstein. Und wie dieser ist The Hulk eine wahrhaft tragische Gestalt. Dr. Strange, der Meister der mystischen Künste, der durch die Zeichnungen Steve Ditkos und Gene Colans in allen Dimensionen der Phantasie beheimatet ist und fast psychedelisch anmutende Abenteuer durchlebt, erwarb seine Kräfte erst, nachdem er geläutert aus einer tiefen Depression hervorgegangen war, die ihn an den Rand des Verbrechens getrieben hatte. Daredevil ist ein blinder Rechtsanwalt, der gerade in seinem Blindsein eine neue Erfüllung findet, da er mit seinem durch Radioaktivität verursachten Radarsinn sozusagen mit den Ohren zu »sehen« vermag. Einen Helden gibt es, der sein Trikot in mühseliger Heimarbeit zusammenflickt und immer wieder versucht ist, es an den Nagel zu hängen. Marvels Spider-Man erlebt im Superdasein und im Privatleben Panne um Panne. Sein größter Kampf ist der gegen seine traumatischen Identitätskrisen und bis zur Paranoia gesteigerten Selbstzweifel. Da er aber trotz aller Widerwärtigkeiten und Reinfalle nicht aufgibt, wird er zum schier absurden Helden der Comics. Spider-Man wird in seiner »secret identity« als Peter Parker durch die Sorge um seine alte Tante May behindert, für die die kleinste Aufregung den Tod bedeuten kann. Erleidet an chronischem Geldmangel und verdient sich das Nötigste durch Fotos, die er mit einer automatischen Kamera von sich selbst beim Kampf schießt und dann an die Zeitung »Daily Bügle« für ein Butterbrot verkauft. Der Herausgeber dieser Zeitung, J. Jonah Jameson, hat, von Neid auf den Arachniden verzehrt, diesen von seinem ersten Auftreten an in Presse und Fernsehen als öffentliche Gefahr gebrandmarkt. So stehen Polizei und Bürgerschaft von New York gleichermaßen im Zweifel, ob Spider-Man nun Freund oder Feind der Gesellschaft ist. The Hulk ist der Superheld, der am nächsten mit Dr. Jekyll und Mr. Hyde verwandt ist. Aus: The Hulk, Nr. 6. © 1962, Marvel Comics Group
Action ist das bestimmende Element der Marvel-Titelbilder. Häufig werden die Geschichten durch Auftritte von Gaststars gewürzt. Von oben links nach unten rechts: Captain America, Nr. 112 © 1969 Marvel Comics Group The Amazing Spider-Man, Nr. 54 © 1965 Marvel Comics Group Daredevil, Nr. 16 © 1966 Marvel Comics Group Fantastic Four, Nr. 100 © 1970 Marvel Comics Group
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Spider-Man, der absurde Held der Comics: Eine traumafördernde Pause zwischen Identitätskrisen, Liebesleid und Superkämpfen. Aus: Hit Comics, Nr. 88. © 1969, 1968 Marvel Comics Group/ Bildschriftenverlag GmbH
Peter Parker könnte ein brillanter Wissenschaftler sein, wäre er nicht durch sein Superheldendasein so sehr gehandicapt. Wie schon auf der High School ist er auch im College ein Außenseiter des fröhlichen Studentenlebens. Da er unentwegt seine Vorlesungen versäumt, steht es mit seinen Noten nicht zum besten. Immer stellt sich sein Alter Ego Spider-Man zwischen ihn und die Freuden eines normalen amerikanischen jungen Mannes. Und natürlich ist auch sein Liebesleben eine einzige Qual. Durch diese pausenlose Frustration ist Spider-Man der wohl menschlichste aller Superhelden. Obwohl oder gerade weil diese Methode der Charakterzeichnung auch den Leser bis zur Weißglut frustriert, machte dieser »human touch« SpiderMan besonders auf dem Campus zum populärsten Helden Marvels. In ihren Leserbriefen fordern seine Anhänger, »the spidophiles«, ihrem Spidey endlich einmal ein Quentchen Glück zu gönnen. Aber man kann sicher sein, daß jeder noch so schwache Sonnenstrahl im Leben des »friendly neighborhood wallcrawlers« nur von kurzer Dauer sein wird. Der Held, bei dem Stan Lee am offensichtlichsten moralisiert, ist der Silver Surfer, wenn man einmal von den unzähligen Kurzwestern der Firma Marvel absieht, durch die der Duft von Moralin weht. Der Silver Surfer ist eine halbmessianische Gestalt. »Wir versuchen, das ohne Satire darzustellen«, sagt dazu Stan Lee. Der Silver Surfer hieß früher Norrin Radd und wohnte auf dem Planeten Zenn-La (!). Von Galactus, einem Super-Super-Wesen, das sich von der Energie ganzer Welten nährt, zum Herold auserkoren, verweigert er schließlich seinem Herrn den Befehl, als es diesen nach der Energie der Erde gelüstet. Daraufhin wird ihm ein Teil seiner Kräfte genommen, und er muß zur Strafe auf der Erde bleiben, eine Strafe, wie sie grausamer und unmenschlicher nicht
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sein könnte. Und so gleitet der Surfer auf seinem Wellenbrett, das seinen geistigen Befehlen gehorcht, durch die Lüfte und versucht, die Menschheit zu bessern, eine Aufgabe, an der er gelegentlich so verzweifelt, daß er am liebsten die Erde vernichten möchte. Am meisten verwundert ihn an den Menschen, daß sie die einzigen Bewohner des Alls sind, die im Namen der Gerechtigkeit töten.
Der Biß einer radioaktiven Spinne — und Presto! Ein neuer Superheld ist geboren. Aus: Hit Comics, Nr. 96. © 1969, 1968 Marvel Comics Group/Bildschriftenverlag GmbH
Die Frustration des Helden und seiner Leser. Statt wie Superman stets als strahlender Sieger die Arena zu verlassen, kann Spider-Man seiner Siege nie so richtig froh werden. Die üblichen Korrekturzeichen (oben: Änderung einer Sprechblase in eine Denkblase) wurden belassen. aus: The Amazing Spider-Man, Nr. 82. © 1970 Marvel Comics Group
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Das waren die guten alten Zeiten, als die Welt für Captain America und seinen jugendlichen Kampfgenossen Bucky noch in Ordnung war: Gut und Böse waren deutlich in Nazis (oder Commies) und Amerikaner getrennt. Es war eine Lust zu leben und zu kämpfen. Aus: Captain America, Nr. 104, Zeichner: Jack Kirby und Syd Shores. © 1968 Marvel Comics Group
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Zu schnell hatten sich die Zeiten für Captain America geändert. Fortan wurde Cap gerne wegen seiner selbstzweiflerischen Monologe als Marvels Hamlet apostrophiert. Die Bildfolge imitiert eine Kamerafahrt. Aus: Captain America, Nr. 122, Zeichner: Gene Colan und Joe Sinnott. © 1969 Marvel Comics Group
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Der umstrittenste aller Marvel-Helden ist Captain America, der Superpatriot und inkarnierte Geist der USA. Als wandelndes Sternenbanner verkörpert er in reiner Form die amerikanische Ideologie und das systemperpetuierende Prinzip aller Superhelden. Captain Americas erste Aktion bestand darin, auf der Titelseite seines ersten Heftes im März 1941 Hitler höchstpersönlich einen krachenden Schlag ins Gesicht zu versetzen. Und so kämpfte er bis 1949 mit seinem kleinen Kampfgenossen Bucky an der Seite unermüdlich gegen Nazis und Japaner. Um so erstaunlicher ist es, daß gerade der glühendste Verteidiger »amerikanischer Demokratie« und vorderste Kämp fer gegen die Nazis deren Konzept des gezüchteten Übermenschen verwirklicht: Der schwächliche Steve Rogers, trotz vaterländischer Begeisterung zum Militärdienst untauglich, wurde von Professor Reinstein (!) in einem wissenschaftlichen Experiment zum Übermenschen verwandelt, zum ersten einer geplanten Serie von Superagenten. Doch der Professor wurde unmittelbar darauf von Nazi-Agenten getötet und nahm die Formel mit ins Grab. So blieb Captain America der einzige Super-Amerikaner. In der McCarthy-Ära wurde »Cap«, wie man ihn liebevoll nannte, eine kurze Belebung als »Commie Smasher« zuteil, aber erst 1964 wurde er endgültig als »Living Legend of World War II« wieder zu neuem Leben erweckt. Als sich das Image Amerikas und das Selbstverständnis seiner Gesellschaft Ende der 60er Jahre stark zu ändern begann, wurde natürlich auch die Rolle des amerikanischsten aller Superhelden fragwürdig. Captain America und seine Verfasser sind sich seines Anachronismus voll bewußt. Von Selbstzweifeln geschüttelt, sucht Cap als Easy Rider 1970 nach einer neuen Existenzberechtigung, während auf der Leserbriefseite die seit Jahren um ihn tobenden Kontroversen weitergeführt werden. Marvel stellte auch den ersten Neger-Superhelden vor. Im Juli 1966 erschien The Black Panther erstmals im Heft der Fantastic Tour. Der Name wurde damals freilich in Unkenntnis der künftigen Entwicklung auf dem Gebiet der amerikanischen Rassenprobleme gewählt. Das wichtigste Ingredienz für den Erfolg der Marvel Comics war eine neue, spezielle Art von Kommunikation mit dem Leser. Marvel-Comicserien darunter Spider-Man, Hulk, X-Men, Marvel-Charaktere & Co. Leserbriefseiten waren nicht neu, die gab es auch bei »Brand X« oder »Ecch«, wie Marvel die Konkurrenz nannte; aber die langen, witzigen und in persönlichem Ton gehaltenen Antworten auf die Leserbriefe machten dieses bald auf zwei Seiten angewachsene Feature zum wichtigsten Teil der Hefte. Man erfand den »No-Prize«, der für gute Leserbriefe nicht vergeben wird, und den nichtexistenten Irving Forsbush. Der Marvel-Leser wurde so zum Eingeweihten, zum Mitglied der Marvel-Familie, zum »keeper of the flame«. Wie bei den E.G. Comics seligen Angedenkens, gründete Marvel einen Comics-»Club«, die MMMS5, die inzwischen in verlagsfremde, rein kommerziell ausbeutende Hände übergegangen ist.
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Seit 1962 wurden bei Marvel prinzipiell die jeweiligen »credits«, die Namen der Verfasser und Zeichner, auf der ersten Seite der Geschichten angegeben. So wußten die Leser — anders als bei der Konkurrenz — sogleich die Namen der Redaktionsmitglieder von Marvel. Durch die Lüftung von »Redaktionsgeheimnissen« auf der 1965 neu eingeführten Seite »Bullpen News« wurde der Leser noch stärker zum »Insider«, zum Vertrauten des Verlags. Natürlich wurde auch diese Variante des »personal approach« erfolgreich von anderen Verlagen nachgeahmt. Der hohe Standard machte Marvel auch für ältere Leser interessant. Das durchschnittliche Lesealter ist bei Marvel Comics weit höher als bei anderen Verlagen. Mitte der 60er Jahre war Marvel bevorzugte Lektüre auf dem Campus, wobei nicht nur Studenten, sondern auch Professoren am MarvelKult partizipierten. Der Superhelden-Boom Was Erfolg hat, wird nachgeahmt oder in Serie produziert. Dieser Grundsatz gilt in Amerika für alle »populär ans«. Und so kann es nicht verwundern, daß der Erfolg von Superman und Batman in den Vierzigern den ersten SuperheldenBoom auslöste. Erst zwanzig Jahre später sollte sich wieder etwas ähnliches abspielen. Der Inhalt der Superman- und Batman-Geschichten ist eine direkte Fortführung der in Groschenheften, den sogenannten »pulps«, verbreiteten Abenteuerromane um Doc Savage, Black Bat und andere Maskierte. Die Comics der Firma Timely (heute Marvel) nahmen zudem die Handlungsfäden ihrer »pulps« in den Comics wieder auf, als die Groschenromane an einem rapiden Leserschwund zu leiden begannen. Der Handlungsablauf war in den Comics noch rasanter als in den »pulps«.
Rechts und nächste Seite: Mitte der 60er Jahre erreichte Marvel trium phale Höhen. Immer mehr ließen Stan Lee und seine Mitstreiter die Marveliten an Abenteuern intergalaktischen Ausmaßes teilhaben. Die Gestalten wurden immer titanenhafter. Galactus, der seinen kosmischen Hunger an der Erde stillen will, spricht hier die oft zitierten Worte: »Emotion is for lesser beings.« Das Angebot der anderen Verlage war daneben vergleichsweise eintönig. Aus: Fantastic Four, Nr. 50, Zeichner: Jack Kirby / Joe Sinnott. © 1966 Marvel Comics Group
Tiefgründiges wird in dieser klassischen, vielgerühmten Stelle ausden Marvel Comics angeboten, Aus: Fantastic Four, Nr. 72, Zeichner: Jack Kirby / Joe Sinnott. ©1968 Marvel Comics Group
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In den wilden »Gründerjahren« galt das Plagiieren höchstens als Kavaliersdelikt. Auch das »swiping«, das Abzeichnen von anderen Illustratoren und das Umarbeiten von Ideen, war an der Tagesordnung und galt als legitimes Mittel besserer Darstellung. Könner wie Alex Raymond, Hal Foster und Burne Hogarth konnten Abwandlungen oder direkte Kopien ihrer Zeichnungen in fast jedem Heft finden. Ersann eine Firma einen »original character«, also einen Superheldenerstling, so mußte sie damit rechnen, daß binnen kurzem bei anderen Firmen ähnlich hypertrophierte Konkurrenten auftauchen würden. Timelys Human Torch, dieser androide Held der lebenden Flamme, ein kleiner Surtur, hatte bald so illustre Nachfolger wie Firehair, Firefly, Fiery Mask, Firebrand und Pyroman, um nur einige zu nennen. Das »swiping« gehörte einfach mit dazu. Bill Everett, der Erfinder von Timelys Submariner, erfand selbst für andere Firmen auf Bestellung zwei Kopien seiner eigenen Figur: Hydroman und The Fin. Schnell wurde so die Zahl der Superhelden Legion. Zu den wichtigsten zählten The Angel, Atom, Blue Bolt, Comet, Crimson Avenger, Destroyer, Dr. Fate, Dr. Mid-Nite, Guardian, Hangman, Hour-Man, Hurricane, Johnny Quick, KaZar, Manhunter, Marvel Boy, Plastic Man, Robotman, Sandman, Skyman, Starman, Thunderer, Web und Wildcat. Captain America, der personifizierte patriotische Geist, begann im März 1941 damit, den Krieg praktisch allein zu entscheiden. Auf der Welle der überschäumenden chauvinistischen Begeisterung entstanden gleich mehr als vierzig (!) Imitationen von ihm, wie The American Avenger, The Super-American, The Flag, The Patriot oder Major Liberty. Auch die anderen Helden ließen sich nicht lange bitten, als das Vaterland rief. Die patriotische Begeisterung zeigte sich an Titeln wie The American Comic Book, All Star Comics, Star Spangled Comics, All-American Comics, usw. Bei Timely gab es sogar ein Heft das U.S.A, hieß und einen Helden des gleichen Namens.
Die »pulps« waren nur die Grundlage für den SuperheldenBoom gewesen. Auslösendes Moment waren, wie auch in den Sechzigern, soziale Spannungen. Superman und Batman erblickten kurz vor einem internationalen Konflikt das Licht der Welt. Sie entsprachen in ihrem Sinngehalt den Zeitströmungen und der Einstellung Amerikas zu politischen Fragen. Sie spiegelten die Vorstellung wider, Amerika sei der Retter und Wahrer demokratischer Gesellschaftsformen, Helfer der Unterdrückten, der vom Faschismus und Nationalsozialismus geknechteten Menschen. Als Amerika den Koreakrieg beigelegt hatte, ließ das Interesse an den Superhelden nach. Es war kein Bedarf mehr für billige patriotische Unterstützung und für die übermäßig blutrünstige Unterhaltungsware der Horror-Comics. Nur die gemeinsamen Bemühungen in einer Krisensituation hatten eine genügend große Begeisterung geweckt. Da nicht jeder, wie eingangs zitiert, seine patriotische Begeisterung »gegen irgend jemand betätigen« konnte, wurde sie auf dem Umweg über die Comics zugleich wachgehalten, kompensiert und gelenkt. Es ist anzunehmen, daß die Lenkung durch die Herausgeber mehr oder minder unbewußt erfolgte, weil sie es verstanden, dem Volk aufs Maul zu schauen und dem allgemeinen Konsensus zu entsprechen. Natürlich waren die im Auftrag der Regierung hergestellten Comics für die Armee im Sinne der aktuellen Politik ausgerichtet. Einen neuerlichen Comics Boom erlebte Amerika zu Beginn der sechziger Jahre. Er wurde auch diesmal wieder von Superhelden angeführt, doch diese Helden hatten ihre Schwächen und Psychosen. Das wiederum entsprach der neuen Einstellung der Leser, die sich zusehends von der Schwarzweißmalerei der Massenmedien angeödet fühlten. Hinzu kamen die explosionsartig zutage tretenden gesellschaftlichen Konflikte und der Vietnamkrieg, für den wieder ein Entspannungs- und Unterhaltungspotential für die unter Druck stehenden Soldaten benötigt wurde. Die Comics hatten den erneuten Erfolg wieder einmal der Kriegsmaschinerie mit zu
Oben: Der schönste Lohn für jeden Superhelden ist der Dank des Vaterlandes. Aus: Strange Suspense Stories, Nr. 75, Zeichner: Steve Ditko. © 1961 Charlton Comics Group
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Auch andere Verlage partizipierten zeitweilig an dem von Marvel angefachten Superhelden-Boom. Die Kampfmethoden und der spezielle Marvel-Jargon wurden plagiiert. Hier kämpft Charltons wiederbelebter Blue Beetle im Stil von Spider-Man. Aus: Blue Beetle, Nr. l, Zeichner: Steve Ditko. © 1967 Charlton Comics Group
verdanken. Doch dies allein war nicht der einzige Grund für den Aufschwung. Der frühere Boom strahlte auf die Gegenwart aus. Die alten Comics waren umweht vom Hauch der Nostalgie, des Heimwehs nach der Kindheit. Die neue Generation der Erwachsenen verwehrte den Jugendlichen nicht mehr im selben Maße wie früher die Lektüre der Comics. Von der Verlegerseite wurde den neuen Trends Rechnung getragen. Der Bewußtwerdungsprozeß wurde zur verkaufbaren Ware. Deshalb ist die Aussage, die »message« der Comics heute nicht mehr so kristallklar und eindeutig wie ehedem. Sie ist zwar nach wie vor an Moral und Gesetz orientiert, aber sie ist zumindest reflektiert. Die jungfräuliche Naivete der Comics des »Golden Age« ist verloren, die Ge stalt des Superhelden in Frage gestellt, da sich immer mehr Gegenwartsbezug in die Comics einschleicht. Obwohl sich aus diesem Grund der zweite Boom dem Ende zuneigt, ist für die nächste Zukunft noch mit einigen Überraschungen zu rechnen, denn Marvel muß die erlahmende Begeisterung durch neue Ideen anheizen, und auch die Superman-Familie wird wegen sinkender Leserzahlen modernisiert und umgearbeitet. Die Hypertrophien Nur ein Held ist mächtiger als Superman: The Spectre, ein auf Erden wandelnder Geist, der praktisch grenzenlose Kräfte besitzt. The Spectre kann seine Gestalt beliebig verändern, sich unsichtbar machen, Materie transformieren, usw.
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Alle anderen Superhelden haben aber im Vergleich zu diesen beiden Übermächtigen nur sehr unvollkommene Fähigkeiten, denn sie besitzen nur eine oder wenige besonders entwickelte Eigenschaften, die sie vor ihren Mitmenschen auszeichnen. Die Art dieser jeweiligen Hypertrophie oder ihre Herkunft wird durch den sprechenden (Kampf-)Namen des Superhelden charakterisiert, zum Beispiel Spider-Man, Aquaman, oder The Elongated Man. Liebevoll werden darüber hinaus die Heroen oft mit alliterierenden Beinamen ausgestattet: Hawkman ist »The Winged Wonder«, Flash ist »The Sultan of Speed«, »The Viscount of Velocity« oder »The Scarlet Speedster«, Batman ist »The Caped Crusader«. Durch Zufall kann an jeden von uns die Berufung zum Superhelden ergehen. Besonders die Schwachen und Gedemü tigten unter uns sind von diesem Gedanken angetan. Und es ist so einfach: Meist genügt das Fehlschlagen eines wissenschaftlichen Experiments, die Einatmung dabei entstehender Dämpfe, Berührung von Flüssigkeiten, Chemikalien in Verbindung mit Blitzschlag (Wer denkt da nicht an Frankenstein?), radioaktive Bestrahlung der verschiedensten Arten — und schon ist ein neuer Superheld geboren. Andere dagegen sind von Geburt an zum Superhelden prädestiniert. Als Mutanten, Atlantiden, Amazonen, Extraterristen oder einfachen Göttern ist ihnen das Superheldentum schon in die Wiege gelegt. Batman jedoch zeigt uns, daß man allein durch Fleiß und Ausdauer — und mit einem Millionenerbe für die nötigen Zusatzgeräte — den Weg zum Superhelden schaffen kann. Es gibt keine Körperfunktion oder Fähigkeit, die bei den Superhelden nicht besonders hypertrophiert sein könnte, außer natürlich im tabuisierten Sexualbereich.
Erklärung einer speziellen Hypertrophie im Bild: So hat man sich das Funktionieren von Daredevils Radarsinn vorzustellen. Aus: Marvel Superheroes, Nr. 25, Zeichner: Wallace Wood. © 1969 Marvel Comics Group
So vermag zum Beispiel The Flash mit solch einer Geschwindigkeit zu laufen, daß selbst die Wasseroberfläche zum scheinbar festen Untergrund wird. Schüsse wehrt er ab, indem er mit der Hand wedelnd die Luft komprimiert und dadurch die Kugeln ablenkt. Oder aber er vibriert seine Atome so schnell, daß ihn die Kugel, ohne Schaden anzurichten, durchdringt. Auf dieselbe Weise vibriert sich Flash auch durch Wände und Türen. Doch die Geschwindigkeit hat auch eine andere, gegenteilige Wirkung: im Privatleben scheint er der langsamste, unpünktlichste Mensch zu sein. Kein Wunder, muß er doch meist irgendeinen Fall just dann lösen, wenn er eine Verabredung als Barry Allen einhalten sollte. The Green Lantern hat, auf den ersten Blick gesehen, keine besonderen Fähigkeiten, sondern einen Ring, mit dem er schier Unmögliches zu vollbringen vermag. Doch der Ring funktioniert nur, wenn sein Besitzer es will. Hal Jordan erledigt als die Grüne Laterne dank seines Ideenreichtums und seiner Willensstärke jeden Gegner. Aber er muß auch den
Die Geburt eines Superhelden verläuft stets nach demselben rigiden Ritual: Der Schwur und der Beginn eine s Doppellebens. Green Lantern ist eine Art Superhelden -Aladin. Durch Energielampe und Kraftring wird er selbst zum hilfreichen Geist. Aus: Top Comics, Nr. 3, Zeichner: Gil Kane und Murphy Anderson. © 1970, 1969 National Periodical Publications, Inc./Bildsc hriftenverlag GmbH
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Wächtern auf dem Planeten Oa willfährig sein, denn diese liefern die vierundzwanzig Stunden anhaltende Energie vermittels einer laternenförmigen Kraftquelle. Der Kraftring weist nur ein Manko auf: Gegen gelbe Dinge ist er machtlos. Wenn einem solcherart (fast) alles gelingt, was man sich nur denkt, kann man allmählich zu sehr auf das Hilfsmittel angewiesen sein. Nach und nach ging die Grüne Laterne deshalb dazu über, auch einmal mit der eigenen Faust dreinzuschlagen, anstatt aus dem Ring eine Riesen-Plasmafaust herauszukommandieren. Um seine Eigeninitiative und sein angeknacktes Selbstvertrauen wieder auf Zack zu bringen, kürzten die Wächter die Energiezuteilung der Grünen Laterne so, daß er nicht mehr auf eine letzte Kraftreserve rechnen kann, die ohne geistige Anstrengung automatisch todbringende Ge fahren abwehrt. So wird der Held menschlicher und kann mit Alltagsproblemen konfrontiert werden, anstatt sich mit einer großen Schar von Phantasiegegnern herumquälen zu müssen. Um unterschiedliche Hypertrophien gemeinsam zu nutzen, gründen viele Superhelden eine Vereinigung, einen Trupp von Spezialisten, die einander ideal ergänzen. So kommt es, daß Superhelden nicht nur allein oder zu zweit mit einem jugendlichen Kampfgefährten auftreten, sondern auch in ganzen Mannschaften — um nicht zu sagen Horden. Bei DC sind dies die Justice League of America (ein Aufguß der Justice Society of America des »Golden Age«), die Legion of Superheroes und die Teen Titans. Bei Marvel sind mehrere Helden in den Avengers zusammengefaßt, um so gegen einen übermächtigen Feind gemeinsam bestehen zu können oder gegen eine ebenfalls als Kollektiv auftretende Mannschaft von Bösewichten anzutreten. Für den Leser besteht die Attraktion wohl darin, daß er gleich mehrere seiner Lieblinge auf einmal in Aktion sieht. Supersex Wegen der drakonisch durchgeführten Bestimmungen der Code Authority kommt es seit 1954 höchstens in Persiflagen a la MAD dazu, daß Superman beim Wechseln seiner Kleider in einer genehmen Telephonzelle (in Wirklichkeit bevorzugt er eine Besenkammer oder dunkle Seitenstraßen) seinem exhibitionistischen Trieb kurz freien Lauf läßt oder einmal seine X-Ray-Vision zum Blick in die Damentoilette benutzt. Die eine Hypertrophie ist nämlich den Superhelden versagt, mit der die stark verbreitete Sehnsucht nach einem übergroßen Genital erfüllt würde. Da die Heroen und Superbösewichte anscheinend nichts unter ihren enganliegenden Trikots haben, gleichen sie oft Androgynen, armen Mannsfrauen, denen das primäre Geschlechtsorgan fehlt. Bei Jack Kirbys Figuren, die in Aktion ihre Beine mindestens vier Fuß weit gespreizt haben, ist dieser Mangel am offensichtlichsten. Da einfaches Weglassen hier dieselbe Funktion erfüllt wie das Schamtuch in der darstellenden Kunst, ist dem jugend-
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lichen Leser im allgemeinen die Kompensation seiner Minderwertigkeitsgefühle auf diesem Gebiet verwehrt. So wird eine »saubere«, sexlose Welt geschaffen, in der vom Aussehen her androide Helden agieren. Durch die Selbstverweigerung auf sexuellem Gebiet zeigen die Superhelden einen deutlichen Masochismus, der in einem Zusammenhang mit ihrer hochentwickelten Kampfmoral stehen mag. Ihr keusches, bestenfalls monogames Verhalten steht in krassem Gegensatz zu ihren potentiellen Fähigkeiten in punkto Virilität und Potenz. Welches Paradox, daß gerade die Superhelden sich Frauen gegenüber noch schüchterner als normale Männer verhalten müssen. Gerade die vordringlichsten ihrer geheimen Wünsche müssen sie unterdrücken. Als Identifikationsgestalten sind die Superhelden so auf einem Teilgebiet völlig unvollkommen. Man stelle sich Supermans sexuelle Möglichkeiten vor! Ihm könnte der Traumtriumph aller Männer vergönnt sein, die schönsten Frauen des Universums gewaltlos als Supercharmeur und Casanova oder gewaltsam zu genießen, — und das im Dauerorgasmus, jederzeit und beliebig lange. So aber muß man sich fragen: Portnoyt Superman nach über 32 Jahren etwa immer noch?6 Fast noch spießbürgerlicher als die Helden müssen die Superheroinen agieren. Welche Möglichkeiten bleiben hier ungenutzt! Man denke an Supergirl, Supermans weiblichen Ge genpart. Die speziell trainierten circassischen Sklavinnen im Harem Suleimans II. wären jungfräulich naive Anfängerinnen gegen sie und die außerirdisch beherrschte Kontraktion ihrer Vaginalmuskulatur. Es ist müßig, sich die sexuellen Praktiken der verschiedenen Superhelden auszumalen. Iris Allen, die Frau des Flash, hat sich bis heute trotz eines gelegentlichen Super-Quickies nicht beschwert. Und was wohl die Freundinnen von Captain America sagen, wenn sie sehen, daß auch seine Unterhose aus dem Stoff des Sternenbanners gefertigt ist? Es ist zwar durchaus denkbar, aber nicht wahrscheinlich, daß im Zuge einer weiteren Liberalisierung und Lockerung des Codes, in den 70er Jahren die Umkehrung der sexuellen Nicht-Praktiken der Superhelden nicht nur den Underground-Comics vorbehalten bleiben wird. Der »Side-kick« Als man die Comic Books wegen ihres vermeintlich verderblichen Einflusses auf die Jugend anklagte, stürzte man sich bei den Superhelden natürlich auch eifrig auf die scheinbaren Anzeichen von Homosexualität. Dr. Wertham, der (1954) bei Batman und Boywonder Robin geradezu ein Traumverhältnis für Homosexuelle deutlich zu sehen glaubte, löste eine bis heute andauernde Kontroverse, um nicht zu sagen Verleumdungskampagne aus. Der jugendliche »side-kick« basiert freilich eher auf einer alten Tradition der amerikanischen Subliteratur und Serien-
Bei allen Superhelden fiel bislang eine allen gemeinsame Atrophie ins Auge: Bei Jack Kirbys Figuren, die in Aktion ihre Beine mindestens 4 Fuß weit gespreizt haben, ist dieser Zustand oft besonders deutlich. Aus: The Mighty Thor, Nr. 160. © 1968 Marvel Comics Group
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fiktion. Schon im zarten Alter auf sich allein gestellt (beliebt sind Waisenknaben), unerschrocken, ehrlich, geschäftstüchtig, gewitzigt, sauber und vor allem »tough«, so hat sich der 100% rotblütige Junge als speziell amerikanischer Archetyp herausgebildet. Eine Entwicklung, an der Horatio Alger Jr. schon im vorigen Jahrhundert entscheidenden Anteil hatte. In seinen zahllosen Groschenromanen behauptete sich dieser amerikanische Junge im Dschungel der Großstadt — meist stammt er aus Brooklyn — und bringt auf seinem Weg »from rags to riches« unentwegt erwachsene Verbrecher zur Strecke. Solche Jungens, das Salz und die Hoffnung Amerikas, wurden natürlich auch sofort zu Comics-Helden verarbeitet, da sie für die jugendlichen Leser noch geeignetere Identifikationsgestalten darstellten als die erwachsenen Helden. Daneben gab es auch Buben, die sich zu einem Team zusammentaten, das der amerikanischste und tougheste von ihnen befehligte. Sie kämpften in zahllosen Heften des »Golden Age« der 40er Jahre gegen die Verbrecher und halfen natürlich auch mit, den Krieg zu gewinnen. Die Boy Commandos unter Führung von Captain Rip Carter, die Young Allies oder die Tough Kids Squad stellten vor und hinter den feindlichen Linien ihren Mann. Die Newsboy Legion kämpfte an der Heimatfront gegen Verbrecher und Infiltration durch feindliche Agenten. Als Jack Kirby 1970 von Marvel wieder zu DC wechselte, durfte er seine Newsboy Legion wieder in den Kampf zurückführen. Doch anders als in den 40er Jahren kämpft nun ein kleiner Neger mit in ihrer Reihe. Es is t verständlich, daß man die Popularität und den Erfolg eines erwachsenen Helden noch zu steigern suchte, indem man ihm einen solchen Jungen zur Seite stellte oder umgekehrt einen Erwachsenen den Jungens zugesellte, wie bei der Newsboy Legion, die zusammen mit dem Guardian (!) kämpfte. Kinder als Comicshelden waren so populär, daß sie oft Superhelden aus deren angestammtem Heft verdrängten. Und so kämpften zahlreiche Helden mit einer kleineren Ausgabe von sich selbst an der Seite: The Human Torch and Toro, The Sandman and Sandy, The Shield and Rusty, The Green Arrow and Speedy, Captain America and Bucky und all die vielen anderen Teams. Sie alle, wie auch Superman und Jimmy Olsen, stehen in ebenso suspekter Freundschaft wie Achill und Patroklus, Dietrich von Bern und Hildebrand oder Artus und seine ganze Tafelrunde. Daß zwischen Männern mehr ist als nur das sakrale Element der Freundschaft, sieht Leslie Fiedler in »Love and Death in the American Novel« bei Ishmael und Queequeg, Natty Bumppo und Chingachgook, Huck und N***** Jim. Bei Freudscher Interpretation führen also die Superhelden mit Kampfgenossen nur eine echt amerikanische Tradition fort. Hier ist nicht die Stelle, um einem Leslie Fiedler zu widersprechen, noch dazu, da er einer der wenigen zitierbaren Apologeten der Comics ist.7 Feiffer bemerkt dazu, daß in der amerikanischen Gesellschaft nicht nur bei den Homosexuellen eine misogyne Einstellung
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Ein historischer Augenblick: Die Hochzeitsglocken läuten für Mr. Fantastic und Invisible Girl. Aus: Fantastic Four, Annual Nr. 3, Zeichner: Jack Kirby. © 1965 Marvel Comics Group
herrscht — keiner mag die Frauen. Dies äußert sich in allen Formen der Unterhaltung vom Partywitz über Comic Books und Film, bis hin zur Literatur. Die stereotypen Klischees der alten Comicszeit forderten natürlich geradezu heraus zur Interpretation einer sublimierten Sexualschicht. Längst geht aber die Tendenz wieder hin zur Betonung heterosexueller Beziehungen. Daß der normale Superheld durchaus potent und heterosexuell ist, erweist sich an den in letzter Zeit stattgefundenen Vermählungen. Bei den Fantastic Four gibt es schon — in properem Zeitraum — strammen Nachwuchs. Batman schickte seinen mittlerweilen zum Teenwonder erwachsenen Robin aufs College, wo sich dieser den Mädchen gegenüber durchaus aufgeschlossen zeigt. Da die Sache mit den jugendlichen Kampfgefährten aber einmal in Verruf geraten ist, wird sie schon lange nicht mehr von den Verlagen benutzt. Die Motivation Superhelden haben nichts oder nicht viel mit Nietzsches Übermenschen gemein. Sie haben eine verhältnismäßig konventionelle Moral. Sie sind für das Gute und gegen das Böse, wobei sie sich genau danach richten, was laut Gesetz gut und böse ist. Immer sind sie bereit, Unrecht zu vereiteln, Damen in Bedrängnis zu helfen, Unfälle zu verhüten, Katastrophen abzuwehren, die eigene und ferne Welten vor dem Untergang zu retten. Sie nehmen sich unter der Code Authority vor, in ihrem Kampf für Recht und Gesetz niemanden (absichtlich)
zu töten und dosieren ihre Schläge immer gerade so stark, daß der Gegner nach dem Schlagabtausch k. o. geht oder wieder einmal gedemütigt entfliehen kann, um aber sofort wieder einen Rachefeldzug zu planen. Auf diese Weise ersparen sich die Verfasser die Mühe, immer neue Gegner ersinnen zu müssen. Falls ihnen wirklich einmal nichts Neues einfallen sollte, haben sie immer noch eine Anzahl abgefeimter Schurken und verrückter Denker in der Hinterhand, die einen ewig aussichtslosen Kampf zur Anhäufung materieller Güter oder zur Erfüllung ihrer Rachegelüste führen. Die edlen Superhelden gefallen sich in der Rolle des Nothelfers, der von Fall zu Fall einspringt, ohne deshalb echte soziale Aufgaben angehen zu müssen. Die Verbrecher, die sie bekämpfen, sind zu Superschurken verfremdet und Verbrechersyndikate sind weiter nichts als Superschurken. Daß das Verbrechen auf Defekte der Gesellschaft verweist, kommt nicht zum Ausdruck, weil es bei den Superhelden auf den Kampf gegen das Böse ankommt, nicht primär aber auf dessen Beseitigung. In den seltensten Fällen denken Superhelden daran, Kriminellen eine Resozialisierung zu ermöglichen, oder gar den Grund für die Untaten ausfindig zu machen. Manchmal gelingt es ihnen, wie Spider-Man, einen Menschen von einer Laufbahn als Verbrecher abzubringen, aber meist nehmen sie es als Tatsache hin, daß es eine Macht des Bösen gibt, die nicht einmal sie zu brechen vermögen. Sie versuchen nur unermüdlich dagegen anzukämpfen. Eine wahre Sisyphusarbeit, die sie über Jahrzehnte hin jung erhält. Die Superhelden glaubten sich lange Zeit ohne jeden Fehl und Tadel. Vor lauter Hilfeleistungen kamen sie nie zum Nachdenken. Oder aber der Rachegedanke, der ihren Werdegang bestimmt hatte (Batman), versperrte ihnen den Ausblick auf die Realitäten ihrer Gesellschaft. Sie pflegten in Schwarz-Weiß-Klischees zu denken, waren schlicht für die Demokratie und gegen Faschismus, Nazismus und Kommu nismus. Zu Zeiten agierten sie als Gesinnungsgenossen des Senators McCarthy, stets unterstützten sie den Regierungskurs und die Richtlinien von Hoovers FBI. Ihr Ideengut war von kleinbürgerlicher und mittelständischer Herkunft. Sie waren wie ihre Erfinder eher liberal-konservativ, der »silent majority« zugehörig, und neigten zu schlagkräftiger Konfliktlösung. Aber die Superhelden haben sich im Lauf der Zeit geändert, als sie — zum Teil erst nach dem Auftritt einer neuen Ge neration der Spezies — eine Art Bewußtwerdungsprozeß durchmachten und durchmachen. Plötzlich werden sich Helden wie Green Lantern darüber klar, daß es Rassenprobleme gibt, daß Bösewichte nicht immer nur nach außen hin erkennbar sind, und mancher Schurke hinter dem Schreibtisch sitzt. Es ist nicht verwunderlich, daß in diesem Stadium der Entwicklung noch nichts gelöst ist. Die Probleme sind viel zu komplex, um mit einer einfachen Slam-Peng-Aktion beseitigt oder erhellt werden zu können und zugleich auch noch
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zu unterhalten. Aber es ist zu erwarten, daß die Helden von progressiven Redakteuren, Autoren und Zeichnern weiter vermenschlicht werden, was unter anderem auch heißt, daß sie mehr als bisher gelegentlich Niederschläge einstecken müssen. Die »secret identity« Nicht ändern wird sich für die Superhelden in absehbarer Zeit die zur Konvention erstarrte Notwendigkeit der »secret identity«. Sie gehört mit zum ideologischen Schutzwall, den sie um sich aufrichten, um geistig und körperlich unangreifbar zu sein. Jeder Superheld überlegt sich zu Beginn seiner Karriere, in welcher Verkleidung, unter welchem Namen er der Menschheit helfen soll. Meist beschließt er, den Schurken Angst einzujagen, um sie nach einem Psycho-Schock schneller physisch überwältigen zu können. Aus diesem Grund trägt er dann auch eine Maske. Dies erinnert an mittelalterliches und urzeitliches Brauchtum, mit Hilfe schrecklicher Verkleidungen und furchterregender Fratzen die bösen Geister und Dämonen fernzuhalten oder zu vertreiben. Anstelle der Dämonen steht heute das Verbrechen. Dies ist die mythische Komponente in der Verkleidung der Superhelden. Daneben äußert sich in der Verkleidung der ganz natürliche Spiel- und Verkleidungstrieb des Menschen oder, anders ausgedrückt, der Superheld trennt die in ihm vereinten gesellschaftlichen Rollenverhalten in die Wunschhälfte, das »Alter Ego«, und die Realhälfte, die »secret identity«. Die Wunschhälfte verkörpert alles, was der Verfasser oder Zeichner — und mit ihm der Leser — gerne wäre. Die Realhälfte ist ein Bild vom Menschen mit allen stereotypen Verhaltensmustern, die eine Gesellschaft dem Durchschnittsbürger auferlegt, beziehungsweise anbietet. Diese Trennung von Schein- und Realwelt entspricht durchaus der psychischen Verfaßtheit des Durchschnittsbürgers; sie dient vor allem auch der Selbstbestätigung des Einzelnen, der Sanktionierung seiner Denkschemata und Verhaltensweisen. Die Zweiteilung ist für die meisten Helden jedoch mit einem wesentlichen Nachteil verbunden: Sie können — und wollen — nicht heiraten, weil sie fürchten müssen, mit ihrer Familie erpreßt zu werden. Superman macht Lois Lane immer darauf aufmerksam, daß sie als seine Frau ständig in Gefahr schweben würde. Deshalb müsse er noch eine Möglichkeit suchen, die ihr hundertprozentige Sicherheit bietet, bevor er sie heiratet. (»Darling, I can't marry you. You wouldn't be safe«, muß sich die heiratswütige Lois immer wieder anhören.) Dieser selbstauferlegte Zölibat der Helden kommt ihrem Seriencharakter entgegen, da sie so auf lange Zeit wie ein lediges Pop-Idol größere Erfolgschancen haben. Der Verzicht auf die Ehe wird bei DC von den Verfassern mit sogenannten »imaginary stories« kompensiert, das heißt mit Geschichten, in denen man Superman verheiratet und durchspielt, was
In den Imaginary Tales von DC konnte das starre Schema der Superman-Geschichten durchbrochen werden. Lois Lane war in diesen Heften nicht nur mehrmals mit Superman verheiratet, sondern auch wie hier gar mit Lex Luthor, Supermans größtem Feind. Aus: Lois Lane, Nr. 34. © 1962 National Periodical Publications
danach geschehen könnte. Somit ergibt sich das Paradox, daß die erfundene Superman-Figur weiterhin unverheiratet bleibt, sich daneben aber trotzdem in ihrer eigenen imaginären Wunschwelt aus den üblichen Handlungsschemata befreien kann. Der Vorteil liegt klar auf der Hand: Der Held bleibt ledig und der — eingeweihte — Leser kann von Zeit zu Zeit verschiedene Möglichkeiten der zukünftigen Entwicklung miterleben, ohne die Lust am ewig gleichen Handlungsablauf zu verlieren. Auch das »Was wäre gewesen wenn« läßt sich so bei einer etablierten Gestalt wie Superman darstellen, ohne daß mit einem Leserschwund gerechnet werden müßte. In jüngster Zeit sind aber auch Hochzeiten in der Gilde der Superhelden nicht mehr verpönt. Reed Richards (Mr. Fantastic) und Sue Storm (Invisible Girl) von den Fantastic Four gaben sich das Ja-Wort. Ebenso Yellowjacket (alias Goliath alias Ant-Man alias Henry Pym) und the Wasp von den Avengers. Barry (the Flash) Allen nahm eine normale Sterbliche zur Ehefrau, seine langjährige Freundin, die Reporterin Iris West. Bis zum ersten Hochzeitstag verschwieg er ihr, daß sie auch mit dem früher von ihr verehrten und bewunderten Flash vermählt ist, nur um zu erfahren, daß sie das schon längst wußte, weil er ... im Schlaf redete.
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Könnte nicht jeder von uns ein verkappter Superheld sein, dessen Äußeres nur die Fassade seiner geheimen, zweiten Identität ist? In ihrem Alter Ego sind die Helden unsere Ebenbilder, und zwar keine erfreulichen, wie wir zum Beispiel bei Clark Kent sehen. Gerade die Superkarnere zwingt die Helden dazu, ihr Privatleben in grauestem Alltag zu kaschieren und wie wir dort ein entfremdetes Leben zu führen. Ihre notwendige Tarnung verbietet ihnen, im Privatleben von ihren Superkräften Gebrauch zu machen, und so ist es ihre Tragik, zur Hälfte als normale Sterbliche weiterleben zu müssen und in dieser Identität ihre wahren Bedürfnisse nicht befriedigen zu können. Auch sie müssen auf all die Ideale des Konsumhedonismus verzichten (Feiffer spricht hier vom Masochismus der Superhelden). Wer selbst klein und gedemütigt ist, projiziert seine Wünsche gerne auf einen großen, starken Mann. Superhelden sind Ausdruck und Fixierung narzißtischer Selbstübersteigerung; sie machen deutlich, wie sich der jugendliche Leser und infantile Erwachsene in seiner Traumwelt sieht. Die Superhelden stellen eine Inkarnation jugendlicher Wunschträume dar, der Sehnsucht, selbst einmal den Helden der Sagen, Märchen und Comics zu gleichen. Sie alle sind Protagonisten eines Genres inerhalb der Comics, in dem die Spiegelung sozialpsychologischer Bedürfnisse besonders deutlich zusehen ist. Denn die Superhelden sind konkrete Materialisierungen der Wunschvorstellungen und eskapistischen Träume der jugendlichen Leser und bieten sich so als genau diesen Sehnsüchten entsprechende Identifikationsgestalten an. Ein Beweis dieser Bezogenheit auf jugendliche Träume ist in der Tatsache zu sehen, daß Gestalten wie Superman, Captain America und Batman der Psyche ihrer Erfinder entsprangen, als diese sich noch im Schulalter befanden. Als Identifikationsgestalten verkörpern sie natürlich auch Idealbilder männlicher Schönheit, wobei es aber in der Zeichnung nicht primär um die Muskelpakete, sondern um den Menschen in Aktion geht. Jack Kirby versieht seine Figuren oft mit Muskelsträngen, die in keinem Anatomielehrbuch zu finden sind, und die doch sinnvoll scheinen, nicht weil sie die Kraft von Captain America oder Thor verdeutlichen, sondern weil sie den Eindruck explosiver Aktion in das unbeweglich fixierte Bild bannen. Der stiernackige Superman oder Captain Marvel kamen natürlich nach damaligem Geschmack aus der Body-Building-Schule von Charles Atlas und waren mit muskulärem Narzißmus am farnesischen Herkules orientiert, während moderne Superhelden wie der Silver Surfer die heutige Idealvorstellung von maskuliner Schönheit verkörpern. Deshalb scheint der Surfer nach Statuen von Praxiteles oder Lysippos modelliert.
Die Superheldinnen Die relativ geringe Zahl von Idealgestalten weiblicher Schönheit in den Comic Books der 60er Jahre scheint das misogyne Amerika zu reflektieren. Wenigstens in diesen Gefilden sollten die Frauen nicht über die Männer triumphieren. Tatsächlich ist dieses Verhältnis jedoch auf die Zensur von 1954 zurückzuführen und natürlich auch darauf, daß die Zeichner und Schreiber der Comics fast durchwegs dem männlichen Geschlechte angehören und deshalb zuerst die phantastischen Idealgestalten ihrer eigenen Selbstübersteigerung zu Papier brachten. In den 40er Jahren, der hohen Zeit der Comicshelden, tummelte sich auch eine große Zahl wohlgeformter Heroinen in den Comics. So gab es von den meisten der erfolgreichen Helden auch weibliche Versionen. Nicht nur von Captain America gab es gleich mehrere weibliche Plagiate wie Miss America, Liberty Belle, Miss Victory, Pat Patriot oder Yankee Girl, die fast noch patriotischer agierten als ihr männliches Vorbild. Captain Marvel und Marvel Girl, Hawkman und Hawkgirl führten diese Tradition fort. Superman und Batman von Superhelden darunter Supergirl und Batgirl. Wie damals gibt es auch heute wieder ein Batgirl, das Batman ab und zu in die Quere kommt. Schon immer war es im Lande der Sagen und Märchen so üblich, daß Helden und Prinzen die Maiden aus schlimmer Not erretteten und nicht umgekehrt. Männlich handelnde Mädchen gab es nur in der Gestalt suspekter Amazonen. So stammte denn auch die erste und bekannteste von allen Superheldinnen von den Amazonen ab. Wonder Vornan8, 1941 von William Moulton Marston, dem Erfinder des Lügendetektors, unter dem Pseudonym Charles Moulton geschaffen und von H. G. Peters in einem eigenartig zweidimensionalen Stil gezeichnet, ist die Tochter der Amazonenkönigin von Paradise Island, das kein Mann betreten darf. Der Stamm der Amazonen wurde von Aphrodite eingesetzt, und wie ihre Ge fährtinnen wurde auch Wonder Woman durch Belebung einer Statue geschaffen — das Geheimnis der Fortpflanzung der Amazonen war gelöst. Um der Demokratie im Kampf gegen den Faschismus zu helfen, wurde Wonder Woman nach Amerika geschickt. Ihrer Mission entsprechend trug sie Sternenbanner-Shorts und ihre Brüste wurden von den Flügeln des amerikanischen Adlers emporgehalten. Mit ihrem Zauberlasso, einem unsichtbaren Flugzeug und ihren wundersamen Armbändern aus Amazonium, die Geschosse und ähnliches abwehren konnten, bekämpfte Wonder Woman zweieinhalb Jahrzehnte lang das Verbrechen, das ihr oft in Ge stalt verderbter Gegenspielerinnen begegnete. Wonder Woman war keineswegs abstoßend männlich.9 In ihrer geheimen Identität als bebrillte10 Krankenschwester Diana Prince war sie oft von direkt hilfloser Weiblichkeit, aber auch gleichzeitig von strenger Moral. Häufig gab es wehrlose, gefesselte Mädchen in ihren Geschichten zu sehen.
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Dazu hatte sie noch lange Zeit bei ihren Abenteuern eine kleine dicke Freundin namens Etta Candy dabei — was brauchten die Kritiker mehr, um hier »Sadomasochismus« zu rufen und ähnliches zu sehen wie bei Batman und Robin. Bis 1968 war Wonder Woman eine richtige Amazone. Den in sie verliebten Flieger Steve Trevor hielt sie auf Distanz, obwohl sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte. Im Oktober 1968 hängte sie ihre Uniform bis auf weiteres in den Schrank — sie war mittlerweilen zu anachronistisch geworden — und eröffnete eine Modeboutique. Und prompt widerfuhr ihr heftigster Liebeskummer, da sie nun auf den falschen Mann hereinfiel. Feminine Weichheit in hartem, unerbittlichem Kampf gegen das Böse — Mädchen, die Männer aufs Kreuz legen — es bedurfte eines gewissen Fingerspitzengefühls, um dies der überwiegend männlichen Leserschaft schmackhaft zu machen. Vorzüglich gelang dies Lee Elias mit der schwarzhaarigen Black Cat, die ab 1942 in Speed Comics erschien, und Syd Shores ab 1944 mit The Blonde Phantom.
Superman stellt der erstaunten Öffentlichkeit seine Kusine vor — »the World's Greatest Heroine«. Aus: Superman, Nr. 4, Zeichner: Curtis Swan. © 1966 National Periodical Publications Inc./Ehapa Verlag Stuttgart
Comics 285 mit großer Parade der erstaunten Menschheit präsentiert. »She's terrific! Cute, too!« und »What a Superdoll!« waren die Kommentare der Überraschten. Chruschtschew meinte im selben Heft: »It must be a capitalistic hoax!« Ein neuer Leserkreis war erschlossen. Supergirl liefert in ihrer zweiten Identität als Linda Lee Danvers das Musterbeispiel eines amerikanischen College Girls. Die Code Authority war wohl deshalb bereit zuzulassen, daß Supergirls wohlgeformte Beine durch ein Miniröckchen voll zur Geltung kamen. Als Marvel 1962 das neue Marvel Age of Comics eröffnete, brachte die Firma im Zuge der Zensurlockerung immer neue Heldinnen auf den Plan: Das inzwischen zur Mutter gewordene Invisible Girl, The Wasp, The Scarlet Witch, Medusa, Crystal und Marvel Girl. Superbösewichte
Die wohlproportionierte Amazone hat Debüt: Das Batgirl. Ihr Auftritt war symptomatisch für die beginnende Emanzipation der Superheldinnen. Aus: Superman, Batman und Wonder Woman, Nr. 17, Zeichner: Carmine Infantino. © 1938, 1939, 1941, 1968 National Periodical Publications, Inc./Ehapa Verlag Stuttgart
Als nach 1948 in den Comics der Sex noch stärker betont wurde, schuf Gregory Page The Phantom Lady — eine durchaus weibliche Superheldin, wie man an ihrem offenherzigen Dekollete leicht genug feststellen konnte. Nach 1954, dem Beginn der Selbstkontrolle durch die Code Authority, verschwanden aber mit Ausnahme von Wonder Woman alle Mädchen, ob sie nun Superkräfte hatten oder im Dschungel lebten, im Comics Limbo, aus dem nur einige wenige wie etwa The Black Canary oder The Black Widow in den 60er Jahren wieder zurückgeholt wurden. Die Comics zeigten nun für einige Zeit eine von Männern bestimmte Welt und leugneten amerikanisches Matriarchat und Sexualverhalten. Man wollte auf keinen Fall die Andeutung einer sexuellen Stimulation in die Comics bringen, denn die Zensur hätte jede nur irgendwie akzentuierte weibliche Rundung moniert. Und das bei den enganliegenden Trikots — unmöglich! Einige Jahre nachdem Supermans Kusine auf der Erde gelandet war und zunächst ihre Existenz geheimgehalten hatte (»She's been among us for years, and we never suspected! agine that!!«), wurde sie als Supergirl »The world's greatest heroine«, von ihrem Vetter im Februar 1962 in Action
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Da die Superhelden wie die Superheldinnen allein durch ihre Existenz den Status quo zwischen Gut und Böse stören, sorgt der Autor sogleich für ein adäquates Korrektiv: den Superbösewicht. Meist hat jeder Superheld seinen Erzfeind, ein Schema, das in der Serienfiktion schon immer sehr beliebt war. Gespanne wie Sherlock Holmes und Doc Moriarty machten es vor, Captain America und The Red Skull, Superman und Lex Luthor, Batman und The Joker, Wonder Woman und Cheetah, Reed Richards und Dr. Doom und all die anderen machten es nach. Jeder Held hat den Gegner, der genau auf seine Fähigkeiten zugeschnitten ist. Ein besonders deutliches Beispiel dafür wäre The Human Torch und seine Gegnerin The Asbestos Lady. Spider-Man aber gegen Galactus antreten zu lassen, würde zum sicheren Tod des Arachniden führen. Um solches zu verhindern, kämpft jeder Superheld in der für ihn bestimmten Klasse. Aber auf die Dauer genügt einem Superhelden natürlich ein Gegner nicht, muß er ihn doch immer wieder für eine gewisse Zeit hinter Gitter bringen oder endgültig für tot halten. Würde derselbe Schurke nach seiner Verhaftung am Schluß eines Heftes im nächsten schon wieder frei sein, könnte der Leser allzuleicht den Schluß ziehen, die Strafen für Verbrechen seien doch nicht sonderlich schwer. Natürlich bekommen die Bösewichte am Ende einer Geschichte ihre »just deserts« und werden oft vom scheinbar sicheren Tod ereilt. Doch wenige Hefte später stellt sich dann heraus, daß sie, wie schon unzählige Male vorher, auch diesmal wieder durch einen mirakulösen Zufall gerettet wurden. So können sie den Helden erneut durch ruchlose Taten herausfordern und ihm frech die Stirn bieten.
The Red Skull kann bereits für alle Superschurken sprechen: Sie sind einfach nicht umzubringen. Obwohl hier erst ein Jahr seit seinem ersten Auftreten verstrichen ist, war er bereits mehrmals vernichtend geschlagen worden. Cap sollte auch in Zukunft seine Freude an ihm haben. Aus: Fantasy Masterpieces, Nr. 6, Zeichner: Jack Kirby. © 1966/ 1941 Marvel Comics Group
Auch wenn die Popularität eines Helden so stark nachläßt, daß sein Heft eingestellt werden muß, braucht er nicht zu sterben. In einigen Jahren könnten ihm ja die Leser wieder wohlgesonnen sein und ihn in modernisierter Fassung wieder akzeptieren. Deshalb heißt es in den Comics wie bei den Soldaten: »Old Superheroes never die, they just fade away . . .«, und zwar in den Comics Limbo, in diese ungewisse Region, wo alle zeitweilig arbeitslosen Helden und Bösewichte auf Abruf warten. Seit dem Inkrafttreten der Zensur 1954 wird der Tod in den Comics als bloße Fiktion dargestellt, als eine Art unwirklichen Scheinzustands, der als reale Möglichkeit einer Endlösung von Konflikten nicht existiert. Die wenigen Ausnahmen hierzu machten natürlich Comicsgeschichte. Bei Tower ließ man in Thunder Agents Nr. 7 den edlen Menthor eines echten Heldentodes sterben. Und Marvel blies dem Schurken Zemo, einem alten Nazi, das Lebenslicht aus — was natürlich später einen anderen Bösewicht nicht hinderte, in Zemo -Verkleidung wieder gegen Captain America anzutreten. DaßProfessorXavier bei den X-Men wirklich und wahrhaftig tot sein sollte, wollten die Fans nie so recht glauben. Und tatsächlich, drei Jahre später war er wieder auferstanden. Jeder Superheld hat »pro bono contra malum« auf dem Panier stehen und er wird mit Sicherheit gewinen, kein Wunder also, daß bei diesem Schema die Superbösewichte oft schillernder und faszinierender gezeichnet sind als die Helden selbst. Wie die Superhelden sind auch die Bösewichte meist durch einen Schicksalsschlag zu dem geworden, was sie sind. Doch wenn sich diese Ruchlosen der Gnade ihrer Hypertrophie bewußt werden, entsteht in ihren verderbten Hirnen durchwegs die Gier nach Macht über ihre Mitmenschen, der Drang, ihre Fähigkeiten zum Schaden der Gesellschaft als Ausgleich für zuvor von ihr erlittene Ungerechtigkeit zu verwenden.
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Lex Luthor, Supermans Erzfeind, machte in seiner Jugend chemische Experimente. Durch Luthors eigene Schuld entstanden dabei Rauchschwaden, die ihm sämtliche Haare ausfallen ließen. Die Schuld an diesem Unfall gab Luthor Superboy, der Lex aus dem vermeintlichen Feuer retten wollte. Luthor redete sich ein, Superboy sei eifersüchtig auf sein wissenschaftliches Genie, kündigte ihm deshalb die kurz zuvor geschlossene Freundschaft auf und beschloß, fortan seine Geistesgaben auf verbrecherische Weise zu nutzen. Eine wichtige Rolle in der Superman-Sage spielt auch Brainiac, ein grüngesichtiger Computer in Menschengestalt, der gegen Supermans Attacken weitgehend immun ist. Brainiacs Vergnügen bestand darin, ganze Städte und deren Bewohner zu verkleinern und zu sammeln. Doch als er in seinem Wahnwitz auch irdische Städte kaperte, wurde ihm endlich von Superman Einhalt geboten. Es gelang dem Mann aus Stahl, die Städte wieder zu vergrößern und zurückzubringen. Nur eine Stadt konnte er nicht mehr zurückverwandeln: Kandor, eine Stadt, die sein grüner Antagonist vor dem Untergang Kryptons in einer seiner Flaschen untergebracht hatte, die die Lebensbedingungen der Heimatplaneten der geraubten Städte simulierten. Seither steht die Flaschenstadt Kandor in Supermans Festung und wird von einer Schar verkleinerter Menschen von Zeit zu Zeit besucht. In Notlagen kommt auch eine Gruppe von Mini-Supermännern aus der Flasche, um Superman in kniffligen Fällen Hilfestellung zu leisten. In dieser Stadt leben außerdem Supergirls leibliche Eltern. Wie Luthor verdankt auch einer von Batmans Erzgegnern, der Joker, sein Aussehen einem chemischen Zufall, bei dem sich seine Haare grün, seine Gesichtsfarbe weiß und seine Lippen schminkerot verfärbten. Er zählte ursprünglich zu den rabenschwarzen Verbrechern, die sich mit ihren Opfern einen Spaß machten und äußerst grausam zu Werke gingen. Aber nach und nach wurde er wirklich zu einem »Joker«, einer Witzfigur, die Verbrechen oft nur noch begeht, um Batman zu ärgern oder in eine Falle zu locken.
Die wirksamsten und besten Unholde verkörpern die Größe des Bösen, sind deshalb einsam und wegen dieser Einsamkeit bemitleidenswert und von Tragik umwittert. Sie handeln aus Rache, weil ihnen die menschliche Empfindung, ja die Seele versagt blieb. Das ist der Stoff, aus dem Frankenstein geschaffen wurde und der auch Marvels Dr. Doom bei den Lesern so populär machte, daß er als erster Superbösewicht in eigenen Geschichten als »Titelheld« auftreten durfte. In Dr. Doom, dem Herrscher von Eatveria, vereinigen sich Größe und Einsamkeit eines Richard III., dem er nicht nur wegen seines entstellten Äußeren gleicht. In seinem Reich herrscht er absolut, Menschen sind für ihn bloße Schachfiguren, die er nach Belieben hin und her schiebt. Wie sein Erzfeind, Mr. Fantastic (Reed Richards), ist Dr. Doom ein wissenschaftliches Genie. Der andere Paradebösewicht von Marvel ist The Red Skull, der Mann mit der roten Totenkopfmaske. Er wurde von Hitler geschaffen, war aber bald die wahre Macht hinter dem Führer. Und so steht the Skull exemplarisch für alle Schurken, die die totale Weltbeherrschung und Versklavung der Menschheit anstreben und nach Diktatur und Antidemokratie giren. Bar jeder anderen Gefühle wird The Red Skull vorwärtsgetrieben vom Haß auf seinen Erzfeind, Captain America, der ihn seit nunmehr dreißig Jahren unzählige Male besiegt, gedemütigt und scheinbar getötet hat. Aber gleich einem Phönix steht The Red Skull immer wieder auf, um Hitlers Erbe nach Amerika hineinzutragen. Neben den gewieften, superschlauen Bösewichten gibt es noch die nicht minder gerissenen, die sich in mühevoller Kleinarbeit eine »Superkraft« zulegen. Diese vornehmlich als Gegner von Flash und anderen einfach hypertrophierten Helden auftretenden Supergauner arbeiten mit ihren pseudophysikalischen Kräften ebenso erfolglos an einer Füllung ihrer Kassen wie die anderen Schurken. Und so muß wohl ihr Kostümschneider meist vergeblich darauf warten, daß seine Rechnungen beglichen werden.
In den kruderen Geschichten des »Golden Age«, als die irren Wissenschaftler und Denker oft auch noch im Dienste der Nazis standen (ein Gegnerpotential für die Superhelden, das von den Gerüchten über deutsche Wunderwaffen genährt wurde), waren die »mad scientists« oft kretinhaft klein und mit großen Eierköpfen dargestellt. Später wurde man allerdings subtiler und einfallsreicher. Brainiac, Lex Luthor oder Marvels vom Namen her exemplarischer Mad Thinker sind von Tragik umweht und vom Äußeren her eigentlich ganz sympathisch. Heute wie damals aber benötigen die Superhelden Gegner, die eher physisch faßbar sind, und so kämpfen die »mad scientists« meist via Android oder Roboter. Das große Vorbild des blasphemisch künstliches Leben schaffenden Dr. Frankenstein wird so immer wieder aufs neue abgewandelt. Eine primitive Kraftmeierei der Superhelden wäre aber auf die Dauer zu langweilig. Deshalb wird Superman in vielen seiner Geschichten als »super-sleuth« apostrophiert, muß als Super-Sherlock Holmes in Aktion gehen. Und welchen Spürsinn muß Batman aufwenden, wenn er die Rätsel des Riddlers löst. Gerade weil Batman ein Superdetektiv ist, sind seine Abenteuer in Detective Comics nachzulesen. Es ist meist die Intelligenz der Superhelden, die ihnen im Kampf gegen ihre physisch oft stärkeren Antagonisten zum Sieg verhilft. Allerdings — Benjamin Grimm, The Thing von den Fantastic Four, schlägt wirklich am liebsten einfach drauflos. Dann erschallt sein Schlachtruf:
Brain vs. brawn Manche Kritiker sehen in den Kämpfen der Superhelden ein einfaches »brain vs. brawn«, ein Hirn gegen MuskelkraftSchema, das den Intellektuellen als grundsätzlich Unterlegenen negativ zeichnet. Bei den Kämpfen der Superhelden geht es immer um höchste Einsätze. »Shall earth survive?«, lautet die bange Frage der hilflosen Zuschauer. Es ist nur logisch, den Superhelden die Gegner zu geben, die sich in Besitz von Geräten zur Weltvernichtung befinden. Nur irre Wissenschaftler haben in den Comics diese Mittel und so besteht eine einfache Analogie zur Wirklichkeit. (Die Atom-Bombe wurde in den Comics vorweggenommen.) Der amerikanische Archetyp des »tinkerers«, des genialen Bastlers Edison'scher Prägung, wurde zum Mad Scientist aufgebläht — Weltvernichtung als wissenschaftliches Experiment. 128
Aus: Fantastic Four, Nr. 48. © 1965 Marvel Comics Group Immer gigantischer wurden die Auseinandersetzungen zwischen Gut und Böse in den Marvel Comics. Dr. Richard Doom, Marvels Richard III., feiert hier noch einen seiner grandiosen Triumphe, Aus: Fantastic Four, Nr. 57, Zeichner: Jack Kirby und Joe Sinnott. © 1966 Marvel Comics Group
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Relativ früh erkannte man, daß Comics als didaktisches Hilfsmittel eingesetzt werden können. Die ComicbookReihe Treasure Chest richtete sich früher primär an die Kinder in Kirchenschulen, deshalb auch die religiöse Inspiration, die lange Zeit vermittelt werden sollte. Aus: Treasure Chest, Vol. 19, Nr. 5, Zeichner: Bill Lignante. © 1963 Geo. A. Pflaum Publisher, Inc.
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Senator Kefauver: Here is your May 22 issue. This seems to be a man with a bloody ax holding a woman's head up which has been severed from her body. Do you think that is in good taste? Mr. Gaines: Yes, sir; I do, for the cover of a horror comic. A cover in bad taste, for example, might be defined as holding the head a little higher so that the neck could be seen dripping blood from it and moving the body over a little further so that the neck of the body could be seen to be bloody. Senator Kefauver: You have blood coming out of her mouth. Mr. Gaines: A little. U.S. CONGRESS, SENATE, COMIC BOOKS AND JUVENILE DELINQUENCY1
V Kritik und Zensur Dr. Wertham und der Horror Selbst heute, nach über drei Jahrzehnten andauernder Kontroversen, ist immer noch nicht eindeutig bewiesen, ob Comics, Film und Fernsehen schädliche Einflüsse auf die jugendlichen Konsumenten haben. Ein Modell, das die Wirkung der Massenmedien greifbar machte, läßt noch immer auf sich warten. Werden durch Comics Aggressionen stimuliert, kanalisiert oder reduziert? Sind Comics Katalysator oder Ableiter, führen sie eine Katharsiswirkung herbei? Verstärken sie Neigungen zu Gewalt und Kriminalität? Alle diese sich gegenseitig widersprechenden Wirkungen der Massenmedien sind wissenschaftlich belegt worden und haben schließlich nur eine einzige definitive Aussage ergeben: Die jeweilige Wirkung der Comics (und der anderen Medien) ist von so vielen verschiedenen Determinanten abhängig, daß eine allgemeine Aussage über die Wirkung und damit ein Pauschalurteil nicht möglich ist. Die Reaktion der Leser ist abhängig von ihrer unterschiedlichen psychischen Situation, wobei auch beim einzelnen Eeser zu verschiedenen Zeiten verschiedene Reaktionen zu beobachten sind. Dieser psychische Zustand ist vom Alter, der sozialen Stellung, von Erziehung, Bildungsgrad und vielen anderen Komponenten bestimmt. Unsichere und labile Leser reagieren stärker, zeigen häufiger Aggressionssteigerungen als ausgeglichene Rezipienten. Aber es geht ja in erster Linie gar nicht darum, ob Darstellung von Violenz oder Sex anoder abregt, sondern welche gesellschaftlichen Werte und Verhaltensnormen dem Leser der Comics vermittelt werden. Gerade die »guten, harmlosen« Comics sind da bislang zuwenig beachtet worden.2
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Mangels eines definitiven Beweises für die Schuld der Comics müssen ihre Gegner in den USA also weiterhin zusehen, wie ihre Nation verderbt. Für sie ist klar: Universitäten im Aufruhr, zerrüttete Familien, school dropouts, uneheliche Kinder, Geistes- und Ge schlechtskrankheiten, entfremdete Menschen, Rassenhaß und Drogensucht werden durch die Massenmedien verursacht. Und die Regierung schreitet nicht ein, sondern setzt nur immer neue Untersuchungskommissionen ein. Die von Präsident Johnson 1968 nach der Ermordung Robert Kennedys eingesetzte »National Commission on the Causes and Prevention of Violence«, die sich auch mit der Gewalt in den Medien (einschließlich der Comics) befaßte, deutet in ihrem Bericht an, daß die Wurzeln der Probleme tief in der Gesellschaft selbst säßen. Trotzdem treten jetzt, nach einer gewissen Ruhepause, die Gegner der Comics wieder auf den Plan. Die zunehmende Liberalisierung in der Handhabung des Codes, der ja die Violenz keineswegs eingedämmt habe, die immer häufiger auftauchenden Nachdrucke von alten Comics aus der Zeit vor dem Code (gelegentlich auch hier in Deutschland) und die vielen Verleger, die sich um keinen Code kümmern, lassen die alten, abgenützten Argumente wieder erschallen. Und noch heute argumentiert man wie der notorische Dr. Wertham in den 40er und 50er Jahren.3 Viele der neuen Kämpen gegen die Medien haben sich primär das Fernsehen als Angriffsziel gewählt, doch die Comics kommen dabei nicht zu kurz, sind doch die Formulierungen überall dieselben. Der Durchschnittsamerikaner sieht umgerechnet 3000 ganze Tage fern, blickt also 9 volle Jahre seines Lebens in die »boob-tube«. Entscheidender als die Comics hat das Fernsehen die Lebensgewohnheiten und die politische Landschaft verändert. Mittlerweile hat man sich an die Dar-
Eines der lustigsten und mildesten Beispiele, wie in den Comic Books voreingenommene Kritik an diesem Medium auf den Arm genommen wurde. Wie viele der früheren Comicsgegner zürnt und argumentiert auch Donald rein emotional und von Vorurteilen geprägt. Aus: Die tollsten Geschichten von Donald Duck, Zeichner: Carl Barx. © 1965 Walt Disney Productions / Ehapa Verlag Stuttgart
Stellung von Violenz gewöhnt. Für Erwachsene ist selbst die zelebrierte Apotheose der Gewalt in Sam Peckinpahs Film »The Wild Bunch« schon wieder »old hat«. Doch die unschuldigen Kleinen, die nun auch noch durch Sex-Unterricht an den Schulen bedroht werden, müssen vor dieser und der Gefährdung durch dargestellte Scheinviolenz bewahrt werden. Der Inhalt der Comics ist durch die Gesellschaftsform, in der sie entstehen, geprägt. Eine Tabuisierung, ein Verbot oder eine Änderung des Medieninhalts durch Zensur oder Autozensur schafft die Ursachen der Bedürfnisse, die die Comics kompensieren, nicht aus der Welt. Deshalb kümmerte der jahrzehntelange Kampf um Verbot und Zensur Kinder und Erwachsene gleichermaßen herzlich wenig. Die Comics wurden und werden weiterhin gierig verschlungen. Gewiß dienen die Comics in ihrer Mehrzahl der Einübung des Jugendlichen in die bestehenden Verhältnisse und müssen unter diesem Aspekt kritisch betrachtet werden. Das hysterische Geschrei der Tugendwächter aber, die auf die Oberflächenphänomene Sex und Gewalt starrten, lenkte von der Tatsache ab, daß hier Symptome, aber nicht Ursachen bekämpft wurden, und ließ nur zu leicht übersehen, daß die Wirklichkeit an Grausamkeit der Scheinwelt in den Medien immer weit überlegen war und daß keine der eingeführten Zensuren und Codes, sowohl des Films, des Fernsehens als auch der Comics in Verbrechensstatistiken einen auch nur irgendwie spürbaren Niederschlag gefunden hätte. Zwei der bemerkenswertesten und einflußreichsten Kritiker der Comic Books waren Gershom Legman und Frederic Wertham. Legman vertritt in seinem Buch »Love and Death«4 1949 die These, daß die in der Massenliteratur und den Comics dargestellte Violenz aus einer Umwertung der durch gesellschaftliche Tabus und Restriktionen verdrängten Sexualität hervorgeht. Mit brillantem Stil kam Legman damals näher an die Grundfragen heran, als es Wertham und seine
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Epigonen bis heute vermochten, ungeachtet dessen, daß auch er ein wenig über das Ziel hinausschoß: »That the publishers, editors, artists, and writers of comic-books are degenerates and belong into jail, goes without saying . . .« (S. 45) oder ». . . the two comic-book companies staffed entirely by homo sexuals and operating out of our most phalliform skyscraper.« (S. 43) Seine These interpretiert diese Umwertung nicht als eine durch die repressive Zivilisation allgemein bedingte Hinwendung vom Eros zum Thanatos, sondern als kommerzialisierte und von der hypokritischen Gesellschaft sanktionierte Perversion natürlicher Sexualität. Legman deutet 1949 (!) zumindest schon an, daß die erste Ursache der Zerrüttung der jugendlichen Psyche nicht in den Massenmedien, sondern in der sie hervorbringenden Gesellschaft selbst liegt. Da der Leser seine Aggressionen nicht gegen das System, die eigentliche Ursache seiner Frustrationen richten darf, wird ihm in bestimmten Identifikationsgestalten der Massenmedien eine Art Sündenbock geliefert, an dem er sich abreagieren kann. Legman meint, daß auch die Phantasiewelt, in die sich Kinder flüchten, aus der Frustration resultiert, die ihnen im Elternhaus und in der Schule zuteil wird. Ersatzbefriedigung bieten die aufregenden Abenteuer der Comic Books. »Es ist Kindern verboten, sich in ihrer Phantasie gegen die Autorität aufzulehnen — sich etwa das Töten ihres Vaters vorzustellen — ebensowenig wie sich die Frau den Mord an ihrem Gatten vorstellen darf. Eine Literatur, die offen »images« solcher Vorstellungen anbieten würde, wäre über Nacht verboten. Aber in der Identifikation, die in Comic Strips ermöglicht wird — in den Katzenjammer Kids oder in der puppenartigen Blondie — können sowohl Vater als auch Gatte gründlich verdroschen, geplagt, erniedrigt und täglich gedemütigt werden. Von dieser nur halb endgültigen Aggressivität, das heißt indirekt vollzogenen Morden eingelullt, verlangt die Zensur nur, daß in der letzten Sequenz Hans &
Fritz für ihre ›Unartigkeit‹ per Rohrstock gezüchtigt werden und Blondie in ihre inferiore Position — trotz allem doch nur eine Frau zu sein — zurückkehrt. In anderen Worten, der Status quo muß am Schluß für den Leser wieder in seiner oberflächlichen Ausgangslage sein. Unter dieser Bedingung der Unvollständigkeit ist das Phantasiebild des direkten Angriffs gestattet. Doch da der Angriff gegen die Autorität gerichtet ist, muß er bestraft werden und darf letzten Endes nichts verändern.« (S. 28) Den größten Anteil an der Erzwingung des Comics Codes und der anschließenden Säuberung der Hefte darf zweifellos Dr. Frederic Wertham für sich in Anspruch nehmen, dessen Anschuldigungen auf seinem in den 40er Jahren begonnenen Kreuzzug in dem 1954 erschienenen Buch »Seduction of the Innocent«5 zusammengefaßt wurden und kulminierten. Durch zahlreiche Publikationen und Fernsehauftritte gelangte Wertham zu einer gewissen nationalen Berühmt heit. Er hat bis heute seinen Standpunkt nicht geändert, ihn in seinem Buch »Sign for Cain« 1964 nochmals bekräftigt, sich mittlerweilen aber primär auf das Fernsehen als Ursache der Mißstände in der Gesellschaft verlegt. Wertham sah in den Herstellern und Verlegern der Comic Books schlechthin sadistische Vampire, die die Lebenssäfte der unschuldigen Kleinen aussaugten. »Comic Books stellen eine systematische Vergiftung des Brunnens der kindlichen Spontaneität dar und stellen die Weichen für spätere aggressive Verbrechen.« (S. 29) Nachdem er als Dr. Frederick Muttontop oder Dr. Frederic Froyd von den Verlegern in Geschichten eingebaut und verspottet worden war, erreichte der Savonarola der Comics jedoch sehr bald, daß seinen Gegnern das Lachen verging. Die von Wertham befragten zahlreichen jugendlichen Delinquenten, die aus zerrütteten sozialen Verhältnissen kamen, lasen alle Comic Books. Ein elternloser jugendlicher Mörder las Comics. Im Zimmer eines jugendlichen Selbstmörders wurden Comic Books gefunden. Werthams Forderung nach Verbot und legaler Zensur war von seiner Warte aus nur zu verständlich. Die bei Dr. Werthams klinischen Untersuchungen und bei allen späteren Laborversuchen eruierten Wirkungen der Comics müssen nicht den tatsächlichen Wirkungen entsprechen, und selbst wenn, betrifft diese tatsächliche Wirkung immer nur eine kleine Gruppe, die bereits anderweitig schwer sozial geschädigt wurde und nicht unbedingt des zusätzlichen Anstoßes durch die Comic Books bedurft hätte, um gerichtsnotorisch zu werden. Die Sammlung von Bildzitaten in Werthams Buch stellt in der Tat eine Anhäufung grausiger Szenen dar. Da ist auch eine Illustration jener von Jack Davis gezeichneten berühmten B.C. Geschichte, in der ein ganz besonderes Baseball-Spiel abgehalten wird. Als Ball dient der Kopf eines Menschen, der Torso gibt den Fängerschutz ab und die Eingeweide werden als Markierungen verwendet. Eine weitere der von Wertham zusammengetragenen Abbildungen, in der zwei
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Leichen hinter einem Auto hergeschleift werden, ist wegen ihres lustigen Bildtextes inzwischen Geschichte geworden: »Diese Kieswege sind Gift für die Reifen!« Antwort: »Ja, aber du mußt zugeben, es gibt nichts besseres, um Gesichter auszuradieren.« Kein Kind kann von solchen Ungeheuerlichkeiten unberührt bleiben. »I want to be a sex-maniac«, zitiert Wertham in einer Kapitelüberschrift eines der befragten Kinder, denn die Comic Books verführten die Leser ja nicht nur zu Verbrechen und Grausamkeit, sondern auch zu sexuellen Perversionen. Ende der 40er Jahre begann nicht nur im Film die Zeit des Busenfetischismus, auch die Comics wurden davon erfaßt. Die Protagonistinnen der Hefte brauchten sich ihres Brustumfangs durchwegs nicht zu schämen und geizten keineswegs mit tiefen Einblicken oder hautengen Pullovern. Die Phantom-Lady und besonders die Dschungelheldinnen gingen zudem nur leicht geschürzt auf Abenteuer aus. Von der jugendlichen Leserschaft wurden deshalb die Comic Books, in denen dies besonders auffällig war, »headlight-comics« (headlights = vorstehende Autoscheinwerfer) genannt. Kinsey klärte die Amerikaner ja erst 1948 mit »Sexual Behavior in the Human Male« auf, daß Masturbation unschädlich ist. Nicht nur sexuelle Stimulation, sondern ein durch die Art der Darstellungen bewirktes Kanalisieren des kindlichen Sexualempfindens auf Masochismus, Sadismus und Fetischismus war zu befürchten. Wähnte man doch, daß darüber hinaus noch allerorten gut plazierte Phalli und andere Sexualsymbole lauerten. Wer ungewöhnlich viel Phantasie besitzt, kann in dem von Dr. Wertham vergrößert wiedergegebenen Ausschnitt aus der Schultermuskulatur einer Comics-Figur die Darstellung eines mons veneris erkennen. Wertham sah auch in der Schlinge von Wonder Womans magischem Lasso ein Vaginasymbol. Die Subtilität ihres Namens Diana (Aktäon!) Prince (nicht Princess!) übersah er. Deutlich vermeinte er auch die Homosexualität der Superhelden zu erkennen, womit er genau das Gegenteil behauptet, wie all jene, die in Superhelden sexlose Neutren sehen. Da heißt es von Robin, dem Gefährten Batmans: »He often Stands with his legs spread, the genital region descreetly evident«. (S. 191) Wie sollte er sonst stehen? Kenner wissen darüberhinaus, daß Robin im Gegensatz zu den anderen Superhelden ein grünes Höschen aus dickem, cordartigem Stoff mit Schuppenmuster bevorzugt, das den etwas fülligen Effekt hervorruft. Hier ist die berühmte Stelle aus Werthams Buch im Wortlaut: »Sometimes Batman ends up in bed injured and young Robin is shown sitting next to him. At home they lead an idyllic life. They are Bruce Wayne and »Dick« Grayson. Bruce Wayne ist described äs a »socialite« and the official relationship is that Dick is Bruce's ward. They live in sumptuous quarters, with beautiful flowers in large vases, and have a butler, Alfred. Batman is sometimes shown in a dressing gown. As they sit by the fireplace the young boy sometimes
worries about his partner: ›Something's wrong with Bruce. He hasn't been himself these past few days.‹ It is like a wish dream of two homosexuals living together. Sometimes they are shown on a couch, Bruce reclining and Dick sitting nextto him, jacket off, collar open, and his hand on his friend's arm.« (S. 190) Bei der Fernsehadaption von Batman wollte man solchen Bedenken zuvorkommen, und führte eine Tante ein, deren Funktion es war, das misogyn-homoerotische Element im Wayneschen Haushalt etwas zu mildern. Das Buch schließt ergreifend, wie Wertham der Mutter eines jugendlichen Delinquenten bestätigt, daß sie oder ihre Erziehung keineswegs am Fehlverhalten ihres Kindes schuld seien. Man konnte ja einfach den Comics die Schuld geben. Werthams große Zeit war auch die Zeit des McCarthyismus, in der man allgemein hysterisch und blindlings reagierte. Natürlich ist es leicht, von der heutigen Warte aus rückblikkend zu urteilen. Man hat inzwischen die Bedeutung der Elementarstufe für die künftige Entwicklung des Kindes erkannt, und fragt nicht mehr primär nach Schaden oder Nutzen der Comics, sondern nach den von ihnen vermittelten Werten und Normen, nach der Rolle der Comics im Soziationsprozeß der Leser. Die grundlegenden Charakterzüge des Kindes werden von seinen Eltern geprägt. »Parents should set the Standards, keep track and stick to their guns«, ist der gesunde Rat, den Dr. Spock6 den besorgten Eltern für den Umgang mit Comics, Fernsehen und Film gibt. Die violentesten und grausamsten aller Darstellungen in den Massenmedien finden sich in Zeichentrickfilmen und Comics, in denen sich anthropomorphe Tiere wie Bugs Bunny und seine Freunde oder Tom und Jerry gegenseitig in die Luft sprengen, mit Dampfmaschinen plattwalzen und andere ähnlich liebevolle Behandlungen angedeihen lassen. Nicht nur bei unseren Kleinen, für die sie bestimmt sind, rufen diese Filme und Comics hellstes Entzücken hervor. Hier ist am deutlichsten zu erkennen, daß die Violenz die Funktion hat, im illusionären Nachvollzug von Gewaltakten die durch Frustrationen angestaute Aggressivität abzureagieren. Auf diese Art kann man sich in gesellschaftlich sanktionierter Weise mit der aggressiv handelnden Person identifizieren, sich selbst pseudoaggressiv betätigen und voll Freude die an anderen ausgeübte Violenz erleben. Da dies den Grund der Frustrationen im realen Leben nicht beseitigt, ist die Erleichterung nur temporär. Das illusionäre Violenzsurrogat anstelle echter Bedürfnisbefriedigung wird so von Kindheit an verinnerlicht und konditioniert den Menschen für das entfremdete Leben.
Die Geschichte des Verbrechens Die Geschichte der Comic Books ist die Geschichte ihrer Anfeindungen. So wurden sie zum Beispiel 1940, als sie sich gerade erst richtig zu etablieren begannen, von der Chicago
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Daily News als »giftige pilzartige Wucherung« bezeichnet. Und ebenfalls 1940 begannen in der Comicbook-Industrie die Abwehrmaßnahmen. DC National formulierte damals bereits einen firmeneigenen Comic Code, an den sich jeder Zeichner und Autor zu halten hatte. Die Comic Strips dagegen blieben nach anfänglichen Schwierigkeiten — erste Angriffe waren zum Beispiel 1911 gegen Mutt & Jeff gestartet worden — unbehelligt, da sie daraufhin alsbald strenge Maßnahmen der Selbstzensur eingeführt hatten. Die Comicstrip-Syndikate verwahrten sich deshalb auch dagegen, mit den Comic Books in einen Topf geworfen zu werden, da man deren Namen bald automatisch mit grausigen Verbrechen, Horror und Jugendgefährdung assoziierte — ein Stigma, unter dem die Comic Books bis heute leiden. Nach dem Krieg wurde die Darstellung von Verbrechen in den Comic Books immer stärker forciert. Was man allerdings unter »crime comics« versteht, ist Definitionssache. Für Legman und Wertham war einzig der Akt der Gewalt entscheidend. Ob dieser im Western-Heft oder bei Donald Duck (!) vollzogen wurde, war uninteressant, das jeweilige Heft wurde dadurch zum Crime Comic Book. So waren nach Werthams Definition 1946 nur ein Zehntel der Gesamtproduktion Crime Comics, 1949 etwa die Hälfte und 1954, kurz vor Einführung des Comics Codes, die überwiegende Mehrheit aller auf dem Markt befindlichen Hefte. Pro Monat kamen etwa 80 Millionen Comic Books in den Verkauf. Im freien Wettbewerb versuchte ein Verleger den anderen im Angebot und in der Dosierung zu übertreffen, so daß manche hier eine Art Greshamsches Gesetz in Anwendung sahen, nach dem die »schlechten« Comic Books nach und nach die »guten« verdrängten. Die echten Crime Comics stellten eine eigene Spezies dar, ein Genre, in dem die amerikanische Gesellschaft wohl am realistischsten geschildert wurde. Ihre Herstellung endete abrupt mit der Einführung des Codes. Diesen Comics warf man vor, das Verbrechen zu glorifizieren, es um seiner selbst willen darzustellen. Die Verteidiger der Comic Books konterten mit dem Argument, die Darstellung von Violenz wäre einfach eine dramatische Notwendigkeit. Gewalt gäbe es auch in Märchen, Mythen und bei Shakespeare. Dort ist aber die Ge walt (und alles andere was die Comics mit klassischer Literatur gemeinsam haben) in ein Bezugssystem gestellt, in dem die einzelnen Ingredienzien ihre spezifische Begrenztheit durchbrechen. In den damaligen Crime Comics speziell ist die Gewalt treibendes Element einer linear additiven Handlung, die keine Reflexion erforderlich macht. CRIME prangte in riesigen Lettern auf den Umschlagbildern der erfolgreichsten Hefte des Genres und in vergleichsweise winzigen Buchstaben stand darunter — does not pay, ein Motto, das für die Hersteller auf keinen Fall zutraf. Bei der Art der Plazierung in den Regalen sprang natürlich immer nur ein Wort ins Auge, wie bei: GANGSTERS — can't win;
Ins Auge sprang stets CRIME, das Verbrechen, nicht die ebenfalls im Titel stehende Gerechtigkeit der Justiz. © 1954 Charlton Comics Group
CRIMINALS — on the run; Justice traps the GU1LTY; GUNS against gangsters; There is no escape for PUBLIC ENEMIES; LAWBREAKERS — always lose; MURDER Incorporated, CRIME und punishment und so weiter in endloser Folge. Auf dem Umschlag konnte man bei genauerem Hinsehen auch lesen: »Dedicated to the eradication of crime«, was die Kritiker allerdings als schieren Hohn emp fanden. Darüberhinaus waren viele der Geschichten »wahr«! Es vermochte allerdings nur den Käufern, nicht den Kritikern, zu imponieren, daß die Hefte »True facts from the files of the FBI« boten. Aufschriften wie »Adapted from true Police and FBI cases« gaben den Comic Books den Tarnmantel der Authentizität. Hefte wie All-True Crime, Official True Crime, Authentic Police Cases, Famous Crimes oder True Crimes waren aber vom Inhalt her nicht von den anderen zu unterscheiden.
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Beliebt waren die »wahren« Geschichten aus den Akten der Polizei und des FBI. Aber auch diese »Authentizität« vermochte die Comicsgegner nicht zu beeindrucken. © 1954 Headline Publications, Inc.
Am heftigsten wurde in der von den Crime Comics herausgeforderten Kritik beklagt, daß den jugendlichen Lesern mit diesen Heften die Technik des Verbrechens gezeigt wurde. Man brauche es nur ein wenig besser zu machen als der Protagonist, um am Schluß der Polizei zu entgehen. Da die dargestellten Verbrechen zur Nachahmung anregten (so sagten die Kritiker), könnte aus dem Bankraub in den Comic Books dann der Überfall auf den Bonbonladen werden. Die Gier der jugendlichen Leser nach Violenz und Sadismus wurde als sozialpathologischer Zug bezeichnet, geboren aus der Brutalisierung der Menschen durch den zweiten Weltkrieg. Einer der schwersten Vorwürfe — etwas das dann mit dem Comics Code besonders ausdrücklich verboten wurde — richtete sich gegen die gelegentlich gezeigte Düpierung der Polizei, denn das fand besonderen Anklang. Der Haß auf die Polizei als Repressionsinstrument der Gesellschaft findet heute seinen Ausdruck in den Underground Comics. Die Fas-
Die Comic Books wollten hinter den Gangsterfilmen nicht zurückstehen. Was im Film später als klassische »schwarze Serie« deklariert wurde, konnte in der Comicsversio n vorerst nur das Mißfallen der Comicsfeinde erregen. © 1953 Hillman Publications
zination der Crime Comics lag darin, daß Verbrechen, »Vice«, schon immer interessanter, schillernder als die Tugend war. Überdies trägt der Gangster auch die Charakterzüge des amerikanischen Idealtyps. Er ist hart, tough und sucht den Erfolg. Da die amerikanische Ideologie den Erfolg zum obersten Gebot machte, war Verbrechen als Mittel zum Zweck zu sehen und erst dann schlecht, wenn es sich nicht auszahlte. Mit seiner Waffe ist der Gangster die Verkörperung des archaischen Jägers, der sich im Dschungel der Großstadt behauptet. Der Gangster hat darüberhinaus heldenhafte Züge, da er gegen eine hoffnungslose Übermacht ankämpft — die gesellschaftlichen Tabus fordern seine Bestrafung. Natürlich sympathisiert der Leser stets mit dem »Underdog«, der durch den Robin Hood-Touch noch mehr zur Identifikationsfigur wird. Doch am stärksten wirkt der Mut des dargestellten Kriminellen, das zu tun, was auch der Eeser im Unterbewußtsein zu tun wünscht, aber nicht auszuführen wagt. Die aufgestaute Aversion gegen die Repression und die Restriktionen der Gesellschaft, gegen Gesetze und Tabus werden hier dargestellt. Und so erklärt sich der Erfolg der Crime Comics aus der Ambivalenz der Leserpsyche. Uneingestanden ist der Leser für den Gangster, da er sich mit einem normalen, tugendhaften Protagonisten kaum identifizieren möchte, und ist am
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Schluß doch erleichtert, daß der Gesetzesbrecher bestraft wird, seine »just deserts« erhält und so der Drang nach Sicherheit und Ordnung bestätigt wird.7 Etwas blieb den Comic Books erspart: Mickey Spillane hatte seinen Privatdetektiv Mike Hammer unter dem Namen Mike Danger ursprünglich für die Comics konzipiert. Doch Timely war wegen des damaligen Überangebots an Crime Comic Books nicht interessiert. Spillanes ausgearbeitetes Expose wurde dann unter dem Titel »I the Jury« zum Sensationsbestseller. »I the Jury« als Comic Book hätte zweifellos die Einführung des Comic Code beschleunigt. Viele der Crime Comics boten natürlich nicht nur Gangster als Identifikationsfiguren an. Beliebt war auch das Thema der normalen frustrierten Frauen und Ehegatten, die einen Mord begingen, dabei aber wegen eines dummen Zufalls das perfekte Verbrechen nicht schafften. An dieser Stelle vollzog sich der Übergang von Crime zum Genre des Horror Comic Book, bei dem die Darstellung des Geschehens nicht zu einer wie auch immer gearteten Reizung von diskreten Aggressionsgelüsten diente, sondern das genüßliche Schaudern des Lesers hervorzurufen suchte. Deshalb wurde nun dem Text besondere Sorgfalt gewidmet, denn der in der Phantasie des Einzelnen provozierte Terror ist viel stärker als der bereits in Bildern vorfabrizierte Schrecken. Gewisse Grenzen des ›guten Geschmacks‹ mußten natürlich gewahrt bleiben. Hier zwei Beispiele dieser Technik: Case I: A man is shown lifting an axe preparatory to striking his wife on the floor. In the next frame he lowers the axe; the wife is not shown but the caption reads: »Bertha squealed as Norman brought the axe down. The swinging of steel and the thud of the razor-sharp metal against flesh cut the squeal short.« In the next frame he holds the axe poised again, the body still not exposed and the caption reads: »He brought the axe -down again and again, hacking, severing, dismembering.« Case II: »His victim's shrieks died to a bubbling moan . . . then a final death rattle . . . You did not stop swinging the chair until the thing on the floor was nothing but a mass of oozing scarlet pulp. No body is shown but the entire frame is colored red.«* Der im Off dargestellte Mord ist durch den ausgeweiteten Text zweifellos ungleich effektvoller. Es verwundert nicht, daß schon lange vor 1950 überall in den USA Kreuzzüge gegen die Comic Books unternommen wurden. So etablierte sich zum Beispiel 1948 »The Greater
Cincinnati-Committee on Evaluation of Comic Books«. Eine Predigt des Methodistenpfarrers Dr. Jesse L. Murrel, der dann als Vorsitzender des Komitees füngierte, hatte den Anstoß zur spontanen Aktion gegeben. Nicht nur hier wurden die Aktionen von der Kanzel aus inspiriert und dirigiert. Meist waren es lokale »Parents Teacher Association«-Verbände, aber auch der »National Congress of Parents and Teachers« war aktiviert. Es kam sogar zu Comicsverbrennungen. Solchermaßen gewarnt, versuchte »The Association of Comics Magazine Publishers« bereits im Juli 1948 einen Code für die Industrie zu formulieren, der die Mitgliederfirmen dazu anhalten sollte, ihre Produkte von Sex, Obszönitäten und Sadismen freizuhalten. Doch die Mitglieder dieser Vereinigung hatten nur 30 Prozent Marktanteil. Die großen Firmen National Publications, Fawcett und Dell machten nicht mit, da sie ihre Hefte für nicht beanstandenswert hielten und deshalb verhindern wollten, daß ihr Name in dieser Kontrollinstanz zur Tarnung für andere Produzenten dienen könnte. Diese Vereinigung löste sich dann auch 1950 wieder auf. Im Jahre 1949 hatten die Crime-Produzenten versucht, sich von Crime auf melodramatische Liebesgeschichten für Teenager, auf »Romance«, zu verlegen. Aber die geringen Verkaufszahlen veranlaßten diese Verleger, 1950 alsbald wieder auf das bewährte Verbrechen zurückzugreifen. Nun etablierte sich auch ein neues Genre: Horror wurde von William Gaines mit seinen E. C. Comics eingeführt. Das Zeichen E. C. stand nun für Entertaining Comics, und diese Comics liefen bestimmt nicht Gefahr, mit den E. C. Comics von William Gaines' Vater, den Educational Comics, verwechselt zu werden. Bill Gaines und Al Feldstein begannen zwei Science Fiction Books (Weird Science und Weird Fantasy) und mehrere Horror Comics: Vault of Horror, Tales from the Crypt, Shock SuspenStories, Crime SuspenStories. Harvey Kurtzman, dessen genialem Geist später MAD entsprang, edierte zu jener Zeit noch mehrere Kriegscomics für E. C., die damals nicht nur vom zeichnerisch-ästhetischen Standpunkt das Beste produzierten, was auf dem Markt war. Wallace Wood, Jack Davis, Johnny Craig und Al Williamson, der später hinzukam, waren einige aus dieser profilierten E. C.-Garde. Man arbeitete bewußt in der Tradition von Edgar Allen Poe, wobei es ja nicht falsch ist, nekrophile Beziehungen, rigor mortis oder wandelnde Eeichen in allen Stadien der Verwesung, als Übernahme Poescher Elemente zu bezeichnen. Der Versuch, einen subtilen Horror zu erzielen, und das hohe Niveau der E. C. Comics werden durch die Comicsadaptionen der Ge schichten von Ray Bradbury charakterisiert. Doch die Gegner der Comics riefen nun Greuel! — ganz gleich, welches Niveau Horror und Gewalt hatten. Bei den Verlagen standen mittlerweile auch Psychologen und Psychiater unter Vertrag, die den Inhalt der Comic Books anzupassen hatten und fachlich qualifiziert die Verteidigung führen sollten.
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Dieses E. C. Heft diente in der Senatsuntersuchung über Jugendgefährdung als Paradebeispiel für die verderbliche Wirkung der Crime- und Horror-Comics. William M. Gaines von E. C. sagte freiwillig neben anderen aus der Branche für die Comic Books aus (siehe Eingangszitat). Aus: Crime SuspenStories, Nr. 22. © 1954 E. C. Publications
Dr. Wertham sah sich nun mit Kollegen konfrontiert, deren Aussagen in Kurzform auf dem Umschlag der Hefte als Legitimation und eine Art Freibrief mit abgedruckt wurden. Doch auch Regierungsstellen waren nun aufmerksam geworden. Das »Kefauver Crime Committee« stellte auch Hearings über die Comics an (Eingangszitat). Walt Kelly, Joe Musial und Milton Caniff von der »National Cartoonist Society« waren eingeladen worden, über die Zeitungscomics auszusagen. Nachdem sie auf die Fragen geantwortet hatten, zeichneten sie für die Komiteemitglieder ihre Figuren zum Mitnehmen. Es verwundert nicht, daß das Komitee — derart »bestochen«, — keine definitiven Zusammenhänge zwischen Comics und Jugendkriminalität sah. Interessanterweise kam bei den Hearings auf, daß durch das »en-bloc«-Auslieferungsund Vertriebssystem die Wiederverkäufer gezwungen waren, die Horror-Comics in ihrem Sortiment zu führen, da man ihnen sonst überhaupt keine Zeitschriften und Comics geliefert hätte.
Mehrere kleine Kommissionen dagegen befanden die Comics für schuldig. Ein Gesetz gegen die »jugendgefährdenden« Comic Books stand unmittelbar bevor. 5 Jahre zuvor hatte der Gouverneur des Staates New York durch sein Veto ein Gesetz gegen die Horror- und Crime-Comics mit der Begründung verhindert, es sei gegen die Verfassung und könnte auch gegen Autoren wie Poe oder Conan Doyle angewandt werden. Doch auch diese Argumente nützten nun nichts mehr. Es war für die Verleger höchste Zeit geworden, selbst etwas Entscheidendes zu unternehmen. Am 26. Oktober 1954 trat dann der Comics Code der CMAA, der »Comics Magazine Association of America«, in Kraft. Dieser Vereinigung waren bis auf Dell Publications und Gilberton Company alle wichtigen Comics-Produzenten beigetreten. Wie schon 1948 wollte Dell auch diesmal nicht mitmachen, da dieser Verlag der Ansicht war, der Code reguliere nur die Herstellung von Crime- und Horror-Comics, anstatt sie zu eliminieren. Aber Dell war durchaus bereit, mit der CMAA zu kooperieren. Mit einem eigenen Code, den es nach 1954 formulierte, bot Dell »saubere« Comics. Stolz war am Ende jedes Heftes das »DELL-Pledge to Parents« abgedruckt:
Dieses »Versprechen an die Eltern« erschien bis 1962, dem Ende der Zusammenarbeit von Dell und Western Publishing Co., in allen Heften.
Für die Industrie war die Einführung des Codes in der Tat ein schwerer Schlag. Wer von den Crime-Produzenten nicht beigetreten war, verschwand fortan von der Bühne. Von den 29 Firmen, die Crime-Comics nach Werthams Definition hergestellt hatten, lösten sich 24 nach Einführung des Codes auf, ein Erfolg, dessen sich der Doktor nicht ungern rühmte. Es war aber nicht der Code allein, der also wirkte. Im Mai 1955, sechs Monate nach seinem Inkrafttreten, wurde es im Staate New York in der Tat illegal, »obszöne und beanstandenswerte« Comics an Jugendliche zu verkaufen, oder Worte wie »crime, sex, horror, terror«, im Titel zu führen. Auch in einem In Comics-Magazinen wie Eerie und Creepy ist seit 1965 für Hor rorfans möglich, was in den Horror -Comics bis zur Einführung des Codes gang und gäbe war. Zwa r ist das Niveau nunmehr wesentlich höher und die Geschichten sind nicht so spekulativ wie früher, jedoch wird das Pflöcken eines Vampirs hier nicht ganz sachgemäß demonstriert. Aus: Eerie, Nr. 14, Zeichner: Angelo Torres. © 1967 Warren Publishing Co, New York City, USA
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Dutzend anderer Staaten ging man gesetzlich gegen diese Art von Comic Book vor. In einem radikalen Gesundschrump fungsprozeß wurde die Produktion von Crime- und HorrorComics völlig eingestellt. Im Falle der E. C. Comics war dies für die erwachsenen Leser ein unersetzlicher Verlust, der mittlerweile zum Teil durch die Horror-Magazine Creepy und Eerie und das schon vor dem Code entstandene MAD kompensiert wurde. E. C. beendete die Produktion seiner Comic Books bereits einen Monat vor Einführung des Codes, um, wie man es sarkastisch formulierte, »dem Flehen der Eltern Amerikas« nachzugeben. Davon abgesehen gab es vor dem Code ja sowieso eine Überproduktion. Die Wiederverkäufer konnten die etwa 350 verschiedenen Titel pro Monat gar nicht alle bewältigen. Verbrechen gab es nur noch einige Zeit in gemäßigter Form mit Gesetzeshütern als Protagonisten, so zum Beispiel in DCs District Attorney. Die Comic Books waren nun von allem Anstößigen gereinigt und die Komitees lösten sich in dem Hochgefühl auf, ganze Arbeit geleistet zu haben.
Der Code und die Zensur »The seal on the cover means this code-approved comic magazine is wholesome entertaining educational«, sagt dazu die »Code Authority«. Zumindest bis 1962 (Marvel!) bedeutete das Siegel auf dem Umschlag, daß der Inhalt des Heftes nichts Außergewöhnliches bot, ja meist schlicht langweilig war. Der Code (siehe Anhang) ist in drei Hauptteile gegliedert und verbietet die Darstellung von Kriminalität und Gewalt. Er gebietet sauberen Dialog (wobei Slang und »colloquialisms« gestattet sind), dezente Bekleidung und geschmackvolle Behandlung von Ehe und Sex. Dazu kommen noch Bestimmungen, die die Werbung in den Comic Books — ebenfalls ein bevorzugtes Angriffsziel der Kritiker — strengen Richtlinien unterwerfen. Welchen Einfluß die Code Authority auch heute noch hat, kann man daran sehen, daß die Einbeziehung von Drogen in Comicsgeschichten — ein seit langem aktuelles Thema, das sich als Subjektmaterie anbot — bis 1971 völlig tabu war. Man war der Ansicht, daß »narcotics addiction«, ganz gleich wie vorsichtig das Problem angegangen würde, in einem Medium, das auf Kinder hin ausgerichtet ist, nicht verwendbar sei.9 Der Code wurde und wird strikt gehandhabt. 1969 wurden von 1100 Comic Books 309 beanstandet. Es handelt sich aber dabei fast ausschließlich um Grammatikfehler oder kleinere Vergehen gegen den Code, das heißt, pro Heft wird oft nur in einem Bild die Kleidung oder ähnliches moniert, da die Verlage selbst bereits ihre Produkte auf die Richtlinien der CMAA hin ausrichten. Vom Herbst 1954 bis Ende 1969 prüfte die CMAA genau 18125 Comic Books. Die Comic Books können bei Nichtbeanstandung in Druck gegeben werden oder sie müssen vorher noch abgeändert werden, wenn sie zum Beispiel mit folgenden Anmerkungen zurückkommen: Page 18 — Panel 1 — Position of girl in relation to man is very suggestive. Change her position to indicate that both her legs are on the other side of tbe man. We suggest that her leg, shown in the foreground, be removed and man's body he extended downward. oder: Page 28 — Panel l — »Mush« should be »Must«. Das wichtigste Gegenargument, mit dem die Industrie damals die Vorwürfe der Jugendgefährdung zurückwies, war der Hinweis auf das erste Amendment zur amerikanischen Verfassung, in dem er heißt: »Congress shall make no law ... abridging the freedom of speech.« Das Recht der freien Meinungsäußerung bot Schutz vor den Attacken der Comicsgegner. Die Comics-Industrie schuf sich selbst ihren Moralkodex, um dem Druck der Öffentlichkeit standzuhalten, da auch eine Maßnahme vom Gesetzgeber zu erwarten war.
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Selbstzensur und Verbote entstanden in Amerika immer dann, wenn organisierte Sektionen der Öffentlichkeit, wie die »Parents Teacher Association«, gegen etwas auftraten. Die Selbstzensur bildet dann eine Selbstregulierungsinstanz, einen Selbstschutz der Unterhaltungsindustrie, um kommerziell weiterhin bestehen zu können. Erfordern es die Zeichen der Zeit und tritt in der Haltung dieser Verbände eine Liberalisierung ein, dann wird die Selbstzensur abgelegt, wie es bei der Filmindustrie geschehen ist. Auch der »Production Code« des Films war damals für Hollywood notwendig geworden, um weiterhin bestehen zu können — eine Selbstzensur, die die Entwicklung um Jahrzehnte aufhielt. Beim Fernsehen wird die freie künstlerische Entfaltung durch privatwirtschaftliche Interessen, durch den Sponsor unterdrückt. Hier hat die Selbstzensur am deutlichsten die Funktion, mit dem Unterhaltungsprodukt ein Mittelmaß zu erhalten, das möglichst wenige vergrämt, um möglichst breite Gesellschaftsschichten ansprechen zu können. Je größer das zu erreichende Publikum ist, desto harmloser muß die Darstellungsweise sein. Diese Selbstzensur stellt somit allgemein auch einen Selbstschutz der Gesellschaft zur Erhaltung des Status quo dar. Bei den Crime-Comics wollte man eine Verbildung der kindlichen Psyche verhindern, so daß sie innerhalb der gesellschaftlichen Normen blieb und dachte. Der Comics Code hatte durchaus auch positive Wirkungen. Der Dialog in den Comic Books wurde stärker betont, verbessert und auch das rein formalästhetische Niveau der Zeichnungen stieg an, da wegen des vorerst wesentlich geringeren Umfangs der Produktion schlechte Zeichner nicht mehr beschäftigt wurden. Die Geschichten wurden zwar nun nicht weniger phantastisch, trotzdem haftete ihnen besonders im Genre der Science Fiction etwas akademisch Langweiliges an, da eben fortan die Action-Szenen nicht als violente Handlungen deutbar sein durften. Wie im Film nach Einführung des »Production Codes«, hatte auch in den Comics die Selbstzensur zur Folge, daß die Westernhelden sehr viel trefflicher als zuvor schössen. Statt des Körpers trafen sie nun konstant den Oberarm oder schössen dem Gegner den Colt aus der Hand. Anfang der 60er Jahre wies dann Stan Lee von Marvel der Comics-Industrie neue Wege, die aus der schöpferischen und kommerziellen Stagnation herausführten, ohne den Code zu umgehen. Humanisierung der Helden hieß das Zauberwort. Dieses Siegel auf einem Comic Book bestätigte seit 1954, daß der Inhalt »bekömmlich, unterhaltend und erziehend« war.
Ein ganz großer Bestseller war die Bibel als Comic Book. Außer den originalen »Picture Stories from the Bible« gab es noch mehrere andere Fassungen, wie diese von Classics Illustrated, die der Erbauung dienten, aber auch als Unterrichtsmaterial für Sonntagsschulen geeignet waren. © 1947 Gilberton Company Inc.
Comics im Klassenzimmer Durch ihre Bild-Text-Kombination sind die Comics ein wertvolles und wichtiges Hilfsmittel zum Erlernen des Lesens. Nur hingewiesen sei hier auf ihre vorzügliche Eignung zum Erlernen fremder Sprachen. Durch die Darstellung von Dingen und Aktionen und die Repetierung der Begriffe im Zusammenhang der Geschichte in verschiedenen Bildkonnektionen werden neue Worte leicht und spielerisch erlernt. Wegen ihrer expressiven Kraft, die den Lesern den Inhalt der Comics leichter einprägt, wurden die Comics schon seit langem als didaktisches Mittel eingesetzt. Nachdem sie ihre Rolle als Propagandavehikel im zweiten Weltkrieg so ausgezeichnet gespielt hatten, wurden sie danach immer stärker als Werbeträger für die verschiedensten Zwecke herangezogen. Pamphlete in Comicsform propagierten nun die Belange der Army, Navy oder des Ministeriums für Health, Education and Welfare (HEW).
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Daneben wurden aber auch mit Unterrichtsmaterial in Comic Book-Form vorzügliche Erfolge erzielt. Ein Superman Work Book wurde in den späten 40er Jahren in mehr als 2500 Klassenzimmern als Lesefibel verwendet und bis heute machen den Kindern vertraute Comicsfiguren wie Steve Canyon das Lernen leichter. Wer will, kann heute auch Latein und andere Sprachen mit den Peanuts lernen, obwohl es im ersten Augenblick etwas befremdlich wirkt, wenn Charlie Brown beim Baseballspiel bemerkt: »Garrulitas magna in campo interno magnopere jaculatorem cohortatur!« (Lots of chatter in the infield is very inspiring to a pitcher!) 1941 wurden George Heckts True Comics von The Parents 9 Institute, den Herausgebern von Parents Magazine, publiziert, um der Kritik an den Comic Books entgegenzutreten und um zu beweisen, daß das Medium geeignet war, bei den Kritikern ein positives Echo hervorzurufen. True Comics brachten, wie der Name sagt, faktisches Material in Bildform und boten abenteuerliche Comicsgeschichten über herausragende Persönlichkeiten der (amerikanischen) Vergangenheit. Die True Comics fanden starke Beachtung, jedoch nicht bei den Kindern. Ihr kommerzieller Erfolg war nicht überragend und so wurden sie nach einigen Jahren wieder eingestellt. Dagegen konnte M. C. Gaines, der Vater von Bill Gaines (MAD), mit seinen Picture Stories From the Bible einen phänomenalen Erfolg erzielen. M. C. Gaines, der große Inngvator der Comic Books — er entdeckte zum Beispiel Batman, Superman und Wonder Woman — konnte sehen, wie in den 40er Jahren seine biblia pauperum in über 2000 Sonntagsschulen als Unterrichtsmaterial verwendet wurde. Bis heute wurden davon mehr als 5 Millionen Stück verkauft. Die Dornenkrönung, die Kreuzigung und das Blut erzeugten auch in den Comics diesselben ehrfürchtig-genüßlichen Schauer, die religiöse Bücher in Amerika früher zu den großen Bestsellern machten. (Life of the Martyrs war später auch als Comic Book erhältlich.) 1945 gründete M. C. Gaines die Firma Educational Comics und produzierte, von anerkannten Erziehern beraten, seine berühmten Picture Stories, als Unterrichtsmaterial in Comic Book-Form: Picture Stories from Shakespeare, Picture Stories from Science, Picture Stories from Mythology, Picture Stories from Natural History und Picture Stories from American History. Später führten Classics Illustrated diese Form der Comics mit ihren »The World Around Us«-Heften fort. E. C. stellte auch Comic Books für Erwachsene her, zum Beispiel Desert Dawn für das American Museum of Natural History oder The Bible and the Workingman für die Ge werkschaft CIO. Bei diesen Comic Books ist die Absicht, dem Kind ein ansprechendes Lesematerial zu bieten, das sowohl erzieht als auch unterhält. Man ist didaktisch nicht im engen Sinn des Dozierenden, sondern in der Kombination des abwechslungsreich Unterhaltenden und Informierenden.
Beispielhaft dafür ist auch heute noch Treasure Chest of Fun and Fact, deren Hauptleserschaft aus Kindern von Kirchenschulen in den USA und Kanada besteht. Früher war der Inhalt von Treasure Chest hauptsächlich religiös inspiriert, obwohl trotz Spezialisierung des Verlags auf religiöse Publikationen und Unterrichtsmaterial keine direkte Verbindung zur katholischen Kirche besteht. Diese Ausrichtung wurde aber aufgegeben, als man erkannte, daß Treasure Chest anders als Gaines Picture Stories from the Bible nur wenig als Unterrichtsmaterial benutzt wurde. Harmlose Unterhaltung a la Disney, die Taten berühmter Männer zum Ansporn, machen zusammen mit Fakten und Witzen den Inhalt von Treasure Chest aus. Meist geben Comic Books nicht vor, mehr als bloße Unterhaltung zu sein, und die Leser wissen auch, was sie gekauft haben. Da Comics aber besonders in dem Alter gelesen werden, in dem sie Einfluß auf Formung und Entwicklung des rudimentären literarischen Geschmacks haben könnten, sind die Besorgnisse groß, daß die Comics die Bildung eben dieses Geschmacks verhindern. Dr. Spock sagt dazu sehr richtig, daß die künftige Lektüre des Kindes nicht primär durch das Lesematerial bestimmt wird, das es im Alter von (zum Beispiel) neun Jahren konsumiert, sondern durch die Atmosphäre, in der es aufwächst.
Schon Flaubert schilderte, wie der Geist der jugendlichen Madame Bovary trunken war vom Inhalt der Scharteken Walter Scotts & Co. Ähnliche Wirkungen der Comics sind im Grunde harmloser Natur. Kritiker befürchten, daß das Anbieten eines fertigen Images durch die visuelle Impression die Phantasie schematisieren und standardisieren würde. Comics wären ja überhaupt völlige Zeitvergeudung, Rezipieren ohne Bereicherung des Geistes. Doch wie in den Märchen ist auch bei den Comics die irreale, fremdartige Szenerie phantasieanregend genug. Anders als bei Film und Fernsehen, die in kontinuierlicher Totalsprache ein rein passives Rezipieren ermöglichen, muß in den Comics die Verbindung der einzelnen Bildschriftstationen der Ge schichten dazuersonnen werden, da auch der Text keine durchgehende Erzählung liefert. Das Jugendbuch, das den Comics immer gegenübergestellt wird, aber genau deren Textniveau hat, ist hier keineswegs überlegen. Der Nacheffekt der Phantasiereizung ist bei den Comics eher noch stärker.
Links: Eine abgewogene Mischung von Unterhaltung und Wissenswertem bot Treasure Chest of Fun and Fact. © 1963 Geo. A. Pflaum Publisher, Inc. Oben: Die exzellenten Classics Illustrated wollen nicht als Comicbook-Surrogat der Klassiker verstanden werden, sondern als Einführung in höhere literarische Gefilde. Der Erfolg bestätigt diese Absicht. © 1967 Gilberton Company Inc.
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Besonders gut und getreu ist in den Classics lllustrated Shakespeare aufbereitet. Die Zeichner sind angehalten, in Kostüm und Dekor historische Sorgfalt walten zu lassen. Aus: »Romeo and Juliet«, Classics lllustrated, Nr. 134, Zeichner: George R. Evans. © 1963 Gilberton Company, Inc.
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Die Symbiose von Comics Appeal und ›gutem Buch‹ findet bei den Illustrierten Klassikern statt. Die Werke der Weltliteratur, die hier in Comicsform aufbereitet sind, sollen keineswegs das Lesen der Vorlagen ersparen, sondern Anreiz zur weiteren Beschäftigung mit den Klassikern geben. Die Classics Illustrated verstehen sich nicht als Ersatz für Shakespeare & Co., wohl aber als Alternative zu den »schlechten«, violenten Comic Books, mit denen sie nicht im selben Atemzug genannt werden wollen. Die Classics Illustrated wollen dem jungen Leser die allgemeine Aussage des Klassikers nahebringen und ihn unter Umständen dazu anregen, das Original zu lesen. Am Schluß jeder Ausgabe steht folgende Botschaft: »Now that you have read the Classics Illustrated Edition, don't miss the added enjoyment of reading the original, obtainable at your school or public library.« Ein bekannter Witz über die Classics Illustrated hat durchaus realen Hintergrund:
Die Classics Illustrated vermögen sehr wohl, im kindlichen oder jugendlichen Leser den Geschmack für die Komplexität »höherer« Literatur zu wecken. Man ist nur insoweit didaktisch, wie es auch das übernommene klassische Werk war. Die sogenannten Klassiker wie Shakespeare, Dumas, Scott, Dickens oder Cooper bilden den Grundstock des immer wieder aufgelegten Repertoires. In den knapp dreißig Jahren ihrer Existenz wurden von den Classics Illustrated über l Milliarde Exemplare verkauft, die Übersetzungen in andere Sprachen — es sind gegenwärtig mehr als dreißig — miteingerechnet. Dazu gibt es noch die Classics Illustrated Junior Edition, in denen für Kinder unter 10 Jahren Märchen und Sagen aufbereitet werden. Auch bei C.I. hat man eine Art Code, der die Darstellung von Grausamkeiten unterbindet, und die artists and writers an die Gepflogenheiten des »guten Geschmacks« gemahnt. Classics Illustrated sind sowohl originale Kunstwerke als auch Adaptionen. Beide Begriffe gehen hier fluktuierend ineinander über. Die überwiegende Mehrzahl der Hefte ist sehr gut gezeichnet, man findet so exzellente Zeichner wie George R. Evans, A. McWilliams und Jack Kirby. Auch die naive Zeichenkunst des Alexander Blum übt einen eigentümlichen Reiz aus. Es ist die »Schuld« der Classics Illustrated, wenn man schon Kindermund zitieren hört:
"Okay, dass, will you please take out your books and turn to page 213 . . . that's page 11 foryou, Mr. Barnwell." Aus: RIVET. © 1962 Help! Magazine, Inc.
Manchen Puristen ist diese »Emaskulierung« höherer Literatur unerträglich. Doch solche Einwände sind unerheblich. Die Classics Illustrated verwenden äußerste Sorgfalt darauf, ein so genaues Abbild der Vorlage wie im Comicbook-Format nur irgend möglich zu bieten. Daß bei der Adaption von Goethes Faust der Teil II etwas kurz geraten ist, ist im Hinblick auf das Alter der Leser wahrscheinlich verzeihlich.
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Aus: »Hamlet«, Classics Illustrated, Nr. 99, Zeichner: Alexander Blum. © 1965 Gilberton Company, Inc.
Ein Paradebeispiel für die von Comic Books vermittelten Verhaltensnormen: »Love-Romances«, die Geschichten von Liebesleid und Lust für die Heranwachsenden, bilden immer noch einen Hauptbestandteil des Comicsangebots. Gemäß dem Comics Code betonen sie »die Werte des Heimes und die Unverletzlichkeit der Ehe«. Aus: Young Love, Nr. 80, Zeichner: Gray Morrow. © 1970 National Periodical Publications, Inc.
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All Comic characters, from Dagwood to Ming of Mongo, an socially significant in the sense that they propagate imagei that play up to our prejudices. JULES FEIFFER
VI Das Gesellschaftsbild der Comics Auf einer Versammlung der National Cartoonist Society im April 1962 berichtete Hal Foster von den vielen wütenden Protestbriefen, die ihn erreichten, weil er in Prince Valiant, seinem Epos aus dem Mittelalter, auch nubische Negersklaven, einen jüdischen Kaufmann und einen Iren hatte auftreten lassen. »Man darf nur reiche, protestantische Weiße zeichnen«, meinte Foster dazu.1 Diese Reaktion aus dem Publikum bestärkte die Syndikate nur darin, die Comics so auszurichten, daß sie keiner Gesellschaftsgruppe Anlaß zu Mißmut geben konnten. Nicht nur Prince Valiant, bei dem dies einer Geschichtsfälschung gleichkommt, sondern vor allem Strips, deren Zeitbezug eindeutig ist, säubert man deshalb von vornherein von allem, was Anstoß erregen könnte. Als Dale Messick in Brenda Starr in einer Gruppe von Teenagern auch ein Negermädchen abbildete, ließ sie das Syndikat wieder entfernen, um die Leser in den Südstaaten nicht zu brüskieren.2 Alfred Andriola erzählte auf dem Comicskongreß in Bordighera, daß er seinen Strip Kerry Drake nicht nur einmal ändern mußte, bevor er dem Syndikat genehm war. So wollte er zum Beispiel einer geheimnisumwitterten Schriftstellerin den Namen Jett Black geben, die aber trotz dieses Namens keine Negerin war. Der Zensor meinte, dies könne bei den Negern unter den Lesern anstößig wirken und deswegen entschloß sich Andriola für den Namen »Säble Black«, weil dies, wie alle Kompromisse, niemand schockierte und überhaupt nichts aussagte.3
Auf die Frage, ob er einmal einen Strip auf Grund eines aktuellen Ereignisses habe abändern müssen, erzählte Creig Flessel, wie er nach der Ermordung Kennedys eine Folge von David Crane vor der Veröffentlichung retouchierte. In der ersten Fassung wurde ein Bankräuber auf der Flucht von einem Polizisten erschossen. Dann wurde der Revolver entfernt und der Bankräuber starb an einem Herzanfall. Das Syndikat hatte befürchtet, daß in diesem Augenblick die Schilderung weiterer Gewalttaten nicht gut wäre.4 Nicht einmal Charles Schulz konnte mit seinen Peanuts ganz ohne Restriktionen arbeiten. Auch er bekam einige seiner Strips wieder vom Syndikat zurück. So wurde zum Beispiel eine Folge nicht verwendet, in der sich die Flanelldecke von Linus selbständig macht und Lucy anspringt. Dem Syndikat schien diese Violenz dem Leser nicht zumutbar.5 Diese besonders bekannten Fälle von »Zensur« liegen nun schon einige Zeit zurück. Über die Zensur der Syndikate hinaus entscheiden auch noch die Zeitungen über den Inhalt ihrer Comicsseiten. Sie ändern bestimmte Folgen oder stellen eine mißliebige Serie zeitweilig oder gänzlich ab. So durfte Mort Walkers Beetle Bailey von 1954 bis 1955 nicht in der Militärzeitung Stars and Stripes erscheinen, da man der Ansicht war, die Moral der Soldaten würde durch die gutmütige Parodie der Army geschädigt. Nach zwanzig Jahren, in denen nur weiße Charaktere in Beetle Bailey aufgetreten waren, hielt es Mort Walker für angebracht, seinen Strip
Zensur und Gesellschaftsbild in den Comics 1970: Wegen des neu eingeführten Negers Lt. Flap erschien Beetle Bailey zeitweilig nicht in Zeitungen der Südstaaten und in der Pacific Edition von Stars & Stripes. (c) 1971 King Features/Bulls
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etwas zeitgemäßer zu gestalten. Deshalb führte er Leutnant Flap ein, einen Neger mit Afro-Haarstil und einem »goatee« (ein Bärtchen im Henri-Quarte-Stil). Die Atlantic Edition der Stars and Stripes erschien daraufhin im Oktober 1970 (!) ohne Beetle Bailey und auch einige Zeitungen in den Südstaaten verbannten den mild satirischen Soldatenstrip von ihren Seiten.6 Diese Beispiele verdeutlichen, wie sehr das Gesellschaftsbild der Comics durch die Selbstzensur bestimmt ist. Um möglichst keinen Leser zu vergrämen, ist die Darstellung von Sex, Ge walttätigkeiten und sozialen Mißständen, mit einem Wort alles Provokative tabu/ Da hieß es etwa beim King Features Syndicate: »Wir haben einen ›Code of the Comics‹. Kein Blut, keine Folterungen, kein Horror, keine kontroversen Themen wie Religion, Politik oder Hautfarbe. Vor allem anderen ist die Beachtung des guten Geschmacks wichtig. Die Comics müssen sauber sein. Keine suggestiven Posen und keine indezente Kleidung. Die Gestalten müssen natürlich und lebendig wirken. In anderen Worten, Blondie zum Beispiel stellt in humorvoller Form den Alltag einer normalen amerikanischen Familie dar.« 8 Viele Jahrzehnte lang haben so die Comics das Idealbild Amerikas aus früheren Zeiten, den »good old days«, dargestellt. Es war ein Amerika, das eben nie in der Wirklichkeit, sondern nur in den Medien existierte. Es war das Amerika Norman Rockwells, wie er es für die Titelbilder der Saturday Evening Post malte. Es ist von symbolhafter Bedeutung, daß diese Zeitschrift aufgehört hat zu existieren.
Die Untersuchung von Francis E. Barcus über die Welt der Sonntagsstrips anhand einer repräsentativen Auswahl von 1943 bis 1958 brachte klare Aufschlüsse über die Verteilung der Genres zu jenem Zeitpunkt. 64,2 Prozent der Comics waren humoriger Natur, während 35,8 Prozent Abenteuer und Melodram aller Schattierungen ausmachten. 73,8 Prozent aller Strips, die in den USA spielten, hatten die Stadt als Schauplatz, während andere Länder zu 80,9 Prozent als ländlich dargestellt wurden. Da war noch viel Entwicklungshilfe zu leisten. Die Charaktere gehörten nach Barcus zum größten Teil der lower und middle dass mit 10 respektive 68 Prozent an, während Gerhart Saenger bei einer anderen Auffächerung der Gesellschaft 53 Prozent als der lower middle dass zugehörig fand. Zwei Drittel aller männlichen Figuren kamen bei Saenger aus der »white collar group«, während nur 12 Prozent Arbeiter waren. Dessen ungeachtet werden die Comic Strips gerne auch als »proletarian novel« bezeichnet, als meist lustige Unterhaltung für die Bumsteads Amerikas. 72 Prozent der Comicsbevölkerung sind Männer, doch während der unverheiratete Abenteurer jeder Situation gewachsen ist, stehen verheiratete Männer meist unter dem Pantoffel. Auch ist in den lustigen Strips der Mann häufig kleiner als die Frau gezeichnet, da sie eindeutig die Szene beherrscht. Ein ähnlicher Rollentausch findet bei der Aggressivität von Mann und Frau statt. Der aggressive Junggeselle wird durch die Heirat emaskuliert und die vorher schutzbedürftige Frau wandelt sich zum tyrannischen Haupt der Familie. Blondie ist dafür das Paradebeispiel.
Das Gesellschaftsbild der Comics in Zahlen Schon die nackten Zahlen der empirischen Untersuchungen beweisen, daß die Comics kein annähernd getreues Bild der Gesellschaft zeigen. Publikationen über Comics greifen dabei immer wieder auf die wenigen Untersuchungen zurück, die überhaupt gemacht worden sind.9 Es sind fast durchwegs Analysen von Zeitungsstrips, da man hier ein klar abgrenzbares Untersuchungsfeld zur Verfügung hatte. Die Comic Books dagegen sind praktisch völlig vernachlässigt worden, weil es ungleich schwieriger war, altes Untersuchungsmaterial zu beschaffen. Die prozentuale Verteilung von Abenteuer, Verbrechen oder Familienhumor in den Comic Strips ist als empirisches Ergebnis für sich besonders in Bezug auf das frühere Gesellschaftsbild der Comics interessant. Nie oder nur ganz selten aber wurden diese Zahlen in den Arbeiten über Comics durch das Wissen um die Selbstzensur und deren Hintergründe ergänzt. Immer wieder wurde verifiziert, daß die Seiten mit Comic Strips der bei weitem am häufigsten gelesene Teil in den Zeitungen ist. Ebenso wurde stets festgestellt, daß die Comics gleichermaßen von allen Gesellschaftsschichten gelesen werden.
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Ethnische Minoritäten Barcus fand 1958 nur einen einzigen Neger in den von ihm untersuchten Strips, während Spiegelmann 1950 gar keinen entdecken konnte. Wie alle anderen Medien boten die Comics dem Rezipienten eine Scheinwelt sozialer Mythen und trugen so unter anderem dazu bei, daß der Neger für viele Amerikaner ein »Invisible Man« (Ralph Ellison) war. Eine von den genannten Untersuchungen nicht erfaßte, weil nicht besonders erfolgreiche Serie, war Tom Littles Sunflower Street, die aber immerhin von 1934 bis in die 50er Jahre lief. In ihr waren Neger die Hauptpersonen, doch handelte es sich durchwegs um tumbe, stets lustige »Sambo«-Typen. Von entsprechender Art waren in den Comics vor dem zweiten Weltkrieg die in Dienstbotenrollen relativ häufigen Neger. Nicht nur Walt Wallet in Gasoline Alley hatte eine Negermamie. Es gab früher ein wenig ethnischen Humor in den Comic Strips, wie zum Beispiel in Abie the Agent von Harry Hershfield. Doch Schlemihl Abie Kabibbles Humor war sanft und entsprang nicht der Eigenart dieser Minorität oder ihrer Konfrontation mit den Gojim.
Pottsy von Jay Irving. Dieser Strip um den gutmütigen Polizisten Pottsy mit seinem sanften Humor ist ein gelindes Loblied auf die Polizei. In dieser Folge darf wieder einmal Abie the Agent von Harry Hershfield auftreten, der einst ein wenig ethnischen Hum or in die Funnies gebracht hatte. © 1970 Chicago Tribune — New York News Syndicate
Bringing Up Father und Mickey Finn, bezogen zumindest einen Teil ihres Witzes aus der irischen Abstammung der Hauptpersonen. Aber Jiggs deutet ja nur durch sein »corned beef and cabbages« noch eine gewisse Verbindung zur grünen Insel an. Auch Polizist Mickey Finn in Lank Leonards gleichnamigem Strip ist irischer Abstammung. Er ging zuerst auf Streife und wurde später Sheriff in einer Kleinstadt. Nach und nach wurde aber sein Onkel Bill zum dominierenden Charakter des Strips. Daß Mickeys Wurzeln in Irland liegen, ist eben nur aus seiner Profession erkenntlich. (Da nach der Einwanderungswelle aus Irland ein Großteil der New Yorker Polizisten Iren waren, wurde in jener Zeit das Stereotyp vom irischen Polizisten geprägt.) Nur der Kundige deutet auch seinen Namen als Ableitung von der irischen Sagengestalt Finn (Finn's again wake). Nicht nur die Neger waren in den Comics unterrepräsentiert. Auch die »poor whites«, die Puertoricaner und die sozial nach wie vor am stärksten benachteiligte Minorität, die Indianer, einfach alle, die nicht ins Idealbild der USA gepaßt hätten, suchte man als Protagonisten in den Comics vergebens. Die Comics propagierten nur das Leitbild der angelsächsischen Weißen, der WASPs (White-Anglo-SaxonProtestants). Da aber auch die Religion tabu war, durfte
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man sich bei der Darstellung von Heiraten auf keine Konfession festlegen. Man ging dem Problem dadurch aus dem Weg, daß man zwar die Religion nicht negierte, die Hochzeitsriten aber nur auf die in allen Konfessionen üblichen Schlußformeln der Trauungszeremonie beschränkte (»I do!«). Die Vermählung Tarzans war offenbar religiös nicht ganz neutral, weshalb eine New Yorker Zeitung der russischorthodoxen Kirche die Hochzeitsszene eliminierte und im Text stattdessen auf eine zivile Hochzeit hinwies. Wird aber in einem Strip wirklich einmal eine Religionszugehörigkeit der Akteure direkt angesprochen, so handelt es sich meist um Katholiken, die auch der Hollywoodfilm bevorzugte. Wurden Indianer und Neger in den Comics überhaupt dargestellt, dann nur so, daß sich ethnische Minoritäten im Publikum mit den weißen Protagonisten identifizierten und so ihre eigene Herkunft und kulturelle Tradition verleugneten. In den Comics wurde so wie in den anderen Medien die Chance zu einem »cultural pluralism«, einem kulturellen und rassischen Pluralismus verspielt. Indem man die Angehörigen ethnischer Minoritäten meist geflissentlich übersah, blieb der Mythos von der Chancengleichheit aller Amerikaner, gleich welcher Hautfarbe, Herkunft und sozialen Stellung unangetastet.
Hier ist der »Uhlan vom Rhein« an der Reihe, erleuchtet zu werden, denn selbst ein exemplarischer Vertreter der »Masterrace« vermag sich der Argumentation in den Comic Books nicht zu verschließen. Dieses Beispiel aus dem Jahre 1965 zeigt, wie sich die Comic Books immer stärker für die Gleichstellung der Farbigen engagierten. Aus: Our Army at War, Nr. 160, Zeichner: Joe Kubert. © 1965 National Periodical Publications, Inc.
Der Krieg als großer Gleichmacher Schlimmer noch als die direkte Negierung war meist, wie ein Neger dargestellt wurde, wenn er tatsächlich den Weg in die Comics fand. Etwa ab 1960 tauchte zuerst in den Comic Books gelegentlich ein Paradeneger auf, der beweisen sollte, wie fortschrittlich die jeweilige Firma eigentlich sei. Es war eine Art »token Integration«, bei der ohne dramaturgische Notwendigkeit »weiße« Rollen von Negern übernommen wurden. Mitte der Sechziger waren die beiden wichtigsten Kampftruppen der Comic Books dem Augenschein nach völlig integriert: In der Easy Company, dem Bataillon von Our Army at War (DC), und in den Howling Commandos in Sergeant Fury (Marvel) sind nahezu alle ethnischen Gruppen vertreten. Die »Howling Commandos« rekrutieren sich aus Gabriel Jones, dem Neger, der so gut Trompete bläst (!), aus Dino Manelli, dem Hollywoodstar italienischer Abstammung (!),
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Dieser Split-Panel, mit dem die Gleichheit aller Menschen symbolhaft dargestellt wird, kündigt schon an, daß der weiße Rassist (links) am Ende der Geschichte durch die edelmütigen Taten des Negers (rechts) bekehrt sein wird. Aus: Our Army at War, Nr 179, Zeichner: Joe Kubert. © 1967 National Periodical Publications, Inc.
aus Izzy Cohen, dem jüdischen Mechaniker aus Brooklyn, dem rothaarigen Iren Dum-Dum Dugan und dem Südstaatler Rebel Ralston. Pinky der Engländer und der Deutsche Eric Koenig kamen erst später hinzu. Ähnlich bestückt ist auch die Darstellerliste der Easy Company, nur ist hier der Neger Jackie Johnson ein früherer Boxweltmeister. Einen Indianer wie Little Sure Shot haben die Howling Commandos nicht. (Der war dafür in Marvels Lieutenant Savage and his Rebel Raiders zu finden.) Wie in vielen Kriegsfilmen derselben Schematik, ließ man in diesen Kriegscomics gerne einen weißen Rassisten auftreten, der sich zum Schluß der jeweiligen Geschichte läuterte. Da sich der von ihm verachtete ethnische Underdog (in den angeführten Beispielen meist die Neger Gabriel Jones oder Jackie Johnson und der Indianer Little Sure Shot) im Augenblick der Gefahr bewährte, wurde dem Verblendeten die Gleichheit aller Rassen vor Augen geführt.
1965 wird erstmals ein Deutscher zum Titelhelden eines amerikanischen Comic Books. Das Weltbild der Comics wurde graduell immer differenzierter. Erich von Hammer, »The Hammer of Hell«, ist der kühnste all jener Ritter der Lüfte, die ihre Turniere nach einem strengen Ehrenkodex über und jenseits des eigentlichen Kriegsschauplatzes austrugen. Aus: StarSpangledWarStories, Nr. 138, Zeichner: Joe Kubert. © 1968 National Periodical
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In der DC-Geschichte »What's the Color of Your. Blood?« (November 1965 — »Only Sgt. Rock dares to bring you the battle tale that's too hot for anyone eise to handle!«), wird gar ein Angehöriger der deutschen Herrenrasse bekehrt. Storm Trooper Uhlan (= Max Schmeling) bekommt von Jackie Johnson (= Joe Louis) eine Bluttransfusion und erkennt, daß auch Neger rotes Blut haben. In allen Kampfgruppen der Comics is t freilich der Anführer, und nur er, ein »echter« Amerikaner. So stammt Sergeant Rock von der Easy Company aus dem Bergbaugebiet des mittleren Westens und Sergeant Fury, der Anführer der Howling Commandos, kommt aus den Slums der Bronx. Sie dokumentieren durch ihre »natürliche« Führerrolle in der Gruppe die Überlegenheit des »wahren« idealtypischen Amerikaners. Diese Rollenverteilung wird auch in den anderen Genres eingehalten. So ist beim Lone Ranger der Weiße der Anführer, die Identifikationsfigur, der strahlende Held. Tonto, sein indianischer Beistand, hat stets den weniger ruhmreichen Part in den Abenteuern. Da er nach so vielen Jahren immer noch gebrochen Englisch spricht, ist es vielleicht doch nicht ohne Bedeutung, daß Tonto auf Spanisch Dummkopf heißt.10 Aus diesem Grund bekam Tonto in der mexikanischen Ausgabe von The Lone Ranger, El Llanero Solitario, den Namen »Toro«. Auch Mandrakes Gefährte Lothar war lange ein dem intelligenten Weißen treu untergebenes dumm-starkes Faktotum. Für ihn, den mit Löwenfell und Fez bekleideten Neger, reichte es nur zum Handlanger des intellektuellen Mandrake. Law and Order Ideologische Konflikte werden in den Comics wie in allen Unterhaltungsmedien auf der Individualebene von Identifikationsfiguren ausgetragen, weil in Unterhaltungsbeiträgen Probleme nur in dieser Verkürzung darstellbar sind. Was diese Leitfiguren machen, ist allein schon durch ihr So-Sein richtig und sanktioniert. Jules Feiffer berichtet von einem Comic Book, das Anfang der 40er Jahre erschien und ein Paradebeispiel für das Ge sellschaftsbild der Comics bietet. In dem Heft mit dem Titel Centaur Funny Pages agierte in der Geschichte »Muss 'em Up« Donovan, ein Polizist, der wegen seiner Brutalität — deshalb sein Spitzname »Muss 'em Up« — zuerst von der Polizei ausgestoßen wird. Dann holt man ihn wieder zurück, da man wegen der steigenden Kriminalität die legalen Methoden der Verbrechensbekämpfung nicht mehr für ausreichend hält. Das Gesetz geht zu zart mit den Gangstern um, »Muss 'em Up« macht es besser.11 Dieses Schema, das Verbrechen mit Gewalt und auf eigene Faust auszurotten, um schneller als auf den geordneten Wegen der Justiz die Ordnung herzustellen, wurde natürlich besonders im Western zum rituellen Mythos erhoben (John
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Fords Film »The Man Who Shot Liberty Valance« ist ein exzellentes Beispiel). Ebenso bietet es die Grundlage der Detective-pulps. Mike Hammer von Mickey Spillane oder Shell Scott von Richard S. Prather handeln wie »Muss 'em Up« Donovan. In den Comic Books wird diese Praktik besonders von den Superhelden angewandt. Relativ schnell allerdings wurden Batman und Superman zu Polizisten ehrenhalber ernannt, so daß sie in ihrem privaten Krieg gegen das Verbrechen nicht mehr außerhalb der Legalität operierten. De facto hat sich dadurch nichts an ihrer Handlungsweise geändert. Action, respektive Darstellung von Violenz, der Kampf ist Hauptmotivation für die Geschichten. Schon früh sahen Kritiker wie Dr. Wertham faschistoide Züge darin, daß die Superhelden das Gesetz in die eigenen Hände nahmen. »Anstatt Gehorsam gegenüber dem Gesetz zu lehren, glorifiziert Superman das Recht des Einzelnen, das Gesetz auf eigene Faust auszuüben.« 12 Wertham verstand unter dem Faschismus der Superhelden ihre Gewalttätigkeit und ihre Nähe zum »Nazi-Nietzschean ›Übermensch‹ in his provincial apotheosis as Superman«,13 dessen Hauptbeschäftigung nach Werthams Analyse in der Eliminierung fremd artig aussehender Bösewichter bestand. Die Superhelden-Comics »zeigen unsere Welt vor einer Art faschistischem Hintergrund der Gewalt, des Hasses und der Vernichtung«.14 Diese Welt ist die »crime-ridden« Megalopolis, die zum Schauplatz des Abenteuers des 20. Jahrhunderts mythifiziert ist, zum Betondschungel, den Superman von oben überwacht. Wertham war dafür dankbar, daß das S auf Supies Brust kein SS war. Andere Kritiker empfanden den gezackten Blitz auf Captain Marvels Trikot als eine Hälfte der SSRunen und die Gewandung von Blackhawk und seiner Truppe erinnerte manche fatal an die Uniformen der »storm troopers«. Leslie Fiedler sagt zur Faschismus-Kontroverse um die Superhelden: »Das ist nicht ganz der Faschismus, als der er manchmal bezeichnet wird. So ist zum Beispiel kein europäischer Antisemitismus im Spiel, trotz der üblichen Hakennase des verbrecherischen Wissenschaftlers. (Die Erfinder und Hauptproduzenten der Comic Books waren nun eben Juden.) Hier wird auch keine Diktatorgestalt nach dem Modell Hitlers oder Stalins verherrlicht; obgleich einer der Archetypen des Erlösers in den Comics Superman heißt, unterscheidet er sich völlig von Nietzsches Gestalt — er ist das Ebenbild des Cincinnatus, das in ihm fortlebt, der Archetypus, der seit Washingtons Zeit die amerikanische Gedankenwelt beherrschte: Der Führer, der für die Dauer der Bedrohung seinen Dienst tut und ohne Dank zu fordern sich wieder ins Privatleben zurückzieht.« 15
Die Superhelden stellen die Ordnung wieder her. Am Ende jeder Geschichte ist der gleiche Status quo wie vor seiner Bedrohung durch den/die/das Verbrecher(n). Was diese charis matischen Führerfiguren machen, ist richtig. So werden immer wieder die zwiespältigen Lesererhpfindungen befriedigt: Auf der einen Seite steht das Verlangen nach Recht und Ordnung, der faschistischen »law and order«-Parole, und gleichzeitig auf der anderen das unartikulierte Verlangen nach archaisch-violentem Verhalten, der Befriedigung der Sehnsucht nach Ausbruch aus dieser Ordnung. Comics-Produzent und Demos Anfang der 50er Jahre gab es bei Charlton ein »negro romance comic«, ein Heft, in dem Negercharaktere die Hauptpersonen waren. Es verkaufte sich sehr schlecht und man wagte den kostspieligen Versuch kein zweites Mal. Wieder und wieder fand man bestätigt, daß auf dem Markt ein Bedarf für das spezielle Comic Book vorhanden sein muß, es sei denn, man wäre auf einen Profit nicht angewiesen. Neger in Comic Books? »If we could sell them we would make them. As simple as that!« 16 Die Befragung einer repräsentativen Auswahl von Lesern ergibt, ob ein Comic Strip überhaupt gestartet wird, und weitere Leseruntersuchungen entscheiden dann über seine Lebensfähigkeit. Jeden Monat gibt bei einem Comic Book die aufs Heft genau ermittelte verkaufte Auflage darüber Auskunft, wie die Leser am Kiosk abgestimmt haben. Bei Marvels Silver Surfer oder DCs Deadman, um zwei neuere Beispiele zu nennen, sank die Auflage unter eine bestimmte Marke und die beiden hervorragenden Reihen wurden eingestellt. Um als Massenmedium kommerziell bestehen zu können, müssen sich die Comics bewußt an den Vulgärgeschmack wenden und versuchen, für möglichst breite Schichten der Bevölkerung verständlich zu sein. Dieser systemimmanente Zwang wurde und wird zum Teil noch heute von den Produzenten dadurch verbrämt, daß sie sich als Diener des öffentlichen Geschmacks bezeichnen. Der Erfolg eines Comic Strips oder Comic Books zeige an, was die Leser wollen. Außerdem könnten die Leser ja aus einem großen Angebot wählen, sie seien nicht gezwungen, bestimmte Comics zu lesen. Änderungen im Bewußtseinsstand des Publikums und ideologische Konflikte können auch in einem per se eskapistischen Medium wie den Comics genauso wie im Film und Fernsehen als Subjektmaterie aufbereitet werden. Die graduelle Zunahme dieser Inhalte zeigt, daß der Bewußtwerdungsprozeß bei den Heranwachsenden selbst wieder zur verkaufbaren Ware wird. Die Produktionsverhältnisse sind der »populär culture«, der durch die Massenmedien geschaffenen und geprägten Kultur, übergeordnet, da die wirtschaftlichen Grundlagen den Inhalt der eskapistischen Medien bestimmen. Wenn von den Medien
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selbst neue Trends initiiert werden, wie zum Beispiel die Humanisierung der Superhelden durch Marvel, so handelt es sich dabei um die Erschließung neuer Marktlücken ohne tiefere gesellschaftliche Notwendigkeit. Die Produzenten der Comics müssen sehr genau auf den jeweiligen Sensus im Publikum horchen, da nichts so wenig gefragt ist, wie die Formel von gestern. Auf diese Weise profitieren alle Medien wechselseitig von den jeweiligen Strömungen. Sie schwimmen auf den Modewellen mit, schaukein sie hoch und werden so zu den eigentlichen Geißelschwingern des Konsumterrors. Diese aktuellen Bezüge sind am deutlichsten in den Comics für die Teenager, etwa bei den Archie-Heften. So sind die Comics in über 70 Jahren zu einer Chronik der sich wandelnden Präferenzen des Publikums geworden. Wenn der Demos, der »Volksgeist«, in den Comics verkörpert ist, dann ist er von den Massenmedien selbst geprägt, da die Zeichner und Autoren selbst von den Massenmedien konditioniert sind und ihre Gesinnung nicht vor Arbeitsbeginn neben das Zeichenbrett hängen können. Gewiß hat man auch bei den Comics wie beim Film das Motto »If you've got a message send it by Western Union überwunden, das noch aus der Zeit stammte, als sich PseudoEngagement und exp lizite Moral in Geschichten nicht bezahlt machten. Für noch nicht veraltet hält man freilich die Ansieht, daß Comics (besonders Kriegscomics) eben reine Unterhaltung seien. Diese »mindless distraction« beinhalte deshalb keine »message«, das heißt sie habe keine didaktische Wirkung.16 Man glaubt, mit Comics als »mindless distraction«, bloßer niveauloser Ablenkung, keinen Schaden anzurichten. Humo rige Comics bieten kurzzeitige Ablenkung. Das illusionär bestandene Abenteuer hat seine sozialpsychologische Funktion in der Möglichkeit zur Flucht aus der Alltagswelt. Die Comics bieten wie Film und Fernsehen Ersatz für wahre Lebenserfüllung. So haben jeder Strip, jede Comicsfigur ihre bestimmte soziale Funktion und Relevanz. »Filme, Theater, Bücher, Magazine und Zeitungen — das ganze System der Massenkultur zur Schaffung und Bewahrung von Ideen, Gefühlen, Lebenseinstellungen und Verhaltensweisen — all dies gibt unserem Leben seine Form und Bedeutung. Die Massenkultur ist der Filter, durch den wir die Realität sehen, und der Spiegel, in dem wir uns selbst betrachten. Letzten Endes hat sie die Tendenz, sogar die Realität zu ersetzen.« 17 Manch ein Hersteller ist sich jedoch der sozialen Relevanz seines Produkts durchaus bewußt. So etwa Stan Lee, der auch versucht, mit den Marvel Comics in starkem Maße didaktisch zu wirken.18 Gerade bei Marvel wird von den Marvelites, den treuen Anhängern des »House of Ideas« (Marvel), das »talking back to the Media« Marshall McLuhans waschkörbeweise wahrgenommen. Denn ein wichtiger direkter Kontakt zwischen Hersteller und Leser sind die Leser-
briefe, die in Amerika in einer für europäische Verhältnisse unglaublichen Anzahl geschrieben werden. Firmen, die eine enge Bindung zu ihren Lesern pflegen, verzeichnen einen besonders starken Briefeingang. M AD bekam schon 1960 über 2000 Briefe pro Woche. Ähnlich ist es bei den großen Comicbook-Herstellern, und so können auf den Leserbriefseiten der Hefte nur die »besten« und lesbaren Briefe abgedruckt werden. Jedes Heft von Marvel (mehr als 20) oder von DC (mehr als 50) hat dafür eine oder zwei Seiten reserviert, die oft zum besten Teil des ganzen Heftes gedeihen können. Nach Erscheinen jedes Comic Books tritt so das Lesertribunal zusammen und gibt sein Urteil ab (auf das die Produzenten auch hören). Bei Marvel begann man schon sehr bald, statt in kurzen, unpersönlichen Bemerkungen oder Erklärungen ausführlicher und mit einem guten Schuß Ironie zu antworten, und bald hob ein regelrechtes Briefwettschreiben an. Die Fans, die die Namen aller Zeichner und Autoren vorwärts und rückwärts sagen können (ein Wechsel bei Zeichner oder Autor eines Abenteuer-Comicbooks ruft immense Reaktionen hervor), beschränkten sich früher auf das Kommentieren und Berichtigen von entdeckten Fehlern und Inkonsequenzen. Das war noch in der Zeit, als die Welt der Comic Books auch auf den Seiten der Leserbriefe in Ordnung war. Wurden damals meist reine Zeichnungs- und Inhaltsformalismen besprochen, so sind heute diese Seiten auch ein Forum, in dem über Wert und Unwert der Ideale Amerikas diskutiert wird. Das prägnanteste Beispiel dafür bietet die Auseinandersetzung um Captain America. Die in den Antworten auf die Briefe (und natürlich im Inhalt der Hefte) vertretene Marvel-Position wird außerdem durch eine regelmäßige Kolumne Stan Lees, die »soap-box«, ergänzt. Dort reflektiert der Spiritus Rector Marvels über die Fragen der Zeit und entwickelt eine Art Marvel-Philosophie, die am folgenden Beispiel vom März 1969 ablesbar ist. »Stan's Soapbox In unseren Geschichten versuchen wir unter anderem zu zeigen, daß niemand ganz gut oder ganz schlecht ist. Sogar ein schäbiger Superbösewicht kann einen versöhnlich stimmenden Charakterzug an sich haben, ebenso wie jeder strahlende Held an verrückten Komplexen leiden kann. Eines der größten Hindernisse für wahren Frieden und Gerechtigkeit auf dieser zerrissenen Welt ist das Gefühl, daß jeder, der auf der anderen Seite des ideologischen Zaunes steht, ein »Bösewicht« ist. Wir wissen nicht, ob Du ein extremer Radikaler oder Mr. Establishment persönlich bist — ob Du ein militanter Neger oder ein liberaler Weißer bist — ob Du ein japsender Protestmarschierer oder ein vergnügter John Bircher bist — aber was es auch ist, bleib nicht an Kindergarten-Etiketten kleben! Es ist an der Zeit, daß wir endlich einsehen, wie fruchtlos es ist, in Kategorien wie Wir und Sie — Schwarz und Weiß zu denken. Vielleicht, ja vielleicht ist die gegnerische Seite nicht ganz schlecht. Vielleicht ist Dein
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eigener Standpunkt nicht der einzig göttlich inspirierte. Vielleicht werden wir erst dann wahres Verständnis füreinander finden, wenn wir dem Gegenüber zuhören, und erst dann einsehen, daß wir niemals über die Regenbogenbrücke ins wahre Nirwana marschieren können — wenn wir es nicht Seite an Seite tun! Excelsior Smiley« Comics und Werbung Anders als das Buch leben Comics nicht allein von den Käufern, sondern zum großen Teil von der Werbung — wobei sie natürlich unter einer bestimmten Auflagenzahl als Werbeträger uninteressant werden. Die Comics leisten so durch die direkte Werbung und durch die von ihnen propagierten Inhalte einen wichtigen Beitrag im Konzert der omnipotenten Verführer. Werbeagenturen erkannten sehr früh die Möglichkeiten der Comics, und es etablierten sich wie für das Radio (und später für das Fernsehen) schon in den 40er Jahren Spezialagenturen für Comicswerbung. Da die Leseranalysen der Agenturen ergaben, daß die Werbung um so wirksamer ist, je stärker sie dem Stil des Werbeträgers, also der Comics, angepaßt ist, wird die Reklame im Comicsstil gestaltet und nicht selten von arrivierten Comicszeichnern selbst gefertigt. Die expressive Kraft von Comicsformalismen wurde von der Werbung lange vor der Pop Art erkannt. Entweder machen Comicsfiguren direkt für ein Produkt Reklame — so zum Beispiel die Peanuts für Ford, Little Lulu für Kleenex, Blondie für Kodak oder Al Capps Fearless Fosdick für ein Frisieröl — oder für die Werbung erfundene Comicfiguren erleben kleine Abenteuer in kurzen Comicsgeschichten. »Fresh Up« Charlie warb für Limonade, Captain Tootsie für Candy. Manche, wie die Spielzeugfiguren Major Matt Mason oder Captain Action bekamen sogar eigene Comic Books beziehungsweise Big Little Books. Wie stark die Verflechtung der Spielzeugindustrie mit den Comics ist, zeigt auch die Puppenfigur Barbie, die ein eigenes Comic Book erhielt. Firmen, die im Comicstil in Comic Books Reklame machen, beteiligen sich an der Sekundärauswertung der Comicfiguren (der Hefte in der die Werbung erscheint), indem sie Plastikfiguren, Bilder und tausenderlei andere Paraphernalia verkaufen oder gratis im Zusammenhang mit ihren Produkten abgeben. Dies praktizierten vornehmlich die Hersteller von FrühstücksCereals (Cornflakes, etc.). Sehr viel nützlicheren Zwecken dient Smokey der Bär, der als Waldhüter besonders für die Verhütung von Waldbränden kämpft. Auch seine Reklame ist im Comicstil und auch er hat ein eigenes Comic Book.
Comicsfiguren eignen sich wegen ihrer großen Beliebtheit vorzüglich als Werbeträger. Geschmacklos wie das meiste in seinen Comic Strips ist auch diese Reklame, in der Al Capp seinen Fearless Fosdick für ein Haaröl agieren läßt. © 1954 United Feature Syndicate, Inc./UPI
Schon 1944 kostete ein Inserat von einer Drittelseite in Puck the Comic Weekly — der Comicsbeilage der Zeitungen der Hearstkette mit annähernd 7 Millionen Auflage — 9500 Dollar. Bei Comic Books wurden bis zu 3000 Dollar pro Seite gefordert. 1971 kostete eine vierfarbige ganzseitige Werbung auf der 4. Umschlagseite zum Beispiel bei DC 10 600 Dollar, eine vierfarbige Innenseite 7475 Dollar. Der Anzeigenpreis gilt für eine Veröffentlichung in der kompletten Comicsgruppe mit einer Auflage von 6,5 Millionen Stück pro Monat. Die Preise variieren natürlich noch, je nachdem, ob eine Anzeige öfters geschaltet wird oder ob nur eine Teilbelegung gewünscht wird. Man kann sich also in etwa ausrechnen, was bis zu 15 Seiten Reklame in einem Heft (von 36 Seiten) einbringen. Die Einnahmen aus der Werbung dienen wie bei der Zeitung dazu, die steigenden Produktionskosten aufzufangen und den Verkaufspreis niedrig zu halten, so daß mit den Lizenzgebühren für Ausgaben in anderen Ländern und den Einnahmen aus dem direkten Verkauf noch ein Gewinn übrigbleibt. Nur eine große Zahl von Serien macht das Geschäft rentabel. Selbst die Comic Books der Western Publishing Co. (= Goldkey, bis 1962 bei Dell verlegt), beinhalten seit 1969 viele Werbeseiten, was sie lange Zeit nicht nötig hatten, da Verleger George T. Delacorte, Jr. (Dell) aus den pulps die Praxis der hohen Auflagen vieler Titel übernommen hatte, die trotz einem guten Drittel Remittenden noch Profite abwarfen. Aber schon in den Fünfzigern tauchten in den Dell-Heften erste Werbeseiten auf. In jedem Comic Book ist natürlich das Werbeobjekt dem Inhalt des Heftes und damit der Altersstufe des Lesers angepaßt. Das heißt also: Spielzeug- und Candy-Reklame in den Comics mit anthropomorphen Tieren für die Kleinen oder Werbung für Luftgewehre in den Westerncomics.
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Am deutlichsten zeigt sich die Funktion des Comicsinhalts als indirekter Vermittler der für den Konsum erforderlichen Leitbilder bei der Bodybuilding-Werbung (früher ausschließlich Charles Atlas), die in den Superhelden-Comicbooks erschien und immer noch erscheint. (Für die Mädchen gibt es in den Romance Comic Books die Werbung für Busenvergrößerer.) In einem kleinen Comic Strip wird die Geschichte eines Leptosomen erzählt, dem ein muskelbepackter Rohling am Strand Sand ins Gesicht kickt. Derart gedemütigt, wird ihm auch noch die Freundin ausgespannt, die für so einen Wurm nunmehr nur Verachtung übrig hat. Als er dann zu Hause sein mitleiderregendes Bild im Spiegel betrachtet, reift der Entschluß, bei Charles Atlas zu partizipieren. Und dank dieses Heimkurses bekommt der Schwächling binnen weniger Tage oder zumindest binnen Wochen ungeheure Muskelpakete. (»I was a 34 Lb. weakling and gained 374 Lbs. in a week. Send for free Catalogue . . .«, wie M AD sich darüber lustig machte.) In einem Rencontre am Strand bekommt der erwähnte Rohling einen Schlag ins Gesicht und das Mädchen kehrt reumütig zu dem neuen Muskelmann zurück (»Why, you are a REAL He-man now!«). Direkte (Charles Atlas) und indirekte Werbung (Superman) ergänzen sich so in den Comic Books bestens. Die Comics propagieren mit ihren Figuren und deren Handlungsweisen die von der Konsumindustrie geforderten Leitbilder. Direkte Werbung und indirekte Beeinflussung des Unterbewußten schaukeln sich gegenseitig auf. Bei Muskeln und Busen ist es der Aufbau illusionärer Partnererwartungen in den Lesern. Die Werbung hat dem Leser längst den Mythos »blondes have more fun« aufoktroyiert. Zwar haben manche schwarzhaarigen Idealgestalten den berühmt en comicsspezifischen Blauschimmer im Haar, der bei Tarzan, Mandrake, Prince
Der ins Sternenbanner gekleidete Captain America, der unbezwingbare »gute Geist« der USA. Lange Zeit galt er als die Inkarnation der amerikanischen Ideale, als amerikanische Institution schlechthin. Aus: Captain America, Nr. 13, Zeichner: Jim Steranko. © 1969 Marvel Comics Group
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Frank Kings Gasolins Alley ist eine jener Institutionen, die den Amerikaner von der Wiege bis zur Bahre begleiten. Skeezix, der am 14. Februar 1921 eingeführt wurde, ist hier (1926) genau 5 Jahre alt. Im Hintergrund die Negermamie in der damals üblichen Charakterisierung. © 1926 The Chicago Tribune — New York News Syndicate
Valiant oder Superman besonders ausgeprägt ist, doch ist es vielleicht kein Zufall, daß gerade die genannten keine gebürtigen oder typischen Amerikaner sind, während so echte Amerikaner wie Sgt. Rock, Steve Canyon, Terry Lee (Terry and the Pirates) oder Captain America blond sind (ob blauäugig läßt sich beim Druckverfahren der Comics selten erkennen). Am lukrativsten ist es, wenn ein Boom entsteht, wie die bereits erwähnte Shmoo-Welle (Li'l Abner) oder die jüngste Peanuts-Euphorie. 1955 war es die Davy Crockett-Welle (Remember the Alamo!), die von den Walt Disney-Studios aus das Land überschwemmte. Die Begeisterung für Waschbärenmützen war in allen Medien indirekt zu spüren. Selbst Charlie Brown trug solch eine Kopfbedeckung. Ein ähnlicher noch größerer Boom wurde mit Batman veranstaltet, bei dem die Begeisterung mit 1001 Batman-Accessoires (nebst Film und Fernsehen) exploitiert wurde. Die Comics als Teil der Kulturindustrie, um Adornos Bezeichnung zu gebrauchen, helfen so mit, die Leser wie die pawlowschen Hunde für die von der Konsumindustrie diktierten Normen des Sozialisationsprozesses zu konditionieren. Die Massenmedien sorgen im Zusammenspiel mit der Werbung durch die von ihnen ausmanipulierten Nöte und Bedürfnisse für den stets funktionierenden, ausweitbaren Konsum, die Grundlage des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Auch die Comics tragen ihr Scherflein zur immer neuen Bedarfsweckung im System des entfremdeten Konsumhedonismus bei. Die amerikanische Institution Eine verkaufte Auflage von rund 300 Millionen Comic Books im Jahr19 und 100 Millionen Leser der Comic Strips pro Tag zeigen die gigantischen Ausmaße, die das Massenmedium Comics allein in den USA angenommen hat. Tag um Tag holen die Comics die Leser in ihre Märchenwelt. Ein endloser Strom von Bildern, ewiges Gleichmaß ohne Anfang und ohne Ende für alle nach der Jahrhundertwende Geborenen, mit Handlungsmustern und Inhaltsschemata, die
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endlos exploitiert werden können: Das sind die Comics, die amerikanische Institution. Wie stark diese Institution auf die Leser einwirkt und durch diese Wirkung sich selbst mythifiziert und verharmlost, läßt sich an der Verbundenheit des Publikums mit seinen Comicslieblingen ablesen. Die Briefflut bei Ravens Tod in Terry and the Pirates, zur Geburt Cookies in Blondie, zu Lena the Hyena in Li'l Abner oder als sich Sandy in Little Orphan Annie verlaufen hatte, um nur vier erzamerikanische Comic Strips zu nennen, werden immer als Beispiele für die »Beliebtheit« der Comics angeführt. Ihr Image wird durch ihre sprachbildnerische Wirkung, ihre Beiträge zum Brauchtum und ihren Impact auf die amerikanische Kultur verbrämt. Als man in den 30er Jahren aus Ersparnisgründen darangehen wollte, den Raumanteil der Comics in den Zeitungen zu verkleinern, ja die Strips zum Teil völlig verschwinden zu lassen, stellte sich bei Ga llup-Untersuchungen heraus, daß es gerade die Comics waren, die den Hauptanreiz zum Kauf der Zeitung ausmachten. (Die Verkleinerung der Formate erfolgte aus rein ökonomischen Gründen vor und im Krieg.) Nach einem flüchtigen Überfliegen der Schlagzeilen stürzt sich der Großteil der Leser auf die Comics-Sektion. Stärker kann das Bedürfnis nach Ablenkung und Eskapismus nicht verdeutlicht werden, das der Leser um so lieber in den Comics befriedigt, als diese wegen ihrer Zensurbestimmungen nur die Umweltvorstellung einer Großen Mehrheit widerspiegeln. Da dieses Bedürfnis heute noch so stark oder noch stärker als vor 70 Jahren ist, bestanden die Comics fort, bürgerten sich ein, wurden zur Gewohnheit, zur Institution mit ritueller Rezeption. »Nun, nebenbei bemerkt, ist das nicht gut? Was ist ein natürlicheres Verhalten unter normalen Menschen, als daß ein Individuum seine inneren Spannungen mit gezeichnetem Witz und vielleicht etwas nettem »make-believe« in einer Ge schichte auflösen will, bevor er sich auf die Bedeutung der Schlagzeilen von heute konzentriert oder ganz einfach die meisten der schrecklichen und unheilkündenden Details, die dahinter stehen, gar nicht erst liest?«20
Nick Fury — Agent of S.H.I.E.L.D. war in den Comic Books einer der besten Ausläufer der Superspion-Welle in Film und Fernsehen. Zeichner Jim Steranko stellte seine Meisterschaft in der Erzielung visueller Effekte hier besonders unter Beweis. Die von ihm erfundenen Apparaturen und technischen Wunderwaffen waren noch stärker von Science Fiction beeinflußt als jene in James Bond-Filmen und »The Man from U.N.C.L.E.« Aus: Strange Tales, Nr. 167. © 1967 Marvel Comics Group
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Faster than a speeding bullet! . . . PWYONNG! — More powerful than a locomotive! . . . WHOOO-OOOT! — Able to leap tall buildings at a single bound! . . . WHOOOOOSH! — Look! Up in the sky! It's a bird! It's a plane! It's . . . SUPERMAN! TITEL DER
» SUPERMAN«-RUNDFUNKSERIE
I must admit that 90% of comics are garbage, but I believe that to be the average for other fields as well — and nearer 100% for television. WALLACE WOOD
VII Intermediale Dependenzen Die gemeinsame Geschichte der Medien Als 1830 die Dampfpresse erfunden wurde, bedeutete dies nicht nur den Aufstieg einer billigen Massenpresse als Informationsmedium. Neben der Nachricht wurde auch die Literatur zur Ware. Im Zusammenhang mit den neu zu schaffenden Lesebedürfnissen wurde es nun auch ökonomisch sinnvoll, das Analphabetentum abzuschaffen. Da erst die neue Technologie den Menschenmassen mehr als nur die Bibel zur Lektüre geben konnte, wurde es im 19. Jahrhundert üblich, daß sich nicht nur eine kleine »Elite« mit Lesestoff versorgte. Die neuen Leser wurden außer mit Informationen auch mit billiger Unterhaltung eingefangen. Dies geschah mit Fortsetzungsgeschichten in den »story papers«, den Romanzeitungen, die in Amerika möglichst das Aussehen von Zeitungen anstrebten, um Begünstigungen im Postversand ausnützen zu können. (In England dagegen versuchte man, das Zeitungsformat zu vermeiden, um der Stempelsteuer zu entgehen.) Da den neuen Verlegern wie Beadle & Adams nur wenig Geld zur Verfügung stand, und da es noch keine internationale Copyrightregelung gab, war der billigste Weg, die Seiten zu füllen, die Übernahme von Geschichten aus dem Ausland. In Amerika plagiierte man englische und französische Geschichten, in England amerikanische und französische, während man in Frankreich durch Feuilletonisten1 wie Sue, Dumas oder Feval eigenständige, täglich in Zeitungen erscheinende Fortsetzungen hatte (anstelle der wöchentlichen in Amerika und England).
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Aber auch Amerika und England brachten neue, auf schnelle Arbeit bedachte Autoren hervor. Einen der ersten bekannten Autoren der Romanzeitungen erwähnt der Dichter Longfellow schon 1838: »Ein neuer amerikanischer Romancier hat sich erhoben; sein Name ist Professor [Joseph Holt] Ingraham. . . . Ich glaube, wir dürfen sagen, daß er die schlechtesten Romane verfaßt, die je ein Mensch geschrieben hat. Aber sie verkaufen sich.« 2 Ingraham berichtete 1846 Longfellow, er habe mittlerweile schon 80 Romane verfaßt, davon allein 20 im Vorjahr. Neben dem großen Ausstoß war für neue Erfolgsautoren wie Reynolds oder Lippard aber auch ein mitreißender, leidenschaftlicher Schreibstil charakteristisch. Amerika gewöhnte sich an die neue Literatur und verdaute noch viel schlechtere Schreiberlinge als Ingraham. Zeitschriften wie Uncle Sam (1841), Yankee (1843), Omnibus (1844), Flag of the Free (1848) und News of the World (1848) machten sich bald auf dem neuen literarischen Markt breit. Vor allem die in den 1850er Jahren gegründeten Romanzeitungen New York Ledger und New York Weekly forcierten ihre Verkäufe. Ab 21. Mai 1859 erschien die von Francis S. Smith und Francis S. Street übernommene Weekly als Street & Smiths New York Weekly mit dem Untertitel »A Journal of Useful Knowledge, Romance, Amusement &c.« Diese Zeitung und der Ledger vertrauten in der Hauptsache auf eigene Autoren und benützten Raubdrucke nur als Füllsel. In der Weekly erschienen neben Francis S. Smiths Serien die Romane von Mary J. Holmes, der »Queen of the Human Heart«, die von der bis dahin üblichen Masche mit unzähligen Schuften, Giftmischern und Entführern ab-
wich und nur von Liebes Lust und Pein schrieb. Lehrerinnen und Näherinnen waren die neuen Heroinen, die sich durch ein mehr oder weniger larmoyantes Leben schlugen. Doch da alles schon einmal dagewesen ist, machte sich neben dem Liebes- und Abenteuerroman auch schon der »authentische« Western breit. Der berühmte Ned Buntline zeichnete Buffalo Bills Abenteuer auf. Sein Held sprach jedoch nie ein unanständiges Wort oder nahm gar einen Fluch in den Mund. Eine andere Westernreihe um »Nick Whiffles« war lebendiger, da die Figur nicht dazu herhalten mußte, nur Aufhänger einer Geschichte zu sein. Die »tall tales« dieser Figur waren mit leichterer Hand geschrieben. Um Buffalo Bill entstanden auch die ersten Dime Novels, mit denen die Verherrlichung der Indianermörder, Büffelschlächter und Revolverhelden wie Wyatt Earp und Jesse James in der Massenliteratur einsetzte. Ledger und Weekly befehdeten sich fast ständig und kauften sich gegenseitig die Autoren durch höhere Bezahlung weg, ein zahmes Vorspiel zu den Praktiken Pulitzers und Hearsts. Man bemühte sich auch um bekannte Autoren und fand sie. 1864 erschien im Weekly Horatio Algers »Marie Bertrand; or, the Felon's Daughter«. Dann schrieb Alger für Bostoner Zeitungen, kam aber 1871 mit »Abner Holden's Bound Boy; or, the Poor Relation« als regelmäßig Romane liefernder Autor zum Weekly zurück. Seine Geschichten, die bis 1907 auch in Dime Novels veröffentlicht wurden, schlachteten mit einem Erfolg von Millionenauflagen das »from rags to riches«-Thema aus. Aber schon war der Untergang der »story papers« in Sicht. Die Sonntagsbeilagen der Tageszeitungen und die billigen pamphletartigen Nachdrucke englischer Romane verdrängten die Geschichtenzeitungen vom Markt. Ab 1880 erschienen
deshalb zwecks Kostenersparnis in den »story papers« mehr und mehr Nachdrucke alter Geschichten oder Übernahmen aus anderen Zeitschriften. Einigen Verlegern gelang die Umstellung auf billige Hefte, Vorformen der »Pulps«, die einige Jahrzehnte später Bedeutung erlangten. Inzwischen richtete sich das Interesse der Leser mehr auf die Zeitungen und die darin abgedruckten ersten Comics und auf eine neue Erfindung, den Film. Schon bald stellte der Film seine Themen auf ähnliche Bedürfnisse ab wie früher die Romanzeitungen und griff den irren Humor der frühen Comic Strips auf. Die Idee endloser Serien, die den Zuschauer jede Woche aufs neue im ungewissen über das Schicksal von Helden und Heldinnen ließ, stammt aus den Fortsetzungsromanen. Die Idee des Gags hatte der Film mit den Comics gemein. 1905 fertigte J. Stuart Blackton für Vitagraph den ersten Zeichentrickfilm, »Humorous Phases of Funny Faces«, der 1906 uraufgeführt wurde. Noch vor der ersten Filmserie stellte er so die Beziehung zwischen Comic Strips und Film her, die sich in den folgenden Jahrzehnten häufig als gegenseitig befruchtend erweisen sollte. Der erste richtige Zeichentrickfilm mit Handlung war 1909 »Gertie the Dinosaur« von Winsor McCay, dem Zeichner der Serie Little Nemo in Slumberland. Im übrigen fanden sich im selben Jahr George MC Manus' The Newlyweds in der Musikrevue »The Newlyweds and Their Baby (Snookums)« auf der Bühne wieder. Nach »The Great Train Robbery« (1903), dem ersten Film mit Spielhandlung (passenderweise ein Western), nach den Edisonschen Guckkastenfilmen, die ab 1894 Zelebritäten wie Annie Oakley und Buffalo Bill zeigten (ein Bezug zu den Romanzeitungen ließe sich ableiten), und nach dem ersten farbigen Zeichentrickfilm, Paramounts »The Debut of Thomas Kat« (1913), kam mit »The Adventures of Kathlyn« (ebenfalls 1913) die erste Filmserie auf die Leinwand. Diese Serie von 13 Teilen zu je 2 Rollen basierte auf Harold Mac Graths Roman, der 1913 in Hearsts Zeitungen erschienen war und im folgenden Jahr als Buch auf den Markt kam. Um sich das Publikum über die anfängliche Begeisterung hinaus zu erhalten, war auch der Film zu Anfang ein hauptsächlich an Fortsetzungen und Serien gebundenes Medium. Erst allmählich setzten sich die »abendfüllenden« Filme durch. Aber daneben gab es noch bis in die 50er Jahre in den USA neben den Hauptfilmen regelmäßig Filmserien, die von Woche zu Woche fortgesetzt wurden, bis das Fernsehen mit seinen Serien die meist fünfzehnteiligen Fortsetzungsfilme von der Leinwand verbannte. Die thematische Verflechtung der Unterhaltungsmedien sollte sich in den ab 1916 erscheinenden Zeichentrickfilmen der Co-
Im Groschenroman des 19. Jahrhunderts war der Western Amerikas ureigenster Beitrag. Buffalo Bill von Beadle & Adams erinnert stark an »Robin Hood and His Merry Men«. Die Glorifizierung des Büffelschlächters hatte begonnen.
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mics-Serien Mutt and Jeff, Happy Hooligan oder Snookums fortsetzen. Und umgekehrt gaben auch Filmserien wie Charlie Chaplins Komödien, die Erlebnisse der Keystone Cops oder von Stan Laurel und Oliver Hardy schon bald den Stoff für Gagstrips ab. Da dem Film die Sprache fehlte, war er damals noch enger mit den Comics verwandt als heute, und die Filmversion eines Comic Strips wie Mutt and Jeff verwendete folglich keine Zwischentitel, sondern arbeitete die Sprechblasen in den Film ein. Sobald der Zuschauer den Text gelesen hatte, wirbelten die Ballons davon oder explodierten. Alle Massenmedien haben gegenüber der interpersonalen Kommunikation einen Nachteil: Sie kosten Geld. In den meisten Fällen viel Geld. Die zum Zwecke der vielfältigen Kommunikation erfundenen Hilfsmittel fordern Investitionen. Der Fortschritt verlangt seinen Preis. Die neuen Erfindungen wurden deshalb sofort auf ihre kapitalistische Ausbeutbarkeit abgeklopft, denn man war nur willens, teure Neuerungen einzuführen, wenn sie auch ihre Erträge abwarfen. Ob dabei hochwertige Kunst oder nur billiger Kitsch abfiel, war Nebensache. Als das finanzielle Potential erst einmal erkannt war, blühte das Geschäft. Um einen Profit zu erzielen, mußte ein möglichst großer Kreis von Interessenten angesprochen werden, der zu einem möglichst niedrigen Preis am gemeinsamen Vergnügen teilhaben konnte. Nur so konnten sich Film, Zeitungen, Romanzeitungen und die anderen Medien finanziell tragen. »Pulps« — Vorläufer der Comic Books Die im 20. Jahrhundert entwickelten Massenmedien Rundfunk, Fernsehen, »Pulps« und Comic Books gingen als Neuheiten aus den vorher existierenden Medien hervor. Sie waren ohne diese nicht zu denken und schufen bald eine vor allem thematische Interrelation und Interaktion, die auch die alten Medien von den neuen abhängig machte. Wenn man davon ausgeht, daß sich Film und Comic Strip wechselseitig beeinflußten, muß man sich eigentlich darüber wundern, daß in den 32 Jahren, die von der Einführung der Katzenjammer Kids bis zum Beginn der Abenteuerwelle mit dem Tarzan-Comicstrip verstrichen, nicht längst — wie im Film — das Abenteuer in den Comics heimisch wurde. Der Grund dafür ist darin zu sehen, daß die Comic Strips zunächst nur die Tradition der Karikatur und der satirischen Zeitschriften fortsetzten, der Film aber aus dieser Tradition schöpfte und außerdem die Abenteuerthemen aus den Romanzeitungen des 19. Jahrhunderts übernahm. Damit ließ das Bedürfnis an Abenteuern in gedruckter Form aber nicht nach. Statt der Comics befriedigten die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkommenden »Pulps« dieses Bedürfnis. Erst der graduelle Übergang der Comic Strips von Groteske über humorvollen Alltag zum Abenteuer veranlaßte die Hersteller der »Pulps«, die Umstellung auf Comic Books ins Auge zu fassen.
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»Pulps«, das waren meist unbeschnittene Zeitschriften, deren Name sich von dem griffigen, stark holzhaltigen Papier ableitete, auf dem sie gedruckt waren. Die »Pulps« hatten ein handliches Format 19 x 24 cm und einen Umfang von durchschnittlich 128 Seiten, die meist zu drei Viertel mit dem »Titelroman« und zu einem Viertel mit Kurzgeschichten gefüllt waren. Trotz der verschiedenen Erscheinungsintervalle der einzelnen Reihen waren immer rund 250 verschiedene Titel an den Kiosken. In den »Pulps« waren alle Themen vorgegeben (oder aus früheren Publikationen übernommen worden), die später auch durch Rundfunk, Comic Books, Strips und Fernsehen geisterten. Selbst zum Film bestehen Querverbindungen. Einen der beständigsten Erfolge in der Originalfassung der »Pulps« und in den Bearbeitungen von Film, Rundfunk, Fernsehen und besonders den Comics hatte Edgar Rice Burroughs' »Tarzan of the Apes«, der 1912 erstmals in »All Story Magazine« erschien (später in »Argosy« umbenannt). Bevor Burroughs seine Romane im Selbstverlag herausbrachte, erschienen fast alle seine Tarzan-, John Carter of Mars-, seine Venus- und Pellucidar-Romane in Pulps wie »All Story Magazine«, »Blue Book«, »Red Book« oder »Amazing Stories«. Und ab 1918 trat sein berühmtester Held in 38 Spielfilmen und Filmserien auf. Schon die beiden ersten Filme, »Tarzan of the Apes« und »The Romance of Tarzan« (beide 1918, beide mit Elmo Lincoln als Tarzan), übernahmen im großen und ganzen nur Motive aus Burroughs Erzählungen, eine Praktik, die auch spätere Filme beibehielten. Die Gestalt Tarzans, wie sie von Burroughs konzipiert wurde, ist noch am ehesten in den 1935 und 1936 entstandenen Filmen »The New Adventures of Tarzan« und »Tarzan and the Green Goddess« (der zweite Teil der »Neuen Abenteuer«) zu erkennen. Der Grund ist wohl in der Tatsache zu sehen, daß in diesem Fall Burroughs Tarzan Enterprises die Produktion selbst in die Hand nahm und in Herman Brix zudem einen idealen Darsteller fand. Die anderen Tarzan-Verfilmungen sind meist, ähnlich wie die eigentlichen Tarzan-Romane, die Aufarbeitung von Motiven, die Anregung zu eigenen Ideen gegeben haben. Wie Richard Lupoff3 aufzeigt, war Burroughs von Rudyard Kiplings Mowgli-Geschichten und wie diese von H. Rider Haggards »Nada the Lily« (1892) beeinflußt. Auch die Sage von Romulus und Remus sowie die Erzählung »Captured by Apes; or, How Philip Garland Became King of Apeland« (1886) von Harry Prentice waren für Tarzan von einiger Bedeutung. H. Rider Haggards »She; A History of Adventure« (1886) kann, möglicherweis e auf dem Umweg über Mabel Fuller Blodgetts »At the Queen's Mercy« (1897), für Burroughs weitere Tarzan-Romane von Bedeutung gewesen sein. Lupoff argumentiert wohl zu Recht, daß die genannten Bücher als Jugenderinnerung und als Ergebnis von Burroughs Materialsammlung in Chikagos Stadtbibliothek die TarzanRomane beeinflußt haben könnten.
Tarzan von Russ Manning. Der erste und wichtigste Import der Comic Strips aus den Pulps war Edgar Rice Burroughs' Tarzan, da diese Serie den Trend zum Abenteuerstrip einleitete. © 1969 United Feature Syndicate/UPI
Doch mit den 24 Romanen und den Verfilmungen noch nicht genug. Tarzan eroberte auch die anderen Medien. Wie bereits beschrieben,4 leitete Tarzan 1929 den Trend zum abenteuerlichen Comic Strip ein, der bald darauf auch in Comic Books, Big Little Books 5 und einer Rundfunkserie nachvollzogen wurde. Im Rahmen der Rundfunkreihe »Tarzan, Lord of the Jungle«,6 die Burroughs ab 1932 schrieb, war 1934 ab Folge 287 in zahllosen Fortsetzungen das Abenteuer »Tarzan and the Diamond of Ashair« zu hören. Dieses Abenteuer aus dem Rundfunk erschien 1938 unter dem Titel »Tarzan and the Forbidden City« als 22. Roman aus Burroughs TarzanReihe. Was nach dem zweiten Weltkrieg Li'l Abner (1956), Superman (1966) und die Peanuts (1967) schafften, nämlich den Sprung auf die Bühne, das gelang Tarzan schon 1921 in dem in London uraufgeführten Vierakter »Tarzan of the Apes«. Und 1966 hangelte sich Tarzan an einer Liane für zwei Jahre durch eine amerikanische Fernsehserie, die vier in der Tarzan-Sene der Gold Key-Comicbooks eingeschobene Abenteuer des Fernsehtarzan zur Folge hatte. An den Bearbeitungen der Tarzan-Sage für die Comics wirkten auch Burroughs Söhne mit. Als Burroughs am 19. März 1950 starb, las er gerade im Bett die Comicsbeilage der Sonntagszeitung. Die Sage weiß zu berichten, daß der Tod kam, als er sich der Lektüre Tarzans widmete. Ein weiterer wesentlicher Beitrag Amerikas zur Abenteuerliteratur ist der Western, der um die Mitte des 19. Jahrhunderts aufkam und schnell an Bedeutung und Popularität gewann. In der Blütezeit der »Pulps«, 1920 bis 1945, dominierten die Westernreihen. Zur Auswahl standen Titel wie »Western Rangers«, »Star Western, »Bullseye Western«, »Ace High Western«, »Pioneer Western«, ».44 Western«, »Pecos Kid Western«, »Western Raider«, »Quick-Trigger Western«, »Western Trails«, »Pete Rice Western«, »Bück Jones Western«, »Range Riders Western«, »Rio Kid Western«, »Western Rodeo Romances«, »Masked Rider Western«, »Mavericks«, »Rangeland Love«, »Outlaws of the West«, »Texas Rangers«, »Golden West« oder schlicht
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»West«. Die Autoren legten sich dem Metier gemäße Namen wie Ernest Haycox, Luke Short, Jonas Ward und Harry Sinclair Drago zu. An der Spitze stand zweifelsohne Frederick Faust, den die meisten Leser nur als Max Brand oder unter einem seiner neunzehn anderen Pseudonyme kannten. Frederick Faust, der »King of the Pulps«, der hauptsächlich Westernromane verfaßte, lebte und schrieb lange Zeit in Florenz, wo Aldous Huxley und D. H. Lawrence seine Nachbarn waren. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere erhielt er pro Wort 10 Cent, eine unerhörte Summe, wenn man bedenkt, daß die Autoren von Groschenromanen im Durchschnitt nur l Cent pro Wort erhielten. Der Kalifornier Faust zeichnete sich durch Beständigkeit aus. Jeden Tag vierzehn Schreibmaschinenseiten war seine Maxime: Und so entstand sein Oeuvre, das sich auf 22 Millionen Worte beläuft und sich in 196 Romane, 226 Kurzromane, 162 Geschichten, 44 Gedichte und 56 Filme gliedert. Bei den Filmen, die die Serien um Dr. Kildare und Destry mit einschließen, schrieb Faust aber nie das eigentliche Drehbuch, sondern nur die Romanvorlage. Jahrzehnte später wurde Fausts Serie um Dr. Kildare schließlich zu einer Fernsehserie verarbeitet, die eine Comicbook-Reihe und einen Comic Strip zur Folge hatte. Auch Fausts Westernserie um den Helden »Silvertip« wurde bei Western Publishing Company um 1958 als Comic Book produziert. Zane Grey, vielleicht der bedeutendste Westernautor, dessen erster Roman, »Betty Zane«, 1904 als Buch erschien, war kein »Pulp«-Schreiber. Seine Bücher führten jahrelang die Bestsellerlisten an. Viele seiner Romane gaben das Sujet für Filme ab, für eine Fernsehserie (»Zane Grey Theater«) und für Comic Books. Zane Grey war auch der geistige Vater der Stripfigur King of the Royal Mounted, die daneben als Rundfunkserie durch den Äther jagte. Neben dem Westerngenre, dessen sich vor allem Film, Rundfunk und Fernsehen bevorzugt annahmen, bezogen die Comic Books — abgesehen von den Humorserien — ihre Themen auch aus den anderen Genres, die von den »Pulps« vorgeformt waren. Und es gab fast kein Thema, das die Groschenromane nicht schon aufgegriffen hätten. So hatte allein
die Firma Hersey Publications Heftreihen im Programm wie: »Flying Aces«, »Fire Fighters«, »Sky Birds«, »Loving Hearts«, »Underworld«, »Spy Stories«, »Mobs«, »Prison Stories«, »Speakeasy Stories«, »Strange Suicides«, »QuickTrigger Western«, »Thrills of the Jungle«, »Ghost Stories«, »Miracle Science and Fantasy Stories«, »Speed Stories«, »Danger Trail« oder »Dragnet«.11 Selbst die »True« Comics waren in einigen Zeitschriftentiteln schon angedeutet. Wie wahr die in »True Story«, »True Romances«, »True Experiences«, »True Ghost Stories«, »True Prosposals«, »True Strange Stories« oder »True Lovers«, alles Zeitschriften der Macfadden-Gruppe, abgedruckten Ge schichten waren, sei dahingestellt. Das Wort »true« wirkte sich bei den »Pulps« und den Comic Books (mit Ausnahme der True Comics7) als Kaufanreiz aus. Neben den Themen Dschungel, Western, Liebe und Science Fiction verdanken die Comic Books den »Pulps« aber vor allem die maskierten Superhelden. Eines ihrer populärsten Vorbilder war »The Shadow«. In Street & Smiths Heft »Farne and Fortune« stellte sich 1929 in dem Kurzroman »The Shadow of Wall Street« der Vorläufer jenes geheimnis vollen Helden vor, der — zunächst von der Wirtschaftskrise niedergestreckt — all seine Nachfolger am längsten überlebte. Liebesgeschichten waren schon immer ein wesentlicher Bestandteil der Unterhaltungsliteratur. Die Love Pulps, auch jene mit »True Stories«, fanden in den vierziger Jahren schnell ihre Entsprechung in den Comic Books, wo sie noch heute einen Großteil der Produktion ausmachen. © 1954 Charlton Comics Group (oben), © 1967 Charlton Comics Group (unten links), © 1970 National Periodical Publications, Inc. (unten rechts)
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Es war in jenen Jahren nicht selten, daß Verlage Querverbindungen zum Rundfunk suchten und fanden,8 weil man auch bei den Rundfunkstationen stets auf Themensuche war. Street & Smith hatten ihre Krimisendung am Donnerstagabend. Die Sendungen wurden von einer hohlen Stimme kommentiert, die den Hörern nur als »The Shadow« bekannt war. Außerdem wies diese Stimme auf das in Bälde erscheinende »Detective Story Magazine« hin. Die Idee mit der Geisterstimme gefiel dem Publikum. Um zu verhindern, daß andere Sender die Idee »entliehen«, sorgten Street & Smith für ihre Gestalt mit der Zeitschrift »The Shadow« für Copyrightschutz. Da man sich keinen großen Erfolg davon versprach, sollte die Heftreihe vierteljährlich erscheinen. Aber Nr. l war im Handumdrehen ausverkauft. Nach »The Living Shadow« erschien schon im nächsten Monat, dem April 1931, der zweite Roman, »Eyes of the Shadow«. Walter Brown Gibson, der sich als Reporter eine kraftvolle, direkte Schreibe zugelegt hatte, war mit dem ersten Shadow-Roman beauftragt worden. Unter dem Namen Maxwell Grant schrieb er insgesamt 282 der 325 Romane (!) um »The Shadow«, der bis Sommer 1949 als Romanheft erschien. Bruce Elliott, der Autor der »Flash Gordon«-Fernsehserie, schrieb einige der restlichen 43 Romane. Wer als Autor der »Pulps« Erfolg haben wollte, mußte schnell schreiben. Gibson ist dafür das beste Beispiel. Manchen Roman verfaßte er in nur knapp einer Woche, auch wenn er sich dabei im wahrsten Sinne des Wortes die Finger blutig schrieb.
Der Erfolg der Shadow-Pulps änderte auch die Rundfunksendung. Die Firma Blue Coal erbot sich, die Sendereihe mit dem Shadow als Hauptperson zu produzieren. Mit einigen Unterschieden: In den Romanen hatte der Schatten eine dreifache Identität. Er war in Wirklichkeit Kent Allard, der in der Rolle des Weltenbummlers Lamont Cranston mit einigen Helfershelfern in seiner Rolle als The Shadow das Verbrechen bekämpfte. Im Rundfunk beschränkte man sich auf die Doppelrolle Lamont Cranston/The Shadow und führte Margo Lane, die Freundin und Gefährtin des Shadow ein. Während der Roman-Shadow sich auf geheimnisvolle Weise »unsichtbar« machen konnte, hatte der Radio-Shadow die Fähigkeit »to cloud men's minds so that they could not see him«. Die Rundfunkserie, deren Titelvorspann immer damit begann, daß der Held die Sätze »Who knows what evil lurks in the hearts of men? THE SHADOW KNOWS!« mit blechern hohler Stimme verkündete,9 war schon bekannt und beliebt, als Orson Welles ab 1937 bis 1939 die Rolle des Shadow sprach.10 Die Shadow-Rundfunkserie, die inzwischen auf den Sonntagnachmittag verlegt worden war, wurde bis 1954 ausgestrahlt. Im Gefolge des Shadow kamen Buchausgaben, Spiele, Taschenlampen, Briefpapier, Shadow-Masken und Anzüge, Big Little Books, Filme, Comic Books und der Zeitungsstrip von Vernon Greene. Ein Versuch, das Comic Book 1964 neu zu beleben, schlug vermutlich wegen der unattraktiven Gestaltung fehl; die Taschenbuchausgaben der Romane, die seit 1969 erscheinen, sind jedoch wieder Erfolge. Ebenfalls bei Street & Smith erschien der beste Konkurrent und Nachfolger des Shadow: Doc Savage. Diese Romanreihe begann 1933 mit »The Man of Bronze«. Der Verfasser von 165 der 181 Romane war Lester Dem, der unter dem Namen Kenneth Robeson schrieb. Wie sich der Shadow mit grausam-schlauen Gegnern wie The Black Master, Green Eyes, The Blue Sphinx, The Creeper, Quetzal, Silver Skull, The Voice oder mit Gruppen wie The Crime Cult, Six Men of Evil, Brothers of Doom oder The Hydra abplagen mußte, so fand Doc Savage Antagonisten wie The Red Skull, The Czar of Fear, Mad Eyes, The Black Black Witch, The Thing That Pursued oder The Pure Evil. (Wer erkennt da nicht schon viele der späteren Superbösewichte der Comic Books?) Der Kampf gegen das Verbrechen fand bei Doc Savage im Unterschied zum Shadow immer am hellichten Tag statt. Und Doc, der mit einer Gruppe Spezialisten operierte, fand seine Gegner in aller Welt, während der Shadow (wie später Batman oder Spider-Man) seinen Wirkungskreis fast nur auf seine Stadt beschränkte. Doc Savage, dem 1949 die Comics ebenso den Garaus machten wie so vielen anderen Helden der »Pulps«, war möglicherweise ein direktes Vorbild für Superman, denn Doc wurde Doc Savage, ein Konkurrent der Pulp -Gestalt The Shadow, war einer der Vorläufer, von denen Superman stark profitierte. © 1967, 1966 The Conde Nast Publications, Inc. / Bildschriftenverlag GmbH
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in der Werbung als SUPERMAN bezeichnet.11 Der Shadow mit seinem »fledermausartigen Umhang« und die Reihe »The Black Bat« könnten Batman, jenen anderen Frühgeborenen der Comic Books beeinflußt haben, und möglicherweise auch Mandrake the Magician und die Vielzahl anderer Magierstrips. Doc Savage erfreut sich inzwischen in Paperbacks neuen Lebens und 1966 erschien er sogar in einem Comic Book, das aber im Gegensatz zu einer Heftreihe in den Vierzigern ein Einzelheft blieb. »The Phantom Detective« (1933 bis 1953) und »The Spider« (1933 bis 1943), zwei moderne Rächer mit Doppelleben, zählen wie Batman und »The Green Hornet« zu den Playboydetektiven, die auch in anderen Genres angedeutet sind, wie zum Beispiel im Schwert und Degen-Genre mit »Scarlet Pimpernel« oder mit der Gestalt Don Diego de la Vegas in Johnston McCulleys Frühwestern »Zorro«, der aus den »Pulps« in Film, Fernsehen und Comics überwechselte. »The Spider« unterschied sich von den anderen Helden dadurch, daß er mit Verbrechern kurzen Prozeß machte. Er vertrat in den »Pulps« die extreme Rechte und wurde wegen seiner Selbstjustiz gleichermaßen von Polizei und Unterwelt gehaßt und verfolgt. Unter diesem Gesichtspunkt ist diese Reihe eine Art Vorläufer der fumetti neri Italiens. 1938 produzierte Columbia nach dieser Romanreihe die Filmserie »The Spider's Web«. Der Kult um die maskierten Rächer wurde aber schon 1913 durch die französische Filmserie »Fantomas« von Louis Feuillade ausgelöst, deren Einfluß auch in Amerika zu spüren war. Einen ähnlichen negativen Helden bot in Amerika Sax Rohmer mit Fu Manchu. Der erste Roman dieser Reihe, »The Mystery of Dr. Fu Manchu«, erschien 1913 als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift Collier's Weekly. 1923 wurde unter dem Titel des ersten Romans eine 15teilige Filmserie angefertigt, der mindestens elf weitere Filme und Filmserien folgten. Ein Fu Manchu-Comicstrip wurde in den USA 1931 gezeichnet. 1962 entstand in Frankreich eine Stripversion der Romanreihe. Schließlich brachte auch das amerikanische Fernsehen eine Serie um diesen »Helden«. All die faszinierenden asiatischen »Teufel« der Massenmedien leiten sich von Fu Manchu ab. In den Comic Books waren zwei der profiliertesten Vertreter dieser Spezies Fang, Archfiend of the Orient, und The Mandarin (beide bei Marvel). Horror, Grauen und Phantasie waren weitere Spezialgebiete der »Pulps«, die wie das Detektiv- und Dschungelgenre gierig von Film, Funk und Fernsehen und vor allem von den Comic Books aufgegriffen wurden. So erfand Robert E. Howard mit »King Kuli« und »Conan the Cimmerian« zwei Gestalten des »Sword and Sorcery«-Genres, das er aus Burroughs Geschichten entwickelt hatte. Die meisten seiner Erzählungen erschienen in »Weird Tales«, wo auch fast alle 52 Geschichten von Howard Phillips Lovecraft abgedruckt wurden. Lovecrafts »Sorcery Sagas« verzichten ganz aufs Schwert und brillieren im Reich des übernatürlichen Grauens
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um den Cthulhu-Mythos und das nur im Traum zugängliche Land Kadath. Lovecraft, der heute vielfach als legitimer Nachfolger Poes angesehen wird, war der beste unter den vielen, die im Genre des Übernatürlichen schrieben. Die Ge schichten, die einige der anderen Autoren in »Dirne Mystery Magazine«, »Horror Stories« oder »Terror Tales« erzählten, brachten den Groschenromanen die Bezeichnung »The Bloody Pulps« ein. Von den Horrorheften wurden monatlich 150000 Exemplare verkauft, und um diese Hefte entstanden ebensolch heftige Kontroversen wie Jahre später um die Horror Comics. Die ersten Comic Books kamen für die Verleger der »Pulps« wie gerufen. Da sie sich allmählich nach neuen Einnahmequellen umsehen mußten und man in diesem neuen Medium Geschichten noch schneller und rasanter als in den »Pulps« erzählen konnte, wandten sich die Romanheftproduzenten den Comic Books zu. Martin Goodman wandte die Formel seiner »Pulps« erfolgreich auf seine Timely Comics an (heute Marvel). Daraufhin machte Fiction House die Romanhefte »Planet«, »Jungle« und »Wings« zu Comic Books. Standard, Fawcett und Donenfeld zogen nach. Die Helden der »Pulps« wurden reihenweise dahingemäht und erstanden umgehend in den Comic Books wieder auf. Einige »Pulps« überlebten als Unterhaltungszeitschriften, die auf besserem Papier gedruckt waren. Zu ihnen zählen »Argosy«, »True«, »Analog«, »If«, »Red Book« und »Ellery Queen's Mystery Magazine«.12 Heute tauchen gelegentlich schon wieder Edel-»Pulps« auf, die unter Titeln wie »Gothic Romances« oder »Horror Stories« die Pfründe der alten, billigen »Pulps« wieder erschließen wollen. Rundfunkserien — Comics ohne Bilder Etwa zur gleichen Zeit als die »Pulps« im Kommen waren, wurde in Amerika der Sendebetrieb der Rundfunkstationen aufgenommen. Am 2. November 1920 wurden die Ergebnisse der Harding/Cox Präsidentschaftswahlen übertragen, und damit das Zeitalter des Rundfunks eröffnet. Schon 1922 wurde das erste Melodram ausgestrahlt und alsbald entwikkelten sich Unterhaltungsserien. Neben den direkten Übernahmen aus den »Pulps« boten die Rundfunkanstalten auch zahllose Eigenproduktionen. Eine der langlebigsten Abenteuerserien des amerikanischen Rundfunks war zweifelsohne »The Lone Ranger«, eine von George W. Trendle erfundene Westernreihe, die von Montag, dem 30. Januar 1933, bis Freitag, dem 3. September 1954, dreimal wöchentlich aus den Lautsprechern schallte. Der Erfolg war phänomenal. Schon bald erschienen Big Little Books, Buchausgaben, die üblichen Paraphernalia der Textil- und Schreibwarenindustrie und schließlich auch Fernsehfilme, zwei Spielfilme und neuerdings eine ZeichentrickFernsehserie. Daneben erfreuten sich vor allem der Comic Strip und die rund 160 Comic Books großer Beliebtheit.
The Lone Ranger ritt von 1933 bis 1954 vor dem geistigen Auge der Rundfunkhörer über die Prärie. Seit 1938 erlebte er seine Abenteuer außer in Buch- und Big Little Book-Form auch in einem Comic Strip und schließlich in einer Comicbook-Reihe. Im Fernsehen und in zwei Spielfilmen verkörperte Clayton Moore von 1948 bis 1961 den Einsamen Ranger. Auf den Titelfotos der Hefte erschien er immer ohne den Tonto-Darsteller Jay Silverheels. Als die Umschläge noch gemalt wurden, konnte man beide auf dem Umschlag sehen. © 1971, 1960 The Lone Ranger, Inc. / Bildschriftenverlag GmbH
Den Rundfunkserien fehlte das Bild wie den Comics der Ton. Und wie die Comics Sprache und Geräusche durch Text und Onomatopöien ersetzten, so schuf der Rundfunk seinerseits mit einer Geräuschkulisse Bilder in der Phantasie der Hörer. Was für Comic Books der ins Auge springende Titel war, das war für die Rundfunkserien der ins Ohr gehende Titelvorspann, dem zum Beispiel beim Lone Ranger leitmotivisch die Wilhelm-Tell-Ouvertüre unterlegt war. Die Rundfunkstation in Detroit, für die der Lone Ranger über die Prärie ritt, produzierte auch zwei weitere Serien, die später in Comic Books und Fernsehen gleichermaßen Erfolg hatten: »Sergeant Preston of the Yukon« und »The Green Hörnet.« Auch diesen Serien unterlegten sie bekannte Melodien.
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Neben zahlreichen Rundfunkserien, die auch auf anderen Gebieten Erfolge verbuchen konnten, versuchte man nach Einführung des Tonfilms, Filme auch für den Rundfunk auszuwerten. Aus Spielfilmen wurden »Radio Novels« oder im »Hollywood Radio Theater« (vor Publikum) als Hörspiele aufgeführte Rundfunkprogramme. Viele Schauspieler nutzten ihre Popularität auch im Rundfunk. Al Jolson, »The Singing Pool«, hatte ebenso seine eigene Rundfunksendung wie Roy Rogers und Gene Autry, die singenden Filmcowboys. Roy Rogers und Gene Autry waren mehr als ein Jahrzehnt auch in Comic Books und Strips beliebt. Gene Autry war von Will Rogers als Westerngesangsstar für den Rundfunk entdeckt worden, und kam auch schnell zu Film-, Radio- und Fernsehruhm. Autry war viele Jahre lang Star seiner eigenen Rundfunksendung13 und seiner Fernsehwestern. Den Höhepunkt seiner Beliebtheit erreichte er zwischen 1935 und 1950. Ähnlich beliebt war auch Roy Rogers, dessen Comic Books von Zeichnern wie Albert Micale, John Buscema und Alex Toth angefertigt wurden. Die WesternAbenteuer von Rogers Frau Dale Evans zeichnete meist RUSS Manning auf. Und auch Comic Strips und Books gaben den Stoff für Rundfunkserien ab. Comic Strips wie Blondie, Flash Gordon, Buck Rogers, Dick Tracy, Red Ryder, Prince Valiant, Little Orpban Annie, Mandrake und Terry and the Pirates wurden ebenso für den Rundfunk bearbeitet wie die Comic Books Batman, Superman oder Green Lantern. Ein Teil der Popularität dieser Comicshelden rührte daher, daß der Erfolg der Rundfunkserien wieder auf die Comics zurückwirkte. Die »Superman«-Sendung begann am 12. Februar 1940 und entwickelte sich schnell zum beliebtesten Kinderprogramm. In den Heften erklärte Superman seine Handlungsweise dem Leser direkt in Denkblasen. Im Rundfunk war diese Technik aber nicht nachvollziehbar, deshalb erfand man Jimmy Olsen, damit sich Superman mit jemand aussprechen konnte, wenn dem Zuhörer sein Verhalten erläutert werden sollte. Der Superman-Sage wurde im Rundfunk außerdem das grüne Kryptonit hinzugefügt, das ebenso wie Jimmy Olsen von den Heften übernommen wurde. Jimmy Olsen bekam rund zehn Jahre später sogar sein eigenes Heft. Batman und Robin erlebten ihre Rundfunkabenteuer im Rahmen der » Superman « -Reihe.
Flash Gordon von Al Williamson. Der Comic Strip Flash Gordon gab schon bald, nachdem ihn Alex Raymond 1934 erfunden hatte, den Stoff für eine Rundfunkserie ab. Schließlidi konnte man ihn auch in einer Filmserie mit Buster Crabbe und im Fernsehen bewundern, ganz zu schweigen von den Comicbook-Ausgaben. Aus: Flash Gordon, Nr. 5. © 1967 King Features/Bulls
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»Batman« (»Batman hält die Welt in Atem«) — mit diesem Cinemascope-Film erreichte das vom Fernsehen ausgelöste Batman-Fieber seinen Höhepunkt. Die Fernsehserie und der Film übernahmen aus den Comics Handlungsschemata und Onomatopöien, die Comic Books bekamen einen entsprechenden »New look« und die im Fernsehen eingeführte Tante. © 1966 National Periodical Publications, Inc./ Centox-Film. Zeichner: Carmine Infantino
Film und Fernsehen — bewegte Comics, bebilderter Rundfunk, verfilmter Roman. Etwa zur selben Zeit als Superman, Batman und Wonder Woman für den Rundfunk entdeckt wurden, entdeckte man sie auch für den Film. 1941 entstanden unter Dave Fleischers Regie achtzehn Superman-Zeichentrickfilme für Paramount. Mort Weisinger, der 1941 die redaktionelle Leitung von Superman übernahm, und der vielleicht den Science Fiction-Appeal Supermans verstärkte, da er zuvor auf dem Science Fiction-Sektor gearbeitet hatte, schrieb für Columbia zwei Superman-Filmserien: »Superman« (1948) und »Superman vs. the Atom Man« (1950). 1951 wurde »Superman and the Mole Men« produziert und in den Fünfzigern lief mit dem Hauptdarsteller dieses Films eine Fernsehserie. 1967 kam Superman als Zeichentrickreihe wieder auf den Bildschirm. »Batman and Robin«, eine Columbia-Filmserie des Jahres 1943, in der beide Helden gegen den Japaner Dr. Daka und seine willenlosen Zombies kämpften, war eine der wenigen Gelegenheiten, zu denen Batman ins Kriegsgeschehen eingriff. (Die unterlegte Wagnermusik gab dem Film einen besonderen Reiz.) Erst 1948 folgten »The New Adventures of Batman and Robin«, schließlich 1966 eine Fernsehserie und ein Cinemascopefilm und DC Fernsehserie darunter Wonder Woman in 1975. Der Film verwandelte die erstarrten Bilder der Comics in bewegtes Leben. Mandrake, Buck Rogers, Phantom und Flash Gordon wurden in Filmen bestaunt, dann kehrte man
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zur Lektüre der Comics zurück. Prince Valiant, der 1953, mit Robert Wagner in der Titelrolle, unter der Regie Henry Hathaways zur erfolgreichsten Filmversion eines Comic Strips wurde, war nur eine Episode, während der Comic Strip Jahr um Jahr weiterlief. Zumindest war dieser Film, wie die Fernsehserie um den Comicstrip-Helden Steve Canyon, Anlaß dafür, daß diese Strips auch in Form von Comic Books erschienen. Nachdrucke von Comic Strips wurden nach den Anfangsjahren der Comic Books nämlich selten. Strips kamen fast nur noch auf dem Umweg über andere Medien (Tales of the Green Beret) und stets in Neubearbeitungen in die Comic Books, wie es bei Brenda Starr und On Stage der Fall war. Der Film machte aber auch bei sich selbst Anleihen. Ein Erfolgsfilm wurde entweder leicht abgeändert von anderen Firmen nachgeahmt oder bei derselben Firma zu einer Serie aufgebläht, deren weitere Folgen gegenüber der ersten meist einen Qualitätsverlust bedeuteten. Diese Ausweitung zur Serie widerfuhr — um nur einige zu nennen — Filmen wie »Dr. Kildare« (nach den Romanvorlagen von Max Brand), »Going My Way«, dem Oskargewinner von 1944, »The Thin Man« oder »Lassie«. Alles Reihen, die später den Stoff für Fernsehserien abgaben. Neben den fünfzehnteiligen Fortsetzungsfilmen der Beiprogramme gab es auch bei den B-Filmen viele Serien, wie zum Beispiel die Western um Hopalong Cassidy, Wild Bill Elliott, Roy Rogers, Gene Autry, Cisco Kid, Gabby Hayes, Lash La
Rue, Rocky Lane oder Tom Mix. (Es versteht sich fast von selbst, daß es zu diesen Filmreihen auch Comic Books gab.) Der Seriencharakter des Films ist inzwischen auf Grund des Fernsehens verloren gegangen, aber man versucht nach wie vor, Trends auszunützen, auf Sex- oder Westernwellen zu reiten und vereinzelt wieder »Serien« um Helden wie James Bond, Flint, die glorreichen Sieben oder Django zu basteln. Auch das Starsystem und Filme mit derselben Hauptperson wie die Doris Day-, Elvis Presley-, Bob Hope- oder John Wayne-Filme sind auf ihre Weise »Serien« oder haben zumindest Seriencharakter. Die Vielzahl der Produktionen und die Parallelität der Medien hatten nolens volens einen Ideenverschleiß ungeahnten Ausmaßes zur Folge. Auf der Suche nach neuen Erfolgsthemen hieß es von Zeit zu Zeit neue Trends erfinden, wenn möglich durch Übernahme von Erfolgen aus anderen Medien. Rundfunk, Film, Fernsehen, Comic Strips, Comic Books, »Pulps«, Romanzeitschriften, Zeitschriften, Bücher und Zeitungen stehen so in enger Wechselbeziehung. Die bildende Kunst und das Theater sind von dieser Beziehung ebensowenig auszuschließen wie »folk art« oder interpersonale Kommunikation. Zahlreiche »Pulps« waren Anlaß für Beiträge in Film, Funk, Comics und Fernsehen; Dutzende von Comic Strips und Books wurden für Funk, Film, Fernsehen und den Roman entdeckt (nicht aber für die »Pulps«, weil sie aus diesen hervorgingen und deren Platz auf dem Markt einnahmen); Rundfunkserien wurden für die anderen Medien bearbeitet; der Film wurde zur Vorlage für viele hundert Film-Comicbooks und auch das Fernsehen, das seine Themen aus den anderen Medien bezogen hatte, war Anlaß für Filme, eine Rundfunkserie (»Space Patrol«), mindestens 150 mehr oder weniger lange Comicbook-Reihen, mehrere Comic Strips und Buchreihen, die als Film- und Fernseh-»tie-ins« bezeichnet werden, weil sie an deren Erfolge anknüpfen.
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Nach den mageren Anfangsjahren sind die Massenmedien zu Industrien geraten. Aber sie haben auch eine Subkultur von Sekundär- und Tertiärindustrien ins Leben gerufen oder sich mit diesen arrangiert. Auf diese Weise wird die geschaffene Illusion zur greifbaren Realität. Zu Filmen und Fernsehsendungen werden wie bei Rundfunkserien und Comics die Nachbildungen der Hauptfiguren oder Teile der »Uniform« verkauft, wie der Ring der Grünen Laterne, der Helm von Buck Rogers, die Colts von Tom Mix, der Marshalstern von Matt Dillon aus »Gunsmoke«, die Abreißkalender der Peanuts, die Tapeten mit Disneyfiguren, die Kindertassen, die dem Kopf von Fred Flintstone nachgebildet sind, oder die Superman- und Batmankostüme. Und man versuchte schon immer, Hörer, Leser und Zuschauer durch die Gründung von Fan-Clubs an die jeweilige Serie zu binden und sie zu willigen Abnehmern der zahllosen Accessoires zu machen. Auch die Film- und Fernseh-»tie-ins« nützten die Popularität vorgegebener Figuren und machen sie jederzeit verfügbar. Obgleich eine gewisse Ähnlichkeit zwischen Film und Comicbook-Version bestehen muß, endet sie jedoch meist bei einer mehr oder weniger gelungenen Porträtähnlichkeit. Dies gilt für jede Übersetzung in ein anderes Medium. »Movie Classics«, also Comic Books, die nach Filmen entstehen, müssen wie alle anderen Hefte vorgefertigt werden, da sie möglichst zur selben Zeit wie der Film auf den Markt kommen sollen. Maverick. Die Gegenüberstellung des Szenenfotos aus der TV-Serie mit James Garner als Bret Maverick mit derselben Szene aus dem Heft, das die Geschichte der Brüder Maverick nacherzählt, zeigt zwar leichte Ähnlichkeiten auf, läßt aber auch die stärker geraffte Handlung des Comic Books erkennen, in dem verschiedene Kameraeinstellungen aus der Fernsehserie in einem Bild zusammengefaßt werden. Aus: Maverick, O. S. 962, Zeichner: Dan Spiegle. © 1958 Warner Bros. Pictures, Inc. / Licensing Corporation of America / Western Publishing Co., Inc.
Die Mumie lebt. Nach 3000 Jahren erwacht Im Ho-Tep zu neuem Leben. Die Comic-Version des Gruselfilms »The Mummy« (1932) kürzt zwar die Geschichte stark, hält sich aber in der Illustration minutiös ans Filmvorbild bis hin zur Einstellung, Beleuchtung und dem Make-up, das Boris Karloff von Jack Pierce verpaßt be kam.
Aus: Eerie, Nr. 11, Bearbeitung und Zeichnung: Wallace Wood. © 1967 Warren Publishing Co., New York City, USA
»Movie Classics« entstehen deshalb fast immer nach dem Drehbuch und fast nie nach der fertigen Filmfassung. Notwendig ergeben sich dabei erste Unterschiede. Die erforderlichen Kürzungen sorgen für weitere Änderungen. Porträtgenauigkeit wird nur für Hauptpersonen angestrebt. Nebenfiguren können ganz anders aussehen als im Film oder im Fernsehen. Auch in den Dekorationen orientiert sich der Zeichner nicht genau am Film, sondern — mit Ausnahme von Schlüsselszenen — an seinem eigenen Referenzmaterial. So spiegeln Filmcomics den Film nicht wider, sie setzen ihn nach den Möglichkeiten der Comics ins Bild um. Und trotz der filmischen Gestaltungsmöglichkeiten der Comics werden Szenen- oder Schnittfolgen aus den Filmen nur dann übernommen, wenn sie im Rahmen der Heftversion plausibel sind. Ähnliche Grundsätze gelten für Fernsehserien, die zu Comics werden. Film und Fernsehen wurden seit rund 25 Jahren wie die »Pulps« oder die Comic Strips und Rundfunkserien für die Comic-Hefte verschiedener Firmen bearbeitet. Unter den Hunderten von Filmen, die die Comic Books als Thema verwendeten, weil man sich eine gegenseitige Werbewirkung erhoffte, waren so bekannte Streifen wie »Mutiny on the Bounty«, »Ben Hur«, »Last Train from Gun Hill«, »Rio Bravo«, »How the West Was Won«, »Lord Jim«, »The Fall of the Roman Empire« und praktisch alle Disney-Filme bei Western Publishing Company, sowie nach 1962 bei Dell John Fords »Cheyenne Autumn«, Howard Hawks »El Dorado« oder Henry Hathaways »The Sons of Katie Eider«. Gruselfilme wie »The Mummy« oder »Frankenstein« wurden in Kurzfassung in Creepy, Eerie und den SpezialZeitschriften der Warren Publishing Company wiedergegeben.
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Über 150 Heftserien und Einzelhefte beruhten auf Fernsehserien. Die erfolgreichsten und langlebigsten Reihen wurden nach einigen Probenummern als regelmäßig erscheinende Comic Books verlegt. Die Rundfunkserie »Gunsmoke« von John Meston und Norman Macdonnell, die von 1950 bis 1961 lief, und die schon im Rundfunk als »adult western« galt, wurde am 10. September 1955 ins Fernsehen übernommen. Sie schlug auch in diesem Medium groß ein und ist die am längsten laufende Westernserie. Schon im Februar 1956 erschien die erste »One-Shot«-Nummer des Comic Books Gunsmoke, im November 1957 wurde die Reihe mit Nummer 6 auf regelmäßiges Erscheinen umgestellt. Vor allem die Hefte 15 bis 26 erwiesen sich wegen des Zeichners A. Giolitti von besonderer Gü te. Die Illustrationen dieser Serie tauchen seither zitiert oder kopiert in vielen europäischen Westerncomics auf, aber auch einigen amerikanischen Zeichnern dienten sie als Vorlage. »Gunsmoke« erscheint seit über einem Jahrzehnt auch unter dem Titel Gun Law als Comic Strip im Londoner Daily Express. Und bei Gold Key erschien sogar ein Heft mit Standfotos und laufendem Text (So spart man Zeichner!). Ebenso als Vorlage und Anregung dienten manchem Zeichner Serien wie »Have Gun, Will Travel«, eine Erfindung von Sam Rolfe und Herb Meadows, die am 14. September 1957 vom Rundfunk ins Fernsehen kam und von dort in die Comic Books; »Tales of Wells Fargo«, eine Fernsehserie von Frank Gruber, die am 18. März 1957 anlief; »Sergeant Preston of the Yukon«, ebenfalls eine Rundfunkshow, die über das Fernsehen in die Comic Books kam, ebenso wie »The Cisco Kid«. Denn so manches Heft dieser Serien wurde vom selben Zeichner angefertigt wie Gunsmoke. A. Giolitti zeichnete und zeichnet daneben noch Turok San of Stone, einige Tarzan-Hefte, mehrere Film- und weitere Fernseh-Comicbooks.
Gunsmoke. Die beliebtesten Fernsehserien waren auch lange Zeit beliebte Comic Books. Wer vom Titelfoto angelockt wurde, war nie enttäuscht, wenn er im Heft von A. Giolitti gezeichnete Geschichten fand. ©1960 Columbia Broadcasting System, Inc./ Western Publishing Co., Inc.
Have Gun, Will Travel. Paladin, der in Schwarz gekleidete Held dieser Reihe, war ein Shakespearekenner, der — wie schon der Titel sagte — seine Schießkünste vermietete. © 1962 Colum bia Broadcasting System, Inc./Western Publishing Co., Inc. Lawman. Zu den zahllosen Western-Fernsehserien gab es stets die entsprechenden Comic Books. © 1960 Warner Bros. Pictures, Inc./Licensing Corporation of America / Western Publishing Co., Inc.
77 Sunset Strip. Stu, Kookie und Jeff lösten ihre Fälle in Comic Books ebenso gut wie in ihrer Fernsehserie. © 1962 Warner Bros. Pictures, Inc. / Licensing Corporation of America / Western Publishing Co., Inc.
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The Cisco Kid von Jose Luis Salinas. Lange bevor O. Henrys Romanfigur The Cisco Kid einem exzellenten Comic Strip als Vorlage diente, war sie schon in Rundfunk, Film und Fernsehen zu Hause. Zur Fernsehserie brachte Dell auch eine Comicbook-Reihe auf den Markt. Salinas schickte seine Zeichnungen für den Strip aus Argentinien. © 1968 King Features/Bulls
Andere langlebige Serien, denen die Comicbook-Behandlung widerfuhr, waren Western wie »Bonanza«, »Cheyenne«, »Rawhide«, »Lawman«, »Sugarfoot«, »Tales of the Texas Rangers«, »Wagon Train«, »Casey Jones«, »Rin Tin Tin«, »The Rifleman«, »Laramie«, »Maverick« und »Wyatt Earp«, Krimis wie »77 Sunset Strip«, »The Untouchables«, »The Man from U.N.C.L.E.«, »The Girl from U.N.C.L.E.«, »Peter Gunn«, »The Detectives«, »I Spy« oder »John Drake«, Science Fiction-Serien wie »Star Trek«, »Voyage to the Bottom of the Sea«, »Land of the Giants«, »Time Tunnel« oder »The Invaders«, Abenteuerserien wie »Sea Hunt«, »Lassie«, »Circus Boy«, »Fury« oder »Walt Disney's World of Adventure« und Unterhaltungsprogramme wie »I Love Lucy«, »The Three Stooges«, »Leave It to Beaver«, »Father Knows Best«, »The Munsters«, »Mister Ed«, »My Favorite Martian«, »The Real McCoys« oder »Oh! Susanna Gale Storm«. In manchen Fällen erschienen nur einige wenige Hefte oder nur ein Heft wie bei »The Texan«, »The Gray Ghost«, »Shotgun Slade«, »The High Chapparal«, »The Virginian«, »Tombstone Territory«, »Men into Space«, »Ripcord«, »Wanted: Dead or Alive«, »The Troubleshooters«, »Whirlybirds«, »Flipper« oder »The Aquanauts«.
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Die von Western Publishing Company produzierten Fernsehhefte waren so populär, daß Dell mit über 6 Millionen Heften im Monat zeitweilig der größte Comicbook-Verlag war. In den letzten Jahren sind jedoch die Bearbeitungen von Filmen wie auch die der Fernsehserien für die Comics seltener geworden. Zum einen liegt dies an hohen Lizenzgebühren oder an Gewinnbeteiligungsansprüchen, zum anderen ist das Fußvolk des Fernsehens müde geworden. Der Reiz der Neuheit des Mediums ist längst verloren gegangen. Das Interesse, Fernsehen auch noch in Comics nachzuvollziehen, hat nachgelassen. An den jeweils zu bestimmten Zeiten erfolgten Übernahmen von Themen des einen Mediums ins andere läßt sich eine gegenseitige Jagd nach dem Trend ablesen, der Versuch, dem Zeitgeschmack zu entsprechen, die Bemühung, die Unterhaltung den sozialen und politischen Entwicklungen anzupassen. So erhielten die Massenmedien jeweils in den unruhigen und ungewissen Zeiten der Jahrhundertwende, des ersten Weltkriegs, der Weltwirtschaftskrise, während der New Deal-Ära, im zweiten Weltkrieg, während des Koreakriegs und bei Bewußtwerdung des Vietnamkriegs neue Impulse. Ebenfalls, wenn neue massenmediale Erfindungen die Interessen an neuen Dingen in die Höhe schnellen ließ und andere Medien sich an den Erfolg anhängten oder unter die Räder kamen. Für die Autoren, Zeichner, Regisseure konnte die Parallelität der Medien nicht ohne gegenseitige formale Einflüsse bleiben. Wie die Schnittechnik des Films die Comicszeichner
beeinflußte, so wirkte sich auch die Erzähltechnik des Romans oder der Comics auf Film oder Fernsehen aus. Orson Welles Film »Citizen Kane« wird nachgesagt, er sei an Comics orientiert. Man bezieht sich dabei meist auf extreme Blickwinkel oder Schnitte statt Kamerafahrten. Viel wichtiger als ein möglicher Comicseinfluß war bei diesem experimentell revolutionären Film jedoch der Einfluß, den er auf die Comics ausübte. Wie Steranko berichtet, wirkte »Citizen Kane« vor allem auch auf Comic Books: So sahen sich zum Beispiel Bill Finger, Bob Kane und Jerry Robinson, Autor, Zeichner und Assistenzzeichner von Batman, »Citizen Kane« ein Dutzend Mal an, um sich über die Feinheiten dynamischer Erzählweise zu informieren und weiterzubilden. Aber auch andere Filme waren für sie und nicht nur für sie von Bedeutung.14 Jede Transponierung in ein anderes Medium kann eine Qualitätsänderung (zum besseren oder schlechteren) zur Folge haben. Der Einfluß der Medien untereinander ist aber eher bei der Übernahme und Abwandlung von Erzähltechniken und Ideen zu suchen als bei der Qualität der übernommenen Beiträge. So ist zu bemerken, daß sich Stummfilm und Comic Strip in der Erzählform ähnelten. Der Text Konga von Steve Ditko. Filme wie »King Kong« fanden nicht nur in King Kong-Comics ihren Niederschlag, sondern auch in zahlreichen Nachahmungen wie Konga. Zeichner Steve Ditko war lange Zeit bei Marvel und Charlton Spezialist für phantastische Geschichten. Aus: Fantastic Giants, Nr. 24. © 1966 Charlton Comics Group
wurde entweder dazwischengeblendet oder in Textblasen beigefügt. Es wurde versucht, Zeichnungen zu beleben und die Handlung lebender Personen aufzuzeichnen. »Pulps« und Comic Books pflegten einen ähnlich knappen, schnellen Erzählstil. Die Schnittechnik des Films und die Aufteilung der Handlung in die Einzelbilder der Comics standen in Wechselbeziehung. Die Auflockerung der Bilderzählung in Nahaufnahme, Totale, Schnitt/Gegenschnitt verlief in Film und Comics in etwa parallel. Der Erzähler, der den Rahmen für eine thematisch zusammengehaltene Reihe gibt, tauchte im Rundfunk in Serien wie »Lights Out« oder »Inner Sanctum Mysteries« auf, im Fernsehen in Serien wie »Thriller«, »Alfred Hitchcock Presents« oder »The Twilight Zone« und in Comic Books wie Boris Karloff Tales of Mystery, The Twilight Zone, Tower of Shadows, House of Mystery oder in den bereits erwähnten E. C. Comics. Auch die »Pulps« haben im Redakteur, der zu den verschiedenen Geschichten in einem Heft einige einleitende Sätze schreibt, einen dem Leser vertrauten »Ansager« und Kommentator. Neben den filmischen Möglichkeiten, die die Comics in ihrer graphischen Gestaltung ausnützen, greift der Film auch auf die Comics zurück. Europäische Regisseure behaupteten als erste, Stilmittel der Comics anzuwenden. Alain Resnais »Letztes Jahr in Marienbad« soll stilistisch den Techniken der Comics entsprechen. Federico Fellini hat in »81/2« die Hauptfiguren in Schlüsselszenen dadurch von der Umgebung abgehoben, daß sie entweder die einzigen Akteure mit Helligkeitskontrasten waren oder daß der Hintergrund so aufgehellt wurde, daß die unveränderte Hauptfigur hervorstach. Diese Technik ist an der sonst im Comic Strip und Book gegebenen Möglichkeit orientiert, in wichtigen Szenen unvermittelt jeglichen Hintergrund wegzulassen und die Aktionen der Personen so für sich selbst sprechen zu lassen oder zu betonen. In Frankreich haben vor allem Alain Resnais, Louis de Broca, Fran9ois Truffaut und Jean-Luc Go dard in ähnlicher Weise auf die Comics zurückgegriffen oder Comics zum Handlungselement von Filmen wie »Pierrot le fou« oder »Fahrenheit 451« gemacht. Der Zeichentrickfilm Während zwischen einigen Medien die Beziehungen vielleicht am besten als Wahlverwandtschaft charakterisiert werden, ist eine direkte Beziehung wohl am deutlichsten zwischen Comics und Zeichentrickfilm zu sehen. Zeichentrickfilme sind fast so alt wie die Comics. »Gertie the Dinosaur«, der erste erfolgreiche Zeichentrickfilm, ist noch dazu von einem Comicszeichner. Selbst der Begriff »animated cartoon«, die bewegte Witzzeichnung, leitet sich aus der engen Beziehung des neuen Mediums zu Cartoons und Comics (strip Cartoons) ab. Auch Mutt and Jeff, Felix the Cat und andere Serien wurden zwischen 1916 und 1925 verfilmt. Der Durchbruch kam mit Walt Disneys »Mickey Mouse«, die 1925 er-
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Walt Disneys Mickey Mouse verhalf 1928 dem Zeichentrickfilm zum Durchbruch. Donald Ducks Auftritte erfolgten zunächst gemeinsam mit Mickey, Goofy und der Disneyclique. Dann verselbständigte sich der Enterich, um von einer Not in die andere zu geraten. © Walt Disney Productions
funden und 1928 mit dem dritten Film, »Steamboat Willie«, dem ersten tönenden Zeichentrickfilm, erfolgreich gestartet wurde. Walt Disneys Zeichentrickfilme waren auf vielen Ge bieten bahnbrechend. In den »Silly Symphonies« wurde der Farbfilm populär gemacht, mit »Snow White and the Seven Dwarfs« 1937 der erste abendfüllende Zeichentrickfilm produziert. Die Sieben Zwerge wurden übrigens von Vladimir (Bill) Tytla und Fred Moore entwickelt und »animiert«. Aber obwohl Disney nicht allein arbeitete, nicht allein arbeiten konnte, ist jeder Film von ihm geprägt, denn er überwachte alle Pläne und entschied über die endgültige Fassung. Und Disney war nicht nur der Erfinder von »Mickey Mouse«, er war auch Mickeys Stimme. Disney hatte schon bald erkannt, daß beim Publikum nicht nur Interesse an den Zeichentrickfilmen bestand, sondern auch an Comic Strips, die die Abenteuer der Zelluloidhelden ins Haus brachten. So begann 1930 Mickey Mouse als Comic Strip, 1938 Donald Duck, Die Spielfilme wurden alsbald als Comic Books auf den Markt geworfen und ersparten so den Lesern das Sammeln der in Fortsetzungen erscheinenden Comicstrip-Version. Seit der Einführung von Walt Disney's Comics and Stories führten die Zeichentrickhelden ein Doppelleben. Neben den Filmabenteuern erlebten sie zusätzliche Comicbook- und Comicstrip-Abenteuer. Aber auch die meisten abendfüllenden Filme und Disneys Dokumentarfilme erschienen als Comics.15 Eine ähnliche dualistische Auswertung von Ideen in zwei Medien ist auch bei Disney-Serien »Micky Maus«, Paul Terrys »Mighty Mouse«-Filmen, bei Walter Lantz' »Woody Woodpecker«, bei Loew/MGMs »Tom and Jerry« und bei den Warner Brothers-Serien »Bugs Bunny«, »Daffy Duck«, »Schweinchen Dick«, »Elmer Fudd«, »Beep Beep the Roadrunner« und »Tweety and Sylvester« gegeben.
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Mit »Snow White and the Seven Dwarfs« bewies Disney 1937, daß ein abendfüllender Zeichentrickfilm kein finanzielles Risiko ist. Das Comic Book zum Film erlebte bisher allein in den USA vier Auflagen. © Walt Disney Productio ns
Vorläufiger Höhepunkt der Peanuts-Begeisterung ist der abendfüllende Spielfilm »A Boy Named Charlie Brown« (»Charlie Brown und seine Freunde«). © 1969 United Feature Syndicate/UPI/Cinema Center Films
Als sich die Animatoren William Hanna und Joseph Barbera 1957 selbständig machten, erzielten sie mit vereinfachten, schneller produzierbaren Zeichentrickfilmen wie »Huckleberry Hound« und »The Flintstones« im Fernsehen Woche um Woche Erfolge. Auch Hanna und Barbera verzichteten nicht auf die zusätzliche Werbewirkung von Comics. The Flintstones erschienen außer im Fernsehen auch in der Form von Strips und Books. Ähnlich verfuhren Hanna und Barbera bei ihren Serien »Yogi Bear«, »Pixie and Dixie«, »Magilla Gorilla« oder »Space Ghost«. Mit einigen dieser Serien bestreiten sie seit 1966 die neuen Samstagvormittagsprogramme des Fernsehens, in denen sich ein ammated cartoon an den anderen reiht. Neben Zeichentrickfilmserien wie »Krazy Kat« (1963) tauchten Abenteuerzeichentrickserien im Gefolge der Marvelbegeisterung auf. Spider-Man, Hulk, Captain America, Thor & Co flitzten über den Bildschirm in der Tradition der »Dick Tracy«- und »Superman«Cartoonserien der 1940er. Auch Superman, Aquaman und einige andere DC-Helden
Wem die Marvelhelden in den Comic Books nicht genügten, der konnte sie ab 1966 auch in Fernseh-Zeichentrickserien bewundern. © 1966 Marvel Comics Group
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kamen auf diesem Weg wieder ins Fernsehen. Ein besonderer Erfolg wurde die Zeichentrickserie »The Archies«, die geschickt die Beatbegeisterung mit dem altbewährten Comic Strip Archie verknüpfte. Von animated Cartoons, die ursprünglich für die Kinos produziert, dann aber dem Fernsehen verkauft wurden, produzierte man neue Fernsehfolgen, weil die alten Filme so oft eingesetzt worden waren, daß sie wie Max Fleischers »Popeye« nicht mehr zu verwenden waren. In einigen Fällen wurden neuere, erfolgreiche humoristische Comicserien wie Beetle Bailey und Snuffy Smith zu Fernsehzeichenserien verarbeitet. Auch die Peanuts bekamen ihre Fernsehshows und 1969 schließlich den Kinospielfilm »A Boy Named Charlie Brown« (»Charlie Brown und seine Freunde«). Auch in Europa werden Themen reihum zwischen Film, Fernsehen, Romanen und Comics ausgetauscht. Verwiesen sei nur auf Michel Vaillant, Tanguy et Laverdure, Jerry Cotton, Perry Rhodan, Diabolik, Barbarella, Asterix und Tintin, die im folgenden Kapitel wieder auftauchen.
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Die spinnen, die Römer ASTERIX
Schnarch, Zack, Räbäh MICKY MAUS
VIII Die europäische Comicsszene
Die europäische Comicstradition Die Form, die der Genfer Schriftsteller, Künstler und Universitätsprofessor Rodolphe Töpffer (1799 bis 1846) seinen phantasiereichen Bildgeschichten um Monsieur Cryptogame oder Monsieur Jabot gab, prägte für rund ein halbes Jahrhundert das Erscheinungsbild europäischer Comicsvorformen. Europas Bilderzählungen waren Zeichnungen, unter denen ein mehr oder weniger langer Text stand, ob es sich nun um W. F. Thomas' Ne'er-do-well Ally Sloper handelte, der mit Unterbrechungen von 1884 bis 1920 erschien, um Tom Browns Weary Willie and Tired Tim, die ab 1896 in der Kinderzeitschrift Illustrated Chips heimisch waren, um die Bildseiten der Deutschen F. Steub und Wilhelm Busch oder um jene des Franzosen Georges Colomb. Georges Colomb, der Naturkunde-Professor, der seine Zeichnungen mit »Christophe« signierte, war durch seinen Erfolg, den er 1889 mit La Familie Fenouillard hatte, von besonderem Einfluß auf Inhalt und Gestaltung anderer Bilderzählungen. Seine Geschichten, in denen Bild und Text wie bei seinen Vorläufern streng getrennt waren, wandten sich fast ausschließlich an Kinder. Während man in den USA aus der Form der europäischen Bilderzählung relativ schnell durch größere Experimentierfreude die Comic Strips entwickelte, die in den Zeitungen ein breiteres und vor allem auch ein erwachsenes Publikum ansprachen, waren die europäischen Zeichenserien auf Bilder mit Begleittext festgelegt, die nur in Kinderzeitschriften auftauchten (oder als Beigaben für Kinder in Zeitschriften oder Zeitungen gedacht waren).
Fort Navajo von Jean-Michel Charlier und Zeichner Jean Giraud. Action und Suspense, wie es sich für einen Western gehört. Man hat es in Europa verstanden, Amerikas ureigenste Domäne in hinreißender Form nachzuahmen und in manchen Fällen zu übertreffen. © 1970 Journal Pilote, Dargaud S. A. Paris
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In dieser Tradition improvisierte 1905 der französische Maler Jean-Pierre Pinchon für La Semaine de Suzette eine kleine Geschichte, die die Leser so begeisterte, daß daraus eine Serie über die Erlebnisse der kleinen naiven Bretonin Becassine entstand. Auch die Schelmenserie Les Pieds Nickeies des Franzosen Louis Forton erschien ab 1908 in einer Kinderzeitschrift, L'Epatant, obwohl die politischen Anspielungen dieser Reihe eher für Erwachsene gedacht waren. Neben den Bildunterschriften wies diese Serie auch schon vereinzelt Onomatopöien und Sprechblasen auf. In Italien kannte man ebenfalls diese Bilderzählungen aus der 1908 gegründeten Kinderzeitschrift Corriere dei Piccoli. Ab 1909 erschienen darin Antonio Rubinos phantasievoll poetische Bildfolgen und Attilio Mussinis Bilobul, die Erlebnisse eines wandlungsfähigen Negerjungen in einem Phantasieafrika, in dem alles wörtlich genommen und ins Bild umgesetzt wird. Auch Sergio Toffanos Bonaventura aus dem Jahr 1917 zählt zu diesen frühen Reihen. Ähnlich wie bei Krazy Kat wird immer derselbe Gag aufbereitet: Die Titelgestalt erhält für zufällig geleistete Hilfe am Schluß jeder Folge eine Million geschenkt. Im selben Stil wurde auch in England gearbeitet. Zeitschriften wie Comic Cuts (ab 17. Mai 1890), Illustrated Chips, Dan Leno's Comic Journal, Puck, Chuckles, The Rainbow, Comic Life, The Funny Wonder, The Firefly und schließlich auch Film Fun oder The Playbox wandten sich mit humoristischen Bild-Kurzgeschichten an ihr Publikum, die Kinder. Auch Deutschland stand nicht zurück. Neben den vereinzelt auftauchenden, politisch-satirischen Bildergeschichten, meist eine Aneinanderreihung von Karikaturen, die Olaf Gulbransson, E. Thöny oder K. Arnold für den Simplicissimus, die Jugend, den Kladderadatsch und die Fliegenden Blätter anfertigten, trat 1921 die Kinderzeitschrift Der heitere Fridolin auf den Plan. Alle 14 Tage konnten die Kinder den Geschichten von Barlogs Laatsch und Bommel oder SchäferAsts Benjamin Pampe folgen. Barlog, der für den heiteren Fridolin außerdem die Erlebnisse von Professor Pechmann
aufzeichnete, brachte durch Die fünf Schreckensteiner auch in die Berliner lllustrirte eine gezeichnete Serie. Die fünf Schreckensteiner, die spukenden Ahnen derer von Schreckenstein, die stets zur Geisterstunde ihre Streiche spielen, sind schon nahe verwandt mit dem Pantornimen-Strip, ähnlich wie die 1934 von Erich Ohser unter dem Pseudonym e. o. plauen begonnene Reihe Vater und Sohn. Während Europa noch bei diesem Typus blieb, war man in Amerika längst auf eine andere schnittigere Form umgestiegen. Die neue Kombination von Bild und Text wirkte schließlich wieder auf Europa zurück, zunächst vereinzelt durch die Übernahme von übersetzten Comic Strips. So erschien schon ab Oktober 1906 in der dänischen Wochenzeitschrift Hjemmet der Strip Lile Svends Gavtyvestreger, der von einem Lehrer (!) übersetzte Buster Brown. Zwei Jahre später, am 27. September 1908, wurden in Nr. 39 der Illustrierten Hjemmet auch die Katzenjammer Kids unter dem Titel Knold og Tot eingeführt. Diese frühen Importe legten den Grundstock für Bulls Presstjänst, eines der größten Comics- und Featuresyndikate Europas, das einen Großteil seines Materials vom King Features Syndicate übernimmt. In England führte man in Tageszeitungen verhältnismäßig bald Bilderzählungen wie Pip, Squeak and Wilfred (1919 im Daily Mirror) oder die um den kleinen Bären Rupert (1920 im Daily Express) ein. Rupert, der von seiner Erfinderin Mary Tourtel nur bis 1935 gezeichnet wurde, erscheint noch heute im Daily Express, wo täglich zwei Bilder mit darunterstehendem Text als liebenswerte Überbleibsel einer Vorform der Comics zu sehen sind. 1921 folgte der erste europäische Tagesstrip im Daily Sketch: Pop von J. Millar Watt, ein Humorstrip für Erwachsene, der ab 1929 auch von der New York Sun übernommen wurde.
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Obwohl sich die europäischen Strips großer Erfolge erfreuen konnten, wurden die Ansätze zu einer eigenständigen Produktion praktisch im Keim erstickt, als sich der amerikanische Comic Strip in der Weltwirtschaftskrise erneuerte. Erschwerend kam hinzu, daß eine im Lande angefertigte Serie siebenmal teurer war als eine importierte. Man machte nämlich zunächst in Europa den Fehler, alle Comics für Kinderlektüre zu halten, weil man bisher nur Kinder mit Bildergeschichten gefüttert hatte. In den USA hingegen wandten sich die Comic Strips auch an Erwachsene. Deshalb steckte man die Comics in Kinder- und Jugendzeitschriften und zensierte (häufig unmotiviert) an den Geschichten herum. Dabei entstanden auch erste europäische »Comic Books« mit Nachdrucken amerikanischer Comic Strips. In Frankreich tauchte als eine der ersten im Bild sprechenden Figuren Martin Branners Winnie Winkle als Bicot im Dimanche Illustre auf. Wegen der vielen »Amerikanismen« wurden diese eingeführten Serien retuschiert und der französischen Umwelt angepaßt. Den ersten »richtigen« französischen Comic Strip schuf schließlich 1925 Alain Saint-Ogan mit Zig et Puce, einem kindlichen Laurel und Hardy-Gespann, dem sich 1926 als Maskottchen der Pinguin Alfred hinzugesellte. Obwohl noch den Archaismen der Vorformen verbunden, bricht Zig et Puce mit der Tradition des Begleittextes unter dem Bild und stützt die Erzählung nur noch auf Sprechblasen. Saint-Ogans Serie erschien in der Zeitung Le Dimanche Illustre. Im Unterschied zu allen früheren europäischen Serien bestand diese Reihe nicht aus abgeschlossenen Gags, sondern aus von Woche zu Woche fortgesetzten humoristischen Abenteuern. Ursprünglich hatte ein »Abenteuer« nur zwölf Folgen, aber bald weiteten sich die Geschichten auf dreißig und vierzig
Tobias Seicherl von Ludwig Kmoch. In Österreich hatte man schon in den 30er Jahren einen eigenen Dialektstrip von unnachahmlich wienerischer Art. Mit seinem Hund Struppi und einem sehr praktischen Verstand meisterte Seicherl, Prototyp des »kleinen Mannes«, die verzwicktesten Situationen. Der Strip beeinflußte tiefgreifend Leben und Werk des Wiener Grafikers und Bildhauers Alfred Hrdlicka.
Folgen aus. Eine Konkurrenz für Zig et Puce erwuchs erst 1929 in Herges Tintin. Eines Tages wurde Alain Saint-Ogan von dem jungen Belgier Georges Remi in Paris besucht. Remi zeigte Totor, Chef de la Patrouille des Hannetons vor, eine Pfadfinder-Bildergeschichte, die 1923 in Le Boy-Scout Beige erschienen war. Saint-Ogan riet ihm, er solle dem Zug der Zeit folgen und seine Geschichten ganz auf die amerikanische Erzählform der Comics mit Sprechblasen umstellen. Remi, dessen Pseudonym Herge die Umstellung seiner Initialen R. G. in Lautsprache ist, befolgte diesen Rat. Das Ergebnis war Tintin au pays des Soviets, ein Comic Strip, der ab 10. Januar 1929 in Fortsetzungen im Petit XXeme, der Kinderbeilage der Tageszeitung Le Vingtieme Siede erschien. Zur selben Zeit versuchte sich Herge mit Quick et Flupke, Gamins des Bruxelles am Gag Strip. Neben dem ersten französischen Tagesstrip Les aventures du Professeur Nimbus von A. Daix (1934) und nach englischen Reihen wie Stephan Dowlings Bück Ryan (1937), einem Detektiv-Comicstrip für den Daily Mirror, oder Dowlings Garth (1943) wurden in Europa nicht mehr allzuviele neue Comic Strips geschaffen, denn der zweite Weltkrieg brachte auch hier Papierknappheit, und das bedeutete, daß für Comic Strips weniger Raum zur Verfügung stand. Auch die Kinderzeitschriften wurden dünner oder stellten das Erscheinen ein. In Deutschland hatte man aus nationaler Eigenbrötelei keine amerikanischen Comics eingeführt. Vielleicht ließ aber auch die umfangreiche Produktion von Witz und niveauvoller Satire gar nicht erst das Bedürfnis nach amerikanischen Comic Strips aufkommen. Die Comic Strips und die Comic Books, die nach dem Krieg mit den Alliierten in Deutschland einzogen, kamen deshalb um so überraschender und überrumpelten die Kultur- und Tugendwächter. Tintin von Herge. Mit Tintin schuf Herge eine der langlebigsten europäischen Comicsserien, in der sich ein Realismus im Detail mit stereotyp karikierendem Strich bei den Personen paart. © 1967 Editions du Lombard
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Comics in Deutschland Comic Strips erschienen ab 1948 in deutscher Übersetzung in Tageszeitungen. Die Strips und ihre Zusammenfassung in Heften vor 1950 bereiteten in Deutschland den Weg für die Comic Books. Superman, der während des Krieges eifrig gegen Nazis gekämpft hatte, war einer der ersten, die 1950 versuchten, den deutschen Comicbook-Markt zu erschließen, brachte es aber zunächst nur auf drei Hefte. Auch den Heldinnen Blonder Panther (Panthera Bionda aus Italien) und Nyoka (Nyoka, the Jungle Girl) war kein dauerhafter Erfolg beschieden. Den ersten, größten und dauerhaftesten Erfolg konnte Walt Disneys Micky Maus verbuchen. Heft l dieser Serie, die die einzige zum Postzeitungsvertrieb zugelassene ComicbookReihe wurde, erschien im September 1951. Die monatliche Erscheinungsweise reichte schon bald nicht mehr aus, um den stetig wachsenden Bedarf zu decken. Jeweils zur Monatsmitte erschienen deshalb ab April 1953 die Micky Maus Sonderhefte, in denen meist die Comicsversion der Walt DisneyFilme wiedergegeben wurde. Schließlich wurde Micky Maus 1955 auf vierzehntägliche und Weihnachten 1957 auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Die Auflage der Micky Maus hatte schon 1954 etwa 400 000 pro Heft erreicht. Und selbst bei der Umstellung auf häufigeres Erscheinen sank die verkaufte Auflage nicht. Sie hat sich heute bei 437 000 Exemplaren eingespielt. Im Oktober 1962 wurde zusätzlich Walt Disneys Mickyvision gestartet, ein Heft, in dem nun wieder Platz für Dis neys Film- und Fernsehabenteuerreihen war. Um die Leserzahl anzuheben, erschienen ab 8. März 1965 in Mickyvision die Abenteuer des Rennfahrers Michael Voss, hinter dem sich die belgische Reihe Michel Vaillant verbarg. Erst als die Fernsehserie nach dem Comic Strip Michel Vaillant auch über deutsche Bildschirme flimmerte, verzichtete man auf den eindeutschenden Titel, der die Identifikation des Lesers mit der Hauptfigur der Serie hatte erleichtern sollen.
Da in Mickyvision mehr und mehr belgische Serien heimisch wurden, nannte man im August 1966 das Heft kurzerhand in MV 66 um und 1969, einige Zeit nach der Einführung von Asterix, in MV-Comix. Daneben erschienen aber wieder vereinzelt Mickyvision-Hefte, schließlich vierteljährlich Die tollsten Geschichten von Donald Duck, in denen auf 64 Seiten hauptsächlich die unübertrefflichen Geschichten von Carl Barx wiederholt werden. Die aus Italien importierten Walt Disneys Lustige Taschenbücher rundeten das Verlagsangebot ab. Im September 1966 brachte der Ehapa Verlag außerdem Superman heraus, der damit eine dritte Chance erhielt, nachdem auch sein zweiter Auftritt 1953/54 nur etwa 20 Hefte lang gewährt hatte. Wenig später wurde die Reihe in Donald Duck ist auch in Deutschland eine der erfolgreichsten Comicsfiguren. Im linken unteren Bild ist statt des »Censored!« des Originals eine sehr viel witzigere deutsche Fassung gefunden worden. Aus: Die tollsten Geschichten von Donald Duck, Nr. 22. © 1970 Walt Disney Productions / Ehapa Verlag Stuttgart Der letzte unter Walt Disneys Leitung hergestellte Zeichentrick-Spielfilm war »Dschungelbuch«. Zum Film erschien sogleich in aller Welt das Comic Book. © 1969 Walt Disney Productions / Ehapa Verlag Stuttgart
Erst beim dritten Anlauf konnten sich Superman, Batman und Wonder Woman in Deutschland etablieren. © 1968 National Periodical Publications, Inc./Ehapa Verlag Stuttgart
Superman, Batman und Wonder Woman umbenannt. Da die Abenteuer dieser Superhelden auch in MV-Comix erscheinen und beide Reihen vierzehntäglich herausgebracht werden, kommen sie in alternierendem Turnus auf den Markt, um eine pseudo-wöchentliche Periodizität zu erzielen. Ähnliche Erfolge wie der Ehapa Verlag weist nur noch der Kauka-Verlag auf, einer der wenigen, die in Deutschland Comic Books selbst herstellen. Rolf Kauka begann Anfang der fünfziger Jahre mit Till Eulenspiegel und Münchhausen.
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Fix und Foxi und ihr liebenswerter Widersacher Lupo sind die erfolgreichsten Comicsfiguren deutscher Eigenproduktion. Sie erfreuen sich auch in anderen Ländern großer Beliebtheit. © 1970 Rolf Kauka Verlag
Fix und Foxi, ursprünglich Nebenfiguren in Till Eulenspiegel, entwickelten sehr schnell ihr Eigenleben und bekamen 1953 ihr eigenes Heft. Till Eulenspiegel und Münchhausen, die einzige deutsche 3-D Serie, die dem 3-D Taumel des Films und der auch nach Deutschland importierten Mighty MouseHefte folgte, wurden eingestellt. Im Lauf der Jahre wurden Fix und Foxi und ihr Antagonist Lupo immer stärker stilisiert. Und auch Fix und Foxi wurde nach und nach auf wöchentliche Erscheinungsweise umgestellt. Die Auflage hat sich 1970 bei durchschnittlich 300 000 verkauften Exemplaren eingespielt. Wie bei Micky Maus bilden Kinder im Alter von 7—14 Jahren, die aus allen Gesellschaftsschichten kommen, das Hauptkontingent der Leser. Der einzige Unterschied ist in der regionalen Bevorzugung zu entdecken: Während sich Micky Maus in Norddeutschland etwas besser verkauft als im Süden, ist für Fix und Foxi in Süddeutschland das größere Käuferreservoir. Man vermutet als Grund die etwas anglophileren Neigungen der Bewohner des deutschen Nordens.
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Auch der Kauka-Verlag versuchte sich mit Erfolg an weiteren Comics-Publikationen. In Lupo modern wurde erstmals Lucky Luke nach Deutschland gebracht und Asterix nebst Obelix tauchten als Siggi und Babarras auf. Um dem deutschen Leser die Identifikation zu erleichtern, wurde die ganze Serie auf deutsche Verhältnisse zugeschnitten. Aber der Versuch, aus einer französischen Satire eine deutsche zu machen, mußte mißlingen, da die Kritiker sofort politkonservativen Unrat witterten. Die Lizenz wurde zurückgezogen und an den Ehapa Verlag Stuttgart weitergegeben, dessen Übersetzung vom französischen Hersteller genau überwacht wird. Bei Kauka erschienen aber weiterhin Geschichten um Siggi und Babarras, weil langfristige Lieferverträge abgeschlossen waren. Prinzipiell ist nämlich in jedem Land der Ankauf einer ausländischen Serie mit dem Recht auf Titeländerung verbunden, und der jeweilige Verleger kann unter dem neuen Titel eigene Geschichten produzieren. Da man sich beim Kauka-Verlag darüber im klaren war, daß die AsterixBearbeitung mißglückt war, und die Serie Siggi und Babarras deshalb auch nicht mehr von ihrem Image loskam, zog man sie nach und nach aus dem Verkehr. Super Tip Top löste Lupo modern ab und ging 1969/70 schließlich in den Kauka-Taschenbuch-Comicreihen auf, die in der Auflage den Fix und Foxi-Heften nicht nachstehen und die geboren wurden, um auch Erwachsene eher einmal zu den Comics greifen zu lassen. In diesen Taschencomics werden dem deutschen Leser Lucky Luke, die Schlümpfe (Les Schtroumpfs) und Prinz Edelhart (Johan), alles belgische Produktionen, nahegebracht. Neben den humoristischen Comics der Disney- und Kaukaproduktion versuchte man zu Anfang der fünfziger Jahre auch Abenteuercomics in Deutschland heimisch zu machen. So begann im Juni 1952 die Reihe der Phantom-Hefte, bei denen aber jedes Heft nach einem anderen Serienhelden betitel wurde. Gegen Ende der Reihe, im Jahr 1955, figurierten fast nur noch Prinz Eisenherz und Phantom im Titel. In den Phantomheften erschienen unter anderem übersetzte Nachdrucke der Comic Strips Phantom, Mandra (Mandrake), Prinz Eisenherz (Prince Valiant), Rip Korby (Rip Kirby), Blondie, King der Grenzreiter (King of the Royal Mounted), Bob und Frank (Tim Tyler's Luck), Steve Canyon, Der Oberst und die Herzogin (Colonel Potterby and the Duchess), Corden (Flash Gordon), Lilo (Teeny), Felix der Kater (Felix the Cat), und einige Folgen der Comic BookReihe Hopalong Cassidy. Während die Phantom-Hefte jeweils abgeschlossene Geschichten enthielten, erschien ab Januar 1953 — ebenfalls bei Aller-GmbH — Buntes Allerlei mit Fortsetzungsgeschichten, das heißt, diese Reihe war eine Zusammenstellung der Sonntagsfolgen amerikanischer Comic Strips. Darunter waren wieder Phantom, Rip Korby, Garden, Blondie und King, außerdem aber auch Serien wie die Katzenjammer Kids, Schmerbauch (Bringing Up Father), Kasper und Liesel (Toots and Casper), Ein lustiger Vaga-
bund (Pete the Tramp), Oma (Grandma), Die liebe Familie (Polly and Her Pah), Präriewolf (The Lone Ranger), Ricki (Rusty Riley), Hannelore (Etta Kett), Zirkusvolk (Tommy of the Big Top), Theobald (Henry), Meisterdetektiv X-9 (Secret Agent X-9), und Schifferkarl (Popeye). 1954 stellte sich Buntes Allerlei auf Supermann um und brachte neben den Supermanabenteuern auch DC-Füllerserien wie Tom von Morgen (Tommy Tomorrow), Rote Maske (Vigilante), Johnny Quick und Tomahawk, 1953 erschien außerdem bei einem schwedischen Verlag für Deutschland Tom Mix, mit den Abenteuern des Titelhelden und den Serien Lash La Rue, Adlerauge, Buffalo Bill und Roland der Riese. Doch auch diese Heftreihe lebte nicht sehr lange. Ihr Hinscheiden ist durch die Comicshetze deutscher Kulturwächter nach amerikanischem Vorbild und die daraus resultierenden Umtauschaktionen »Schund gegen Jugendbücher« mit herbeigeführt worden. Da es in Deutschland aber nie echte Horror-, Sex- und Crime-Comics amerikanischer Provenienz gegeben hatte, hielten sich die Comicsinquisitoren an den vorhandenen Abenteuer-Comics schadlos. Bei Tom Mix war das Ende der Serie aber primär dadurch bedingt, daß die amerikanische Herstellerfirma Fawcett ihre Comicsreihen aufgab, für Deutschland also der Nachschub fehlte. Buntes Allerlei und Phantom-Hefte hatten mit ihren Stripnachdrucken zu wenig Comicbook-Charakter, um auf die Dauer ihre Leserschaft von über 100 000 zu halten. Reine Comic Books wie Yabu, Wild West und Der fidele Cowboy gingen ein, weil sie nicht attraktiv genug waren. Ebenfalls zu Beginn der fünfziger Jahre wurden im Mondial Verlag Tarzan, Pecos Bill und Der kleine Sheriff gestartet, Importe aus Amerika und Italien. Obwohl ebenso beschnitten und ummontiert wie in italienischen und französischen Comic Books, läßt sich dennoch in den Tarzanheften halbwegs die Genialität der Zeichenkunst Burne Hogarths erkennen, die zudem durch eine geschickte (wenngleich auch etwas zu dichte) Farbgebung unterstützt wird. Es ist für Comicsforscher und Puristen immer wieder frustrierend, daß selbst die Bestleistungen der Comics gekürzt und auf das Prokrustesbett kleiner und absonderlicher Formate gezwungen werden. Gegen ähnliche Mißstände bei Filmbearbeitungen kämp fen auch die Cineasten seit langer Zeit vergebens. Pecos Bill und Der kleine Sheriff zeichneten sich wie Tarzan dadurch aus, daß man auf Sprechblasen verzichtete. Aber es waren vor allem die beiden Westernserien, bei denen der Zensor häufig eingriff. Messer, Keulen und Pistolen wurden fast stets aus dem Bild entfernt. Sie tauchten immer erst im letzten Augenblick in der Hand des Schützen auf, der noch auf dem Bild zuvor die leere Hand in Anschlag bringt. In einigen Fällen ersetzte man gewalttätige Aktionen durch Textpassagen, wenn man den zornbebenden Atem der Erzieher und Jugendwarte im Genick zu spüren glaubte. Als Zugeständnis an die besorgten Kulturschützer ist es zu wer-
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ten, daß in diesen Heften immer mehr Textteile eingeschoben wurden, um die Vorwürfe des Bildanalphabetismus zu entkräften. Schließlich folgten auf zwei Comicseiten immer zwei Textseiten — und die Zeitschriften gingen in andere Hände über, wurden zusammengelegt und schließlich eingestellt. Ein glänzender Erfolg der Freiwilligen Selbstkontrolle. Aber Tarzan war nicht umzubringen. Er hatte schon in den zwanziger Jahren durch die vorzüglich übersetzten Romane von Edgar Rice Burroughs in Deutschland zahlreiche Freunde gefunden. Der Lehning Verlag führte nach dem Pabel Verlag den Comicbook-Verschnitt des Tarzanstrips bis 1964 fort. Und 1965 begann beim Bildschriftenverlag der ComicbookTarzan von Gold Key seine deutsche Existenz. Als der Lehning Verlag Tarzan herausbrachte, blieben ihm noch vier Jahre Zeit, bis er die Pforten schloß. Und in diesem Zeitraum importierte der Verlag Titel wie Kit Carson oder Spider aus England, Kalar und Marco Polo aus Frankreich und Italien. Aber gerade der Lehning Verlag hatte zu Beginn der Fünfziger deutsche Abenteuercomics initiiert, darunter Sigurd, Nick der Weltraumfahrer, Tibor und Falk, die zunächst wie die seit dem 1. Juli 1953 aus Italien importierten Serien Akim, Camera und El Bravo als wöchentliche Piccolohefte im Querformat von 8x16 cm erschienen. Später wurden sie auf das Format DIN A 5 umgestellt. Diese Hefte erfreuten sich zwar zeitweilig einiger Beliebtheit — die sogar bis zur Indizierung reichte — aber gegenüber den anderen Serien fielen sie durch die Kürze der Geschichten und die mindere Qualität ab. Aus dem Mittelmaß ragte nur die Comicsversion der Karl May-Romane heraus, die unter den Titeln Kara Ben Nemsi und Winnetou eine für deutsche Verhältnisse erstaunliche Qualität bot, was durch Exporte in andere europäische Länder belohnt wurde. 1971 warf der Lehning Verlag seine Produkte erneut ins Rennen. Die frühen Abenteuerreihen waren, wie in fast allen Ländern üblich, mit versal kalligraphierten Texten versehen. Bei Micky Maus und bald auch bei Fix und Foxi bevorzugte man den maschinengesetzten Text, der sich schließlich als die in Deutschland gängige Betextung der Comic Books etablierte, vielleicht, weil man so den Eindruck des durchweg gezeichneten Produkts vermied und der Schrift von Büchern und Zeitungen näher stand. Respektabel genug waren hingegen die Illustrierten Klassiker, um die der Bildschriftenverlag, eine Tochterfirma der National Periodical Publications, seine Comicbook-Reihen aufbaute. Waren es 1962/63 noch Bildschirm-, Detektiv- und Filmklassiker, die jeweils etwa für ein Jahr das Verlagsprogramm ergänzten, so wurden mit Sheriff Klassiker (1964), Tarzan (1965), den Gold Key- und Hit-Comics (beide 1966) und den Top-Comics (1969) beständige Serien hinzugefügt. Mit Ausnahme von Tarzan handelt es sich bei den meisten Titeln um »Kopfserien«, also Serien, die den Rahmen für Heftreihen unterschiedlicher Länge abgeben, oder in denen verschiedene Serien vereint werden.
So erschienen und erscheinen in den Sheriff Klassikern abwechselnd Kid Colt, Rauhfell Kid (Rawhide Kid) und Texas Kid (Rawhide Kid Nr. 1). In den Hit-Comics findet man die Marvel-Comicbooks Die Spinne. (Spider-Man), Die Fantastischen Vier (Fantastic Four), Halk (Hulk), Die Rächer (The Avengers), Captain Marvel, Devil-Man (Daredevil), Der mächtige Thor (Mighty Thor), Der unbesiegbare Eiserne (The Invincible Iran Man),.X-Männer (X-Men) und Prinz Namor, der Sub-Mariner (Prince Namor, the Sub-Mariner). Die Top-Comics sind den DC-Reihen Wassermann (Aquaman), Die Schwarzen Falken (Blackhawk), Blitzmann (The Flash) und Die Grüne Laterne (Green Lantern) vorbehalten. Von Gold Key wurden jeweils als eigene, unterschiedlich lange Reihen Magnus, Astronautenfamilie Robinson (Space Family Robinson), Korak Tarzans Sohn (Korak Son of Tarzan), Dr. Solar, Bonanza, Lancer, Der einsame Reiter (The Lone Ranger), Mündungsfeuer (Gunsmoke), Samson (Mighty Samson), Turok Sohn der Steinzeit (Turok Son of Stone) und einige Einzelhefte übernommen. Der Bildschriftenverlag nimmt mit seinen Abenteuerreihen eine Sonder-, um nicht zu sagen Außenseiterstellung ein, da er nicht die üblichen Vertriebswege nützt, sondern ein eigenes Vertriebssystem aufgebaut hat, das allerdings nur etwa ein Viertel der Zeitschriftenhändler erreicht. Deshalb liegen die Auflagen der Hefte im Durchschnitt bei 30 000, in einigen Fällen — wie bei Tarzan — um 80 000 (im Monat also 160 000). Da undatiert, können die Remittenden bei anderen Händlern wieder zum Verkauf angeboten werden, eine Methode, die schon der amerikanische Verleger Delacorte in den Vierzigern bei seinen Pulps anwandte. Außerdem erscheinen alle Serien in Zusammenarbeit mit anderen Zweigfirmen der National Periodicals in ganz Europa. Je nach Land wird beim Drucker nur der Film mit dem Text ausgewechselt. Da die einzelnen Titel dadurch hohe Gesamt auflagen erreichen, sind auch die niedrigeren Auflagen der Einzelländer noch rentabel. Wie der Bildschriften- und der Ehapa Verlag Fernsehcomics importieren, so hatte um 1962/63 der Neue Tessloff Verlag die Fernsehauswertung schon im größeren Stil versucht. Mit Wyatt Earp, Mike Nelson, Lassie usw. erzielte die Reihe immerhin eine Laufdauer von 189 Heften. Daneben erschienen 49 Hefte im Taschenformat, auch sie mit den Abenteuern amerikanischer Fernsehserien, selbst wenn sie noch nicht in Deutschland gelaufen waren. Detektive (The Detectives) wurde zum Beispiel erst einige Jahre nach der Comicbook-Veröffentlichung im Zweiten Deutschen Fernsehen unter dem Titel »Kein Fall für FBI« gebracht. In den sechziger Jahren versuchten zudem die Romanhefteverleger ins Comicbook-Geschäft einzusteigen. Der Bastei Verlag brachte neben Western- und Kriminalromanen nun Felix und nach und nach auch Lasso, Buffalo Bill, Wastl, Silberpfeil, Bessy, Der rote Korsar und zeitweilig als eigenes Heft Roy Tiger. (Von Bessy sind bisher insgesamt rund 50
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Millionen Hefte verkauft worden, also fast soviel wie von den Peanuts-Büchern in aller Welt.) Ein Teil der Serien wird aus dem Ausland übernommen oder im Verbund mit Bulls Pressedienst hergestellt, ein Teil wird vom Bastei Verlag selbst in Auftrag gegeben. Die Zeichner sitzen mit wenigen Ausnahmen in Italien oder Spanien. Auch Moewig und Pabel versuchen sich seit 1968 an Comic Books. Moewigs FBI — G-Man Bruce Cabot und Perry (nach der Romanserie »Perry Rhodan«, die sich eines großen Erfolges erfreut, von Kritikern aber wegen ihrer starken faschistischen Züge nicht allzu wohlwollend aufgenommen wird) konnten sich im Gegensatz zum Kinderheft Plop und dem als Taschencomic erscheinenden Barbarella-Abklatsch Uranella (aus Italien) behaupten. Auch Pabels Tom Berry konnte erfolgreich eingeführt werden. Am Rande sei vermerkt, daß in der DDR Comic Strips als imperialistisches Propagandamittel verpönt waren. Kinderzeitschriften wie Mosaik blieben deshalb auf dem Entwicklungsstand der Bilderzählung von 1920 stehen und haben allenfalls noch eine Entsprechung in Kinderzeitschriften von Warenhäusern des Westens. In Mosaik wird zum Unterschied von Salamander-Schuhen (Lurchi, um eines der besten Beispiele zu nennen) eine Ideologie verkauft. Gegen diese Art ideologischer Beeinflussung sind Captain Americas Abenteuer der frühen 50er Jahre als »Kommunistenzerschmetterer« (Commie Smasher) fast noch harmlos und niedlich. Aber Ende 1969 ertönte in der Ostberliner kulturpolitischen Zeitschrift Sonntag der Ruf nach »volkstümlichen Gegenbildern« der bürgerlichen Comic-Figuren.1 Das Ergebnis des Aufrufs steht noch aus. In Westdeutschland hingegen steht fest, daß monatlich rund 12 Millionen Comic Books verkauft werden. Davon verlegt allein der Ehapa Verlag 3,5 Millionen, gefolgt vom Kauka Verlag mit 2,8 Millionen. Die nächstgrößten Marktanteile haben sich mit 2,6 Millionen der Bastei Verlag und mit knapp einer Million der Bildschriftenverlag erobert. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, hat es ein Comicbook-Genre nie in Deutschland gegeben: die Kriegscomics. Zum einen gab es den Krieg in Groschenromanen, den Landserheften, zum anderen konnte man nicht damit rechnen, daß sich deutsche Leser mit den amerikanischen Protagonisten von Kriegscomics identifizieren würden. Außerdem fürchtete man den wütenden Aufschrei der Kritiker im In- und Ausland. Aber in anderen europäischen Ländern finden amerikanische und englis che Kriegscomics ihre Abnehmer. Die Schauplätze dieser Hefte sind auf Deutschland, Nordafrika und den Pazifik beschränkt. Die Deutschen, sprich »Nazis« (Hans und Fritz), und die Japaner sind die Gegner. Aber auch in anderen Comicgenres richtet sich das Bild von Ausländern fast immer nach nationalen Stereotypen. Franzosen tragen Menjoubärtchen, Engländer lassen das »H« fallen, Deutsche sind blonde Herrenmenschen. Häufig wird
Deutschland auch mit Bayern gleichgesetzt. All diese Klischeevorstellungen finden sich in den Übersetzungen wieder. Über das Amerikabild, das die amerikanischen Comics dem Ausland bieten, gehen die Meinungen der Produzenten auseinander. Beim Bildschriftenverlag ist man der Ansicht, Comics könnten das Amerikabild junger Leser kaum beeinflussen, allenfalls in Wildwest-Comics das Bild der Pionierzeit vertiefen, das sie in Film und Schrifttum vermittelt bekommen. Bei Bulls Pressedienst glaubt man, »daß die Comic Strips einigermaßen das Bild von Amerika beeinflussen, das sich ihre Leser machen. Unserer Meinung nach wird dieses Bild jedoch in seinen wesentlichsten Aspekten von anderen Medien wie Zeitungen, Film und Fernsehen geschaffen und hauptsächlich von den Nachrichten und Sozialreportagen geprägt«. Jules Feiffer meinte zynisch einschränkend, durch Steve Canyon und Buz Sawyer könne man ein ziemlich genaues Bild Amerikas bekommen. (Beides sind konservative Strips, ihre Helden idealtypische Amerikaner.) Stan Lee nennt eine Vorbedingung für das Erkennen des den Comics inhärenten Amerikabildes, das er als weniger genau als in anderen Medien erachtet: Es ist zunächst einmal notwendig, Comics richtig zu kennen, bevor man ein »wahres Bild« Amerikas aus ihnen gewinnen kann. Dieser Rat gilt aber vor allem Soziologen und erwachsenen Comicsinterpreten.2 Überdies wird das Amerikabild der Comics durch die Übersetzung gefiltert, da hier gegenüber dem Original eine Nachzensur möglich ist. So heißt es beim Ehapa Verlag: »Spezielle Vorschriften für unsere Übersetzer haben wir nicht. Das Ideengut kann auf Kosten des Humors, der Aktualität oder der Modernität auch grundsätzlich abgeändert werden.« 3 Auch für Comic Strips gibt es Bearbeitungsregeln. Selbstverständlich gilt, daß die Sprache dem Land angepaßt werden soll, in dem der Strip veröffentlicht wird. Im allgemeinen wird dabei auf korrekte Sprache geachtet. Wenn es angebracht scheint, wird aber ein »moderner, lokaler Jargon« benützt. Bei der Übersetzung von Humorstrips geht es »in erster Linie darum, die humoristische Pointe zum Ausdruck zu bringen. Ist das durch eine ziemlich direkte Übersetzung nicht zu erreichen, so muß der Streifen umgeschrieben werden und eine neue Pointe erhalten oder er muß ganz wegfallen«. Abenteuerstrips »können meist ziemlich genau übersetzt werden«. Wenn sich allerdings nach Ansicht des Pressedienstes »ungeeignete Vorgänge mit Gewalttaten, Gemeinheiten und dergleichen ereignen«, so werden Text oder Zeichnung der betreffenden Szenen umgearbeitet.4 Ähnliche Vorstellungen wie bei Bulls Pressedienst herrschen auch bei United Press International, wo es unter anderem einen Comic Strip mit rigiden Übersetzungsanweisungen gibt: Die Peanuts. Charles Schulz läßt streng darauf achten, daß sich in seine Serie keine Flüche einschleichen. Taucht statt des Ausrufes »Rats!« wirklich einmal »Verflucht!« in einer deutschen Übersetzung auf, so kann man sicher sein, daß sie nicht von UPI stammt.
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Wie deutschsprachige Illustrierte in Österreich und der Schweiz hauptsächlich aus Deutschland importiert werden, so kommen auch die Comic Books und die Comic Strips aus Deutschland. Für die Verbreitung von Comic Strips im deutschsprachigen Raum sorgen fast ausschließlich Bulls Pressedienst und United Press International. UPI liefert hauptsächlich die Peanuts (an 10 Tageszeitungen mit einer Auflage von zusammen etwa l Million), daneben aber auch andere Beiträge von United Features Syndicate, wie zum Beispiel Tarzan oder The Captain and the Kids. Von Newspaper Enterprise Association übernimmt UPI Streifen wie Captain Easy oder Bugs Bunny und vom Register & Tribune Syndicate Tumbleweeds und Wee Pah. Bulls Pressedienst repräsentiert unter anderem King Features Syndicate, das größte Zeitungssyndikat der Welt, englische, skandinavische und deutsche Syndikate. Die Verteilung und Verbreitung ist beispielhaft aus der nebenstehenden Aufstellung zu ersehen, die deutlich zeigt, daß im deutschen Sprachraum nicht nur Comic Books, sondern auch Comic Strips weit verbreitet sind. Es bringt zwar nicht jede Zeitung wie die Hamburger Morgenpost eine ganze Seite Comics, aber im Zuge der wachsenden Beliebtheit der Comics nahm auch eine so konservative Zeitung wie die Frankfurter Neue Presse als ersten Strip die Peanuts auf. Es verwundert nicht, daß Bulls Pressedienst im September 1970 schon 79 Zeitungen in Deutschland (Kopfblätter nicht gerechnet), 15 in Österreich und 6 in der deutschsprachigen Schweiz mit verschieden vielen Comic Strips versorgte, da auch in diesen Ländern festgestellt worden ist, daß Comics einen hohen Beachtungswert haben. Man greift heute bei den Zeitungen häufiger zum Comic Strip, weil man erkannt hat, daß sie ein — zumindest hierzulande neuer — Weg sind, den Trend zum Visuellen aufzufangen. Andy Capp (Willy Wacker) von Reg Smythe. Andy Capps Lebensstil hat universellen Appeal, und deshalb war er auch einer der Schnellstarter im internationalen Comicsgeschäft. © 1970 Bulls.. Pressedienst
VERTEILUNG UND VERBREITUNG VON DEUTSCHSPRACHIGEN COMIC STRIPS IM BULLS PRESSEDIENST
In der Spalte »Serientitel« ist der amerikanische Titel dem deutschen vorangestellt, die Rubrik »Anzahl« bezieht sich auf die Zahl der Publikationen, in denen der Strip veröffentlicht wird, die Rubrik »Auflage« gibt die verkaufte Auflage in 1000 an. Alle Angaben gelten für das 4. Quartal 1969.
BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND WEST-BERLIN
ÖSTERREICH
Serientitel
Anzahl
Auflage
Serientitel
Anzahl
Auflage
Andy Capp / Willi Wacker
14
1 641,2
Andy Capp / Charly Käppi
1
466,3
Big Ben Bolt / Bob Holm Blondie
1 5
38,3 1 059,7
Beetle Bailey / Balduin
1
430,0
Big Ben Bolt / Bob Holm
1
Captain Kate / Kätp'n Lill
2
94,6
Blondie
1
320,0
Cisco Kid / Cisco Dr. Kildare
3 3
142,8 68,5
Cisco Kid / Cisco
2
377,2
Donald Duck Flash Gordon / Garden / Rex Star
2 9
198,5 1 412,3
Donald Duck
1
430,0
Felix the Cat / Felix der Kater
1
56,6
Fred Basset / Wurzel
5
426,1
Flash Gordon
2
338,2
The Heart of Juliet Jones / Die beiden Schwestern Hi and Lois / Familie Biegler
5
1 167,6
Fred Basset / Wurzel
1
26,7
Galaxus
1
73,2
3
156,3
Goliath
1
Lilie Rickard och hans Katt / Richard und sein Kätzchen Mandrake / Mandra
Hi and Lois / Familie Biegler
2
141,9
10 1
669,8 285,2
James Bond
1
430,0
Mickey Mouse / Micky Maus
3
572,9
Mandrake / Mandra
1
Modesty Blaise
2
67,9
Mickey Mouse / Micky Maus
1
57,2
Moose / Otto Paul Temple
3 2
233,9 105,1
Mumin
1
79,4
Modesty Blaise
1
430,0
Perishers / Die kleinen Racker Phantom
2 10
146,5 893,0
Moose / Otto
1
15,0
Paul Temple
1
26,7
Prince Valiant / Prinz Eisenherz
1
727,0
Phantom
2
377,2
Popeye
1
285,2
Redeye / Häuptling Feuerauge
1
73,2
Pysse / Trixi
1
1 053,8
Rip Kirby / Rip Korby
2
377,2
Rosa, die freundliche Kuh
1
Rusty Riley / Ricki
1
26,7
Rip Kirby / Rip Korby
7
1 167,0
Scamp / Strolchi
3
501,9
Redeye / Häuptling Feuerauge
1
285,2
Rusty Riley / Ricki
4
364,8
Scamp / Strolchi
10
959,2
Walt Disneys Schatzkammer
1
430,0
Vivi
1
48,9
Serientitel
Anzahl
Auflage
Beetle Bailey / Balduin
1
142,5
Donald Duck
1
The Gambols / Die Meiers
1
167,4
Mr. Abernathy / Herr Archibald
1
167,4
Mumin
2
96,3
Prince Valiant / Prinz Eisenherz
1
128,6
Redeye / Häuptling Feuerauge
1
142,5
Trudy
1
167,4
True Life Adventures / Wunderbare Welt
1
36,7
Secret Agent Corrigan / Geheimagent Corrigan The Seekers / Die Luchse
1
296,0
1
13,7
Tiffany Jones / Peggy
7
392,4
Treasury of Classic Tales / Walt Disneys Schatzkammer
1
12,8
True Life Adventu res / Wunderbare Welt Uncle Remus / Bruder Lampe
183
Treasury of Classic Tales /
DEUTSCHSPRACHIGE SCHWEIZ
3
172,3
1
31,4
Taro von Fritz Raab und Zeichner F. W. Richter-Johnsen. Diese vorzügliche Reihe lief bis Mitte der sechziger Jahre im Sternchen, der Kinderbeilage des Stern. Der exotische Strip um den Indianer Taro, der zwischen Indios und Weißen Frieden stiften will, ist bislang in Deutschland qualitativ unerreicht. © F. W. Richter-Johnsen und Fritz Raab
Flash Gordon (Rex Star) von Mac Raboy. Flash Gordon erscheint in der Tschechoslowakei unter einem der beiden in Deutschland üblichen Titel. Flash und Dale (Rex und Veronika) besuchen hier auf der Weltausstellung den tschechoslowakischen Pavillon, während man im Original die neutrale Schweiz bemühte, um nirgendwo anzuecken. © 1965, 1970 King Features/Bulls
Selbst in China werden — zu Agitationszwecken — comicstrip -ähnliche Bildfolgen verwendet. Die Erzählung handelt von heldenmütigen Matrosen, die in Vietnam freudig aufgenommen werden, nachdem sie sich von ihrem durch US-Flugzeuge versenkten Schiff gerettet und durch das Mao-Zitat: »Fest entschlossen sein; keine Opfer scheuen; alle Schwierigkeiten überwinden, um den Sieg zu erringen!« über Wasser gehalten haben. Aus der Pekinger Zeitschrift China im Bild.
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Die Reaktion auf Comic Strips in deutschen Zeitungen ist im großen und ganzen positiv. Da sich der Leser aber daran gewöhnt hat, daß er nichts gegen den Willen der Redakteure ausrichten kann, nimmt er es auch hin, wenn sie Comic Strips aus ihren Zeitungen verbannen. So stellte die BildZeitung ihre Strips ein, weil die Redakteure sie ganz einfach nicht mehr haben wollten. Und die Münchner Abendzeitung brach die Veröffentlichung von Blondie und Phantom ab, weil fast niemand die Strips beachtet haben soll. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß Phantoms letzter Auftritt in der AZ am 21. Oktober 1969 damit endete, daß Phantoms langjährige Freundin Diana denkt: »Fort — — als wäre er niemals hiergewesen. Komm' bald wieder Liebling!«, und daß der Hinweis am unteren Bildrand auf die (fehlende) Fortsetzung lautete: »Morgen: Der Vermißte«. Die Leser haben sich dem Diktat der Redaktion gebeugt. Eine direkte Befragung hätte aber vermutlich Leserreaktionen gezeitigt.5 Neben den Zeitungen entdecken auch die Illustrierten mehr und mehr die Comic Strips. Der Stern zum Beispiel bringt seit geraumer Zeit die Peanuts. Der Stern ist im übrigen eine der wenigen Zeitschriften, die eigene Comic Strips pflegen. So agiert auf seinen Seiten seit langem Roland Kohlsaats Jimmy das Gummipferd (jetzt unter dem Titel Julias abenteuerliche Reisen), eine Mischung aus Comic Strip und Bilderzählung. In der Jugendbeilage Sternchen erschien lange Zeit die Bildfolge mit gereimten Texten Reinhold das Nashorn von Loriot (= Pirol = Victor von Bülow), einem der großen Förderer des gezeichneten Humors in Deutschland. Und im Stern fand man auch bis Mitte der sechziger Jahre Taro, eine der wenigen hervorragend gezeichneten deutschen Abenteuerserien. Taro von Fritz Raab und dem Zeichner F. W. Richter-Johnsen schildert die Abenteuer eines Indios im Mato Grosso-Gebiet in einem verhaltenen, nicht auf Schaueffekte abgestellten Stil. Bei Bulls Pressedienst ist man — wohl zu Recht — der Ansicht, »daß das Interesse für Comic Strips in Deutschland spürbar im Zunehmen begriffen ist und daß die ablehnende Haltung Comics gegenüber, die sich früher an mehreren Stellen bemerkbar machte, nunmehr einer sachlichen Beurteilung und Wertschätzung weicht. Und Zeitungen, die die Idee der Comic Strips erfaßt und die Strips zu einem natürlichen Bestandteil des Inhalts gemacht haben, sind damit sehr erfolgreich.« 9 Diesen Erfolg hat Bulls Pressedienst auch in einige Ostblockstaaten exportiert. So erscheint in der tschechischen Zeitung Smena in Bratislava Rip Korby »v nemeckom originali a slovenskom preklade«, also als deutsches Original mit slowakischer Übersetzung. Der deutsche Text dieser amerikanischen Serie ist wie in Deutschland in den Textblasen, unter den Bildern steht die Übersetzung. Die tschechische Zeitschrift Svet brachte bis 1969 Käcer Donald (Donald Duck) und bringt jetzt Micky Maus. Neben mittelmäßigen Eigenpro-
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duktionen führt die Prager Jugendzeitschrift Ohnicek die Serien Rex Star (Flash Gordon) und Kida a Pida (The Katzenjammer Kids). Das blockfreie Jugoslawien kann sogar eine Vielzahl von Comicbook-Reihen aufweisen, darunter Importe aus England (Western-, Abenteuer- und Kriegscomics), Italien (Western), Frankreich (Lucky Luke) und Amerika (zum Beispiel Tarzan). Daneben sind an Kiosken für die devisenbringenden Besucher aus Westdeutschland, und natürlich auch für Einheimische, Comic Books aus Deutschland erhältlich. Comics in Frankreich und Belgien Frankreich und Belgien hatten eine eigene Comicstradition, an die sie anknüpfen konnten, als nach dem zweiten Weltkrieg wieder genug Papier für Comics vorhanden wan. Am 26. September 1946 brachte der Belgier Raymond Leblanc die Jugendzeitschrift Tintin in seinem 1945 gegründeten Verlag Editions du Lombard heraus. Der Titel war von Herges Comicgestalt entlehnt. Und deshalb erschien auch ab Nummer l das Tintin-Abenteuer Le temple du soleil, das 1969 von Beivision, der Filmabteilung der Editions du Lombard, verfilmt wurde. Die Zeitschrift Tintin hat in verschiedenen Ausgaben in aller Welt eine wöchentliche Auflage von 650 000 (!) verkauften Exemplaren. Die Beliebtheit der Zeitschrift beruht nicht nur auf den Comicsserien, sondern auch auf der Ergänzung der Comicseiten durch einen guten redaktionellen Textteil. Tintin ist eine der erfolgreichsten, wenn nicht gar die erfolgreichste europäische Comicsserie. Tintin, der Junge von nebenan mit dem rundlichen Gesicht und dem unzähmbaren Haarschüppel, hat keine familiären Bindungen und kann deshalb immer auf Abenteuer ausgehen. Tintin wird auf seinen Abenteuerfahrten, die in alle Welt, ja sogar bis auf den Mond führen, von seinem schlauen Foxterrier Milou begleitet. Im Laufe von über vierzig Jahren erfand Herge für Tintin Tausende von Gestalten, die alle ihre speziellen Charakteristika haben, und weitere Tausende von Nebenfiguren, die ohne Einfluß auf die Erzählung blieben. Zur Hauptfigur Tintin hat sich allmählich auch eine Kerngruppe regelmäßig auftretender Personen gestellt: Tournesol, der zerstreute und schwerhörige Professor, der mit immer neuen, leicht verschrobenen Erfindungen aufwartet und dessen Pendel sich immer als nützlich erweist, die Kriminalbeamten Dupont und Dupond, die von ihrem Können überzeugt sind, obwohl sie meist die letzten sind, die die Lösung ihrer Fälle finden, und (seit 1940) Kapitän Haddock. Dieser begüterte cholerische Seebär, der immer die passende Schimpfkanonade auf Lager hat, sorgt mit Temperament und Ungestüm für zusätzliche Verwicklungen, die Tintin mit kühl räsonierendem Kopf ebenso aufzulösen vermag wie die komplizierteste Handlung.
Die Geschichten erschienen zunächst in Fortsetzungen in der Zeitschrift Tintin und etwa zwei Jahre später als »Album«, als kartonierte Buchausgabe. Bis 1971 wurden 22 dieser Alben herausgebracht. Einige der Abenteuer, die zwischen 1930 und 1968 erschienen sind, wurden im Laufe der Jahre nochmals völlig neu gezeichnet. Tintins Erfinder Herge verfaßte und zeichnete außerdem die Geschichten der 5 Alben um Jo et Zette und der 11 Alben um Quick et Flupke. Sie wurden wie Tintin in ein Dutzend Fremdsprachen übersetzt. Die 38 Alben Herges haben in aller Welt eine Gesamtauflage von 22,5 Millionen erreicht. Herge hatte für Tintin aber neben den Comics noch andere Pläne und Erfolge. Zusammen mit J. van Melkebeke hatte Herge 1940 schon zwei Theaterstücke um Tintin verfaßt: »Tintin aux Indes, ou le mystere du diamant bleu« und »Monsieur Boullock a disparu.« Nach dem Krieg folgten andere Bearbeitungen: Es gab TintinSchallplatten, einen Puppenfilm, eine halbanimierte Fernsehserie, eine Fernsehzeichentrickserie der Beivision, die auch in den USA lief, zwei Tintin-Spielfilme mit Schauspielern und einen abendfüllenden Zeichentrickfilm. Die Geschichten um Tintin wenden sich größtenteils an ein jugendliches Publikum, daher die karikaturhaft vereinfachten Züge der Figuren. Das einzige Zugeständnis an die abenteuerliche Welt in Tintin ist ein fast extremer Naturalismus und Realismus in den Details der gezeigten Umwelt. Dafür und für die genaue Abstimmung der Farben, das Recherchieren von Schauplätzen und den Bau maßstabsgetreuer Modelle hat Herge die Herge-Studios eingerichtet. In Nummer l von Tintin begann auch Edgar-Pierre Jacobs Reihe um die englischen »Detektive« Blake & Mortimer, deren erstes Abenteuer noch stark von der Weltuntergangsstimmung des Krieges geprägt und deshalb mit Science Fiction-Elementen kräftig durchsetzt war. Das verwundert um so weniger, wenn man berücksichtigt, daß Jacobs 1942 in der französischen Zeitschrift Bravo die amerikanische Serie Flash Gordon beendete, da der Nachschub aus Amerika un-
terbrochen war. 1943 hatte er im selben Stil die Science Fiction-Serie Le Rayon U für Bravo gezeichnet. Jacobs Figuren sind weniger karikaturhaft als Herges. Im Detail pflegt Jacobs aber denselben minuziösen Realismus, der im übrigen auch in Jacques Martins historischem Comic Alix l'Intrepide und seinen Abenteuern um den Reporter Lefranc zu finden ist. Der Stil der Zeitschrift Tintin und ihrer Mitarbeiter beeinflußte die 1938 gegründete belgische Zeitschrift Spirou, ebenso die wie Tintin 1946 in Frankreich gestarteten Kinderzeitschriften Coq Hardi und Vaillant. 1947. erfand der Belgier Morris (Maurice de Bevere) für Spirou seine Westernpersiflage Lucky Luke, die er zunächst selbst textete und zeichnete, bis er Rene Goscinny traf, der dann die humoristischen, parodiehaften Westernabenteuer schrieb. 1968 wechselte Morris mit seiner Serie zur französischen Zeitschrift Pilote über, die 1959 von Rene Goscinny mitgegründet wurde und deren Chefredaktion Goscinny bald übernahm. Gegen die in Frankreich wieder vordringenden amerikanischen Comic Strips konsolidierte sich 1949 eine starke Opposition. Die Kommunisten griffen die Comics an, weil sie amerikanisch waren und deshalb einen Individualismus betonten, der nicht mit der marxistischen Lehre vereinbar war. Die Rechte wollte die Comics verbannen, weil sie amerikanisch waren und deshalb den nationalen Geist bedrohten. Die Theologen wandten sich vor allem gegen die »Exzesse« der Comic Books und warfen — wie in solchen Fällen üblich — die Comic Strips mit in denselben Topf. Und schließlich opponierten im Hintergrund auch französische Zeichner und Redakteure, die nicht übermäßig davon erbaut waren, daß die Konkurrenz wieder ins Land kam. Der Gesetzentwurf der Kommunistischen Partei, alle ausländischen Comics zu verbieten, wurde abgelehnt, der von den katholischen Angreifern eingebrachte, moralisch besser verbrämte Vo rschlag wurde am 16. Juli 1949 Gesetz: Die durch dieses Ge setz ins Leben gerufene Kontrollinstanz überwacht seither
Lucky Luke von Morris, Autor Rene Goscinny. Amerikanische Sitten und Gebräuche in einer jedes Klischee entlarvenden und liebevoll persiflierenden Reihe um den hageren Helden Lucky Luke. Nicht nur der übliche Sonnenuntergang, sondern auch die Daltons, Calamity Jane, Billy the Kid und selbst der knollennasige W. C. Fields tragen zu den Gags der einzelnen Episoden bei. © 1970 Journal Pilote, Dargaud S. A. Paris
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Serien wie Akim, Kris le sberif (Der kleine Sheriff), Lancelot oder Marco Polo, in Frankreich und Italien zu Hause, zählen zu jenen Comics, die schnell in ganz Europa Verbreitung fanden. © 1965 Editions Aventures et Voyages
Pecos Bill. Die Gestalt aus den »tall tales« Amerikas erfreut sich vor allem in Europa eines langen Lebens. © 1970 Editions Aventures et Voyages
streng die französische Comicsproduktion. Am 23. Dezember 1958 wurden in einer Zusatzverordnung die Sanktionen noch verstärkt, mit denen Vergehen gegen das Gesetz von 1949 geahndet wurden. Die vom Gesetzgeber diktierte Selbstzensur hatte auch ihre Auswirkungen auf Belgien, da die Zeitschriften von dort nach Frankreich exportiert oder in Frankreich in eigenen Zeitschriften verlegt werden. 1960 wurde schließlich eine europäische Dachorganisation für Jugendzeitschriften geschaffen, die Richtlinien ähnlich wie die amerikanische Code Authority festlegte. Der Code Moral von Europress Junior ist noch stärker auf Jugendschutz zugeschnitten als der amerikanische Code. Neben Comic-Zeitschriften im DIN-A-4-Format wie Tintin und Spirou entstanden in Frankreich und Belgien auch zahllose Comic Books in allen möglichen Formaten und von verschiedenstem Umfang. Vor allem Hefte im Taschenformat, die häufig in Zusammenarbeit mit oder als Übernahme aus
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Italien entstanden, wurden sehr beliebt. So erschienen und erscheinen zum Beispiel bei den Editions Aventures et Voyages so verschiedenartige Titel wie Les aventures du Chevalier Bayard, Tipi (mit Pecos Bill), Lancelot, Ivanhoe, Marco Polo, Shirley, Rouletabille, Brik, Kris le sherif, das italienische Tarzanimitat Akim oder Captain Swing. Ein klein wenig größer als DIN A 5 waren vom Verlag Artima-Tourcoing die Hefte Ardan, Cosmos, Eclair, Tarou — Fils de la Jungle, Dynamic, Sideral, Aventures Fiction, Vigor, Red Canyon, Audax, Atome Kid, Spoutnik, Olympic, Big Boy, Meteor und Monde Futur, die zum Teil Übersetzungen amerikanischer Comic Books, zum Teil mittelmäßige Eigenproduktionen waren. Diese kleinformatigen Hefte erscheinen meist nur in Schwarzweiß, während die Großformate ganz auf Farbe eingestellt sind. Die kleinen Taschenbuch-Comics erlauben sich im Falle von Strange und Marvel, den seit 1970 erscheinenden französischen Ausgaben der Marvel Comics,
Oben: Dan Cooper von Albert Weinberg — Europas Antwort auf Steve Canyon. Aus: Tintin Selection, Nr. 8. © 1970 Editions du Lombard Links: Beliebt ist in Europa seit einigen Jahren der TaschenbuchComic mit etwa 260 Seiten, der in Italien seinen Ursprung hatte. Auf diesem Umschlag des Taschen-Comics Tintin Selection geben sich Serienhelden wie Ray Ringo von William Vance, Detektiv Ric Hochet von Tibet und der Japaner Taka Takata von Jo -El Azara ein Stelldichein. © 1970 Editions du Lombard
zumindest Schmuckfarben. Die 280 Seiten starken vierteljährlichen Taschenausgaben Super Pocket Pilote (nach 10 Nummern wieder eingestellt) und Tintin Selection sind teils farbig, teils schwarzweiß. Während alle möglichen Comic Books auftauchten, präsentierte das Journal de Mickey die aufs Zeitschriftenformat umgeschnittenen Disneygeschichten, und Tintin und Spirou warteten mit immer neuen Serien auf, die meist als Kurzgeschichten in loser Folge begannen und dann als Fortsetzungsgeschichten etabliert wurden. Die einzelnen Fortsetzungen waren auf eine oder zwei Seiten beschränkt, so daß sich bei einer durchschnittlichen Gesamtlänge von 44 Seiten pro Ge schichte eine Laufzeit von 22 bis 44 Wochen ergab. So entstanden für Tintin unter anderem 1954 Dan Cooper, die von Albert Weinberg aufgezeichneten Abenteuer eines kanadischen Fliegers, 1955 Ric Hochet, der Reporter und Detektiv von Tibet (= Gilben Gascard) und Ende 1956 Michel Vaillant, die von Jean Graton erdachten Abenteuer eines Rennfahrerasses. 1965 kam Ray Ringo hinzu, ein Western im Stil der Tales of Wells Fargo im äußerst realistischen Strich von William Vance (— William Van Cutsem), der 1964 mit dem Seefahrerstrip Howard Flynn und ab 1968 mit Bruno
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Unten: Howard Flynn von William Vance. Vance ist einer jener europäischen Zeichner, die sich durch besondere Detailfreude auszeichnen. Aus: Howard Flynn a l'abordage. © 1968 Editions du Lombard
Brazil, einem Spionagethriller a la James Bond, ebenfalls in Tintin auftauchte. Vance zeichnete auch einige Abenteuer von Bob Moräne bei Pilote. Und seit 1966 zeichnet Hermann ( = Hermann Huppen) für Tintin seine Abenteuer um den Weltenbummler und ehemaligen Interpolinspektor Bernard Prince. Als der junge, weißhaarige Bernard Prince die Jacht »Cormoran« erbt, wird er in die Lage versetzt, Abenteuer an Schauplätzen in aller Welt zu erleben. Er knüpft so an die Tradition des ungebundenen Playboyhelden an, und bietet
Bruno Brazil von William Vance. Eine Mixtur aus James Bond, Man from U.N.C.L.E. (Solo für O.N.C.E.L.) und Mission: Impossible (Kobra übernehmen Sie) wird in dieser vorzüglichen belgischen Serie kredenzt. Übrigens: Europäische Comicshelden rauchen sehr viel öfter als ihre amerikanischen Kollegen. Aus: Bruno Brazil: La cite petrif.ee. © 1971 Editions du Lombard Bernard Prince von Hermann. Formal eine der schönsten, brillantesten und interessantesten europäischen Serien um einen Weltenbummler und seine Begleiter. Aus: Bernard Prince: General Satan. © 1969 Editions du Lomba rd
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eine Wunschidentifikation für seine beengten Leser. Hier geht die Faszination zu einem beträchtlichen Teil auch von der Illustration aus, eine Tatsache, die auch für Hermanns andere Reihen, Jugurtba und Comancbe, gilt. Es verwundert in diesem Zusammenhang nicht, daß dem belgischen Zeichner Hermann 1970 als bestem Zeichner des Auslands von der französischen Comics-Spezialzeitschrift Phenix der Prix Phenix verliehen wurde. Die Szenarii für Hermanns Ge schichten, außerdem für Eddy Paapes Science Fiction-Serie Luc Orient und William Vances Bruno Brazil, schreibt regelmäßig Greg (= Michel Regnier), der 1960 für Tintin Alain Saint-Ogans Serie Zig et Puce wieder aufnahm, schrieb und zeichnete. Wie bei Tintin ist der Titel der Zeitschrift Spirou von ihrer Hauptfigur abgeleitet. Der Hotelboy Spirou, der die aufregendsten Humorabenteuer zu bestehen hat, ist eine Erfindung von Bob-Vel (= Robert Veiter), die seit 1946 von Andre Franquin gezeichnet wird. Auch Spirou hat eine Equipe von Mitabenteurern. Da ist Spirous Freund, der Reporter Fantasie, der schon durch seinen Namen charakterisiert ist. Der Comte de Champignac, ein wissenschaftliches Genie und ein Todfeind aller Welteroberer, greift ein, wenn es die Lage erfordert. Für Auflockerung und zusätzlichen Humor sorgt Gaston Lagaffe, der Tölpel, Tüftler und Spaßvogel, der sogar eine eigene Gagserie erhielt, in der er regelmäßig Fantasie auf die Palme treibt. Im Lauf der Jahre wurde schließlich eine blasse Nebenfigur durch Kokomiko, das sagenumwobene Marsupilami aus Südamerika, ersetzt. Das pfiffige Marsupilami mit seinem Schwanz von unbestimmbarer Länge gewann auf Anhieb die Sympathien der Leser. Die Serie Spirou bekam um 1960 für kurze Zeit sogar eine deutsche Ausgabe unter dem Titel Der heitere Fridolin, bevor sie unter dem Titel Pit und Pikkolo (Spirou ist Pikkolo) beim Kauka Verlag einen Stammplatz erwarb. DC Comics und Marvel Comics Comicserien mit Superman, Batman, Wonder Woman, Spider-Man, Hulk, X-Men, Marvel-Charaktere und Co.
Comanche von Hermann. Wenn es nach Fort Navajo noch eines Beweises bedarf, daß Europas Western amerikanische Beiträge schlagen können, Comanche erbringt ihn. © 1971 Editions du Lombard
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Peyo (= Pierre Culliford) schuf 1952 für Spirou die Abenteuer des Ritters Johan, dem er 1954 den kauzigen Gefährten Pirlouit hinzugesellte. Die beiden sind in Deutschland als Prinz Edelhart und Kukuruz bekannt. 1958 entstand ganz nebenbei in der 8. Episode von Johan die Märchenwelt der Schtroumpfs (in Deutschland: Schlümpfe). Der Minikosmos der blauen Schtroumpfs zählt mit zum Ergötzlichsten, was je in Comics dargestellt wurde. Zwischen den Schtroumpfbergen und dem Schtroumpffluß liegt das Schtroumpfland, in dem die zwergenhaften Schtroumpfs in ihren Pilzhäuschen leben. Ein Schtroumpf sieht aus wie der andere, ein Eindruck, der auch von der Kleidung, weißen Schtroumpfhosen und Zipfelmützen, unterstützt wird. Nur einer ragt aus der Schar winziger Neutren heraus: der Grand Schtroumpf, das weise Oberhaupt der Schtroumpfgemeinde, erkenntlich am Bart und an der roten Kleidung. Trotz des gleichen Aussehens hat aber jeder Schtroumpf seine Persönlichkeit. So gibt es den Intellektuellen, den Misanthropen, den Faulenzer, den Erfinder und den Farceur, der voller Schabernack steckt. Hervorstechendes Merkmal dieser Zwergenwelt ist ihre Sprache, in der mit dem deklinier- und konjugierbaren Wort »schtroumpf« fast alles ausgedrückt werden kann. Der Erfolg der Schtroumpfs überraschte selbst Peyo, unter dessen Federführung sie sich schnell zu den Hauptpersonen einer eigenen Serie mauserten. Auch die Alben der Schtroumpfs wurden Erfolge. Daneben wurden sie für die ganz Kleinen auch zu Kinderbüchern aufgearbeitet. Schtroumpffiguren und Zeichentrickfernsehserien tun das Ihre zur kommerziellen Auswertung dieser Idee. Mit der Gründung der französischen Comics-Zeitschrift Pilote gelang 1959 schließlich ein weiterer großer Wurf. Pilote wendet sich an eine etwas ältere Käuferschicht als Tintin und ist deshalb entsprechend satirischer und von wohldurchdachten Abenteuer- und Humorstrips geprägt. Dem von Tintin kommenden Autoren-Zeichner-Gespann Rene Goscinny und Albert Uderzo gelang in Pilote mit Asterix einer der Uberraschungserfolge, die bei der Qualität der Serie und ihren aktuellen Anspielungen nur zu verständlich ist. (1947 ist Asterix schon in einer Figur von Uderzos Reihe Arys Buck zu erkennen.) Asterix, der Gnom von Gallien, wie er gern genannt wird, und sein dicker Freund Obelix, der Hinkelsteinlieferant, sind die Hauptakteure dieser Reihe, die etwa 50 vor Christus spielt, also zu jener Zeit, als sich Vercingetorix Julius Cäsar ergab. Nur ein kleines gallisches Dorf im Norden ist den römischen Legionen nicht unterlegen, da sein Druide Miraculix einen Zaubertrank braut, mit dem sich das Dorf erfolgreich seiner Haut wehrt. Es sind aber vor allem Asterix und Obelix, der als Junge in den Zaubertrank gefallen ist, die am laufenden Band Römer ins Land der Träume schicken. Der ständige Kampf der Gallier gegen die römischen Besatzer wird durch gewollt anachronistische — nämlich aktuelle — Anspielungen zur köstlichen Satire auf die französische Ge -
Asterix von Rene Goscinny und Albert Uderzo. »Mit Asterix Lateinisch lernen!« so sagt man. Aber man delektiert sich eher an den schon auf den ersten Seiten der Reihe abgebildeten Prügeleien und den Anachronismen, die der Serie satirische Würze geben. Aus: Asterix der Gallier. © 1968 Dargaud S. A. Paris / Ehapa Verlag Stuttgart
4 x 8 = 32, l'espion-chameleon von de Groot. Dieser französische Plastic Man persifliert geschickt seine Agentenkollegen. © 1969 Dargaud S. A. Paris
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Seilschaft und verarbeitet zugleich die Erfahrungen der Resistance im Untergrundkampf des zweiten Weltkriegs gegen die deutschen Besatzer. In Asterix wird neben Satire und dem Mythos von der Resistance ein krasser Chauvinismus exploitiert. Die detailreichen Bilder strotzen von Gags, die sich selbst der Sprechblasen bedienen, um Spracheigenheiten durch die Schrift auszudrücken: Ägypter sprechen in Hieroglyphen, Goten in den teutschen Lettern der Fraktur. Und wenn alles überstanden ist, gibt es Wildschweinbraten. Aber das ist nicht das einzige Formelhafte an den Asterixgeschichten, die immer nach demselben Schema verlaufen. Von Anfang an dabei waren bei Pilote auch Victor Hubinons Barbe Rouge, ein Seeräuberstrip und Tanguy, ein Fliegerstrip von Uderzo und Jean-Michel Charlier. 1963 erfand Charlier den Western Fort Navajo, der von Jean Giraud gezeichnet, die Atmosphäre des Westens ungemein gut einfängt und manchem amerikanischen Western den Rang abläuft. Für Pilote wurde daneben auch eine Comicstrip-Reihe um die Roman- und Fernsehgestalt Bob Moräne von Henri Vernes gestartet, sowie eine halbhumoristische Science Fiction-Serie um die Hauptfigur Valerian und zahlreiche andere Serien wie Achille Talon, Iznogoud, 4x8 = 32 l'espion — chameleon und Remi Herphelin.
Valerian von Zeichner J. -C. Mezieres und P. Christin ist einer der besten europäischen Science Fiction-Strips und besticht durch seinen lockeren Stil. © 1970 Dargaud S. A. Paris
Ab 1970 wandten sich die belgischen und französischen Comics-Zeitschriften Pilote, Tintin und Spirou mehr und mehr von den Fortsetzungsgeschichten ab, die jahrzehntelang ihr wesentlichster Bestandteil gewesen waren. Statt von Woche zu Woche nur zwei Seiten pro Geschichte zu bringen, bot man wöchentlich öfter vier Seiten einer Serie, um sie schneller zu beenden. Außerdem wurden Serien mit abgeschlossenen Episoden von sieben bis acht Seiten eingeführt. Unter solchen Gegebenheiten fand schließlich auch ein Intellektuellenstrip wie Lone Sloane den Weg in die Zeitschrift Pilote. Comics wurden in Frankreich und Belgien nach 1945 heimisch, weil es auch eine eigenständige Produktion gab, die mit anderweitigen marktwirtschaftlichen Nützungen verknüpft war. Diese Bedingung fehlte zu Anfang in Deutschland. Aber in Frankreich ist auch die Verbindung zu den anderen Medien enger als in Deutschland. Tintins Ausflüge in andere Medien wurden schon erwähnt. Die Schtroumpfs tummelten sich in Fernsehfilmen. Die Comics-Helden Michel Vaillant, Ric Hocket, Tanguy et Laverdure wurden Fernsehhelden, die Fernsehabenteuer um die Ritter Bayard und Thierry-la-Fronde wurden Comic Books. Fernsehen und Comics stürzten sich auf die Romane um den Abenteurer
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Bob Morane. Und zu guter Letzt waren auch französische Filmregisseure an der Gründung von Comics-Clubs und deren Zeitschriften, in denen das Phänomen Comics untersucht wird, beteiligt. Die Bewegung der Comics-Clubs begann 1962, im selben Jahr, in dem der 37jährige Pariser JeanClaude Forest, der bis zu diesem Zeitpunkt für die Zeitschrift Vaillant Serien wie Jim Boum und Nasdine Hodja gezeichnet hatte, in der Zeitschrift V seine Barbarella auf die nichtsahnende Menschheit loslies. Beide Ereignisse blieben nicht ohne Wirkung. Die Comics-Clubs führten zu den Comics-Kongressen in Bordighera (1965) und Lucca (1966), zur Gründung der italienischen Zeitschrift Linus (die sich mit Comics auseinandersetzt und eigene Erwachsenencomics wie Guido Crepax' Valentina bietet) und 1966 zum Start der französischen Comics-Fachzeitschrift Phenix. Im Gefolge der Clubs und Barbarellas setzten sich Erwachsenen- oder Intellektuellen-Comics durch, die entweder in Zeitschriften erschienen oder gleich in Buchform auf den Markt kamen. Jodelle, Pravda und Lone Sloane betraten den Plan und profitierten von Pop-Strömungen und der zunehmenden Ernsthaftigkeit, mit der man sich mit Comics beschäftigte.7 Auch die französische Ausgabe der amerikani-
Comics in Italien
Creepy. Titelbild von Frank Frazetta. Wie so oft waren die Franzosen für amerikanische Spezialitäten empfänglicher als die anderen europäischen Länder. © 1970 J. Warren (New York) & Publicness (Paris)
sehen Edelhorror-Magazine Eerie, Creepy und Vampirella darf, wie die Gründung von Het Stripschap, einer niederländischen Vereinigung zur Darstellung und Erforschung der Comics, wohl als eine Folge der französischen Comicsbegeisterung gesehen werden, die mit der Schwärmerei für den amerikanischen Film zu Beginn der sechziger Jahre parallel lief. Verwiesen sei hier nur auf Truffaut und Melville. die in ihren Filmen eine Hommage an das amerikanische Vorbild schufen. Aktive Förderer der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Comics wie der Filmregisseur Alain Resnais und seine Mitstreiter Claude Moliterni, Maurice Horn und Pierre Couperie von der SOCERLID8 machten Comics gesellschaftsfähig. Und wie beim Film öffneten erst die Franzosen den Amerikanern die Augen über die formalen und inhaltlichen Meriten ihrer Massenmedien. Auf der Begeisterungswelle für beide Medien schwimmen aber auch einige, die im Überschwang der Gefühle die negativen Seiten der Comics übersehen und Comics schlicht zur Kunst erklären, um ihre Lektüre zu legitimieren und vom Geruch des Ge wöhnlichen, des Alltäglichen zu befreien. Tex von Galep. Das Piccoloformat ist in Italien wegen seiner Handlichkeit besonders beliebt. Viele Piccoloserien erscheinen später auch in hochformatigen Zusammenfassungen. © 1967 Edizioni Araldo
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Der amerikanische Comic Strip fand um 1932 Eingang in Italien. Bald wurden Zeitschriften gegründet, in denen diese Strips eine Bleibe fanden, bis sie 1938 vom faschistischen Regime verboten wurden. Nach dem zweiten Weltkrieg überrollten amerikanische Comics Italien aufs neue. Im Ge folge der Importe entstanden rasch Eigenproduktionen, die meist mehr schlecht als recht die Vorbilder nachahmten, gelegentlich aber durch den Inhalt der Geschichten die Leser entschädigten. Als die amerikanischen Strips verboten wurden, war die Comicsbegeisterung schon so groß, daß Proteste gegen das Verbot zumindest bei Popeye Erfolg hatten, und daß Comics-Helden nach der Zwangspause sofort wieder Fuß fassen konnten. Als der Nachschub aus Amerika unterbunden wurde, mußte man die Serien selbst zu Ende führen. Und so schrieb zum Beispiel Federico Fellini das letzte Szenario zu 9 bis 10 Wochen Flash Gordon, der neben anderen US-Strips in der Zeitschrift L'Avventuroso erschien.9 Nach dem Krieg füllten sich die Regale italienischer Kioske mit Eigenprodukten wie Akim, El Camera, Pecos Bill, Il Piccolo Sceriffo oder Il Piccolo Ranger. Daneben wurden Mickey Mouse & Co unter dem Titel Topolino verbreitet, Superman erschien als Nembo Kid, bis er 1966 wieder seinen Originalnamen bekam. Wie in Frankreich wurden in Italien die Comic Books in vielen verschiedenen Formaten verkauft, das beliebteste war aber sicher das Taschenformat, ob es nun 32 oder 128 Seiten hatte. Neben DIN-A-5- und DIN-A-4-Heften ist vor allem das in Italien erfundene Piccoloformat zu erwähnen, das der Lehning Verlag nach Deutschland exportierte. Fotoromane (Fotos mit eingespiegelten Textblasen), die in Italien und Frankreich äußerst beliebt sind, wurden in Deutschland nicht heimisch. Italiens Comics-Branche ist fast ausschließlich in Mailand konzentriert. Hier ist der Sitz von Arnoldo Mondadori Editore, dem italienischen Mickey Mouse-Verleger, für den ein Großteil der Geschichten in Eigenproduktion hergestellt wird. Im selben Verlag erscheinen auch Superman, Batman und die Classici Audacia, eine Reihe großformatiger Zeitschriften, in denen die Abenteuer belgischer und französischer Comicshelden wie Michel Vaillant, Luc Orient, Bernard Prince und Lieutenant Blueberry (vom Fort Navajo) komplett erhältlich sind.
Tex von Giovanni Ticci. Vor allem bei Ticci, einem Giolitti-Schüler, wird Tex zur graphisch ansprechenden Westernreihe. Aus: Tex, Nr. 108. © 1969 Edizioni Araldo
// piccolo Ranger (Der kleine Ranger). Wie beim kleinen Sheriff wird die Identifikation des jugendlichen Lesers durch einen jugendlichen (oder kleinen) Helden erleichtert. © 1969 Editoriale CEPIM (Edizioni Araldo) Apache Kid. Natürlich zehrt auch Europa von seinem Ideal des edlen Wilden. © 1965 SEPIM
Tex von Galep. Die von Galep erfundene und gezeichnete Serie um den Texas-Ranger und Indianeragenten Tex Willer zählt zu den besseren italienischen Westernreihen. © 1970 Edizioni Araldo
In Mailand ansässig sind auch die Edizioni Araldo, die mit Piccoloausgaben und 128seitigen Comic Books im Format DIN A 5 den Markt versorgen. Die Edizioni Araldo arbeiten fast nur im Bereich des Western-Genres. Da sind // Commandante Mark und Zagor, zwei Frühwestern, und // Piccolo Ranger, die Abenteuer eines jungen Texas-Rangers namens Miki, der sich auch in deutschen Ausgaben tummelte. Der Westerner Tex, eine Erfindung des Zeichners Galep, wird von Autor G. L. Bonelli durch zahllose Abenteuer gejagt, die ihr Publikum in den Bann schlagen, obwohl die Zeichnungen, trotz einer gewissen Inspiration durch A. Giolitti, keine besondere Distinktion haben. In einigen Fällen erreichen die Geschichten um Tex Willer, die seit 1971 auch in Deutschland erscheinen, durch Zeichner wie Giovanni Ticci eine besondere visuelle Note, da dieser ehemalige Mitarbeiter A. Giolittis dessen Stil ungemein genau trifft. Die Abenteuer von Tex sind bei der Darstellung von Ge walt ein klein wenig freizügiger als vergleichbare amerikanische Produkte. In diesem Punkt unterscheiden sich Comics von Nation zu Nation. So fließt zum Beispiel in den USA so gut wie nie Blut, wenn Tarzan Löwen erlegt, in Mexiko hingegen tropft bei dieser Gelegenheit ein wenig Blut vom Messer und im Körper des Löwen sind die Einstichstellen genau zu sehen. Hier äußern sich verschiedene Lebensauffassungen, die sich in romanischen und angelsächsischen Ländern etabliert haben.
Zwei Seiten aus Tex, die zeigen, wie genau Ticci den Stil von Giolitti trifft. Selbst die Onomatopöien könnte man mit dem Original verwechseln. Aus: Tex, Nr. 108. © 1969 Edizioni Araldo
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Einige besonders gute ältere italienische Westernserien wie Il Sergente York von Roy D'Amy erscheinen heute wieder in Nachdrucken. Auch die Geschichte des Westens wird historisch genau aus italienischer Sicht aufbereitet. © 1969, 1968 Edizioni Araldo
Die Edizioni Araldo legen heute auch einige ihren frühen Erfolge in der Reihe Collana Rodeo neu auf. In dieser Heftreihe finden sich neben El Kid und Judok, eine Art Sciencefiction-Western, Storia del West, die Geschichte des Westens im Comicformat, und Sergente York, ein Kavallerie-Western von Roy D'Amy. Sein Zeichenstil ähnelt dem des Argentiniers Hugo Pratt, der mit seinem Kavallerie-Western Sargento Kirk ebenso schnell Anhänger fand wie sein Landsmann Arturo del Castillo mit seinem Western Ralph Kendall, der in italienischen Comic Books relativ spät auftauchte — er war vorher in England unter dem Titel Dan Dakota in der Jugendzeitschrift Ranger erschienen. Kendall ist einer der ästhetisch schönsten Western -Comics. Aber erst die italienische Ausgabe wurde Castillos Zeichnungen trotz einiger Ummontage gerecht. In England und Deutschland hatte man offensichtlich nicht verstanden, daß Castillo unter anderem auch ein Meister des Weglassens ist, der nicht alle Konturen eines Objekts zeichnet. Und so ergänzte man ungeschickt und kolorierte zu allem Überfluß das verschlimmbesserte Produkt auch noch mit aufdringlichen Farben. Die italienische Ausgabe ist, abgesehen von Bildrandergänzungen, noch die Originalgetreueste Version mit den wenigsten Kürzungen. Kendall erscheint in den Heften Rin Tin Tin & Rusty und Whisky & Gogo als Füller, ebenso wie L'Uomo dell'U.N.C.L.E. Außer The Man from U.N.C.L.E. importiert Editrice Cenisio Tarzan, Il Re della Prateria (The Lone Ranger), Bugs Bunny und Tom & Jerry und verbreitet auch die Eigenproduktion Il Cavaliere Sconosciuto. Die Comicserie Kendall wird von Eurostudio Milano für Europa bearbeitet. Eurostudio ist eines der großen Studios, in denen italienische Comics produziert und Auftragspro-
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duktionen für europäische Comic-, Jugend- und Kinderzeitschriften gefertigt werden. Über Eurostudio gelangen auch alle Comics der englischen IPC Magazines, des belgischen Verlagshauses Dupuis und des spanischen Verlags Frensa y Ediciones nach Italien. Nachdrucke amerikanischer Comic Strips besorgen heute vor allem die römischen Edizioni Fratelli Spada in ihren Reihen Stanlio ed Ollio, L'Uomo Mascherato (Phantom), Mandrake und Gordon. In diesen Heften verschiedenen Formats werden auch andere King Features-Serien verarbeitet, und man muß wohl sagen verarbeitet, weil die Geschichten ohne Rücksicht auf Seitenkomposition auf das Format der Hefte hingetrimmt werden. Zudem stört meist auch die Farbgebung, die — gemessen am Original — zu blaß oder zu bunt ist. Aber zurück nach Mailand, wo außer Kindercomics auch die Erwachsenen-Comics beheimatet sind, die »fumetti per adulti«. Einer der ersten »fumetti neri« war Diabolik, der von den Lehrerinnen Angela und Luciana Giussani erfunden und nach wie vor gezeichnet wird. Diabolik erscheint vierzehntäglich in einer Auflage von 160 000 Exemplaren. Der Erfolg kam nicht von ungefähr und Diabolik blieb auch der beste seines Genres. Diabolik ist ein negativer Held, ein Räuber und Mörder. Eine Entsprechung ist vielleicht in Jesse James zu sehen. Diaboliks Gegenspieler ist der äußerst integre und korrekte Polizeioffizier Ginko. Zwischen den beiden Antagonisten ist ein beständiger Kampf im Gange, »der den Kampf zwischen Gut und Böse versinnbildlichen soll«,
Ralph Kendall von Arturo del Castillo. Sequenzen wie dieser hervorragend inszenierte Faustkampf verdeutlichen, wie sehr Castillos Kendall vor allem durch das Bild zu faszinieren vermag. © 1970 Eurostudio Milano
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dessen Ausgang immer offen bleibt, weil die Antagonisten gleich intelligent sind. Diabolik wird auf seinen Raubzügen von seiner treuen Freundin, Eva Kant, begleitet und unterstützt. Mit Hilfe von Plastikmasken kann das Paar das Aussehen jeder beliebigen Person annehmen. Wenngleich in der Wahl seiner Mittel nicht sehr wählerisch, ist Diabolik nicht ganz schlecht. Eine seiner positiven Seiten, die sein Publikum faszinieren, ist die absolute Treue gegenüber seiner Gefährtin Eva Kant, die ihm bei seinen Unternehmungen zur Hand geht.10 Dieser »negative Held« blieb nicht lange allein. Satanik, Kriminal, Sadik, Goldrake und Zakimort folgten. Kriminal, der zum Unterschied von Diabolik ein Skelett auf seinem hautengen Anzug aufgepinselt hat, und Satanik, eine junge Frau, die immer und überall im Kampf mit Vampiren und Werwölfen steht, ragen auch von der Zeichnung her noch am ehesten aus der Vielzahl der Hefte heraus, weil sie dem Stil Kurt Schaffenbergers, des langjährigen Zeichners von Lois Lane, nachempfunden sind. Satanik, Kriminal und Gesebel stammen vom Zeichner Magnus und vom Autor Max Bunker, auf deren Konto auch Agente SS 018 geht. Die im Gefolge dieser Serien entstandenen Sado-, Sex- und CrimeComics zeichnen sich aber meist durch nachgerade schludrige Zeichnung und Klein-Mäxchens Sadomasochismus, Flagellantismus und Fetischismus aus. Isabella, Jungla, La Jena, Walalla, Justine, Jessica und Jacula sind mehr ordinär als originell. Und die einigermaßen akzeptabel gezeichnete Uranella ist eine »Volkskopie« Barbarellas. Was sich nur irgendwie als Thema in der Literatur anbietet, wird in den »fumetti per adulti« verbraten, um ihnen den Anstrich der Echtheit und des Raffinements zu geben. Bevorzugt werden natürlich alle Variationen de Sades, bei Justine, Juliette und vor allem bei Isabella in Verbindung mit dem »genere cappa e spada«. Es beginnt mit römischer Depraviertheit (Messalina), bezieht sich auf den Decamerone (Belfagor) oder gar auf Ariostos »L'Orlando furioso« (Angelica, wobei weniger der rasende Roland als die Titelheldin interessiert) und selbst Lucrezia (Borgia) darf nicht fehlen. Das Aussehen orientiert sich gerne an Filmidolen, eine Technik, die auch die Intellektuellen-Comics pflegen. So wird
Jean-Paul Belmondo zu Goldrake und Ursula Andress zu seiner Freundin Ursula, Belfagor trägt Vittorio Gassmans Züge. Alles, was Dr. Wertham vor Einführung des Codes in den Comics sah und zu sehen glaubte, wird hier gezeigt. Grausamkeit und sadistische Violenz sind an der Tagesordnung: Da fliegen Gliedmaßen durch die Luft, Augen und Zungen werden ausgerissen. Homo - und heterosexuelle Beziehungen, auch quälerischen Charakters, werden schier ununterbrochen vollzogen. Beliebt ist die angedeutete Sodomie, eine besondere Spezialität von Isabella. Bären, Pferde, ja selbst ein Gürteltier mußten dafür herhalten. In diesen Voyeur-Heften spielen Frauen die Hauptrollen, wie damals in Amerika die Dschungelheldinnen, die zwar auch einiges durchzustehen hatten, bei denen aber nie ein Geschlechtsakt vollführt wurde. Die italienischen Heroinen, die als Gegenreaktion auf Amerikas keusche Comics-Heldinnen wie Dale, Narda und Diana entstanden, werden an Offenherzigkeit nur von UndergroundComics übertroffen. Es konnte nicht ausbleiben, daß die Sado- und Crime-Praktiken vieler dieser Helden und vor allem der Heroinen nicht ohne Widerspruch hingenommen wurden. Im Oktober 1966 wurde deshalb in Mailand einer Handvoll dieser Stripgestalten der Prozeß gemacht, weil sie »zum Verbrechen anstiften und das allgemeine Moralgefühl verletzen«.11 Aber selbst in Italien waren die strengen Zensurbestimmungen mittlerweilen brüchig geworden und so lehnten die Richter die Klage ab, weil ein Verbot dieser Hefte eine Einschränkung der gesetzlich garantierten Pressefreiheit wäre. Es waren sicher nicht primär diese Comics, die in Italien die Comicsbegeisterung weckten und 1965 zur Gründung der Zeitschrift Linus führten, die Arnoldo Mondadori Editore bewogen, alte amerikanische Comicserien in Buch- und Taschenbuchausgaben herauszubringen und die Filmregisseur Alain Resnais (»Hiroshima mon amour«) und Umberto Ecco, den Ästhetikprofessor der Universität Florenz, zu Inspiratoren des ersten italienischen Comics-Kongresses machten.
Diabolik von Angela und Luciana Giussani. 1962 begann mit Diabolik die Serie schwarzer Comics in Italien. Fortan vollbrachten eroi neri in Bilderromanen für Erwachsene ihre SchurkenStückchen. © 1970 Casa Editrice Astorir Kriminal von Magnus und Bunker. Kriminal, der Erzbösewicht mit dem Skelettkostüm, ist einer der beliebten Comicshelden in Italien. Ein Titelbild für Freudianer. © 1966 Editoriale Corno s.r, Isabella von Alessandro Angiolini. Die Abenteuer der Duchessa de Frissac sind die frivolsten und eindeutigsten unter den fumetti per adulti. © 1969 Edizioni Erregi
Wertham empfand die Bedrohung eines Auges mit einem Eispickel noch als äußerst abstoßend. In Italien scheint man seine Gefühle nicht zu würdigen. Aus: Isabella. © 1969 Edizioni Erregi
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Batman in aller Welt, selbst in Arabien. Und Superman folgt ihm als Nabil Fawzi in den Nahen Osten.
Comics in anderen Ländern
Außer in weiten Teilen des Ostblocks sind amerikanische Comic Strips und Books in aller Welt verbreitet. Und es gibt in fast allen Ländern auch eigene Comics. Süd- und Mittelamerika mit ihrem großen Comicsbedarf haben so hervorragende Zeichner wie Jose Luis Saunas und Arturo del Castillo hervorgebracht. Auch Hugo Pratt hat sich hier niedergelassen. Die Comics, die als »Revistas Infantiles« nicht von einer Selbstkontrollinstanz der Wirtschaft, sondern vom Unterrichtsministerium genehmigt werden, exportiert man zu einem gewissen Teil auch nach Spanien, wo ein SupermanVerbot ausgesprochen wurde. Bei einer Umfrage unter Jugendlichen war aber ein Jahr später Superman noch genauso bekannt wie bei der Befragung zum Zeitpunkt des Verbots. Neben den Importen produziert Spanien ähnlich wie Italien kleinformatige Westernserien oder Krimis. Skandinavien kann auf eine lange Comicstradition zurückblicken. Wie erwähnt, wurde schon 1906 die erste amerikanische Serie importiert. Comic Strips wurden schnell zum integralen Bestandteil von Familienillustrierten. Schon früh setzte die wissenschaftliche Analyse der Comics ein. So wurde zum Beispiel 1965 eine schwedische Akademie für Comic Strips gegründet. Die Zusammenfassung von Comic Strips in bibliophilen Ausgaben zeigt, wie sehr auch die Erwachsenen in Skandinavien an Comics interessiert sind. Drei der bekanntesten und liebenswürdigsten der zahlreichen eigenständigen skandinavischen Streifen sind Petzi, Pelle, Pingo von V. Hansen, Rickard och hans Katt von Rune Andreasson und Mumintrollet von Tove Jansson, Petzi, Pelle, Pingo, die es sowohl als Bilderzählurig mit getrenntem Text und Bild wie als Comic Strips gibt, erinnern ein wenig an Holzschnitte in Märchenbüchern. Rickard och bans Katt, in Deutschland unter dem Titel Richard und sein Kätzchen bekannt, schildert die Erlebnisse eines kleinen Jungen, der mit seinem Kätzchen auszieht, um die große Stadt kennen zu lernen. Der Zeichner Rune Andreasson hat daneben Bilderbücher, Malbücher und Kinderbücher gezeichnet, außerdem die Heftreihe Pelefant, die Bildgeschichten, Malseiten und Spielteil für Kinder geschickt mischt.
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Mumin wird seit 1949 von der finnischen Zeichnerin Tove Jansson erzählt, die man gerne die Selma Lagerlöf der Comics nennt. Sie steht in der Tradition skandinavischer Märchenerzähler und zeigt mit dem Mumintal und dessen Bevölkerung eine feinfühlige, skurrile Welt, die ihrer Schöpferin 1966, als einziger Skandinavierin neben Astrid Lindgren, die Hans-Christian-Andersen-Medaille, eine Art Nobelpreis der Märchenerzähler, einbrachte. Wer die Welt der Mumintrolle versteht, dem ist eine europäische Märchenwelt offen, wie man sie in der heutigen Zeit kaum noch für möglich hält. Aus diesem Grund konnte Mumin in aller Welt Erfolge verbuchen, und die Serie wurde nicht nur in Deutschland zu Hörspielserien und Fernsehmarionettenfilmen umgewandelt. In England führte man weniger die eigene Märchentradition weiter als die Tradition des Jugend- und Abenteuerbuches im Stil von »Tom Brown's Schooldays« oder der Romane von Enid Blyton. Die Erlebnisse von Internatszöglingen wurden ebenso beliebt wie die von Fußballspielern. Und als auch die Erzählertradition des Kriminalromans und der Abenteuerromane für Erwachsene eigene englische Strips hervorbrachte, wurden im Lauf der Jahre die Importe mehr und mehr aus englischen Zeitungen verdrängt. Am 5. Dezember 1932 begann im Daily Mirror die Serie Jane's Journal, die bis 1959 Janes humorvolle Eskapaden darstellte. Im zweiten Weltkrieg wurde Norman Petts Jane für England, was Milton Caniffs Male Call für Amerika war. Der Daily Mirror brachte außerdem praktisch als einzige Zeitung vor dem Krieg mehrere Strips, darunter die schon erwähnten Bück Ryan und Pip, Squeak and Wilfred, sowie Ruggles, Beelzebub Jones, Belinda Bitte Eyes, Englands Little Orphan Annie, Just Jake, den amerikanischen Import King Sweepea und schließlich Garth, Englands »Superman«, der als einzige dieser Serien das Jahr 1969 überlebte und Reg Smythes Andy Capp ab 1956 an die Seite gestellt bekam. Andy Capp ist wie sein Erfinder Linkshänder — und außerdem stammt er auch aus dem Norden Englands. Aber nur Andy Capp liegt auf der faulen Haut, läßt sich von seiner rundlichen Frau Florrie verwöhnen oder gibt ihr Geld im Pub an der Ecke aus. Andy Capp erzählt vom tristen Milieu der Einheitshäuser in Arbeitervierteln, von Arbeitslosenunterstützung und der ständigen Flucht vor Gläubigern. Andy Capp, dessen Lieblingsbeschäftigungen Trinken und Schlafen sind, ist ein Faulenzer mit Stil: Er bringt immer jemanden dazu, seine Getränke zu bezahlen, falls er nicht seiner Frau das sauer verdiente Geld abnimmt. Und er ist ein überharter Fußballspieler in der guten alten englischen Rechts oben: Mumin von Tove Jansson. Die naiv skurrilen Trolle aus dem Mumintal haben es zu weltweiter Berühmtheit gebracht. © Bulls Pressedienst Rechts unten: Roy of the Ravers. In Sportcomics spiegeln sich nationale Präferenzen. Während in Amerika stets Boxer wie Joe Palooka oder Big Ben Bolt siegreich sind, triumphieren in England Fußballmannschaften wie »Melchester United«. Aus: Tiger and Hurricane. © 1966 Fleetway Publications Ltd.
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The Gamboh von Dobs und Barry Appleby. Englands Blondie und Dagwood teilen sich in die »Siege« und »Niederlagen« im heiteren Ehealltag. © 1969 Dobs und Barry Appleby/Bulls
Tradition. Wie Reg Smythe bemerkt, hat sich noch niemand beschwert, daß Andy Capp eigentlich ein schlechtes Beispiel gibt. Vielleicht kommt es daher, daß man in England »Leute bewundert, die noch nicht gearbeitet haben, und doch Geld besitzen«. Smythe fügt aber hinzu, daß Andy Capp die englische Mittelklasse nicht anspricht, »da er zur Arbeiterklasse gehört — er trägt die Mütze des Arbeiters. Er findet eher bei Aristokraten und der Arbeiterklasse Anklang«.12 Andy Capp ist im Lauf der Jahre gemäßigter geworden, aber er ist immer noch so, wie die Ehemänner gern wären. Deshalb wurde er wohl auch in Amerika in so kurzer Zeh populär, wie dies vor dieser Serie nur Walt Kellys Pogo gelungen war. Andy Capp ist aber auch in vielen anderen Ländern rasch beliebt geworden, und er erscheint sogar gelegentlich in der russischen Regierungszeitung Iswestija. Amerikanische Strips sucht man heute in englischen Zeitungen fast vergebens. Nur der Daily Sketch wartet mit Peanuts und Blondie auf und die Daily Mail mit Rip Kirby. Die Mail hat aber zusätzlich ihre eigenen Serien: Flook von Wally Fawkes (seit 1949), ein Kinderstrip, Carol Day von David Wrigth (seit 1956), ein romantisches Abenteuer, und Fred Basset, ein lustiger Hundestrip mit internationalem Appeal.
Der Londoner Evening Standard bringt neben zwei Humorstrips die von Jim Holdaway nach den Geschichten von Peter O'Donnell gezeichnete Agentenserie Modesty Blaise. Der beim selben Verlagshaus erscheinende Daily Express kann neben dem Familienstrip The Gambols mit den Abenteuerserien James Bond, Jeff Hawke und Gun Law aufwarten. James Bond wurde 1962 durch den Verleger Lord Beaverbrook gestoppt, weil eine Konkurrenzzeitung eine JamesBond-Kurzgeschichte abdruckte. Der Strip nach lan Flemings Romanen wurde nach Beaverbrooks Tod 1964 wieder aufgenommen. Mit Jeff Hawke von Sidney Jordan führt der Express eine Science Fiction-Serie, die gekonnt ein technologisches Universum nach den heutigen Erkenntnissen fortspinnt. Erich von Däniken könnte von Jeff Hawke inspiriert sein, da in dieser Serie Elemente aus terrestrischen Mythen, Sagen und Historie als Resultate früher Raumfahrt ins Muster ihrer Erzählung eingewoben werden. Harry Bishops Gun Law schließlich ist ein trefflich gezeichneter Western nach der bekannten Fernsehserie »Gunsmoke«. Die drei Serien des Express zeichnen sich wie viele englische Strips seit Jane durch eine relativ freizügige sexuelle Darstellung aus. Sex ist in diesen Strips freier und insgesamt von weniger Prüderie
Gun Law von Harry Bishop. Trotz der »zufälligen« Zweige ist diese Folge, die für englische Strips keineswegs außergewöhnlich ist, weniger prüde als Barbarella und Co, denn Gun Law erscheint im äußerst konservativen Daily Express. © 1969 Daily Express/Bulls
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Scarth von Luis Roca und Jo Addams. Science Fiction wird mit einem Modestrip gepaart. Der effektvolle graphische Stil vermittelt mit Esprit ein futuristisches Flair. © 1970 Bulls Pressedienst
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geprägt als in französischen und amerikanischen Comic Strips, von Intellektuellen-Comics einmal abgesehen, die in vielen Fällen aber auch nicht mehr zeigen als englische Strips aus Tageszeitungen. Die alten Wochenzeitschriften wurden fast samt und sonders von den Zeitläuften dahingerafft. Chips, Comic Cuts, Film Fun und Radio Fun verschwanden ebenso wie Ranger Weekly oder Tiger and Hurricane und machten neuen Heften wie Dandy und Beano Platz oder den für England zu Comiczeitschriften umgestalteten Marvel-Comics (Smash!, Wham! und ab 1967 Fantastic). Amerikanische Comic Books werden in kleinen Kontingenten schon mit englischem Preisaufdruck nach England geliefert, aber auch auf der Insel unter Titeln wie Suspense, Sinister Tales, Creepy Worlds, Secrets of the Unknown, Uncanny Tales, Astounding Stories, Out of This World und Weird Planets nachgedruckt. Comics im Taschenformat werden auch in England in großen Mengen hergestellt. So erscheinen bei Fleetway Publications, einer Abteilung der International Publishing Corporation, die Westernreihen Cowboy Picture Library, Lone Rider Picture Library, Wild West Picture Library, die Kriegscomics War at Sea, Air Ace Picture Library, War Picture Library, Battle Picture Library, die Liebesgeschichten der True Life Library und die Fleetway Super Library mit Helden wie Maddock's Marauders, Johnny Nero, Steel Claw, Ironside — Top Sergeant, Barracuda und The Spider. Diese Serien sind in fast ganz Europa verbreitet. Die große Ausnahme ist Deutschland, wo nur gelegentlich Fleetway-Hefte erschienen.
Englische Comics-Zeitschriften bieten eine Vielzahl von Fortsetzungsreihen aus den verschiedenen Genres, so zum Beispiel The Fiery Furnaces mit den Erlebnissen der Abenteurer Red und Cole Furnace inmitten exotischer Landschaften und versunkener Kulturen. Aus: Tiger and Hurricane vom 31. 12. 1966, Zeichner A. Giolitti. © 1966 Fleetway Publications, Inc.
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Auch in England werden die Zeitungsstände (wie in Italien) Woche um Woche mit Taschen-Comics überschwemmt, in denen sich häufig hervorragend gezeichnete Geschichten fin den. © 1961, 1966 Fleetway Publications, Ltd.
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What does it all mean? PHOEBE ZEIT -GEIST
IX Sex und Satire
Bis zur Einführung des Codes war ein guter Teil der Comic Books recht gewagt, wenn man ihren Inhalt etwa mit dem damaligen Hollywoodfilm vergleicht. Es mochte damals für den jugendlichen Leser eine anregende Wirkung haben, wenn die durchwegs großbusigen Mädchen, grausam gefesselt und in völlig zerfetzter Kleidung, einem Schicksal schlimmer als der Tod entgegensahen. Psychoanalytisch geschulte und gewitzte Interpreten entdeckten in dem Beiwerk, das darüberhinaus noch die Panels füllte, eine meist krude Sexualsymbolik, die verderblich auf das Unbewußte des »unreifen« Lesers wirken mochte. Sex in den Comics — damals vor dem Code machten die vielen Mädchen vor, was Barbarella und ihre Gespielinnen vergleichsweise harmlos in Neuauflage bieten sollten. Unter den Verlagen, die bis 1954 Comic Books mit sexuellen Unterund Obertönen herausbrachten, taten sich besonders Fox und Fiction House hervor (einige große Firmen wie Dell und DC übten schon seit 1940 Selbstzensur). Gregory Pages Phantom Lady war die offenherzigste der Superheldinnen. Und noch freizügiger war Torchy Todd, ein Mannequin, das eine Vorliebe für seitenlange Duschen hatte und von Berufs wegen meist in Dessous zu sehen war. Sie und Sky Girl boten den Lesern amerikanischer Comic Books das, was Milton Caniffs Miss Lace in Male Call und Norman Petts Jane, die zur selben Zeit in England noch etwas freier agierte, den Soldaten während des Krieges als Comics-Pinup Girls offerierten. Doch nur die Dschungelheldinnen vermochten richtig an Boden zu gewinnen und sich in einem eigenen Genre zu etablieren. Im Dschungel ausgesetzte Mädchen tragen nun einmal, wie Tarzan seinen »G-string«, stets knappe Fellbikinis; und so dienten die weiblichen Tarzankopien als leidliche Augenweide für Voyeure. Sie waren die weißen Göttinnen, vor denen die abergläubischen schwarzen »Wilden« in Einer der geistreichsten satirischen Strips überhaupt ist Little Annie Fanny, ist doch der Autor Harvey Kurtzman und der Zeichner Will Elder — beide immer noch vom Ruhm aus der Anfangszeit von MAD begleitet. Unter den vielen Modeströmungen, die persifliert wurden, war natürlich auch der Comics- und Pop-Boom. Alles, was ein Comicsfan haben muß, ist da: Ein altes Radio aus der Zeit der großen Radiohelden, alte Big Little Books und Comic Books (die ersten dreißig Hefte der Green Lantern Comics), Pop Art -Gemälde, ein Buck Rogers-Helm etc. etc. Reproduced by special permission of Playboy Magazine. © 1966 by HMH Publishing Co, Inc.
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Ehrfurcht und Angst zurückwichen und von denen sie sich willig beherrschen ließen. Wie es die treuen Waziris Tarzans vorgemacht hatten, hatte jede Dschungelheldin den ihr sklavisch ergebenen Stamm. Das war wieder das schon in den Pulps nicht nur von Edgar Rice Burroughs aufgegriffene Thema von Sir Rider Haggards »She« (1886), nur daß sich nun die Ayeshas amazonenhaft durch die diversen afrikanischen und indischen Dschungel schwangen. Denn pausenlos galt es, weiße Forscher (beliebt war der vertrottelte Botanikprofessor) zu retten, den zur Standardausrüstung eines jeden Dschungels gehörigen Elefantenfriedhof vor dem Zugriff räuberischer Gangster zu bewahren oder über die Stränge schlagende Zauberdoktoren zur Räson zu bringen. Und immer verstanden es diese Urwaldgöttinnen geschickt, ihre körperlichen Vorzüge dabei ins vorteilhafteste Dschungellicht zu rücken. Eine der ersten und gleichzeitig die wichtigste der weiblichen Tarzans in den Comic Books war Sheena, Queen of the Jungle, von W. Morgan Thomas erfunden, meist aber von S. R. Powell angefertigt, der auch für nicht wenige von Sheenas Genossinnen verantwortlich zeichnete. Sheena erlebte ihre Abenteuer von 1939 bis April 1953, und war dermaßen kampfeswütig, daß Jules Feiffer bei einem Vergleich mit Wonder Woman sagte: »Ich meine, was immer auch ihre [Wonder Womans] so sehr gepriesenen Amazonenkräfte sein mochten, sie hätte keine Runde gegen Sheena, Queen of the Jungle bestanden.« 1 Sheena war wild und unbezähmbar und triumphierte so über Löwen, Panther und wildgewordene Elefanten. Sie legte den bösen Weißen, die in ihr Reich eindrangen, das Handwerk, während ihr Freund Bob nur dazu da war, in die Bredouille zu geraten oder ihrem Tun bewundernd zuzusehen. Umgekehrt waren die Gefährtinnen der Tarzanimitationen, wie Wana, die Freundin von Zago — Jungle Prince und auch Ann, die Begleiterin von Kaänga, diesen nicht hinderlich, wenn es galt, durch die Dschungel zu eilen. Ann, die mit Kaänga in dessen Heft und auch in Jungle Comics auftrat (das Comic Book das auch Wambi, the Animal Boy und andere Tarzans und Bombas beheimatete, erschien damals noch mit 64 Seiten), war eine der wenigen Dschungeldamen mit schwarzem Haar — wohl zur Abhe-
Jodelle von Guy Peellaert. Der zum Teil von den Comics geprägte Stil der Pop Art kehrt wieder in die Comics zurück. Ein verpoptes altes Rom. An Charles Aznavour vorbei eilen die Mädchen auf die Beatles zu. Sic transit... © 1966 Le Terrain Vague/Guy Peellaert. Mit Genehmigung des Carl Schünemann Verlags dem Band »Jodelle« entnommen.
Ganz gleich wie der Dschungelheld hieß, auf jeden Fall mußte eine wohlproportio nierte Jane im Fellbikini mit dabei sein. © 1952 Glen Kel Pub. Co., Inc. (Fiction House), © 1948 Fox Feature Syndicate, Inc. (rechts)
bung von Kaänga, dessen Blondhaar gewählt worden war, um über die allzu penetrante stilistische Nähe zu Tarzan hinwegzutäuschen. Außer Ann und Rulah — Jungle Goddess, waren sie aber sonst fast durchwegs »blonde Göttinnen«: Camilla-Queen of the Jungle Empire, Gave Girl, Jann of the Jungle, Jungle Lil, Lorna the Jungle Girl, Luana, Princess Pantha, Saäri the Jungle Goddess, Tiger Girl, Tygra oder Zegra — Jungle Empress, um nur einige der wichtigsten zu nennen. Einzig die sehr populäre Nyoka von Al Jetter bot wenig Sex und war nicht in einen Fellbikini gekleidet, sondern trug züchtig Tropenbluse und Shorts. Sie agierte als kühne Forscherin mit missionarischer Berufung, als weiblicher Jungle Jim. Und wie dieser wurde auch Nyoka mehrmals verfilmt. Im Bestreben, die Konkurrenz mit immer stärkeren Dosierungen zu übertrumpfen, mußte man natürlich die Darstellung von Sex, »unzüchtigen Posen« und Gewalttaten in den Comic Books gleich übertreiben. Als der Code eingeführt wurde und legale Maßnahmen drohten, blieb Verlagen wie Fox und Fiction House nichts anderes übrig» als die Produktion einzustellen, da eine Sheena oder Rulah ohne Sex und Violenz völlig uninteressant gewesen wären. Abgesehen von sublimierten Sexualschichten ging es dann auf der Comicbook-Szene lange Zeit sehr zahm zu. Aber alles, was dann im Laufe der 60er Jahre über die Leser hereinbrechen sollte, die nackten Abenteurerinnen für Intellektuelle wie Barbarella, die »fumetti per adulti« Italiens und Frankreichs und auch die Underground-Comics, sind ein Abklatsch des Sex-Horrors der damaligen Comic Books. Vor und während des zweiten Weltkrieges waren sogar die Comic Strips nicht ganz frei von Sex. Von allen Damen die
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berühmteste war die Dragon Lady, die Milton Caniff 1935 in Terry and the Pirates erstmals auftreten ließ. Diese faszinierende und verwirrend schöne Lai Choi San (= Berg der Reichtümer), wie die Dame mit bürgerlichem Namen hieß, war als Anführerin einer Piratenorganisation der Schrecken der fernöstlichen Gewässer. Die Dragon Lady mit ihrem unterkühlten Sex-Appeal von äußerstem Raffinement, die mit ihrer Peitsche über ganze Mannschaften dominierte, war das Ideal eines jeden Masochisten. Sie war die beste Vertreterin der Caniffschen Damen, die damals mit ihren Reizen nicht zu geizen pflegten. Zur Hebung der Truppenmoral zeichnete Caniff den Strip Male Call, in der leicht- und nur teilweise geschürzte Mädchen wie Miss Lace für die G.I.s beliebte Pinup Girls abgaben, wie es Jane für die »Tommies« tat. Doch nach dem Krieg, als die Zensurschraube wieder stärker angezogen wurde, war die ganze Pracht zu Ende. Intellektuell — sexy — elitär 1962 zeichnete Titelbildillustrator und Vaillant-Mitarbeiter Jean-Claude Forest für V-Magazine einen Comic Strip, in dem ein Mädchen mit den Gesichtszügen und anatomischen Qualitäten Brigitte Bardots agierte. Zwei Jahre später erschien Barbarella bei Eric Losfeld als »Luxusalbum«, in einer Art bibliophiler Comicsausgabe für Erwachsene. Durch das Einschreiten der Polizei — die Franzosen waren auf dem Gebiet der Comics schon immer die größten Puritaner — bekam Barbarella genügend Publicity. Denn 1964 galt es noch als skandalös, daß sich ein Comicsmädchen, wenn auch in der Zukunftswelt der Science Fiction, nicht um die Ge pflogenheiten der »normalen« Bürgermoral scherte und
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schlief, mit wem sie Lust hatte. In den Büchern, Artikeln und Pamphleten über Comics ist meistens das Bild zitiert, das am meisten als »shocking« empfunden wird. Es zeigt Barbarella nach dem Liebesakt mit Victor, dem Roboter: »Victor, Sie haben Stil!« In der Tat ist dies eine der geistreicheren Passagen von Barbarella. Der Erfolg von Barbarella sollte den Kurs für die Nachfolgerinnen maßgeblich beeinflussen. Da Barbarella von Brigitte Bardot inspiriert wurde, hat sie auch mehr Busen als ihre Nachfolgerinnen in Europa — die amerikanischen Little Annie Fanny und Phoebe Zeit-Geist können hingegen konkurrieren. Jodelle, Pravda, Epoxy oder Valentina begnügten sich mit einem kleinen Busen, der leichter zu zeichnen ist und den Mädchen eine ästhetische Nacktheit verleiht, die bei einem prätentiösen Strip nun einmal de rigueur ist und Zensor wie Leser eher an Kunst denken läßt. Da diese Comics für Erwachsene vom Inhalt her nichts Besonderes boten, mußten die Heldinnen nackt sein, was für die Leser mit lasziv gleichbedeutend zu sein hat, um dem ganzen Produkt den Hauch des Verruchten zu verleihen. Einzig durch das sexuelle Element bekommen Barbarella und die anderen den elitären Charakter, der sie für die Ober- und Intellektuellenschicht bestimmt, da deren Sexualverhalten seit jeher weniger als das der unteren Klassen reglementiert ist. Als die Verleger in anderen Ländern mit Nachdrucken dieser intellektuellen Comics am Comicboom partizipieren wollten, waren sie bereits im gewissen Sinne veraltet, da es sich eben um Modeerscheinungen handelte. Sie sind deshalb von ihrem Erscheinungsjahr im Ursprungsland her zu beurteilen, denn nachdem 1968 die Underground-Comics aufkamen, wirkten all diese Comics für Erwachsene trotz der Nacktheit der Protagonistinnen unfrei und repressiv, da durch zufällig plazierte Sträucher, gezwungen wirkende Körperstellungen und züchtig gehaltene Händchen stets die primären Sexualzonen verborgen blieben. Erst in den Underground-Comics konnte auch einmal ein Penis ins Bild hängen. Ebenfalls bei Eric Losfeld erschien 1966 Les Aventures de Jodelle, von Guy Peellaert gezeichnet und von Pierre Bartier getextet. Ein Comic Buch im Popstil und mit Plakatfarben, voll von Zitaten der Pop Art. Jodelle ist an Sylvie Vartan angelehnt, eine Pop-Sängerin, die damals in Mode war. Peellaert benutzt so mit Jodelle und später mit Pravda, dem Ebenbild von Francoise Hardy, einer weiteren PopBardin für die Massen, nicht den einfachen Trick des Schlüsselromans, sondern übernimmt die Technik von Pop-Künstlern, die Leitbilder der Massen wie Elvis Presley, Elizabeth Taylor oder John Wayne mit ihrer Technik aufbereiteten und verfremdeten. Das Motorradmädchen Pravda la Survireuse (die übergiftige Wahrheit), »cool« und von der Gesellschaft angeekelt, erschien zuerst in der satirischen Zeitschrift Harakiri, für die Peellaert auch später Comics im Popstil zeichnete.
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Pravda von Guy Peellaert. Pop -Idole und Pop Art werden von Peellaert zu einer Pop -Orgie vereint. © 1968 Guy Peellaert. Mit Genehmigung des Carl Schünemann Verlags dem Band »Pravda« entnommen.
Peellaert zitiert in Pravda Warhols Marilyn Monroe und setzt neben sie Anita Ekberg aus »Boccaccio 70« und Mae West. In Jodelle und Pravda sind all die gängigen Symbole der Pop Art wie Campbell's Soup Cans oder Cokeflaschen eingebaut. Sie werden so für die Wissenden zur Fundgrube von Zitaten aus der Massenkultur und implizieren eine Kritik an der Konsumgesellschaft. All das ist in Jodelle noch dadurch verfremdet, daß die Geschichte im alten Rom spielt, antike SS-Schergen und Franjois Mauriac auftreten. Die Begeisterung für Pop Art, die zu einem großen Teil von den Comics lebte, wurde von Peellaert geschickt genützt, indem er den Popstil wieder in die Comics zurückholte. Selbstironisch zitiert Peellaert in Pravda den Namen von Peter Max, dessen psychedelische Graphik im Gegensatz zur Pop Art reiner Kommerz ist. Neutron von Guido Crepax erschien ab 1965 in Linus, der italienischen Zeitschrift für Comicfans. Neutron ist der mit übersinnlichen Kräften begabte Philipp Rembrandt, der aber allein nicht genügend Appeal hatte, um den etwas eigenwilligen Strip bei den Lesern beliebt zu machen. Erfolg stellte sich erst dann ein, als die emanzipierte Photographin Valentina auftauchte und schließlich zur Titelfigur der Serie wurde. Durch den Kleidungsfetischismus, mit dem sie in die Fesseln der Lust geschlagen wird, wirkt die Nacktheit der grazilen Valentina noch etwas verruchter. Guido Crepax betreibt in Valentina einen unorthodoxen, graphischen Ästhetizis mus. Gerne läßt er mehrere Erzählebenen gleichzeitig auf einer Seite ablaufen und macht so das »Lesen« schwierig. Valentina und Phillip leben im Traum, Drogenrausch und in der Erinnerung zugleich neben einer Realität, die phantastisch genug ist.
Valentina von Guido Crepax. Die Phantasie hat die Realität fast verdrängt. Die Erzählebenen vermischen sich wie im »stream of consciousness«. © 1968 Guido Crepax / Libri Edizioni / Lukianos Verlag AG Bern
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Epoxy von Paul Cuvelier und Jean van Hamme. Als ich einst nackt war in Arkadien . .. Epoxy bestrickt primär durch ihre un bekümmerten Beziehungen zu den Gestalten der griechischen Mythologie. © 1970 Le Terrain Vague, deutsche Ausgabe beim Verlag H. M. Hieronimi
Bianca Torturata von Crepax (1968/69) erzählt im selben Stil von den sexuellen Ausschweifungen, die Internatszögling Bianca in ihrer Phantasie erlebt. Am Schluß stellen sie sich als im Tagebuch festgehaltenes Ineinanderübergehen von fortgesponnener Wirklichkeit und der von den pubertären Gefühlen der fünfzehnjährigen Bianca geformten Traumwelt heraus. Weniger vieldeutig als ihre Artgenossinnen ist Epoxy von Paul Cuvelier und Jean van Hamme (1968). Die etwas mollige Epoxy, die durch eine Zeitmanipulation außerirdischer Mädchen (natürlich ebenfalls nackt) ins mythologische Griechenland teleportiert wird, läßt sich naiv durch Arkadien treiben und begegnet und liebt unter anderen Hippolyta, den farnesischen Herkules, Zentauren, Argus und den Götterboten Hermes.
Eine der wichtigeren Erscheinungen auf dem Gebiet der Comics für Intellektuelle war Seraphina, die ab 1966 in der linksorientierten Pariser Zeitschrift Jeune Afrique erschien. Die mindere Qualität der Zeichnungen von Eric Nemes wirkte sich nachteilig auf ihren Erfolg aus. Seraphina ist ein Agit-Prop Strip, in dem die USA und Rußland einen Pakt geschlossen haben. Die SAR (= Soviet-American-Republic) will die Welt zwischen sich aufteilen. Seraphina, deren Mutter in die Sklaverei verkauft wurde, führt von Südamerika aus den Befreiungskampf gegen die Feinde der dritten Welt. Energiestrahlen, die aus ihren Fingerspitzen sprühen, sind dafür die beste Waffe. Damit war der Bedarf an intellektuellen Comics noch nicht gedeckt. Eric Losfeld, der rührige Editeur, brachte weiterhin seine bibliophilen Comicsbücher und speziellen Alben auf den Markt. So Saga de Xam von Nicolas Devil nach einem Szenario von Jean Rollin oder Lone Sloane von Phillipe Druillet. 1965 erschien Scarlett Dream von Zeichner Robert Gigi und Autor Claude Moliterni in V-Magazine. Auch Scarlett Dream ist wie ihre Vorgängerin Barbarella ein Science Fiction-Strip, aber mit weniger, dafür raffinierterem Sex. 1968 erschien bei Losfeld eine Zusammenfassung als Album. 1964 druckte das amerikanische Magazin Evergreen Review Barbarella ab; die Leseraktion ermutigte zu einer amerikanischen Replik. So erschien dann in Evergreen Review einer der besten Comics für Intellektuelle oder Erwachsene: The Adventures of Phoebe Zeit-Geist aus der Feder von Poetus laureatus und Evergreen-Texter Michael O'Donoghue und gezeichnet von Frank Springer, der auch als Comic Book-Zeichner tätig ist. So stammen einige Hefte von Nick Fury — Agent of S.H.I.E.L.D. von ihm; allerdings ist sein Stil nicht jedermanns Geschmack.
Phoebe Zeit-Geist von O'Donoghue und Frank Springer. Ein Mädchenkörper als Objekt etwas ausgefallener sexualpathologischer Praktiken. Das Klischee »Sex und Nazibestie« aus den »Man's Magazines« verhalf dieser Episode zu einer gewissen notorischen Beliebtheit. © 1968 Michael O'Donoghue & Frank Springer, 1970 Konkret Buchverlag
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»Here Comes Everybody« — Alle, durch die Phoebe gelitten hat, sind hier zu einem grandiosen Finale vereinigt. Norman Mailer fällt in diesem Pandämonium kaum aus dem Rahmen. © 1968 Michael O'Donoghue & Frank Springer, 1970 Konkret Buchverlag
Phoebe, die Glänzende, so hieß einst Artemis, die Schwester des Phoebus Apollo bei den römischen Dichtern. Dieses Frauenideal erscheint nun als Opfer des von den eskapistischen Massenmedien geformten Zeit-Geistes. O'Donoghue und Springer greifen mit Phoebe Zeit-Geist auf Samuel Richardson zurück, der mit »Pamela or Virtue Rewarded« (1740) den melodramatischen Roman begründete, in dem unschuldige Mädchen Unsägliches erleiden; und sie übernehmen gleichzeitig die Technik de Sades, der mit seiner »Justine« alsbald die heuchlerische Pamela ins Gegenteil verkehrte. Phoebe ist, wie Pamela oder Justine, eine dieser unschuldignaiven Heldinnen, die auch in den Massenmedien immer wieder gequält werden. So war zum Beispiel die Stummfilmserie »The Perus of Pauline« so erfolgreich und bekannt, daß der Titel dieser Filmserie zum geflügelten Wort und zum Synonym für das Leiden naiver Heldinnen wurde. Wie wenig das Rezept seit Richardson und dem Schauerroman von seiner Wirkung eingebüßt hat, zeigt »Angelique« von Anne Golon.
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Auch Phoebe geht nun durch die Hölle der Klischeesituationen. Alles, was man mit einem Mädchenkörper machen kann, besonders in den Grenzfällen der Sexualpathologie (Kreuzigung, Nekrophilie, Sodomie mit einer Riesenspinne oder nacktes Objekt in einem antiamerikanischen Schauprozeß in China), wird an Phoebe vollzogen. Vom Leser wird eine gewisse Qualifikation gefordert, das Wissen um die stereotypen Handlungschemata der Unterhaltungsmedien, wie sie besonders in der Belletristik des 19. Jahrhunderts vorgeformt wurden. Hier wird nun aus herausgepickten Extremsituationen von O'Donoghue und Springer die Essenz destilliert und literarisch aufbereitet. Zwischendrin tritt Norman Mailer auf (auch er ist für Comicsadaption geeignet), um Phoebe Zeit-Geist eine wie auch immer gemeinte Beziehung zu höheren Regionen zu erleichtern. In der Schlußfolge erscheinen noch einmal alle, unter denen Phoebe gelitten hatte: ein Kollektiv massenmedialer Pervertierungen. Phoebes Schlußworte »Here Comes Everybody« angesichts dieser Apotheose von Stereotypen schaffen so die Verbindung des Joyceschen Universums zum Kosmos der Massenmedien.
Jules Feiffers Strip Feiffer ist ein ausgeweiteter »Editorial Cartoon«, eine (oftmals) politische Karikatur. Neben den Torheiten der »Intellektuellen« wird auch die bei Intellektuellen so beliebte Nixon-Administration nicht verschont. © 1970 Jules Feiffer
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Die größte Leserschaft, die je eine Comics-Serie gewonnen hat, ist Little Annie Fanny beschieden, denn Playboy Magazine, in dem dieses Produkt von Autor Harvey Kurtzman und Zeichner Will Eider erscheint, hatte 1971 eine verkaufte Auflage von rund 51/2 Millionen, wobei noch mit etlichen Mitlesern pro Nummer zu. rechnen ist. Harvey Kurtzman und Will Eider produzieren Little Annie Fanny seit 1962. Eider, der den Strip zeichnet, besser gesagt malt, wird dabei gelegentlich von Gastzeichnern wie Jack Davis, Al Jaffee oder Russ Heath unterstützt. Little Annie Fanny ist das Superplaymate mit einem königlichen, freitragenden Busen, dem Gesicht einer Puppe, und da Fanny das bedeutet, was die Franzosen derriere nennen, ist sie auch dort bestens proportioniert. Größer könnte der Ge gensatz zu Little Orphan Annie nicht sein, die hier gelinde parodiert wird. Auch Annie Fanny hat einen Daddy Bigbucks (statt Warbucks), der über sie wacht. Annie droht wegen ihres naiven Wesens ständig die Exploitation durch eine sexbesessene Umwelt, und auf diese Weise werden in Little Annie Fanny die aktuellen sexuellen Moden verspottet. Aber auch die tiefergehenden Strömungen in der amerikanischen Gesellschaft werden von Harvey Kurtzman scharfsinnig seziert. Jules Feiffer, arrivierter Literat (»Little Murders«, »Sick, Sick, Sick«) und Verfasser von »The Great Super Heroes«, hat selbst seine Lehrzeit in den Comics bei Will Eisner (The Spirit) absolviert. Es ist verständlich, daß gerade aus seiner Feder der Strip stammt, der die ätzendste und geistreichste Satire in den Comics verspritzt. Sein syndikatisierter Strip Feiffer läuft seit 1956 und handelt von Entfremdung, Anomie, intellektueller Selbstzerfleischung in der Megalopolis und von der Stupidität menschlicher Verhaltensnormen. Jules Feiffer steht an der Grenze von Comic Strip und Karikatur und vollzieht mit Feiffer den Übergang zum »editorial cartoon«, der politischen Karikatur. Bernard Mergendeiler, Feiffers Antiheld, ist der Inbegriff des verunsicherten Intellektuellen. Feiffer zeichnet auch für Playboy (dessen Zeichner Shel Silverstein einen ähnlichen Humor- und Zeichenstil pflegt), und dort bestritt Bernard Mergendeiler auf dem Höhepunkt des Superheldenbooms 1965 bis 1969 seine Abenteuer als Hostile-Man, einer witzigen Parodie auf die Superhelden-manie.
Das heutige MAD im Zeitschriftenformat. Doch nach wie vor sind die Satiren im Comicsstil. Mit dem speziellen MAD-Humor werden heute auch zahlreiche andere Länder infiltriert. © 1970, 1967 E. C. Publications, Inc./ Bildschriftenverlag
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MAD Harvey Kurtzman ist der geistige Vater von MAD, das im April 1952 aus der Taufe gehoben wurde. MAD erschien bis 1955 im Format der normalen Comic Books und kostete wie diese 10 Cents. Der vollständige Titel »Tales calculated to drive you MAD — Humor in a Jugular Vein« war dem Leser eine Warnung vor dem Humor, der hier gepflegt wurde. In den Anfangsjahren bestand der Inhalt MADs hauptsächlich aus Persiflagen der bekanntesten ComicsSerien. Will Eider, Wallace Wood und Jack Davis zeichneten die meisten der Geschichten, in denen schneidend genau und ungemein geistreich die Schwächen und Klischees der jeweils attackierten Comicsreihen aufgedeckt wurden. MAD und auch das zweite satirische Comic Book von E. C., Panic (This is no Comic Book, This is a Panic — Humor in a Varicose Vein), waren bei ihren jugendlichen Lesern sehr beliebt, und trugen stark dazu bei, ein kritisches Bewußtsein gegenüber den schlechten Produkten des Mediums zu fördern. Will Eiders spezieller Stil war es, in seinen Comicspersiflagen so viele sich von Bild zu Bild wandelnde Extras hineinzuzeichnen, daß man auch beim zehnten Durchlesen immer wieder etwas Neues entdecken konnte. 1955 nach Einführung des Comics Codes und einige Monate, nachdem Entertaining Comics die Produktion ihrer Horrorund anderen Comic Books eingestellt hatte, wurde das Format von MAD vergrößert und das satirische Comic Book wandelte sich zum satirischen Magazin.
MAD begann 1952 mit Parodien auf erfolgreiche Comics-Serien. Die Detailfülle, wie hier im Superduperman von Wallace Wood, war charakteristisch für den damaligen Stil, wie ihn besonders auch Will Eider pflegte. © 1954 E. C. Publications, Inc.
In MADs Film- und Fernsehparodien demonstriert Zeichner Mort Drucker seine unerhörte Meisterschaft in der treffsicheren Karikatur der Hauptdarsteller. Mit beißender Ironie wird in diesen Persiflagen jede Klischeesituation entlarvt, wie hier bei der TV-Serie »Tarzan«, in der selbst Albert aus Pogo Tarzans Messer zum Opfer fällt. © 1968 E. C. Publications, Inc./Bildschriftenverlag
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Wood arbeiten immer wieder für MAD. Nicht mehr in der Redaktion ist Will Eider, der Harvey Kurtzman nachfolgte, als dieser 1956 MAD verließ und sich selbst mit satirischen Magazinen wie Help! oder Tramp versuchte, ohne aber einen wirklich dauerhaften Erfolg erzielen zu können. Doch war Harvey Kurtzman auf seine Weise der Mann, der Humor und Satire in den USA nach 1950 entscheidend geprägt hat. 1960 lag die Auflage MADs bereits bei l 400 000, 1971 war sie bei 2,15 Millionen verkaufter Hefte angelangt. Ein Phänomen, bei dem hohen Niveau von M AD. Nach wie vor sind die meisten der Beiträge im Comicsstil und wohl deshalb stellen die Leser unter 20 Jahren den größten Käuferanteil. Ungemein erfolgreich sind auch die MAD- Anthologien im Taschenbuchformat, von denen besonders die ersten mit den Nachdrucken der Comicsparodien wie »The Mad Reader«, »Mad Strikes Back«, »Inside Mad« oder »Utterly Mad« zu Dauerbestsellern mit Millionenauflagen wurden. Auch Marvel versuchte sich eine Zeitlang mit Not Brand ECCH in der Comicspersiflage. Man nahm sich selbst und die Konkurrenz auf den Arm und erreichte teilweise die Qualität der als Vorbild dienenden alten MAD-Parodien. © 1968 Marvel Comics Group
Zu den beliebtesten Seiten in MAD gehört Don Martins schwarzer Humor. © 1968 E. C. Publications, Inc./Bildschriftenverlag
Vor den Urhebern von MAD ist nichts sicher, was ihnen als stupid, hypokritisch oder schlecht erscheint. Durch satirische Übertreibung zeigt MAD, welch einen Humbug die Medien größtenteils produzieren. Aber nicht nur alle Medien, auch die Freizeit- und Konsumgewohnheiten der amerikanischen Bürger werden durchleuchtet und angeprangert. MAD, das seine Büros in der MADison Avenue hat, attackiert die Werbe- und Unterhaltungsindustrie, die besonders in dieser Straße ihren Sitz hat. Konsequenterweise erscheint in MAD selbst keine Werbung, außer nachgestellter, ins Gegenteil verkehrter Reklame, mit der besonders gegen Alkohol und Zigaretten zu Felde gezogen wird. Ohne Heuchelei kann MAD Hitler für Zigaretten werben lassen, da die gesamte Redaktion in den 60er Jahren auf Veranlassung des Verlegers William M. Gaines das Rauchen eingestellt hat. Der Stil MADs in diesen 60er Jahren war besonders geprägt durch die Film- und Fernsehsatiren des süperben Zeichners und Karikaturisten Mort Drucker, den »far-out«-Humor Don Martins, der am stärksten in seinem Oeuvre den schwarzen, den »sick humor« im Comics Stil vertritt, und durch David Berg, der mit seinem regelmäßigen Feature »The Lighter Side of . . .« die Lebensformen der Amerikaner Suburbias aufs Korn nimmt. Auch Jack Davis und Wallace
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Eine spezielle Eigenart von MAD ist das »self-kidding«, die Selbstironie, mit der man dem eigenen kritischen Standpunkt niveaufördernd den festen Boden entzieht und sich eine gewisse Narrenfreiheit verschafft. Dies veranschaulichen Titel von »Annuals«, Sonderheft-Anthologien, wie The Warst from MAD oder More Trash from MAD from the most sickening past issues. Der fanatische Leserstamm der E.G.-Fans blieb MAD treu, als die E.C.-Hefte eingestellt wurden. Wie damals mit den E.C.-Fan-Klubs, vermittelte man nun auch bei MAD den Lesern ein »In-group feeling«, das Gefühl, zu einem erlauchten Kreis Auserwählter zu gehören. Vermittels Wortschöpfungen wie »veeblefetzer«, »furshlugginer, »ecch« oder »potrzebie«, die auf alles und jedes angewendet werden können, wurde MAD nur dem »Kenner« voll zugänglich gemacht. Kontinuität bekam MAD mit einer Verlagsfigur namens Alfred E. Neuman, der mit dem Blick eines Schwachsinnigen dem Leser sein Motto »What — Me Worry?« kündet. Die Wichtigkeit einer solchen Verlagsfigur, die den Verlag dem Leser gegenüber personifiziert, verdeutlichen auch bei anderen erfolgreichen Zeitschriften Figuren wie der PlayboyHase, der nichtexistente Irving Forbush von Marvel oder Sylvester P. Smythe, die Maskottchenfigur der einzigen erfolgreichen MAD-Imitation, Cracked, die besonders von Zeichner John Severin geprägt wurde. Mit Satire läßt sich vieles sagen, was sich der normale Kritiker versagen muß, denn es ist leichter über das Angeprangerte zu lachen, als es objektiv zu untersuchen. Wie alle Medien attackiert auch MAD die immer deutlicher zutagetretenden Übel der amerikanischen Gesellschaft und auch die Art, wie diesen Übeln von Links und Rechts entgegengetreten wird. Aber nicht deswegen gelten die Mitglieder der MADRedaktion als »pinkos«, als zumindest rosarote Kommu nisten. In diesen Verdacht gerät in Amerika jeder Intellektuelle. Comics aus dem »Untergrund« »Obszön, anarchistisch, studentisch, subversiv und apokalyptisch, so attackieren die Undergroundzeichner mit ihren Produkten alles, was der amerikanischen Mitte teuer ist.« 2 Ein solches Etikett ist eine schwere Bürde für diese Produkte, die sich, im Unterschied zu den normalen Comics, Comix oder auch Komix schreiben. Nach dem ersten Furor, den ihr Auftauchen 1968 auslöste — damals regte sich die Polizei noch ein wenig — erwiesen sie sich als gar nicht so progressiv, subversiv oder radikal, wie sie allgemein angesehen wurden. Schon die Bezeichnung »Underground« ist zumindest fragwürdig, denn die Comix kommen weder aus einem solchen, noch steht ihre Produktion unter Knechtung. Schon ihre bloße Existenz widerspricht ihrem Namen, denn noch ist der Faschismus in den USA nicht so weit fortgeschritten, daß man »Underground«-Tätigkeit nicht mehr unter dem Schutz der Pressefreiheit betreiben könnte.
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Die Comix entstanden auch nicht erst im Frühjahr 1968, als Robert Crumb sein erstes Zap Comix im Privatdruck herstellte und an den Straßenecken von Haight Ashbury an die Hippies und andere Partizipanten der Subkultur in San Francisco verkaufte. Es begann an den Universitäten, in deren zahlreichen exzellenten College-Zeitungen sich viele der späteren Underground-Zeichner die ersten Sporen verdienten — damals meist noch frischer und origineller als später im »Underground«, wo sie dann frei sein mußten. So erschien zum Beispiel einer der Lieblinge des »Undergrounds«, Gilbert Sheltons Wonder Wart Hog, schon 1966 in Ranger, der Zeitschrift der University of Texas.3 Das stinkende Superwarzenschwein, das in seiner Superheldengestalt seinem Sadismus freien Lauf läßt, agierte aber auch in einem so etablierten Magazin wie Drag Cartoons. Schon damals war Wonder Wart-Hogs geheime Identität Philbert Desenex, »Ace reporter of a great Megatropolitan newspaper«, einer Zeitung, die später in den Comix als »Muthalode Morning Mungpie« spezifiziert wurde. Auch Robert Crumbs Felix tbe Cat, eine der erfolgreichen Gestalten seiner Head Comix, trat zuerst in Cavalier auf, einem erfolgreichen Magazin des Establishments nach Playboyart. Die »Underground«-Comix erschienen erst, als 1968 die Subkultur in Amerika solche Ausmaße angenommen hatte, daß eine genügend breite Käuferschicht zur Verfügung stand, die bereits durch die zahllosen Underground-Zeitungen konditioniert worden war. Auch war zu diesem Zeitpunkt das allgemeine Klima in den Medien genügend liberalisiert. Nach der ersten Nummer der Zap Comix arrangierte sich Robert Crumb mit einer Firma, die Druck und Vertrieb übernahm. Wichtig ist die kreative Freiheit und finanzielle Unabhängigkeit des Undergroundzeichners. Deshalb gründeten Jack Saxon und Gilbert Shelton die Rip-Off Press (Big Ass Comix), eine Art Autorenverlag, um die Verdienstspanne größer zu halten. Jay Lynch und Skip Williamson (Bijou Funnies) gründeten in Chicago ihr Bijou Publishing Empire. Die San Francisco Comic Book Company (ein spezielles Comicsantiquariat mit florierendem Versandunternehmen in alle Welt), ging an die Produktion eigener Comix wie Snatch und Jiz. Autoren und Zeichner sind gleichzeitig die Verleger und können so bei Lizenzausgaben in aller Welt nicht benachteiligt werden. Oben: Head Comix von Robert Crumb. Polizeibrutalität gehört zum bon ton im Underground-Comix. © 1968 Robert Crumb, 1970 März Verlag Mitte: Robert Crumbs Felix the Cat erschien zuerst im »Herrenmagazin« Cavalier und zeigt damit den Übergang vom Underground zum Establishment an. © 1968 Robert Crumb, 1970 März Verlag Unten: Die Häßlichkeit der Menschen und ihrer sexuellen Komplexe sind die Hauptelemente in den Underground-Comix. © 1968 Robert Crumb, 1970 März Verlag
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Comix haben zum Kaufanreiz die Aufschrift »For Adults Only«, was sich wie bei den »X-ratings« der Filme 4 sehr verkaufsfördernd auswirkt. Sie haben damit die gleiche Intention wie die italienischen und französischen »fumetti per adulti«, die ähnliche Inhalte ohne den Tarnmantel progressiven »Undergrounds« ausbeuten, aber noch weniger frei sind, da sie sich an ein Massenpublikum richten. Das amerikanische Underground-Cinema zeigte einen Weg, den die Comix wegen ihrer kommerziellen Befangenheit nur unvollständig nachvollziehen konnten. Das UndergroundCinema brach mit den alten Sehgewohnheiten, um eine »neue Sensibilität«, wie sie Marcuse meint, zu schaffen, ja neue Sprach- und Bildformalismen, eine neue Ästhetik zu kreieren und schließlich auch durch den Inhalt eine Bewußtseinserweiterung und Veränderung herbeizuführen. Von all dem ist in den Comix wenig zu sehen. Die Freiheit, die sie hatten, wurde nicht genützt.
Oben: »Klassenkampf Comix« — die politische Relevanz der Underground-Comix besteht meist aus einer simplen Verballhornung der Nixon-Administration. © 1970 Bijou Publishing Empire, Inc. World Rights Reserved
Gewalttätigkeit, Sex und der Hinweis »Nur für Erwachsene« reizen zum Kauf der Underground-Comix an. © 1970 Bijou Publishing Empire, Inc. World Rights Reserved
Rick Griffin und Victor Moscoso, deren Arbeiten auch in Zap Comix erschienen, bieten textlose Bilder phantastischer, psychedelisch dimensionensprengender Metamorphosen, aber das sind eigenbrötlerische, wenn auch gekonnte graphische Spielereien. Robert Crumbs Bilder von der Häßlichkeit der Umwelt und der Menschen in ihr sind noch am ehrlichsten, ein vulgäres Abbild der Realität ohne die üblichen Verklärungsmechanismen der Medien. Wie nach einem Dammbruch flutete all das, was die Zensur so lange aus den Comics ferngehalten hatte, in einem Rausch von Sex, Violenz und Blutrünstigkeit in die Underground Comix. In einem Akt der Selbstbefreiung, gleich den Zeichnern von Graffitti in den öffentlichen Toiletten, stellten die Zeichner ihre eigenen und die Sexualkomplexe ihrer Mitmenschen dar, was ungeheuer schockierend wirkte. Underground-Comix sind Polemik im Comicsformat, emo tional argumentierendes Ressentiment gegen das Establishment. Diese »radical comix« sind für ein Spezialpublikum, das auf Robert Crumbs Mr. Natural eher anspricht, als auf die Symbolfiguren des Systems, wie Captain America oder Superman. Aber anstatt zu neuen Zielen zu führen, wirklich neue Wege zu gehen, exploitieren diese »radikalen Underground«-Comix den Bewußtseinsstand reaktionärer Subkultur und schockieren durch die unreflektierte Abbildung drogensüchtiger Drop-outs.
Nard n'Pat von Jay Lynch. Im Bestreben, mit allem zu brechen, was den vom Code geprägten Comics heilig war, ist in den Underground-Comics das Pervertieren von beliebten Comicsfiguren besonders beliebt. Hier eines der besseren Beispiele: Nard n'Pat, die Andy Gump und Krazy Kat nachempfunden sind, zugleich auch noch am Erfolg von Schlesingers »Midnight Cowboy« partizipieren. © 1970 Bijou Publishing Empire, Inc., World Rights Reserved
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Hal Foster steht in der Tradition der großen Illustratoren. Sein Werk enthält alle Formen der realistischen Darstellung in vollendeter Meisterschaft. Die kühne Architektur des Inselschlosses im Mittelmeer gemahnt an das fernhinleuchtende Camelot. © 1955 King Features/Bulls
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. . . graphic art is stratified in a veritable caste System, with comic art at the bottom, the Untouchables. Just very recently have some people begun to take interest and begun to wonder if there is some merit to this form after all . . . WALLACE WOOD
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We rank comics as an art form the same as motion pictures or television. STAN LEE
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X Die Kunst der Comics Comics und die Hochrenaissance Am 2. Mai 1969 wurden im Federal Courthouse von Bridgeport, Connecticut, die Comics durch Gerichtsbeschluß zu Kunst erklärt. Mort Walker hatte 1055 Originalzeichnungen von Beetle Bailey für das Forschungszentrum der Syracuse University gestiftet, wo nicht nur Manuskripte, sondern auch Kunstwerke gesammelt werden. Da Mort Walker diese Stiftung von der Steuer absetzen wollte, mußte er in einem Musterprozeß mit der Finanzbehörde entscheiden lassen, ob die Zeichnungen handwerkliche Produkte oder preziose Kunst seien. Die Geschworenen entschieden sich für die Kunst und die Zeichnungen wurden mit 28 000 Dollar taxiert, was von 11 der Geschworenen als erheblich unter Wert empfunden wurde.3 Immer noch trifft man aber vereinzelt auf engstirnige Banausen unter den Kunstkritikern, die dieses Urteil nicht anerkennen wollen! Die Comics-Künstler selbst scheint der ganze Kunststreit herzlich wenig zu kümmern, und doch sind sie insgeheim stolz, daß ihre Werke 1967 gar im Louvre hingen (in der von SOCERLID ausgerichteten Ausstellung »Bande dessinee et figuration narrative«).4 Die Nachbarschaft Leonardos färbte schon ein wenig ab. Die Leute von der Branche, wie zum Beispiel Wallace Wood, unterscheiden allerdings nicht zwischen Museumskunst, »Hochkunst« (fine-art), oder Kunsthandwerk, kommerzieller Kunst (populär art), da diese unterschiedlichen Wertmaßstäbe erst eine Erfindung unseres Jahrhunderts seien. Zu Toulouse-Lautrecs Zeiten habe man auch keinen Unterschied in der Bewertung seiner Plakatkunst und seiner Gemälde gemacht. Aber nicht nur Wallace Wood gesteht dafür auch bereitwillig ein, daß der größte Teil der Comics-Produktion
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ohne Zweifel als handwerkliches Erzeugnis eingestuft werden muß, während einiges von den besten Comics leicht als Kunst angesehen werden kann. Das Etikett Künstler oder Handwerker verleiht dann der Kritiker, denn die Schöpfer der Comics sehen ihre Aufgabe nicht darin, Kunst zu produzieren, sondern konsumierbare Comics zu machen. Das Bemühen, Stilelemente aus der »Hochkunst« in den Comics nachzuweisen, entspringt dem mehr oder weniger eingestandenen Bedürfnis, die Beschäftigung mit diesem Medium durch ein wenig Kultur-Aura zu legitimieren. Als man ähnliches beim Film in der Anfangszeit der ernsthaften Filmkritik versuchte, mokierte sich Thomas Wolfe schon 1934 über jene Interpreten, die erkennen wollten, daß Charlie Chaplin in Wirklichkeit König Lear im modernen Gewände sei. Burne Hogarth, der wie er selbst sagt, nicht nur Michelangelo, sondern alle von Masaccio bis zu den Barockmalern bewundert, fand sich nun selbst zum Michelangelo der Comics gekürt, da sein Tarzan eine klassische Idealgestalt hatte — wer ihn zeichnete, mußte Anatomie beherrschen — und mit seinem knappen Lendentuch als modellhaft nackter Mensch Anschauungsunterricht in Anatomie bot. Außerdem stellte Hogarth seinen Tarzan gern in extremer perspektivischer Verkürzung dar, bei der jeder Leser unwillkürlich sofort »Aha! Mantegna!« rief. Aber es bedurfte nicht erst der Realisten wie Hogarth und Poster, um den Zeichnern der Comics die Anatomie beizubringen. George McManus ist mit seinen Frauengestalten wie Nora und Maggie in Bringing Up Father dafür das beste Beispiel. Die Beherrschung des realistischen Ausdrucks ist Voraussetzung, um durch die Verfremdung mit dem Cartoon-Stil den Eindruck der Leichtigkeit erzielen zu können.
Burne Hogarth ist der Meister der anatomischen Verkürzung. Kein Wunder, daß man bei ihm sofort eine Verbindung zu italienischen Malern der Renaissance sah. © United Feature Syndicate/UPI Die klare Strichführung von George McManus ist stark vom Jugendstil beeinflußt (McManus begann 1903 für die Comic Strips zu arbeiten). Sein Können entfaltet sich besonders in den Details und in den Interieurs. © 1941 King Features/Bulls
Aber bei Kunstbetrachtungen hält man sich eben vor allem an die Realisten, und so wurde Milton Caniff gar zum Rembrandt des Comic Strips erklärt.5 Selbst Stilunterschiede zwischen Comicszeichnern wie Milton Caniff und Alex Raymond werden mit den Unterschieden zwischen Piero della Francesca und Caravaggio verglichen.6 Ein reizvolles Spielchen, gewiß. Unter den Comicszeichnern ist kaum einer, der eine rein an den alten Meistern ausgerichtete Ausbildung an einer Kunstakademie genossen hätte und aus der »Hochkunst« in die Niederungen der Comics hinabgestiegen wäre. Comicszeichner wird man aus Berufung. Die zukünftigen »comics artists« fangen meist schon zu zeichnen an, sobald sie einen Bleistift in den Händen halten können, und sie üben sich an dem, was sie als Vorlage haben — an den Comics. Sie lernen, indem sie ihre Lieblingszeichner kopieren, und so entwickelt sich schon sehr früh in jedem die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Stilschule. Feiffer ist nicht der einzige, der als Junge bereits für sich selbst Comic Books zeichnete (von denen er eines stolz in seinem Buch »The Great Superheroes« abbildete). In »art schools«, oft in Abendkursen, werden die künftigen Comicszeichner für »kommerzielle Kunst« und Werbegraphik ausgebildet. Eine dieser Art-Schools wird von Burne Hogarth geleitet, seit er den Tarzan-Strip aufgegeben hat. Als oberstes Gebot gilt für alle Anfänger John Deweys »You learn it by doing it«, die Grundformel des amerikanischen Pragmatismus, der sich auch im Motto des »Famous Artists Course« widerspiegelt: »You learn to draw by drawing.« 7 Ein Künstler, dessen Genius nicht genug gewürdigt werden kann, ist Carl Barx, der bis 1968 Donald Duck und Uncle Scrooge für die Comic Books zeichnete. In der verspielten Leichtigkeit der Details erinnert er an George McManus. Erst seit kurzem wird Barx die gebührende Anerkennung zuteil. Aus: Walt Disney's Comics and Storles, Nr. 252. © 1961 Walt Disney Productions
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Frank Frazetta, der Meister archaisch -futuristischer Comics, ist auch einer der vielgerühmten Illustratoren der Taschenbuchausgaben von Edgar Rice Burroughs' Romanen. Aus: Witzend, Nr. 3. © 1967 Frank Frazetta / Witzend
Wer kein Genie ist, beginnt dann seine Lehrjahre zunächst einmal als Assistent bei einem Comicstrip-Zeichner oder fertigt weniger wichtige Geschichten in den Comic Books. Im »Golden Age« der Comic Books lautete ein altes Comics-Sprichwort, das auch heute noch eine gewisse Gültigkeit besitzt: »Good swiping is an art in itself« — Gutes Plagiieren ist eine Kunst für sich. Es bereitete damals den Lesern ein spezielles Vergnügen, die Vorlagen zu den Zeichnungen der Comic Books in den Strips Flash Gordon oder Prince Valiant aufzuspüren.8 Man kann die Entwicklung vieler Zeichner genau zurückverfolgen, wie zum Beispiel bei RUSS Manning, der erst über ein Jahrzehnt bei Western Publishing reifte (Brothers of the Spear, Tarzan), bevor er den Zeitungsstrip von Tarzan übernahm. Oder etwa bei John Buscema, der noch in den 50er Jahren ohne besondere Distinktion Roy Rogers-Hefte produzierte, bei ACG (American Comics Group) in einigen Ge schichten schon sein Können andeutete und dann, nach acht Jahren als Werbeillustrator, bei Marvel (The Avengers, Silver Surfer) den vorläufigen Höhepunkt seines Schaffens erreichte. Für viele Zeichner ist es das oberste Ziel, einen eigenen Comic Strip zu haben, was auch die lukrativste Position in der Branche ist. Bei den Comic Strips gibt es so gut wie keine schlechten Zeichner, während bei den Comic Books wegen der ungeheuren Nachfrage auch Zeichner minderer Qualität ihr Brot verdienen können. Nicht alle aber wollen sich dem unerhörten Zwang unterziehen, mit einem Strip von Tag zu Tag gegen den Termin anzukämpfen. (Während andererseits mancher, wie Frank Robbins, noch genügend Zeit hat, denn er fertigt innerhalb von 21/2 Tagen 6 Wochenstrips und eine Sonntagsfolge seines Johnny Hazard und arbeitet dann
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noch als Autor für DC.) Vielen der Stripzeichner bleibt aber nur wenig oder gar keine Freizeit und deshalb haben die meisten der realistischen Zeichner einen oder mehrere Assistenten. Nicht wenige ziehen es darum vor, bei den Comic Books zu bleiben. Neal Adams ist nicht der einzige, der sich vom Comic Strip zu den Comic Books wandte. Als sein Ben Casey endete, begann Neal Adams seine Karriere bei Warren Publications und DC, wo er zum Batmanspezialisten wurde, Deadman zu Ruhm verhalf, Titelbilder für viele Serien fertigte, sich aber nie für längere Zeit auf eine bestimmte Serie festlegen ließ und auch für Marvel zu arbeiten begann. Für viele Comicstrip-Zeichner ist ihre Comicbook-Zeit nur ein Ubergangsstadium in ihrer Karriere. Mac Raboy, der 1948 Flash Gordon übernahm, zeichnete für Fawcett Captain Marvel, Jr. Er war nicht der einzige, der C. C. Beck, den Zeichner von Captain Marvel, entlastete. Auch David Berg, der bei M AD zu Ruhm und Ehren kam, zeichnete damals den Superhelden im roten Trikot. Dan Barry, der heute Flash Gordon zeichnet, war bei »crime comics« wie Crime Does Not Pay und Big Town tätig. Bevor Leonard Starr seine vielgerühmte Serie Mary Perkins On Stage anfing, zeichnete er in Heften wie Air Boy Geschichten im Stil von Terry and the Pirates. Stan Drake, König des Melodrams mit Juliet Jones, erinnert sich noch an die Zeit, als er im »Golden Age of Comics« für eine ganze Seite (Layout, Bleistiftzeichnung, Tuschausführung und Farbgebung) zwischen 5 und 7 Dollars erhielt. 1971 gab es dafür etwa das Drei- bis Zehnfache. Die Zeiten des »Golden Age« der 40er Jahre, als es noch Zeichenstudios gab, die für verschiedene Firmen Kollektivarbeit lieferten — übrigens die einzigen Produkte, bei denen
man von Fließbandarbeit sprechen könnte — sind lange schon vorbei. Will Eisner erzählt von dieser Zeit: »Ich leitete eine Firma, in der wir Comic Books auf ziemlich ähnliche Weise machten, wie Ford Autos produziert.« 9 Am meisten Freiheit (und Hunger) haben die »free lancers«, die überall je nach Laune und Auftrag arbeiten. Wallace Wood ist einer der profiliertesten und besten. Er arbeitete zum Beispiel für E. C., MAD, Marvel, DC, Charlton, Tower, Warren, Western Publishing und King Features und schuf auch Buchumschläge und Schallplattenhüllen. Schließlich gründete er auch noch die Zeitschrift Witzend, das exklusive Comics Magazin für anspruchsvolle Fans, in dem sich unter anderen die alte E. C.-Garde wieder traf. In Witzend behalten die Zeichner das Copyright an den einzelnen Geschichten. Comic Art Hal Foster, der erste der Comics-Realisten, war vor seiner Arbeit an Tarzan ein geschätzter Illustrator und Plakatmaler. Die ersten Comicstrip-Zeichner überhaupt, wie Dirks oder Outcault, waren vorher Witzzeichner und Karikaturisten für satirische Zeitschriften und Zeitungen. Die Stiltradition der Dirne Novel-Illustrationen des vorigen Jahrhunderts setzte sich in den Illustrationen der Pulps, der Groschenromane, fort und dann in den Comic Books, zu denen manch ein Pulp-Zeichner überwechselte. So haben die Comics ihre eigene Kunstgeschichte, die mit der »Hochkunst« wenig gemein hat, doch wie diese erleben sie ihre verschiedenen Perioden experimenteller Neuerungen und Stilinnovationen. Nach dem Zeitschriftenstil der frühen Zeichner war James Swinnerton einer der ersten, die ihre Darstellungsweise auf eine einfache, klare Linienführung reduzierten. Bud Fisher (Mutt & Jeff) erklärte in einem frühen Interview (28. Dez. 1911): »Kunst hindert mich nicht an meinem Wunsch etwas auszudrücken. . . . Ich benütze nie unnötige Linien, weil sie vom Hauptgegenstand, der Idee
ablenken . . . Alle Fähigkeiten die ich habe, sind auf die Verwirklichung einer Idee unter der Verwendung von so wenig Strichen wie möglich gerichtet.« 10 Die Comics haben sich ihre eigenen Bewertungskriterien geschaffen. Wie es Stan Lee ausdrückt, sind Comics ebenso als eine Kunstform zu verstehen, wie etwa der Film. Die Filmkritik hat ja auch sehr bald das Dilemma überwunden, ob Film nun mit traditionellen Kunstmaßstäben zu messen sei oder nicht. Beurteilt werden der Inhalt, die übermittelten Werte, der soziologische Aspekt, die Intention des Autors und ihre Umsetzung, die Art, mit der die formalistischen Mittel des Films angewandt werden. Comics sind ein Teil der Massenkultur, eine »populär art«, und sollten als solche untersucht werden. Die Kunst der Comics liegt im perfekten Eskapismus und hierin entwickelten sie eine eigene Ästhetik: Entscheidend ist, wie perfekt, wie fesselnd und dynamisch eine Geschichte erzählt wird mit Bild und Text, wie sehr sich Wort- und Bildwitz ergänzen. Schlecht, also effektlos, sind zuviele Worte, wenn ein Bild stärker wirken würde. Auf die Wechselwirkung von Bild und Text kommt es an. Ferner sind die Comicsbilder auf die verschiedenen »Kamerastandpunkte« und die »Montage« hin zu untersuchen. Dabei können natürlich gewisse Präferenzen des Zeichners als Stilmittel eingesetzt werden, denn jeder Künstler hat seine eigene »imagery«, seine Bildsprache, seinen Stil. Foster, Hogarth und Raymond sind »comic artists«, weil auch in ihren Werken eine enge Beziehung zwischen Bild und Text besteht. Da sie aber primär durch das Bild wirken wollten, drängten sie die Sprechblasen und Texte an den Bildrand und ließen die Blasenumrandung weg, da sie als störend empfunden wurde. So waren sie keine Comics-Künstler im engen Sinne des Wortes, sondern eher Geschichten-Illustratoren, an deren Werke Kriterien der Malerei oder Graphik angelegt werden konnten. Hal Foster war logischerweise der erste, dessen Bilder von Museen geschätzt wurden, da bei ihm der Text nicht ins Bild integriert ist.
Ein glänzendes Beispiel, wie Alex Raymond seine Meisterschaft der Schattentechnik mit effektvoll wechselnden Kamerastandpunkten verknüpft. Zwar stehen Bild und Text in Relation, doch fasziniert auf den ersten Blick allein die Zeichnung. © 1940 King Features/Bulls
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Al Williamson ist ein würdiger Schüler Alex Raymonds. Auch er versteht es vorzüglich, mit Schattentechnik Atmosphäre zu schaffen und das Auge des Betrachters mit wechselnden Kamerastandpunkten von der Totalen über »amerikanische« Einstellung zum CloseUp zu lenken. © 1968 King Features/Bulls
So sind Hal Foster, Burne Hogarth oder Alex Raymond nicht wegen ihres Brückenschlags von der Hochrenaissance zu den Comics zu rühmen. Sie sind vielmehr die Eisensteins und Pudowkins der Comics, die mit dem Abenteuerstrip die Technik des Films — Schnitt, verschiedene Kamerastandpunkte und Montage — in die Comics einführten. Will Eis ner, der geniale Zeichner des Spirit, hat auf seine Weise den Comic Books ebensoviel gegeben, wie etwa Foster oder Hogarth den Comic Strips. Die Comics waren vor Eisner, um seine eigenen Worte zu paraphrasieren, nur eine Sequenz von Bildern, die nun durch ihn erst variabel gemacht wurden. Auch Will Eisner wurde vom Film ungemein beeinflußt (»film influenced me tremendously«11) und gab dessen Technik an die Comics weiter. Auch später waren viele Zeichner wie Jack Kirby oder Bob Kane vom Film fasziniert und studierten seine Formalismen.
A. Giolitti ist einer der großen Meister der Perspektive und 3-dimensionaler Effekte. Sein klarer, expressiver Stil machte ihn nicht nur in Amerika zu einem der meistkopierten Comics-Zeichner. Auch in Europa, besonders in Italien, begegnet man auf Schritt und Tritt den Werken der Giolitti-Kopisten. Aus: Have Gun Will Travel, O. S. 982. 1959 Columbia Broadcasting System, Inc. Western Publishing Co., Inc.
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Froschperspektive, Blick vom Kamerakran (Downwardand upward-angle shot), findet man wie im Film auch in den Comics oft im- Western, etwa bei der Darstellung des »showdowns«. Ein Meister der Tiefenschärfe, des »staging in depth« (wie es Orson Welles in »Citizen Cane« erstmals anwandte), ist A. Giolitti, der gern mit 3-D-Effekten arbeitet (Gunsmoke, Have Gun Will Travel, Tales from Wells Fargo). Giolitti war auch einer der Zeichner, die bei den Comic Books von Western Publishing das starre Seitenschema von sechs Bildern mit einem Doppelbild an der jeweils wirksamsten Stelle durchbrachen. Jim Steranko, einer der Neuzugänge in den illustren Kreis der allgemein anerkannten Comicskünstler, schildert sein Schaffen so: »Ich betrachte meine Geschichten als periodischen und persönlichen Ausdruck von Abenteuer- und Heldenphantasie. Sehr häufig stellen sie neue und gelegentlich ganz subtile visuelle Bemühungen dar, die aber immer auf ein funktionell umfassendes Konzept ausgerichtet sind. Das Experimentieren hat zu einer wahrlich befriedigenden Introspektive in der Erzählkunst geführt, weil es in den Comics
Arturo des Castillo ist einer der großen Virtuosen des Western Comics. Die Sparsamkeit seines Stils evoziert die Weite des Landes und die Einsamkeit des Westerners. © 1970 Eurostudio Milano
vor allem um diesen Aspekt geht. Von vordringlicher Wichtigkeit ist das Arrangieren oder Orchestrieren der Elemente oder Panels. Diese Struktur organisch zusammenhängender Totalen, Halbtotalen und Close-Ups, ihre Flächen-Beziehung und zueinander in Zusammenhang stehenden Bilder schaffen eine Art visueller Spannung. Diese Spannung wird auf das Problem der Erzählformel angewandt: Konflikt, Krisis, Klimax!« 12 Für die Hersteller der Comics ist allein der Effekt auf das Publikum entscheidend und das Wissen, daß dieses Publikum sehr wohl zeichnerische Qualität honoriert. Bei Marvel gestand man ein, daß es für das »house of ideas« schwere Schläge waren, als zuerst Steve Ditko und 1970 auch Jack Kirby die Firma verließen, um sich anderweitig zu verdingen. Wenn ein guter Zeichner die Comicbook-Serie wechselt, kann das Heft durchaus mangels Erfolg eingehen, auch wenn die Geschichtenautoren dieselben bleiben. Stil und Technik Um als wirklicher Connoisseur von Comicskunst zu gelten, genügt es längst nicht mehr, nur das Dreigestirn des Comicsrealismus Foster, Hogarth und Raymond anführen zu können. Der echte »Kenner« benennt auf Anhieb — ohne durch einen Blick auf die im Impressum der ersten Seite angegebenen Namen zu schwindeln — in jedem vorgelegten Comic Book den Vorzeichner (penciller), den Tuschzeichner (inker), wenn nicht gar noch den Layouter. Das geschulte Auge nimmt die minimalen und doch so signifikanten Unterschiede in den
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einzelnen Stilrichtungen wahr. Daß der gewitzte Leser natürlich auch den Verfasser der Geschichte an seinen Eigenarten ausmacht, versteht sich von selbst. Dem wirklichen Kenner sind auch die vielen Relationen innerhalb der Stilschulen bekannt. Unter den Epigonen des großen Burne Hogarth sind Zeichner wie Steve Ditko, dessen bekanntestes Werk die ersten 38 Hefte von Spider Man sind, oder John Buscema, der einen ähnlich eleganten, kraftvoll dynamischen Stil wie der Meister pflegt. Aus der von Burne Hogarth geleiteten »art school« gingen Zeichner wie Gil Kane und RUSS Manning hervor. Milton Canifif, einer der ganz Großen des Comic Strips, hat eine weitläufige Stilschule gezeugt. Der flüchtig süperbe Pinselstrich von Frank Robbins (Johnny Hazard) gemahnt stark an Terry and the Pirates und Steve Canyon. Natürlich ist auch Alfred Andriola, der für Caniff als Assistent bei Terry and the Pirates mitarbeitete, von Caniff beeinflußt. Er wandte das Gelernte seit 1938 in seinem eigenen Strip Charlie Chan und später in Kerry Drake an. Aber auch viele Comicbook-Zeichner wie zum Beispiel Lee Elias (Black Canary) erinnern überdeutlich an Milton Caniff. Die meisten Zeichner verlassen sich nicht nur auf ihre Vorstellungskraft, sondern greifen auch gern auf Hilfsmittel für ihre Arbeit zurück. Gutes Referenzmaterial ist oft die halbe Arbeit. Viele Zeichner haben deshalb eine umfangreiche »morgue« (»Leichenhaus« = Archiv) für alle passenden Ge legenheiten, in der sie Fotos aus Zeitschriften zusammengetragen haben. Die Zeitschrift National Geographie ist dabei die meistbenutzte Quelle für Comicsgeschichten, die in
Jim Steranko und Neal Adams gaben in der zweiten Hälfte der 60er Jahre den Comic Books die hervorragendsten zeichnerischen Impulse. Neal Adams zollt hier in Deadman, einer Serie, in der er selbst oft mit ungewöhnlichen Zeichnungen brillierte, seinem Kollegen Anerkennung. Von unten aus spitzem Winkel betrachtet, liest man in den Flammen: HEY, A JIM STERANKO EFFECT. Aus: Strange Adventures, Nr. 216. © 1969 National Periodical Publications, Inc. Eines der bekanntesten Beispiele von Burne Hogarths Tarzan. Der tierhaft geschmeidige Herr des Dschungels triumphiert über Numa in einer durchkomponierten Orgie von Action und Dynamik. © United Feature Syndicate/UPI
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Mit der eleganten Gestalt des Silver Surfer wurde der muskelprotzende Superheld aus der Charles Atlas-Schule endgültig überwunden. Der Apoll Sauroktonos stand Pate. Aus: Silver Surfer, Nr. 6, Zeichner: John Buscema und Sal Buscema. © 1969 Marvel Comics Group Carmine Infantino demonstriert, wie er den Flash nach üblichen anatomischen Regeln zeichnet. Aus: Flash, Nr. 169. © 1967 National Periodical Publications, Inc. Leonard Starr: Mary Perkins On Stage (Bildausschnitt). Nachtszenen und grelles Scheinwerferlicht geben dem Zeichner Gelegenheit, auch auf der vorwiegend auf Farbe abgestimmten Sonntagsseite mit Schwarz-Weiß-Kontrasten Spannung zu erzielen. © 1967 Chicago Tribune — New York News Syndicate
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Die Comics-Zeitschriften Eerie und Creepy wenden sich an Comicsund Horror-Fans mit erlesenem Geschmack. Neal Adams, einer der großen Neuerer der Comic Books, arbeitet in dieser lavierten TuschZeichnung mit frappant wechseln den Blickwinkeln und experimenteller Seitenaufteilung. © 1967 Warren Publishing Co, New York City, USA
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fernen Ländern spielen. Auch Burne Hogarth hat sich von dieser Zeitschrift inspirieren lassen, doch war ihm die Vorlage nur Anregung, um sie durch seine Phantasie in sein eigenes Universum zu transformieren. Die Form eines Stuhls oder einer Kaffeekanne etwa konnte ihn zu einem orientalischen Tempel, zu den Häusern einer versunkenen Kultur anregen.13 Für den jeweiligen Gesichtsausdruck ihrer Figuren genügt den Zeichnern der Blick in den Spiegel. Mit lebenden Modellen arbeiten verhältnismäßig wenige, wobei sich dann die näheren Familienmitglieder und der Bekanntenkreis des Künstlers in seinem Strip wiederfinden. Für diese Technik ist besonders Milton Caniff bekannt, und auch im Werk Alex Raymonds finden sich viele Porträts aus seiner Umgebung. Leonard Starr (Mary Perkins On Stage) steigert den extremen Realismus seines Strips noch dadurch, daß er Personen seiner Umgebung als Modell benützt und sie genau porträtiert. Er achtet zudem darauf, daß sich innerhalb der einzelnen Episoden die Charaktere in der Kopfform nicht gleichen und daß alle eine verschiedene Frisur tragen. Terminnot bestimmt den ganzen Arbeitsgang — es sei denn, der Stil des Zeichners, wie etwa bei den Peanuts, läßt es zu, daß innerhalb von drei bis vier Tagen das ganze Wochenpro-
gramm bewältigt werden kann. Bei einem realistischen Strip ist es praktisch unmöglich, Sonntagsseite und Werktagsstrips ohne Assistenten auszuführen (Frank Robbins bildet eine Ausnahme). Burne Hogarth und Hal Foster konnten ihren Tarzan nur deshalb so ausgewogen komponieren und mit künstlerischen Effekten gestalten, weil die Werktagsstrips von Rex Maxon gezeichnet wurden. Roy Crane hat bei seinem realistischen Buz Sawyer drei Mitarbeiter, obwohl er längst nicht mehr dem extremen Detailfanatismus in militärischem Gerät huldigt wie in seiner Anfangszeit und die Sonntagsseite völlig der Figur Rosco Sweeney, dem Freund von Buz Sawyer, für einen lustigen Strip überlassen hat.14 Wenn es erforderlich ist, kann auch ein zusätzlicher Mann einspringen. Phillip »Tex« Blaisdell etwa war ein Spezialist für Landschaften, der je nach Bedarf bei vielen verschiedenen Strips mitarbeitete, bevor er nach Harold Grays Tod Little Orphan Annie übernahm. Stan Drake, der Zeichner von Juliet Jones erzählt,15 wie er durch Zeitmangel auf die Idee kam, den Hintergrund einfach durch xerokopierte Fotovorlagen von Stadtansichten zu ersetzen, die dann mit Tusche nachgezogen und korrigiert wurden. Wenn die Zeit drängt oder wenn die Lust fehlt, kann der Zeichner immer ein Ge sicht in Großaufnahme, ein Close-Up bringen.
Das Blow-Up verdeutlicht, wie Russ Manning, der Burroughs-getreue Tarzanzeichner, einer atmosphärisch dichten Nachtszene verwendet. © 1969 United Feature Syndicate/UPI
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Schlagschatten und Raster geschickt zur Erzielung
Roy Lichtenstein »WHAAM!« (1963). Wie bei den meisten seiner Bilder konzentriert Lichtenstein auch bei den Übernahmen aus Kriegscomics die Aussage auf den Handlungsklimax, den Augenblick, in dem gefeuert wird.
Comics und Pop Art 1959 konnten die Kritiker den Comics noch unbeschadet ihren Kunstanspruch aberkennen, wie etwa Kenneth E. Eble, der damals schrieb: »Trotz ihres Vortäuschens von Ernsthaftigkeit oder gerade deswegen erleiden die Comics mit ihrem Kunstanspruch schweren Schiffbruch. Sie haben etwa das gleiche Verhältnis zu ernsthafter Kunst wie ein Pamphlet nach Art des Pierce Pennilesse im Vergleich zu Paradise Lost. Bestenfalls haben sie soviel Kunstwert wie die Etiketten von Campbell's Soup Konservendosen.« 16 Einige Jahre später sollte Andy Warhol gerade an diesem Vergleichsobjekt das Affix »Kunst« im esoterischen Sinne mehr als fragwürdig machen. Die Reproduktionstechnik der Comics schien ihrem Kunstanspruch im Wege zu stehen, obwohl man natürlich nur die Originalzeichnungen in die Museen und Galerien hängte. Dieses Kriterium wurde dadurch überwunden, daß die Popkünstler zum Beispiel die Mona Lisa mehrfach per Siebdruck vervielfältigten und dieses Produkt dem kunstbegierigen Publikum anboten. Lawrence Alloway, dem die Einführung des Terminus »Pop Art« im Zeitraum 1954/55 zugeschrieben wird, gebrauchte ihn anfangs als Synonym für die Massenmedien (populär culture), um den Vorwurf zurückzuweisen, Massenmedien seien »ersatz culture«, für ein Publikum bestimmt, das den Wert echter Kultur nicht zu schätzen vermöge. So war Pop Art von Anfang an Ausdruck einer Kunstanschauung, die die Massenkultur nicht von vornherein ausschloß, sondern sie wie die »Hochkunst« ernstnahm, um sich mit ihr auseinanderzusetzen.
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Das kommerzielle Produkt wurde nun als Subjektmaterie der Kunst sanktioniert und der Antagonismus zwischen Kommerz und Kunst durch die Technik der Pop Art aufgehoben. Malte Warhol seine »Campell's Soup Cans« zuerst in öl, ging er später konsequenterweise dazu über, sie zu drukken, sich mehr und mehr an das echte Objekt anzunähern, um so die Produktionsmethode der »commercial art« als künstlerische Ausdrucksform zu bestätigen. Seine »Brillo Boxes« sind endlich dem Objekt gleich. Nach dem Schritt von der Handarbeit zur technischen Reproduktion trat schließlich gar an die Stelle des individuellen Künstlers die »Fabrik« — Warhol's Factory. Auch bei Roy Lichtenstein stehen die Comics repräsentativ für die Massenkultur. Er holte die Comics auf Bild- beziehungsweise Kunstkriterien zurück, machte sie zur »Museums kunst«, um so das Bezugsobjekt durch Distanzierung zu erhellen. Kalkuliert abstrahierend, verfremdete Roy Lichtenstein das bestehende »commercial image« der Comics, indem er das einzelne Bild aus der Folge herauslöste, aufblähte und ihm zeitlose Dauer verlieh. (Bei der Reproduktion von Comics für Ausstellungen und Galerien wird ebenfalls meist erst durch Blow-Ups der erwünschte Kunsteffekt erzielt.) Nachdem Roy Lichtenstein von etwa 1951 an Cowboys, Indianer und Bösewichte nach frühen Westernmalern wie Remington oder Charles Wilson Peel im kubistischen Stil gefertigt hatte, begann er 1957 anthropomorphe Tiere aus den Comics, wie Bugs Bunny, Donald Duck, Mickey Mouse und Krazy Kat, in Wandbildgröße zu malen. Erst nach einer Periode abstrakt expressionistischer Ausdrucksweise kehrte Lichtenstein zu den Comics als Subjektmaterie zurück. Die emblematische Funktion in der Verbindung von Bild und
Lichtensteins expressive Hand mit rauchendem Colt bot sich als Titelbild zur Time-Coverstory über Waffen und Violenz in Amerika an. Das Farbraster der Comics (Ben Day Dots) wird von Lichtenstein zum Stilmittel »aufgeblasen.«
Textblase wurde nun in seinen »Gemälden« beibehalten. Mit einem Projektor bekam Lichtenstein eine große Bildvorlage, ein Blow-Up von mehreren Fuß, das er dann nicht genau nachzeichnete, sondern in den Linien noch mehr auf Darstellungsstrenge reduzierte. Die expressive Kraft des Comicsstils wurde dadurch noch mehr verstärkt. Lichtenstein übernahm auch das Punktraster der Comics, die Ben Day Dots, mit denen auf den Sonntagsseiten und in den Comic Books die Farbgebung erfolgt. Die Ben Day Dots, die Lichtenstein mit Hilfe einer durchbrochenen Vorlage auftrug, stellen in seinen Gemälden die Beziehung zur Massendrucktechnik der Comics her. Die Bilder, die Lichtenstein als Vorlage für seine Gemälde auswählt, stehen exemplarisch für das ganze Genre, dem sie entstammen. Lichtenstein selbst nennt sie archetypische Situationen. Er greift dabei fast durchwegs einen Handlungsklimax heraus. In den Romances ist es oft der Augenblick, in dem die Tränen fließen, die bitterste Stunde des Liebesleids (etwa »Hopeless« 1963). Seine »Nurses« wählte Lichtenstein, weil das Arzt-Genre meist das ärgste Melodram bietet. Die anderen Lieblingsmotive sind — neben dem Western (»Draw« 1963) — dem Kriegs-Genre entnommen, dem Krieg zu Wasser, zu Lande und in der Luft: auch hier wieder die Klimax, der Augenblick, in dem gefeuert wird (zum Beispiel »Whaam!« 1963, »OK, Hot Shot, Okay! I'm Pouring!« 1963 oder »As I Opened Fire« 1964).
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Der künstlerische Schaffensprozeß als Teamwork. Stan Lee, Larry Lieber und Johnny Romita (im mittleren Bild von links nach rechts) gewähren tiefere Einblicke in eine Redaktionssitzung für ein Spider-Man Heft. Die »kreative Freiheit« ist das Geheimnis des Marvel-Touches. Aus: Spider-Man Annual, Nr. 5. © 1968 Marvel Comics Group
Trotz ihrer Möglichkeiten zu einer Gesellschaftskritik durch Verzerrung vertrauter Umweltmerkmale ins gigantisch Aufgeblasene blieb Pop Art ein schließlich zu Tode interpretierter Exkurs der »Hochkunst« in die Gefilde der Massenkultur. Immer wenn diese Hochkunst ihre Ausdrucksformen erschöpft hat, wendet sie sich Neuem zu, um der sich fortentwickelnden Umwelt besser entgegentreten zu können. So kann Pop Art als Überwindung des vor ihr gepflegten abstrakten Expressionismus gesehen werden, dessen Ambiguität und Subjektivität nicht mehr zeitgemäß schienen. Pop Art soll den Betrachter in Konfrontation mit seiner zwanghaften Umwelt, dem Environment, bringen. Comics stehen repräsentativ für diese kommerzielle Bildwelt und spielen deshalb von Anfang an, nicht nur bei Roy Lichtenstein, eine wichtige Rolle in der englischen und amerikanischen Pop Art. 1956 fand in London die gefeierte Ausstellung »This is tomorrow« statt, die wesentlich zum Durchbruch der englischen Pop Art beitragen sollte. Die seither in Büchern über Pop Art immer wieder reproduzierte Collage aus dem Ausstellungskatalog »What is it, that makes today's homes so different, so appealing?« von Richard Hamilton stellt ein Inventar der Massenkultur dar. In dieser Collage findet sich als Wandbild auch eine Titelseite von Young Romance. Dieses exemplarische Comic Book des schlimmsten Melodrams aller Medien sollte von Roy Lichtenstein besonders bevorzugt werden. In Amerika benutzte Robert Rauschenberg 1954 und 1955 Comicstrip-Seiten der Zeitungen als Untergrund für seine »Gemälde«, die er damals noch im abstrakt expressionistischen Stil schuf (zum Beispiel »Satellite« 1955). Jasper Johns, einer der Bahnbrecher der amerikanischen Pop Art, übermalte 1958 »Alley Oop« und Andy Warhol benutzte ab 1959 Comicstrip-Figuren als Vorlage für seine »Gemälde«. Besonders bekannt ist sein »Dick Tracy« von 1960.
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Lois Lane von Werner Roth und Vince Colletta. Soziales Engagement in den Comics. Als gute Journalistin vollzieht Lois Lane nach, was John Howard Griffin (1959) für sein Buch »Black Like Me« vormachte: Sie verwandelt sich für einige Zeit in eine Negerin, um über die Slums berichten zu können. Aus: Lois Lane, Nr. 106. © 1970 National Periodical Publications, Inc.
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If comics pick up sex etc., they will cease to exist as a medium for children. LEONARD DARVIN
(ADMINISTRATOR DER COMICS CODE AUTHORITY)
XI Trends und Entwicklungen Die Helden werden menschlicher Superman, über 30 Jahre lang das Nonplusultra unter den Superhelden, bekam ein neues Image. Symbolisch sprengte er auf dem Titelbild von Heft 233 (Januar 1971: »Ein neues Jahr — ein neuer Anfang«) Ketten aus Kryptonit, jener Substanz, die sich bislang als seine Achillesferse erwiesen hatte. »Kryptonite Nevermore!« verkündete der Titel am Fuß der Seite. Und im Hefttitel wurden gar »The Amazing NEW Adventures of SUPERMAN« angekündigt. Was war geschehen? In besagtem Heft verwandelt ein chemisches Experiment alles Kryptonit auf Erden in harmloses Eisen. Superman ist also gänzlich unbesiegbar geworden. Doch halt! Aus dem Sand, in den Superman bei der Explosion geschleudert wurde, die ihn vom Kryptonit befreite, erhebt sich eine Gestalt. Während Superman das erste Mal über sie hinwegfliegt, erlebt er einen unerklärlichen Schwächeanfall. Eine neue, größere Gefahr als je zuvor steht dem ehernen Helden gegenüber: sein aus Sand geformtes Duplikat, das ihn seiner Energien und Kräfte beraubt und die Erde bedroht. Supermans Abenteuer werden wieder, was sie schon lange nicht mehr waren: spannend. Natürlich ist ein völliger Bruch mit den alten Traditionen nicht möglich, ein Wandel hingegen wohl. Supermans Abenteuer sind nicht länger in sich abgeschlossene Abenteuer, sondern eine durch »subplots« von Heft zu Heft verbundene Lebensgeschichte im Stil der Marvel-Comics. Und so warten auch gleich Komplikationen auf Superman — und auf Clark Kent. Er ist nicht länger Zeitungsreporter. Morgan Edge, der Präsident von Galaxy Broadcasting
Superman-Titelbild von Neal Adams. 1971: Ein neuer Anfang für Superman, der fortan kein Kryptonit mehr zu scheuen hat. © 1971 National Periodical Publications, Inc.
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System, einer Fernsehgesellschaft, die den Daily Planet aufgekauft hat (eine Anspielung auf die Pressekonzentration), setzt Clark als Fernsehreporter mit eigenem Ü-Wagen ein. Das vertraut gewordene »Great Caesar's Ghost!« von Chefredakteur Perry White scheint aber irgendwie zu fehlen. Clark Kent steht nun immer im Rampenlicht und ist nachgerade froh um jeden Werbespot, der es ihm erlaubt, schnell seine Pflichten als Superman zu erfüllen.
Im übrigen verspürt Superman stärker als früher, daß er ein Außenseiter ist, ein Mann von einem anderen Planeten, der auf der Erde nur geduldet wird, weil er der Menschheit hilft, und der im Grunde nur in seiner Identität als Clark Kent wie ein »Mensch« behandelt wird. Der Anti-Superman betont zudem stärker, als es die doppelte Identität bisher vermochte, die in der Gestalt von Superman latente Schizophrenie. Es war für DC erforderlich, auch ihr bestes Zugpferd vom hohen Podest der Heldenverehrung zu holen, um ihm wieder einige Glaubwürdigkeit zu geben. Superman stellt sich nicht länger als die unermüdliche Maschine dar, die an allen Orten der Welt helfen kann. Entweder scheitern seine Bemühungen an den Besitzverhältnis sen, die eine rechtliche Handhabe gegen sein hilfsbereites Eingreifen bieten, oder er erkennt, daß er durch seinen Einsatz die Menschen nur ihrer Initiative berauben würde. Superman ging zwar ab 1970 in die Slums, aber da seine Einmischung nur eine aufgezwungene Sanierung bewirken würde, muß er mehr und mehr die Menschen auffordern, selbst aktiv zu werden, ihre Bürgerpflichten und -rechte wahrzunehmen und nicht länger passiv und apolitisch zu sein. Aber Superman ist nicht der erste Superheld, der humanisiert wurde, um so gesellschaftlich aktiver zu werden.
Schon 1961 hatte Stan Lee mit den Fantastic Four und Spider-Man den Weg vorgezeichnet, den 1971 auch Superman betrat, und den bis zu diesem Zeitpunkt fast alle Superhelden betreten hatten, die überleben wollten oder zumindest noch einige Zeit lang einen Marktanteil zu beherrschen trachteten. Die Devise war nicht mehr »mindless distraction« (geistlose Ablenkung), sondern »Entertainment with a kick!« (Unterhaltung mit sozialkritischem Pfiff). Zunächst hatten zwar auch die Marvel-Helden nichts anderes zu bieten als eben ihre Menschlichkeit. Aber Menschlichkeit ist auf die Dauer keine Eigenschaft, die allein genügt, die Leser zu fesseln. Jedoch stehen die kleinen Probleme des Privatlebens in einem gesellschaftlichen Zusammenhang. So tauchten zunächst am Rande und fast unmerklich gesellschaftliche Mißstände und deren realistischere Behandlung in den Comics auf. Als Peter (Spider-Man) Parker und Dick (Robin) Grayson aufs College kamen, waren sie plötzlich am Brandherd der Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Übeln und gerieten in Aufruhr, Sit-ins, Demonstrationen und Protestversammlungen. Revolutionären Ideen wurde so in den Comic Books das Tor geöffnet. Übermächtige Heroinen wie Wonder Woman und Supergirl wurden ihrer Kräfte beraubt, weil entkräftete Heldinnen
Big Ben Bolt von John Cullen Murphy. Comics spiegelten zwar schon immer das Zeitgeschehen wider, aber kontroverse Themen wie der Umweltschutz waren im Strip länger tabu als in anderen Unterhaltungsmedien. © 1970 King Features/Bulls
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Terry and the Pirates von George Wunder. Aktuelles Tagesgeschehen auch in konservativen Strips. Jugendliche Bombenleger haben ein privates Armeemuseum zerstört und geben so dem Helden Anlaß, sich und seine Weltanschauung in Szene zu setzen. © 1971 Chicago Tribune — New York News Syndicate
menschlicher wirken und der Realität näherstehen als allmächtige Alleskönnerinnen. Auf diese Weise konnte in einigen Geschichten ein direkter Zusammenhang mit der Frauenrechtsbewegung hergestellt werden. Und so tönten eben Parolen wie »male Chauvinist pigs« auch durch die Comics. Selbst Lois Lane, Supermans Freundin, ist sich heute ihrer Rechte bewußt und spricht von Diskriminierung der Frau, wenn sie einen Reportageauftrag nicht bekommt. Auch gegenüber Superman ist sie selbstbewußter geworden, da endlich ihre Rivalin Lana Lang Superman aufgegeben hat. In Lois Lanes Heft erfolgte auch der erste Auftritt einer neuen neurotischen Heldin: Rose and the Thorn. Die Polizistentochter Rose erlebt beim gewaltsamen Tod ihres Vaters einen Schock, der in ihrem Unterbewußtsein den Wunsch nach Rache an einer mafiosen Bande der 100 weckt, die hinter aller Korruption steht. Und so wird sie jede Nacht zur schlafwandlerischen Thorn, um sich auf einen gefährlichen Kampf mit der Unterwelt einzulassen, von dem sie in ihrer Tagwelt als Rose nicht die geringste Ahnung hat. Die Heldinnen, die sich um 1955 rar machten, sind allmählich wieder im Kommen. Die wachsende Zahl von Superheldinnen (zum Teil Neubelebungen) wie Black Canary, Black Widow, Medusa und Bat Girl führt zu einer angemesseneren Verteilung der Geschlechter in den Comics.
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Der beschaulichen Prügeleien müde, diskutieren die Helden und Heldinnen nun über die Probleme, die tagtäglich in den Nachrichten zu hören und in den Zeitungen zu lesen sind. Selbst Welteroberer von fremden Planeten wollen die Erde nicht mehr versklaven; statt dessen wollen sie die Menschheit ausrotten, indem sie deren Trend zur Umweltverschmutzung und -Verseuchung fördern. Und ist die Gefahr von außen abgewendet, so fragen sich die Helden beim Anblick qualmender Fabrikschlote, für wie lange sie wohl diese Erde vor dem Untergang gerettet haben.1 Aber es bedarf nicht erst einer Invasion aus dem Weltraum, um auf die Probleme der Umweltverschmutzung aufmerksam zu machen. Das Element des Sub-Mariner, das Meer, wurde allmählich so sehr verschmutzt und getrübt, daß der Lebensraum seines Volkes der Atlantiden ernsthaft bedroht wurde. Nun hatte er echte Gründe, seinen Kampf gegen die verhaßten Landbewohner fortzusetzen. Einer der Verantwortlichen, der Großindustrielle Tony Stark, zugleich der Superheld The Invincible Iron Man, besann sich und versuchte, auch anderen Umweltverseuchern die Gefahren bewußt zu machen, die eine bedenkenlose Produktion für die Menschheit heraufbeschwört. Er erhielt zur Antwort: »Das wird sich schon alles einrenken! — Wir haben viel Zeit!« 2 Eine größere Niederlage hat seit Erfindung der Comic Books wohl kein Serienheld ein-
Green Lantern — Titelbild von Neal Adams. Die Superhelden auf der Anklagebank. Die Auswüchse des Systems finden ihren Niederschlag in den Comic Books. © 1970 National Periodical Publications, Inc. Green Lantern von Neal Adams. Der Superheld am Wendepunkt. Green Lantern Nr. 76 war ein Meilenstein des sozialen Engagements in den Comic Books. © 1970 National Periodical Publications, Inc.
stecken müssen. Im Zuge des immer stärkeren Realitätsbezuges scheint »The Amazing Ecology-Man« (der erstaunliche Ökologie-Mann) nicht mehr undenkbar. Auch Gerichtsverhandlungen im »neuen Stil« boten das Vorbild für manche »Abenteuer«. So kämpfte Marvels Daredevil bei einer rechtsextremen Scheinverhandlung um das Leben dreier angeblicher Bombenattentäter.3 Green Lantern und Green Arrow mußten sich sogar einem Gericht stellen, das keinen Wert auf ihre Aussagen legte und sie deshalb gefesselt und geknebelt im Gerichtssaal vorführen ließ.4 Es zeugt von Ironie, daß die Geschworenen verrostete, überalterte Roboter waren, und daß der »Richter« sich nach der letztminütigen Selbstbefreiung der Angeklagten als machtlüsterner Mechaniker entpuppte, der bislang auf dem Gerichtsplaneten die Roboter zu warten hatte. In diesem Heft wurde die Ge fahr angesprochen, die jedem Rechtsstaat droht, der unqualifizierte oder korrupte Kräfte in Entscheidungspositionen gelangen läßt.
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Green Arrow und Green Lantern hatten ihre ersten, von gesellschaftlicher Relevanz gestreiften Abenteuer aber schon einige Hefte vor dieser »Verhandlung«. In Heft 76, das allgemein als Meilenstein in der Entwicklung realistischer Superhelden gilt, mußte Green Lantern in den Slums erkennen, daß die reichen, anständigen Geschäftsleute nicht immer diejenigen sind, für die es sich zu kämpfen lohnt, auch wenn sie nach außen hin vielleicht im Recht sind. Erstmals wird dieser Superheld so veranlaßt, sein Tun zu reflektieren, nicht nur nach Äußerlichkeiten zu urteilen. Und er mußte beschämt eingestehen, daß er sich in seiner langen Karriere mit allen möglichen außerirdischen Problemen beschäftigt hatte, auf Erden aber kein einziges Mal einem seiner schwarzen Mitbürger zu Hilfe gekommen war. Was kann die Produzenten von Comic Books bewegen, ihre Superhelden zu entmachten, sie liberaler und radikaler zu konzipieren, die Hefte also für soziale Fragen zu öffnen? Im Fall von Green Lantern gab es wegen der sinkenden Auflagenzahl nur noch zwei Möglichkeiten: entweder das Heft ganz einzustellen oder eine Flucht nach vOrne mit relevanteren Themen zu wagen. Bei Aquaman zum Beispiel war dieser Ausweg nicht zu begehen, das Heft wurde eingestellt. Bei DC waren die Redakteure ohnehin schon lange mit den alten formelhaften Geschichten a la Superman unzufrieden und wollten etwas Neues schaffen. Sie wollten weg vom aseptischen Stil ihrer Firma, die gegenüber Marvel allmählich Gefahr lief, ins Hintertreffen zu geraten. 1967 wurde deshalb beschlossen, die Redaktion der Hefte von Zeichnern übernehmen zu lassen und Carmine Infantino, den Starzeichner der Firma, als Editorial Director einzusetzen. Dieser vom Visuellen bestimmte neue Approach bewährte sich und führte schließlich zu einem stärkeren sozialen Engagement, wie es bei Marvel schon seit einiger Zeit üblich war.
Neger und ethnische Minoritäten Da neben der differenzierteren Weltschau und den vielschichtigeren Helden vor allem die gesellschaftlichen Orientierungspunkte den Comics neue Leser verschaffen sollten, war eine der wichtigsten Änderungen eine neue Einstellung zu den Negern. Nicht, daß man sie früher nie oder nur in stereotypen Rollen dargestellt hätte. Will Eisner versuchte schon in den Vierzigern Gestalten wie den Neger Ebony in seine Comics einzubeziehen und es gab in den Fünfzigern sogar ein Liebescomic für Neger. Beiden blieb der Erfolg versagt, weil man zu jener Zeit Neger noch als dunkelhäutige Weiße integrieren wollte. Deshalb konnten sich in jener Zeit Neger und andere ethnische Minoritäten nur mit weißen Vorbildern identifizieren. Als das Negerproblem zu Beginn der sechziger Jahre mit erneuter Vehemenz ins nationale Bewußtsein drang, war die Zeit reif, den Negern neben neuen Auftritten in Film und Fernsehen einen entsprechenden Raum in den Comics zu konzedieren. Die Comic Books führten diesen Trend an. Passanten und Polizisten waren nun nicht mehr in jedem Fall weiß. Und dann bekamen dunkelhäutige Nebenfiguren ebenso ihre Sprechblasen wie weißhäutige. Schließlich trat 1966 in den Fantastic Four der erste schwarze Superheld auf: The Black Panther. Die Namensgleichheit mit der Negerorganisation der Black Panther war rein zufällig. Der schwarze Panther wurde in den Heften einige Jahre lang ziemlich kurz gehalten, bis man sich 1969 bei Marvel entschloß, ihn wieder ins Rampenlicht zu rücken, und zwar als Mitglied der Kampftruppe The Avengers. Und 1970 bekam Captain America den von ihm ausgebildeten Negerhelden The Falcon zum Partner, dessen Name dann auch groß im Titel erschien. Obwohl die Comic Strips den gesellschaftlichen Realitäten lange Zeit verschlossen gegenüberstanden und Neger nur äußerst selten auftreten ließen — die stereotypen Sambound Dienerrollen waren nach und nach wieder verschwunden — reichen die Anfänge des ersten integrierten Strips bis 1964 zurück. In jenem Jahr begann in der Berkeley Post der Comic Strip Wee Pals des Negers Morrie Turner. Zunächst
Tomahawk — Titelbild von Neal Adams. Die Bewährung des Angehörigen einer ethnischen Minorität in einer Notlage wird im Western — wie in den Kriegscomics — zur Parabel über die Gleichheit der Rassen. © 1970 National Periodical Publications, Inc.
wurde in dieser Reihe nur zwischen schwarzen und weißen Kindern eine humorvolle Brücke geschlagen. Doch als 1965 das Register and Tribune Syndicate die Wee Pals in sein Programm übernahm, war dieser Comic Strip zu einer Serie geworden, in der in Gestalt von Kindern alle wichtigen ethnischen Gruppen der amerikanischen Gesellschaft vertreten waren. Wenn ein Comic Strip seine Leser beschämen
Wee Pals von Morrie Turner ist der erste Comic Strip, der sich vorurteilslos mit allen ethnischen Gruppen Amerikas auseinandersetzt. © 1970 The Register and Tribune Syndicate/UPI
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und durch Humor zu größerer Einsicht und Rücksichtnahme, zu Verständnis für den Mitmenschen führen könnte, dann dieser. Doch hüten sich vermutlich jene am meisten, diese Serie zu lesen, die die grimmigsten und bigottesten Rassisten sind. Sie kommen also auch nicht in den Genuß des 1970 erschienenen »Black and White Coloring Book« von Morrie Turner, in welchem in Comicstrip-Form und mit Porträt 15 große und historisch bedeutsame amerikanische Neger vorgestellt werden. Die Wee Pals stehen im Rahmen desselben Trends zur Erfassung ethnischer Probleme in den Comics, der zur selben Zeit auch in den anderen Medien spürbar wurde. Im Fernsehen war es vor allem die Agentenserie »I Spy«, in der 1965 erstmals ein Neger und ein Weißer gleich gewichtige Rollen spielten, was zu einer Anzahl ähnlicher Serien führte. Auch Hollywood nahm sich mit Filmen wie »Guess Who's Corning to Dinner?« der Problematik an. Aber gerade dieser Film, der zunächst als großer Durchbruch gefeiert wurde, weil in ihm Hollywoods Paradeneger Sidney Poitier eine Weiße heiraten durfte, wurde bald als perfides Machwerk deklariert, denn die Handlung spielt auf einer Top Ten-Ebene, die der wahren Problematik der Negerfrage weit entrückt ist. Etwas aufrichtiger waren hingegen Filme wie »To Sir, With Love« und »In the Heat of the Night«. Ansätze zu echtem Realismus zeigten aber erst 1969/70 Filme wie »Uptight« und »Cotton Comes to Harlem«.
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Friday Foster von Jim Lawrence und Jorge Longaron. Ein Weißer kommt nach Harlem und erstmals geschieht in den Comics, was auch in Wirklichkeit geschehen könnte. © 1970 Chicago Tribune — New York News Syndicate
Red Wolf von John Buscema. Mit R e d Wolf haben die Marvel Comics nun nach ihren zwei Negerhelden auch einen indianischen Superhelden eingeführt. Aus: The Avengers, Nr. 80. © 1970 Marvel Comics Group
Während Film und Fernsehen bei sozialen Themen im allgemeinen früher mit »gesellschaftlich relevanten« Themen vorprellten, verhielten sich die Comics lange eher abwartend, obwohl man auch in diesem Medium die Zeichen der Zeit erkannt hatte. Vor allem die Comic Strips hielten sich zunächst zurück, bis man 1968 das Thema von »I Spy« in dem Comic Strip Dateline: Danger wieder aufgriff Ähnlich wie in der Fernsehreihe »Julia« wurde 1970 auch eine schwarze Comicstrip-Heldin geboren: Friday Foster. Im Unterschied zu Julia lebt Friday Foster aber nicht in einem schicken Mittelstandsappartement, sondern in Harlem. Durch ihren Beruf als Modefotografin wird Friday Foster allerdings stark aufgewertet. Wie bei »I Spy« fehlt auch in dieser Serie nicht der weiße Gegenpart, Fridays blonder und blauäugiger Chef Shawn North. Auch die Ureinwohner Amerikas, die Indianer, finden nun in den Comics und anderen Medien eine Entsprechung. Marvel kann seit 1970 sogar schon einen indianischen Superhelden von heute auf weisen: Red Wolf. Er tritt die Nachfolge von Pow-Wow Smith, Strang Bow und Lone Eagle an, die in den Fünfzigern die Comic Books bevölkerten, und kann auch auf Little Sure Shot und Chief Jay Little Bear aufbauen, die ihm in den Kriegscomics von DC und Marvel Wegbereiterdienste leisteten. Drogen und der aufgeweichte Code Noch 1970 sagte der Code Administrator, daß in einem primär an Kinder gerichteten Medium wie den Comics durch Szenen, in denen die Rauschgiftsucht dargestellt wird, auch bei sorgfältigster Bearbeitung die Neugier geweckt werden könnte, Drogen zu versuchen. Sollte das der Fall sein,
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würden Comics schnell zum Gegenstand weitverbreiteter Kritik.5 Im selben Jahr meinte Stan Lee, »Self-censorship can be somewhat inhibiting.« (»Selbstzensur kann ein wenig hinderlich sein.«)6 Lee meinte ferner in einem Interview: »Ich glaube, Comics könnten sehr viel Gutes tun, um Jugendlichen zu helfen, die Gefahren der Drogen zu vermeiden.« 7 Da unter dem. Code eine Stellungnahme gegen. Drogen, nicht möglich war, obwohl kein ausdrückliches Verbot dagegen ausgesprochen wurde, blieb auch bei diesem Problem nur die Flucht nach vorn, der Verzicht auf das Prüfsiegel des Comics Codes. Das Siegel war in letzter Zeit auf dem Umschlag ohnehin so klein geworden, daß man es fast nicht mehr vermißte. SpiderMan Heft 96 (Mai 1971) war das erste Heft einer Firma, die der Comics Magazine Association of America angeschlossen ist, das ohne deren Billigung erschien. In diesem Spider-ManHeft wurde ein junger Neger, der sich im Drogenrausch einbildete, er könne fliegen, und der sich in diesem Wahn von einem Wolkenkratzer stürzte, von Spider-Man gerettet. Wieder in seiner Identität als Peter Parker monologisiert die Spinne: »Lieber trete ich hundert Superschurken gegenüber, als daß ich es [mein Leben] wegwerfe, indem ich von harten Drogen abhängig werde! — Denn das ist ein Kampf, den man nicht gewinnen kann!« Die Episode mit den Rauschgift-»subplots« endete mit Heft 98. Spider-Man bekam wieder das Code-Siegel.
Spider-Man von Stan Lee und den Zeichnern Gil Kane und John Romita. Da die Comics Code Authority auch 1971 noch gegen die Erwähnung des Drogenproblems in den Comic Books war, mußte Spider-Mans Warnung vor Rauschgiftmißbrauch ohne das CodeSiegel erscheinen. Aus: Spider-Man, Nr. 96. © 1971 Marvel Co mics Group
Neben Stan Lee trat Carmine Infantino für ein Ende der uneingeschränkten Restriktionen auf dem Sektor der Narkotika ein, da er nicht dafür war, den Kopf in den Sand zu stecken. Infantino, auf Grund seiner Stellung bei DC Mitglied des achtköpfigen Gremiums, das die Comicsbranche in der Code Authority vertritt, fand schon seit langem Teile des Codes »lächerlich«. Wie Lee war er für einen realistischeren Umweltbezug in den Comics.8 Doch auch er vermochte zunächst nicht, die Drogenbestimmung zu ändern. Immerhin gelangen im Januar 1971 die ersten Änderungen des Codes, sechzehn Jahre nach dessen Einführung. Einige der Restriktionen wurden aufgehoben. So wurde es möglich, kriminelles Verhalten auch sympathisierend unter gesellschaftlichen Aspekten darzustellen. Selbst Beamtenkorruption war im neuen Inhaltskatalog zugelassen, wenn die Schuldigen ihrer Strafe zugeführt wurden. Unter derselben Strafvoraussetzung durften auch Polizeibeamte bei Erfüllung ihres Dienstes von Verbrechern getötet werden. (Rose and the Thorn von DC ist dafür schon ein erstes Beispiel.) Am 15. April 1971 schließlich beschloß der Aufsichtsrat der CMAA einstimmig die Annahme einer Richtlinie mit der Einleitung: »Rauschgiftsucht soll nicht gezeigt werden, außer als Untugend.« Diese Regelung wurde verbindlich erlassen, aber zusätzlich Experten zur Überprüfung übergeben, um den Drogenpassus nach einem halben Jahr der Erprobung endgültig formulieren zu können. Carmine Infantino sagte zur Annahme der neuen Richtlinien, die nach dem Marvelvorstoß und wegen der Forderung einiger Redakteure nach Liberalisierung des Codes notwendig geworden war: »Ich meine, es ist für die Industrie ein großer Schritt vorwärts. Ich glaube, das kann beweisen, daß das Medium, das als Unrat für eine Generation galt, das Juwel der nächsten sein kann. Es kann die sozialen Übel für die jüngere Generation erforschen und ihr helfen, eine Entscheidung über die Richtung, die ihr Leben nehmen soll, zu treffen.« 9 Wie der Filmcode Amerikas durch kommerzielle Notwendigkeit nach und nach gelockert und schließlich abgeschafft wurde, so ist auch der Comics-Code im Begriff, aufzuweichen. Zum Teil ist er, an aktuelle Entwicklungen angepaßt, liberalisiert worden. Man hat erkannt, daß die Comics Gefahr liefen, an Marktanteil zu verlieren, wenn sie nicht wie die anderen Medien engagierter und erwachsener würden.
Conan the Barbarian. Zeichner: Barry Smith. Die Sword and Sorcery-Saga erfreut sich wieder zunehmender Beliebtheit. Die Comic Books greifen erneut auf die Inhalte der »Pulps« zurück. Conan von Robert E. Howard feierte Ende der 60er in Büchern und Comics eine triumphale Wiedergeburt. Aus: Conan the Barbarian, Nr. 3. © 1970 Marvel Comics Group Rechte Seite: Pogo von Walt Kelly. Der größte Feind des Menschen ist der Mensch selbst. © 1970 Walt Kelly
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Auf zu neuen Ufern Als dialektische Gegenbewegung auf die zunehmende Bewußtwerdung gesellschaftlicher Mißstände setzte Mitte der Sechziger auch eine Alternativbewegung in Richtung auf »sheer fantasy« ein. So kam es zu einem Burroughs-Revival, zu Neuauflagen der Pulps um Conan, Doc Savage und The Shadow (sogar in bibliophiler Aufmachung). Der Trend zur zeitlosen »Sword and Sorcery Saga« wurde auch von den Comics-Magazinen im Stil der Warren Publications aufgefangen, die seit 1965 außerhalb des Codes im Zeitschriftenstil mit den besten Zeichnern der Branche für ein interessiertes Publikum wieder Horrorgeschichten im Poe'schen Stil anboten. 1968 versuchte auch Spider-Man zweimal, dem Code zu entkommen, allerdings nicht, um Abenteuer zu bestehen, die die Code Authority nicht gebilligt hätte, sondern um im Zeitschriftenformat auf Halbtonzeichnungen zu 35 Cent das Heft seine herkömmlichen Abenteuer zu erleben. 1971 setzte Marvel diese frühen Gehversuche wieder fort mit dem neuen Magazin Savage Tales, das auf 64 Seiten in Halbtonzeichnungen die Geschichten um Conan the Barbarian, den Wilden Ka-Zar und um die schönsten »Amazonen« aller Zeiten erzählt. Das Heft wurde für 50 Cent verkauft und kam damit jener Vorstellung sehr nahe, nach der Comics heute eine
neue Verpackung benötigen, um neben Spezial- und Freizeitpublikationen bestehen zu können. Diese Zeitschriften verdrängen die Comics mehr und mehr aus den Regalen, weil sie dem Händler eine größere Gewinnspanne bieten und gleichzeitig weniger Arbeit machen als die zahllosen Comic Books. Außerdem waren schon viele Comic Books mit 64 Seiten zum Preis von 25 Cent auf dem Markt. Was sollte also die Leser daran hindern, statt vieler verschiedener Comic Books einige wenige Comics-Zeitschriften mit verschiedenen Serien zu kaufen? Mit der Formenvielfalt der Comics ist heute prinzipiell alles möglich. Sie können keineswegs mehr nur als Medium für Kinder angesehen werden, was sie im Grunde auch nie waren. Zum größten Teil für Kinder bestimmt sind die von der Industrie produzierten Comic Books, die durch das CodeSiegel gekennzeichnet sind. Die Comic Strips wenden sich an alle Gesellschaftsschichten und Altersgruppen. Auf ein erwachseneres Publikum zielen die schon durch ihr größeres Zeitschriftenformat von den billigen Comic Books zu unterscheidenden Hefte im Stil der Warren Publications ab. Von eher »privater« Natur sind die Comic-Bücher, die zahlungskräftigeren Intellektuellen vorbehalten bleiben, ebenso die Underground-Comix, die sich der Kennzeichnung nach Altersgruppen bedienen, die 1968 wieder in die Debatte um die Massenmedien geworfen wurde. Die UndergroundComix, die seit 1967/68 gar manchen Leser und Beamten verunsichern, tragen sichtbar den Aufdruck »For Adults Only«. Während in Fan-Zeitschriften die Comics kritisch aufgearbeitet wurden, entstanden auch Edel-Comics auf Kunstdruck-
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papier wie Wallace Woods Witzend. Bei Auflagen von 5000 Stück lassen sich mit Witzend keine Reichtümer erwerben. Aber man hat mit dieser Zeitschrift ein Forum für Comics eigener Art, die nur so zensiert sind, wie es den Vorstellungen der Autoren und Zeichner entspricht. In solchen und ähnlichen Zeitschriften wie Gil Kanes Savage, deren erste und einzige Nummer von einigen Kritikern verrissen wurde, darf wieder experimentiert werden. Während die UndergroundComix mehr auf soziale oder sexuelle Aussagen in einem frappant grobschlächtigen Stil ausgerichtet sind, werden in den Edel-Comics die künstlerischen Möglichkeiten des Mediums ausgeschöpft. Allerdings erbringt nicht jeder Beitrag, der nicht unter dem Comics-Code erscheint, den Beweis, daß ohne Selbsteinschränkung bessere Leistungen zu erzielen sind. Das beste Zeichen dafür, daß sich heute auch die Comic Books ihrer Möglichkeiten bewußter geworden sind, ist die Gründung der Academy of Comic Book Art Ende 1970, die ähnlich wie die Film- und Fernsehakademien die Bestleistungen auf dem Gebiet der Comic Books honoriert und ihre wissenschaftliche Untersuchung fördert. Neben der National Cartoonist Society und der alljährlichen Preisverleihung der Comic-Fans hat nun auch die Comicbook-Industrie ihren Akademie-Preis, den Shazam, der dazu beitragen könnte, daß in den Comics noch stärker als bisher auf Qualität geachtet wird. Für das stete Streben nach Qualität und innerer Erneuerung gibt Stan Lee, der Mitbegründer und erste Präsident der Academy, das Stich wort: »Onward!«
Allen, die mit Rat und Tat zu diesem Buch beigetragen haben, sei an dieser Stelle aufrichtig gedankt.
Besonderen Dank schulden wir: von Marvel Comics Group, New York, für die stete Anregung und Ermutigung (nicht zuletzt auch für die Aufnahme in den erlesenen Kreis der FFFers). MARIA-M. LAMM von Bulls Pressedienst, Frankfurt, für wertvolle Informationen und für das großzügig zur Verfügung gestellte Archivmaterial von Bulls und King Features Syndicate. JACK L. HEES und GEORGE H. PIPAL von United Press International/United Feature Syndicate, Frankfurt/New York, für wichtige Hinweise und Abbildungsvorlagen. STAN LEE
Mit Auskünften und Vorlagen halfen uns bereitwillig: LEONARD DARVIN, der Administrator der Comics Code Authority, New York WALT KELLY, New York JULES FEIFFER, New York WALLACE WOOD, Woodmere/New York WOODY GELMAN, New York CHARLES M. SCHULZ, Sebastopol/California DAVID GOLDIN von den Archives of Radio Yesteryear, New York DEENA STEVENS von Gilberton Company, New York BIRGIT C. LIESCHING von Western Publishing Company, London SAL GENTILE von Chariten Comics Group, Derby/Connecticut ULRICH POHL vom Kauka Verlag, München DIETER REX vom Bildschriftenverlag, Aachen, und CAR MINE INFANTINO von National Periodical Publications, New York IRMHILD GÜNTHER vom Ehapa Verlag, Stuttgart
Freundliche Unterstützung gewährten: HENRY RADUTA vom Chicago Tribune—New York News Syndicate, New York MICHAEL CHINIGO von International Feature Enterprises, Rom JOSEPH D. McGRAw vom Publishers-Hall Syndicate, New York JOHN SANDERS von der International Publishing Corporation, London
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von Editions du Lombard, Brüssel Louis OLLIVIER von Dargaud S. A. Editeur, Neuilly-surSeine SERGIO BONELLI von Edizioni Araldo, Mailand PIERO DAMI von Eurostudio, Mailand A. GIUSSANI von Casa Editrice »Astorina«, Mailand MICHAEL I. SILBERKLEIT von Archie Comic Publications, New York GEORGE A. PFLAUM, JR. von George A. Pflaum Publisher, Dayton/Ohio JAMES WARREN von Warren Publishing Company, New York JAY LYNCH von Bijou Publishing Empire, Chicago HORST KOBLISCHEK von Walt Disney Productions, Frankfurt FRED MAHLSTEDT von Columbia Broadcasting System, New York ARNOLD LEWIS von Licensing Corporation of America, New York RENY GRÄMLICH von Cinema Center Films, Frankfurt VIVIANE ROUSIE
Für Abdruckerlaubnis sind wir ferner verpflichtet: Edizioni Erregi, Mailand Editoriale Corno, Mailand S.E.P.I.M, Mailand Playboy Magazine, Chicago Stern, Hamburg Publicness, Paris Editions Aventures et Voyages, Paris Verlag H. M. Hieronimi, Bonn Carl Schünemann Verlag, Bremen März Verlag, Frankfurt Lukianos Verlag, Bern Konkret Buchverlag, Hamburg
Vor allem aber danken wir PROFESSOR DR . FRIEDRICH G. FRIEDMANN vom Amerika-Institut der Universität München für die Förderung unserer Arbeit. Jede Abbildung ist mit dem entsprechenden Copyrightvermerk versehen. Jedoch war es, vor allem bei älteren Illustrationen, manchmal nicht möglich, den heutigen Copyrightinhaber zu ermitteln. Sollten uns trotz aller Sorgfalt Fehler unterlaufen sein, bitten wir um Entschuldigung. Wir sind gerne bereit, Mängel dieser Art in späteren Auflagen zu beheben.
Alle nicht nachgewiesenen Zitate sind Äußerungen von Comicsproduzenten auf Anfrage der Autoren.
VORWORT
6
1 Jules Feiffer »The Great Comic Book Heroes« New York 1965, S. 186.
7
Robert Warshow »Woofed with Dreams«. In: Abel/White (Hrsg.) »The Funnies«, New York 1963, S. 145. Reuel Denney: »The Revolt Against Naturalism«. In: Abel/ White (Hrsg.) »The Funnies«, New York 1963, S. 67. 8
Kapitel I: CHARAKTERISTIKA DER COMICS 1
Dieses Ereignis wird immer als Beispiel dafür gebracht, wie stark Comics institutionalisiert sind und daß Amerika ohne sie nicht mehr existieren könnte. 2
Übersetzt aus: Leo Bogart »Comic Strips and Their Adult Re aders.« In: David Manning White und Robert H. Abel (Hrsg.) »The Funnies. An American Idiom«, New York 1963, S. 244 f. 3 Cläre Briggs A. Piker Clerk im Chicago American war der ers':e Tagesstrip. Er erschien 1904. Aber erst Mutt and Jeff machten Schule, weil sie Erfolg hatten. 4
Halbes Format einer Tageszeitung.
5
Siehe dazu auch das Kapitel IV: SUPERHELDEN.
6
Siehe dazu auch das Kapitel V: KRITIK UND ZENSUR.
7
Übersetzt aus: »The Al Williamson Story«. In: Cartoonist Pro files Nr. 3, Sommer 1969, S. 36. 8
Mehr darüber im Kapitel MICSSZENE.
Die Lüftung von Pseudonymen erfolgt der dokumentarischen Genauigkeit wegen, nicht weil die Verfasser der John Birch Society nahestehen. (Im übrigen hat Capp seinen Namen gesetzlich ändern lassen.) 9 John Steinbeck in seiner Einleitung zu »The World of Li'l Abner«, New York 1952. 10
Al Capp in seinem Vorwort zu »The World of Li'l Abner«, a. a. O. 11
»From Dogpatch to Slobbovia — The Gaspü World of Li'l Abner« as seen by D. M. White with certain illuminating remarks by Al Capp, Boston 1964, S. 90. 12
So Arthur J. Brodbeck und D. M. White: »How to Read Li'l Abner Intelligently«. In: White/Abel (Hrsg.) »The Funnies«, a. a. O. David Manning White ist der Comics-Kenner Amerikas und ein Freund Al Capps. 13
Steinbecks anderer Lieblingsstrip Terry and the Pirates erscheint dadurch auch in einem anderen Licht. 14
Playboy Dezember 1965, S. 89 ff.
VIII: DIE EUROPÄISCHE CO -
Kapitel III: ABENTEUER UND MELODRAM Kapitel H: HUMOR UND ALLTAG 1 1
Natürlich gab und gibt es all diese speziellen Beispiele auch in Comic Strips un d Comic Books. Jerry Lewis begann auch in den Heften von DC zuerst mit Dean Martin als Partner; Stan Laurel und Oliver Hardy, Bud Abbott und Lou Costello oder Bob Hope findet man in Comic Books, während Charlie Chaplin (Charlie Chaplin's Comic Capers) i m Comic Strip auftrat. Mark Twain ist in den illustrierten Klassikern vertreten und auch Martin & Rowans Laugh In gibt es als illustrierten Wortwitz in den Comics -Sektio nen der Zeitungen. 2 Im Vorwort zur Neuauflage von George W. Peck »Peck's Bad Boy and His Pa«, New York 1958, werden Thomas Alva Edison und der Prince of Wales genannt, die gern dem »practical joke« frönten. Edison lockte Mark Twain auf eine Apparatur, die ihm eine heftige Diarrhöe verursachte, der Prince of Wales servierte dem deutschen Kaiser einen Jagdhund als Eberbraten. 3
Es ist bezeichnend, daß »Max und Moritz« 1870 zum ersten Mal in Amerika erschien. Ein deutsches Gegenstück zu Hennery the Bad Boy wäre zum Beispiel »Mätzchen Mohr« aus »Auerbachs deutschem Kinderkalender«. 4
Chic Young spricht damit für alle Zeichner der Funnies.
5
In diesem Zusammenhang möchten wir mit gutem Grund auf ein Buch ganz besonders hinweisen: Grobian Gans »Die Ducks — Psy chogramm einer Sippe«, München 1970.
247
Auf einer Safari ist die Aufnahme dieses Schreis gelungen. Höre dazu beiliegende Schallfolie. 2
Mehr darüber im Kapitel X: DIE KUNST DER COMICS.
3
Übersetzt aus: Robert M. Hodes »Tarzan«, MS, New York 1970, S. 11. 4
Der »cliff hanger« läßt den Leser (oder Zuschauer) an einer spannenden Stelle im ungewissen über den Ausgang des Geschehens. Der Begriff ist vor allem geprägt durch jene Stummfilme, in denen der (die) Held(in) gerade an einer Klippe hängt und abzustürzen droht, und plötzlich die Worte »Fortsetzung folgt« über die Leinwand flimmern. 5
Edgar Rice Burroughs Romane um »John Carter of Mars« wurden von seinem Sohn John Coleman Burroughs für Comic Books bearbeitet und gezeichnet. 6
Man muß sagen spielte, weil Buck Rogers im Jahr 1968 an der technischen Entwicklung des Apollo -Mondprogramms scheiterte. Denn als nur noch 28 Zeitungen den Strip führten, wurde er eingestellt. Gegenüber den 287 Zeitungen, die den Strip zu seiner Blütezeit führten, war das eben zu wenig. 7
Übersetzt aus: Ray Bradbury »Tomorrow Midnight«, New York 1966. 8
Gardner F. Fox hat über 86 Romane geschrieben, darunter »Escape Across the Cosmos«, »Warrior of Llarn« und »The Bor-
gia Blade«. Fox ist in der Science Fiction ebenso Zuhause wie im Cloak-and-Dagger Genre. 9
Eingehend behandelt in Kapitel V: KRITIK UND ZENSUR.
10
Wir werden ihr und ihrem Arbeitgeber, dem blonden Modephotographen Shawn North im Kapitel XI: TRENDS UND ENTWICKLUNGEN noch einmal begegnen. 11
Vergleiche dazu: Stephen Becker »Comic Art in America«. New York 1959, S. 195. 12
Höre dazu beiliegende Schallfolie.
13
Newsweek vom 24. April 1950.
Auf diese Beziehungen zwischen den einzelnen Massenmedien wird im Kapitel VII: INTERMEDIALE DEPENDENZEN noch einmal ausführlich eingegangen. Höre dazu beiliegende Schallfolie.
18
Übersetzt aus Fran Striker »The Lone Ranger and Tonto«, New York 1940, S. 6. 17
Vergleiche dazu zum Beispiel: A. Bandura, Dorothea Ross and Sheila A. Ross, »Transmission of Aggression through Imitation of Aggressive Models«. In: J. Abnorm Soc. Psychol., 63, 1961, S. 575 -582; L. Berkowitz, »Sotne Factors Affecting the Reduction of Overt Hos tility«. In: J. Abnorm Soc. Psychol., 60, 1960, S. 14 -22; S. Feshbach, »The Catharsis Hypo thesis and Some Consequences of Interaction with Aggressive and Neutral Play Objects«. In: J. Personality, 24, 1956, S. 449 -462; J. T. Klapper, »The Effects of Mass Communication«, Glencoe/ 111. 1960. 3
14
15
2
Sheriff Klassiker 166, 1971.
18
Siehe zum Beispiel die unveröffentlichte Dissertation »Wyatt Earps Virlilität und sein Buntline Special« Dodge City, Kansas.
Zum Beispiel Arnold Arnold, der in »Violence and Your Child«, Award Books, New York, noch 1969 eine Neuauflage der Wert hamschen Beschuldigungen liefert.
4
Gershom Legman »Love and Death — A study in Censorship«, New York 1949.
5
Frederic Wertham, M. D. »Seduction of the Innocent«, New York 1954.
6
Benjamin Spock, M. D. »Dr. Spock talks about Problems of Pa rents« Greenwich Conn. 1965, S. 210.
7
Hierzu besonders: Robert Warshow, »The Gangster äs Tragic Hero«. In: »The Immediate Experience«, New York 1970. 8
Kapitel IV: SUPERHELDEN
Aus: Marilyn Graalfs »Violence in Comic Books (Before Self Regulation by the Comics Industry).« In: Otto N. Larsen, ed. »Violence and the Mass Media«, New York 1968, S. 95.
9
1
Jim Steranko »The Steranko History of Comics«, Vol. I, Reading Pensylvania 1970, S. 38 f. 2
Mxyzptlk; sprich: Mix -yes-pitelek oder deutsch: Mixizet -Petelka.
Siehe dazu besonders WICKLUNGEN
Kapitel
XI:
TRENDS UND ENT -
Kapitel VI: DAS GESELLSCHAFTSBILD DER COMICS
3
Shazam ist ein Anagramm aus: S für Salomons Weisheit, H für Herkules' Stärke, A für Atlas' Ausdauer, Z für Zeus' Macht, A für Achilles' Mut und M für Merkurs Schnelligkeit.
1
4
2
Übrigens: Seltsamerweise hat Superman mit vielen Menschen zu tun, deren Initialen L. L. sind: Lois Lane, Lana Lang, Lori Lemaris, Lex Luthor, Lyla Lerrol etc. 5
MMMS = Merry Marvel Marching Society, jetzt umbenannt in »Marvelmania«.
D. M. White/R. H. Abel »Comic Strips and American Culture«. In: D. M. White/R. H. Abel »The Funnies«, New York 1963, S. 10. Coverstory zu Peanuts in Time, 9. April 1965, S. 84.
3
Giff Wiff, Nr. 20, Mai 1966: »›pas question de faire ca‹ — you can't do that!« S. 30. 4
Cartoonist Profites, Nr. 3, Sommer 1969, S. 29.
5
Siehe auch: Richard Kluger, »Sex and the Superman«. In: Partisan Review, Vol. XIII (1966), S. 111 ff.
Coverstory zu Peanuts in Time, 9. April 1965, S. 84.
6
Vergleiche Time, 2. November 1970, S. 37.
7
7
8
8
6
Siehe etwa: Leslie Fiedler »The Middle Against Both Ends«. In: B. Rosenberg and D. White (Hrsg.) »Mass Culture«, New York 1957. Vor ihr erschien 1940 — aber nur in einer einzigen Nummer von Planet Comics — Amazona, The Mighty Woman. Also auch eine Amazone. 9
Völlig absurd ist Klugers Vermutung, bei Wonder Woman könnte es sich um einen Transvestiten handeln (Richard Kluger, »Sex and the Superman«, a. a. O.). 10
Mehr noch als ihre männlichen Kollegen bevorzugen Superheldinnen m ihrer geheimen Identität eine Brille (obwohl sie selbst verständlich nicht an Myopie leiden).
Zur Aufweichung des Cod es und daraus resultierenden Inhalts veränderungen in den Comics siehe Kapitel XI: TRENDS UND ENTWICKLUNGEN. Katalog »Famous Artists and Writers« des King Feature Syndi cate 1949, S. 4.
9 Meist bezieht man sich auf folgende Untersuchungen: »Who reads t he Funnies — and Why?« von E. J. Robinson & D. M. White 1963. »The World of Sunday Comics« von Francis E. Barcus 1963. »Male and Female Relations in the American Comic Strip« von Gerhart Saenger 1955. »Comic Strips and Their Adult Readers« von Leo Bogart 1 9 5 7 . Alle Aufsätze gesammelt in: D. M. White/R. H. Abel »The Fun nies«, New York 1963. 10
Kapitel V: KRITIK UND ZENSUR 1
Interim Report of the Subcommittee to Investigate Juvenile Delinquency to the U. S. Senate. Committee on the Judiciary, 84th Congress, Ist Session Washington: Government Printing Office, 1955.
248
Allerdings ist dieses Sprachklischee eine Übernahme aus dem Rundfunk: Dort konnte ein ehemaliger Shakespeare -Darsteller irischer Abstammung Tonto nur durch das geb rochene Englisch als Indianer charakterisieren. 11
Jules Feiffer »The Great Comic -Book Heroes«. In: Playboy, October 1965, S. 80.
12 Frederic Wertham »Seduction of the Innocent«, New York 1954, S. 40. 13 ibid., S. 40. 14
ibid., S. 34.
15
Leslie Fiedler »T he Middle Against Both Ends«, 1955. In: B. Rosenberg/D. M. White »Mass Culture«, New York 1957, S. 545. 16
Auskunft eines Chefredakteurs auf Anfrage der Autoren 1970.
13
Vergleiche dazu Gene Autrys Ranch« auf beiliegender Schallfolie.
Rundfunksendung
»Melody
14
Vergleiche Jim Sterank o »The Steranko History of Comics«, a. a. O., S. 47. 15
Daß manche nach Disneys Spielfilmen entstandene Comicserie den Titel wechselt oder eine andere Hauptperson hat, ist schon im Kapitel II: HUMOR UND ALLTAG exemplifiziert.
17
Robert Warshow »American Populär Culture«, 1954. In: Ro bert Warshow »The Immediate E xperience«, New York 1970, S. 39. 18
Auskunft auf Anfrage der Autoren.
Kapitel VIII: DIE EUROPÄISCHE COMICSSZENE
19
Diese Zahl bezieht sich auf die Statistik der CMAA, nach der 1968 in Amerika insgesamt 298 279 786 Comic Books verkauft wurden, was eine Steigerung von 4 Prozent gegenüber 1967 bedeutete. 20 In: »The Funnies«, Annual No. l, 1959, S. 41.
1
Vergleiche »Superman als Sozialist« in Süddeutsche Zeitung, Nr. 295 vom 10. 12. 1969, S. 29. 2
Die Angaben über das Amerika -Image der Comics erhielten die Autoren auf Anfrage. 3 Auskunft des Ehapa Verlags. 4
Auskunft von Bulls Pressedienst.
5
Kapitel VII: INTERMEDIALE DEPENDENZEN 1
Feuilletonist ist hier im Sinne der ursprünglichen Bedeutung ein Autor, der von Tag zu Tag Fortsetzungen schreibt. 2
Übersetzt aus: Mary Noel »Villains Gal ore .. . The Heyday of the Populär Story Weekly«, New York 1954, S. 18.
3
Richard Lupoff »Edgar Rice Burroughs: Master of Adventure«, New York 1968. 4
Vergleiche Kapitel III: ABENTEUER UND MELODRAM.
5
Zu Big Little Books, diesen Zwittern aus Comics und Jug endbuch, vergleiche Kapitel I: CHARAKTERISTIK DER CO MICS. 6 Höre dazu beiliegende Schallfolie. 7 True Comics sind wegen ihrer anderen Herkunft eine Ausnahme. Vergleiche dazu Kapitel V: KRITIK UND ZENSUR. 8
Heute wird eher eine Zusammenarbeit Fernsehen/ Verlag ange strebt. 9
Der Hall - und Verzerrungseffekt wurde mit Hilfe einer Art Schalltrichter erzielt. Vergleiche auch beiliegende Schallfolie!
Wie eine Leserreaktion aussieht, zeigt das Beispiel der Lübecker Nachrichten. Als deren Redakteure im Frühjahr 1969 die Leser baten, ihnen mitzuteilen, ob der Comic Strip Wurzel (Fred Basset) in der Zeitung bleiben solle, bekamen sie 95 °/o befürwortende und 5°/o ablehnende Zuschriften. Allerdings waren nur 3,5 °/o ganz ge gen Comic Strips eingestellt, die anderen 1,5 %› wollten einen ande ren Strip. Rund ein Drittel der Zuschriften sprach sich zugunsten eines weiteren Strips aus. 6 Auskunft auf Anfrage der Autoren. 7
Darüber mehr im Kapitel IX: SEX UND SATIRE.
8
SOCERLID = Societi Civile d'Etudes et de Recherches des Litteratures Dessinees; gegründet am 4. 11. 1965.
9 Aus »Fellini und die Comics«. In: Film 2/66, S. 24-2 5 . Als Bewunderer der Comics ließ es sich Fellini nicht nehmen, die Redaktion der Marvel Comics zu besuchen, und für Jim Sterankos Buch über Comic Books das Vorwort zu schreiben. 10
So wird Diabol&i von A. Giussani, einer seiner Schöpferinnen, charakterisiert. 11
Aus »Comics 1966: Kennen Si e Jena, das Höllenweib?« In: Twen, Januar 1967, S. 64. 12
10
Aus Mary Ann Reese »Andy Capp Is No 'andicap«. In: and Stripes, 24. Januar 1971, Comicsbeilage, S. IV/V.
11
Kapitel IX: SEX UND SATIRE
In derselben Zeit, in der Orson Welles den Shadow sprach, jagte er auch der amerikanischen Nation an Allerh eiligen 1938 mit seiner über die CBS Senderkette ausgestrahlten Rundfunkversion von H. G. Wells »War of the Worlds« einen Schrecken ein, der auch heute noch die Gelehrten beschäftigt. Vergleiche dazu besonders das vorzügliche Kapitel über die Pulps in: Jim Steranko »The Steranko History of Comics«, Vol. I, Reading 1970, S. 14—3 3 . 12 »Ellery Queen's Mystery Magazine« ging aus »Black Mask« her vor, dem besten der Detektiv -»Pulps«, das einen ganzen Schreibstil, die »Black Mask School of Writing« prägte. Zu seinen bedeutendsten Autoren der 30er und 40er Jahre zählten Dashiell Hammett, Erle Stanley Gardner, Carroll John Daly, John D. MacDonald, Raymond Chandler und Frank Gruber. Wie nicht anders zu er warten, sind von diesen Autoren in hohem Maße Film - und Fernsehbearbeitungen zu finden. Auch Rundfunk und zu einem gewis sen Teil Comics bezogen ihre Themen aus den Serien dieser Auto ren.
249
1
Jules Feiffer »The Great Comic Book Heroes«. In: Oktober 1965, S. 81.
Stars
Playboy,
2
Derart euphorisch charakterisiert Jacob Brackman die Comix in seinem Artikel »The International Comix Conspiracy« in Playboy, Dezember 1970, S. 195. 3
Vergleiche dazu zum Beispiel Chuck Alverson, ed., »Wonder Wart -Hog, Captain Crud & Other Super Stuff«, New York 1967. Die in diesem Buch ebenfalls vertretenen Zeichner Vaughn Bode und Hank Hinton wanderten später ins Establishment ab. 4 Das X -rating entspricht etwa dem in Deutschland üblichen »Ab 18 Jahren«.
Kapitel X: DIE KUNST DER COMICS
Kapitel XI: TRENDS UND ENTWICKLUNGEN
1
1
Vergleiche Justice League of America, Nr. 79, März 1970.
2
Übersetzt aus Iran Man, Nr. 25, Mai 1970.
3
Vergleiche Daredevil, Nr. 71, Dezember 1970.
4
Vergleiche Green Lantern, Nr. 80, Oktober 1970.
5
So der Code Administrator zu den Autoren.
Stellungnahme auf Anfrage der Autoren.
2
Stellungnahme auf Anfrage der Autoren.
3
Mort Walker »Look, Ma! I'm An Artist«. In: Cartoonist Profiles,
4
Milton Caniff war einer der ersten Comics -Zeichner, deren Werke in Museen gezeigt wurden. Seine Zeich nungen für Terry and the Pirates hingen 1944 im Metropolitan Museum of Art und seine Zeichnungen für Male Call wurden 1945 im Berkshire Museum ausgestellt. In Frankreich begannen 1965 Ausstellungen wie »Dix Millions d'Images«, in denen sich die Begeisterun g für Comic Strips aus drückte. 5
1946, als Caniff Terry and the Pirates aufgab und Steve Canyon anfing, erschien eine Bildbiographie unter dem Titel: »Milton Caniff: Rembrandt of the Comic Strips«. Diese Titulierung wurde später wieder aufgegriffen. Vergleiche dazu: J. P. Adams, ed. »The Funnies«, Annual No. l, New York 1959, S. 30. 6
So Pierre Couperie »A History of the Comic Strip«, New York 1968, S. 219. 7
In einem eigenen Ausbildungskursus kann sich der Schüler bei den »Famous Artists« auch für die Comics ausbilden lassen. Außer diesem gibt es natürlich noch zahllose andere Fernkurse, in denen man »How to Draw Comics« erlernen kann. 8
Dieses Vergnügen kann der Leser auch heute noch nachvollziehen, anhand von Nachdrucken alter Comic Book-Seiten wie in »The Great Super Heroes« von Jules Feiffer. 9
Übersetzt aus: »An Interview with Will Eisner« by John Benson, in Witzend, Nr. 6, S. 7 . 10 Aus: »Recent Discovery! Bud Fisher Scrapbooks!«. In: nist Profiles, Nr. 3, Sommer 1969, S. 47. 11
Cartoo-
»Interview with Will Eisner«, a. a. O., S. 10.
12
Jim Steranko in »Artist Seif Portraits« von Marvelmania Inter national. 13 »Burne Hogarth interviewe par Eric Leguebe«, in Phenix, Nr. 7, 3/68, S. 7 f. 14
Roy Crane hat die Comics durch viele neue Techniken bereichert . Am bekanntesten davon ist das von ihm erforschte und häufig be nutzte »craftint« -Verfahren. Dabei wird die Zeichnung auf einem vorbereiteten »Craftint ›doubletone‹ paper« angefertigt, auf dem dann durch spezielle Entwicklerflüssigkeiten ein Punkt - oder Strichraster verschiedener Helligkeitswerte sichtbar gemacht wird. Die Anwendung dieser Technik erfordert hohes Können. 15 »The Heart of Juliet Jones by Stan Drake« in Cartoonist Pro files, Nr. 4, November 1969, S. 4 -1 3 . 16 Kenneth E. Eble »Our Serious Comics« (1959). In: Abel/White: »The Funnies«, New York 1963, S. 109.
250
6
So Stan Lee zu den Autoren. Die Äußerung war nicht auf ein bestimmtes Problem festgelegt. 7
Übersetzt aus: Lindsy Van Gelder und Lawrence Van Gelder, »The Radicalization of the Superheroes«. In: New York, Oktober 1970, S. 43. 8
Vergleiche Lindsy Van Gelder und Lawrence Van Gelder, »The Radicalization of the Superheroes«, a. a. O. S. 43. 9
Übersetzt aus Lawrence Van Gelder, »Comic-Book Industry to Allow Stories on Narcotics«. In: The NewYorkTimes, 16.4.1971.
Bibliographie Kapitel I: CHARAKTERISTIKA DER COMICS »Famous Artists and Writers of King Features Syndicate«, New York 1949 ANONYM
BECKER, STEPHEN »Comic
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with Dreams«, in WHITE /ABEL »The
Funnies«
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M. UND ABEL , ROBERT H. ( HRSG .) »The Funnies. An American Idiom«, New York 1963
LUPOFF , RICHARD A.
Neben diesen Büchern, die auch Aspekte der folgenden Kapitel vertiefen können, bieten die Zeitschriften Cartoonist Profiles, Fairfield/Connecticut, Giff-Wiff, Paris, Linus, Mailand, Phenix, Paris, und Stripschrift, Rijswijk, wertvolle Anregungen zu allen comicsbezogenen Fragen.
»Tarzan«. Phenix, Special Couleur No. l, 1970
Kapitel II: HUMOR UND ALLTAG ADAMS ,
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JOHN
York 1959
Seigneur
de la Jungle«, Paris 1967
»Edgar Rice Burroughs: Master of Adventure«,
New York 1968 RAYMOND , ALEX »Flash
Gordon«, New York 1967
Kapitel IV: SUPERHELDEN »Comic Book Editor for National«. Cartoonist Profiles, Nr. 6, Mai 1970 FEIFFER, JULES »The Great Comic Book Heroes«, New York 1965 FEIFFER, JULES »The
BRODBECK , ARTHUR
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»The World of Li'l Abner (With an Introduction by John Steinbeck)«, New York 1946 DENNEY , REUEL
»The Revolt Against Naturalism«, in WHITE /ABEL
»The Funnies« »From Dogpatch to Slobbovia — The Gaspü World of Li'l Abner as seen by David Manning White with Certain Illuminating Remarks by Al Capp«, Boston 1964 GANS, GROBIAN
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Kapitel V: KRITIK UND ZENSUR
»Interview with Al Capp«. In: Playboy, Dezember 1965, S. 89 ff.
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251
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Kapitel IX: SEX UND SATIRE
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Kapitel VI: DAS GESELLSCHAFTSBILD DER COMICS
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Kapitel VII: INTERMEDIALE DEPENDENZEN ACKERMAN,
Kapitel X: DIE KUNST DER COMICS
HIGBY, MARYJANE»Tune in Tomorrow«, New York 1968 LACASSIN, FRANCIS
»Tarzan; mythe triomphant, mythe humilie«. In: Bizarre, Numero special Tarzan, Paris 1963 LUPOFF, RICHARD A. »Edgar Rice Burroughs: Master of Adven ture«, New York 1968 NOEL, MARY
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Kapitel XI: TRENDS UND ENTWICKLUNGEN
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RIHA, KARL
STERANKO, JIM
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ding 1970
Kapitel VIII: DIE EUROPÄISCHE COMICSSZENE GHIRINGHELLI, ZENO»Erotismo & Fumetti«, Mailand 1969 HAMME,
JEAN VAN
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1970
252
»Von Max und Moritz bis Fix und Foxi«, München
Frankfurt 1970 »Zok roarr wumm. Zur Geschichte der Comics-Literatur«, Steinbach/Gießen 1970 Die vorliegende Auswahlbi bliographie stützt sich vorwiegend auf ausländische Publikationen, da diese die Comics im allgemeinen fundierter oder vorurteilsfreier untersuchen.
Zeittafel
Diese Zeittafel soll eine chronologische Übersicht über die Geschichte der Comics geben. Alle nicht anders gekennzeichneten Angaben beziehen sich auf die USA.
1894 Richard Feiton Outcault zeichnet für die New York World die farbige Bilderfolge The Origin of a New Species, or the Evolution of the Crocodile Explained. 1895 R..F. Outcaults Down Hogan's Alley erscheint in Pulitzers New York World. William Randolph Hearst fällt in New York ein und päppelt das Morning Journal ebenso erfolgreich hoch wie zuvor den von seinem Vater übernommenen San Francisco Examiner. 1896 Am 16. Februar wird The Yellow Kid die Hauptperson von Outcaults Panel Down Hogan's Alley. Am 18. Oktober er scheint in Hearsts New York Journal erstmals die achtseitige Farbbeilage The American Humorist, für die Hearst fast den gesamten Sonntagsstab der World aufgekauft hatte. Da Out cault mehrmals zwischen Pulitzer - und Hearst -Zeitungen wechselte, erschien Yellow Kid im Journal und in der World (dort weitergeführt von George Luks). 1897 Am 12. Dezember 1897 erscheinen in Hearsts Journal erst mals The Katzenjammer Kids, gezeichnet von dem 19jährigen Rudolph Dirks. Der erste »echte« Comic Strip ist geboren. 1898 The Yellow Kid wird aus dem American Humorist verbannt, da die Leser seiner müde geworden sind. 1899 Frederick Burr Opper debütiert im New York Journal. Mit sein en Strips Happy Hooligan, And Her Name Was Maud und Alphonse and Gaston wird er schnell bekannt. 1902 Im Mai erscheinen in James Gordon Bennetts New York Herald die ersten Folgen von Outcaults Buster Brown. 1903 Sandy Highflyer (eine Art Kombination von Kinder- und Abenteuerstrips) von Charles W. Kahles erscheint im Philadelphia North American; Herr Spiegelberger, the Amateur Cracks m a n von Carl Anderson in der New York World. George Herrimans erster Comic Strip ist Lariat Pete. 1904 Im Chicago American erscheint der erste Tagesstrip: A. Piker Clerk von Cläre Briggs. Die New York World bringt George McManus' The Newlyweds. Comic Strip wie The Katzenjammer Kids, Happy Hooligan, Alphonse and Gaston and Their Friend Leon sowie The Yellow Kid erscheinen in Buchform (40 Seiten, 10 x 15 Zoll Querfor mat, 75 Cent). 1905 COMIC STRIPS: Frederick Burr Oppers And Her Name Was Maud, James Swinnertons Linie Jimmy, Winsors McCays Little Nemo in Slumberland (von 1905 bis 1911 und von 1924 bis 1927) und C. W. Kahles Mr. Buttin, Tim and Tom the Terrible Twins und Tun in the Zoo. Zwischen 1905 und 1910 erfindet George McManus für Pulitzers Sunday World: Snoozer, The Merry Marceline, Nibsby the Newsboy in Funny Fairyland, Cheerful Charly, Panhandle Pete, und Let George Do It. EUROPA: In La Semaine de Suzette beginnen Maurice Langue reau und Jean -Pierre Pinchon mit den Bilderzählungen von Becassine.
253
1906 Hearst kauft Outcault samt Buster Brown für den American. Der Herald bringt parallel dazu seine eigene Version. In der Sonntagsausgabe der Chicago Tribune erscheinen vier Strips, die in München gezeichnet wurden. Zwei davon sind von Lyonel Feininger: The Kin-der-Kids und Wee Willie Winkie's World. C. W. Kahles' Hairbreadth Harry erscheint in der Philadelphia Press. EUROPA: Ab Oktober erscheint in der dänischen Wochenzeit schrift Hjemmet eine Übersetzung von Buster Brown: Lilie Svends Gavtyvestreger. FILM: Erster Zeichentrickfilm ist J. Stuart Blacktons »Humorous Phases of Funny Faces.« 1907 Ab 15. November gibt Harry Conway (»Bud«) Fisher mit Mr. A. Mutt im San Francisco Chronicle das Vorbild für den Tagesstrip. (Die Serie wird 1909 in Mutt and Je ff umbenannt. Rübe Goldberg wird Cartoonist für die New York Evening Mail. 1908 EUROPA: In Frankreich erscheint die Zeitschrift L'Epatant mit Louis Fortons Les Pieds Nickeies. In Italien wird die Kinderwochenzeitschrift Corriere dei Piccoli herausgebracht. Die dänische Zeitschrift Hjemmet bringt ab Nr. 39 (27. September) die Katzenjammer Kids als Knold og Tot. 1909 EUROPA: Im Corriere dei Piccoli erscheinen die Bilderseiten von Antonio Rubino und die Reihe Bilobul von Attilio Mussini. ANDERE MEDIEN: Winsor McCays »Genie the Dinosaur«, der erste Zeichentrickfilm mit Handlung wird herausgebracht. McManus The Newlyweds and Their Baby (Snookums) wird zu einer Musikrevue verarbeitet. 1910 Am 26. Juli fügt George Herriman unter seinen Strip The Family Upstairs (vorher eine Zeitlang Dingbat Family benannt) einen schmalen Streifen mit Katze und Maus an, der sich später abtrennt, selbständig wird und seit 1913 als Krazy Kat zu Ruhm kommt. Harry Hershfield zeichnet Desperate Desmond. 1911 Unter dem Pseudonym Silas zeichnet Winsor McCay für den New York Herald seine Dreams of a Rarebit Fiend. Gegen Coupons verschickt der Chicago American Sammelbände von Mutt and Jeff (Format 18 x 6 Zoll). 1912 COMIC STRIPS: Bringing Up Father von George MC Manus und Polly and Her Pals von Cliff Sterrett. H. H. Knerr übernimmt die Katzenjammer Kids während Rudolph Dirks seine Reihe unter dem Titel The Captain and the Kids bei der World weiterführt. ANDERE MEDIEN: Im All Story Magazine erscheint Edgar Rice Burroughs Roman Tarzan of the Apes. 1914 Aus Hearsts 1912 gegründetem Hearst's International Feature Service geht King Features Syndicate hervor. Harry Hershfield beginnt den Strip Abie the Agent, den Arthur Brisbane »the first adult comic strip in America« nennt.
1916 Rübe Goldberg trägt zur Gründung des McNaught Syndicate bei. 1917 Joseph M. Patterson, Gründer der New York Daily News erfindet The Gumps. Zeichner wird Sidney Smith. 1918 COMIC STRIPS: Jimmy Murphys Toots and Casper und Rübe Goldbergs Book McNutt. ANDERE MEDIEN: Die ersten Tarzan-Verfilmungen mit Elmo Lincoln in der Titelrolle werden angefertigt: »Tarzan of the Apes« und »The Romance of Tarzan«. 1919 COMIC STRIPS: Elzie Segars Tkimble Theater, Billy De Becks Barney Google und (am 24. August) Frank Kings Gasollne Alley (zunächst noch als »comics panel«). EUROPA: Austen Bowen Payne erfindet für den Daily Mirror die Reihe Pip, Squeak and Wilfred. 1920 COMIC STRIPS: Winnie Winkle von Martin Branner (zunächst als Gag-Strip, bald schon mit fortlaufender Handlung). EUROPA: Mary Tourtels Rufen erscheint im Daily Express. ANDERE MEDIEN: 1920 bis 1929 fertigt Paul Terry die erste weltbekannte Zeichentrickfilmserie: »Aesop's Fables«. 1921 COMIC STRIPS: RUSS Westovers Tillie the Toiler und Ad Carters Just Kids beginnen. Am 14. Februar erscheint Gasoline Alley erstmals mit Skeezix. EUROPA: In England erscheint im Daily Sketch der erste europäische Tagesstrip: Pop von J. Millar Watt. ANDERE MEDIEN: In Kansas City entsteht Walt Disneys erste Zeichentrickserie »Laugh -O-Grams«. Tarzan kommt in England und Amerika auf die Bühne. 1922 COMIC STRIPS: Smitty von Walter Berndt und Fritzi Ritz von Meyer Marcus und Zeichner Larry Whittington. 1923 COMIC STRIPS: Moon Mullins von Frank Willard, Felix the Cat von Pat Sullivan und (ab Mai) The Nebbs von Texter Sol Hess und Zeichner Wally A. Carlson. The Nebbs sind von Hess' Arbeit an den Gumps (Dialoge!) inspiriert. EUROPA: In Le Boy-Scout Beige erscheint Herges Totor. 1924 COMIC STRIPS: Am 5. August beginnt Harold Gray mit Little Orphan Annie (Gray war davor »Ghost« bei den Gumps.). Ebenfalls neu: Chic Youngs erster Erfolgsstrip Dumb Dora, Lyman Youngs The Kelly Kids und Roy Cranes Wash Tubbs. 1925 COMIC STRIPS: Ella Cinders (eine moderne Cinderella) von Charlie Plumb und Etta Kett von Paul Robinson. EUROPA: In Frankreich zeichnet Alain Saint-Ogan für Le Dimanche Illustre den ersten französischen Comic Strip, Zig et Puce. (Im folgenden Jahr fügt er das berühmte Maskottchen, den Pinguin Alfred, hinzu.) ANDERE MEDIEN: Harold Ross gründet die Zeitschrift The New Yorker, die den amerikanischen Humor beeinflußte, obwohl sie keine satirische Zeitschrift war. 1926 ANDERE MEDIEN: John Alden Carpenter schreibt ein »Krazy Kat«-Ballett. 1927 COMIC STRIPS: Little Annie Rooney, verfaßt von Brandon Walsh, gezeichnet von Darreil McClure, greift das Thema des Waisenmädchens auf, mit dem schon Gray Erfolg hatte. Lyman Young beginnt The Kid Sister. Später wartet er mit dem Dauerbrenner Tim Tyler's Luck auf. EUROPA: In Deutschland erscheint Witwe Knolle von Rudolf Rose. ANDERE MEDIEN: Tillie the Toiler wird verfilmt. Der erste vertonte Zeichentrickfilm von Felix the Cat wird hergestellt. 1928 COMIC STRIPS: Wally Bishop wartet mit Muggs and Skeeter auf, und Wash Tubbs bekommt Captain Easy als Ge fährten.
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ANDERE MEDIEN: Im September erster tönender Zeichentrickfilm »Steamboat Willie«, der dritte Mickey Mouse-Film (von Walt Disney und Zeichner Üb Iwerks) schlägt in New Yorker Kinos groß ein. Dem Welterfolg steht nichts mehr im Weg. 1929 COMIC STRIPS: Am 7. Januar beginnen Tarzan, gezeichnet von Hal Foster, und Buck Rogers, konzipiert von John F. Dille und gezeichnet von R. W. Calkins. Die bis 16. März laufenden 60 Tarzan-Folgen sind so erfolgreich, daß ab 17. Juni die Reihe regelmäßig weitergeführt wird. Und zwar zunächst mit »The Return of Tarzan«, gezeichnet von Rex Maxon. In der Reihe Thimble Theatre wird Popeye eingeführt, der bald zur Hauptfigur des Strips werden sollte. COMIC BOOKS: George T. Delacorte verlegt The Funnies, ein »Comic Book« im Tabloidformat, das nach 13 Nummern wieder eingestellt wird. ANDERE MEDIEN: Walt Disneys erste »Silly Symphonies« kommen in die Kinos. EUROPA: Tintin von Herge erscheint in Le Petit XXeme, einer Beilage der Brüsseler Tageszeitung Le Vingtieme Siede. 1930 COMIC STRIPS: Es beginnen Walt Disneys Mickey Mouse, John Terrys Scorchy Smith, der ab 1934 von Noel Sickles gezeichnet wird, Harn Fishers Joe Palooka, den Fisher drei Jahre lang vergebens einem Syndikat hatte verkaufen wollen, und (am 8. September) Chic Youngs Blondie. 1931 COMIC STRIPS: Am 15. März erscheint die erste TarzanSonntagsseite, am 27. September übernimmt Hal Foster die Sonntagsfolgen. Am 4. Oktober beginnt ehester Goulds Dick Tracy als Sonntagsstrip, ab 12. Oktober erscheint er täglich. Auch Fu Manchu, eine Übernahme aus den Romanen von Sax Rohmer, erscheint als Comic Strip. ANDERE MEDIEN: Im April erscheint Heft l der Romanreihe The Shadow, um für die Art der Präsentation der Rundfunkserie Copyrightschutz zu erhalten. 1932 COMIC STRIPS: Neue Serien sind Milton Caniffs Dickie Dare und The Gay Thirties, Frank Godwins Connie, Martha Orrs Apple Mary, C. D. Russells Pete the Tramp (Rüssel war vorher »Geisterzeichner« bei Percy Crosbys Skippy) und Carl Andersons Henry. Henry erscheint zu Anfang in der Saturday Evening Post und wird 1935 von King Features übernommen. — Al Smith wird Bud Fishers Assistent bei Mutt and Jeff. Roy Cranes Wash Tubbs erhält den Titel Captain Easy. ANDERE MEDIEN: Als erste auf Platte vorproduzierte Rundfunkserie beginnt »Tarzan« von Edgar Rice Burroughs. Diese erste Rundfunkserie um Tarzan hat 364 Folgen a 15 Minuten. Burroughs Tochter spricht Jane, sein Schwiegersohn (Jim Pierce, der Filmtarzan von 1926) spricht Tarzan. 1933 COMIC STRIPS: Neu sind Smilin' Jack von Zack Mosley, Brick Bradford von Zeichner Clarence Gray und Texter Bill Ritt, sowie (ab 7. August) V. T. Hamlins Alley Oop. ANDERE MEDIEN: Walt Disney erhält für »The Three Little Pigs« den Oscar, dem in den nächsten zehn Jahren neun weitere Folgen. Max Fleischer macht den ersten Zeichentrickfilm um »Popeye the Sailor«. Am Montag, 30. Januar 1933, be ginnt George W. Trendles Rundfunkserie »The Lone Ranger«. Die Romanreihe Doc Savage wird gestartet. 1934 COMIC STRIPS: Neuangebote sind Flash Gordon von Alex Raymond, Secret Agent X-9 von Zeichner Alex Raymond und Verfasser Dashiell Hammett, Terry and the Pirates von Milton Caniff, Mandrake the Magician von Autor Lee Falk und Zeichner Phil Davis, They'll Do It Every Time von Jimmy Hatlo, Don Winslow of the Navy von Frank Martinek und Li'l Abner von Al Capp. Otto Soglows The Little King kommt
aus dem New Yorker Magazin zu Puck, tbe Comic Weekly. — Die New York Daily News stellt die Bedeutung der Comics für die Zeitung in einer Anzeige heraus. COMIC BOOKS: Das Comic Book Famous Funnies erscheint mit Nachdrucken der Zeitungsstrips. EUROPA: In Frankreich entsteht als Wochenzeitschrift das Journal de Mickey, dessen Form andere Zeitschriften wie Robinson beeinflußt. Eine ähnliche Rolle spielte in Italien L' Avventuroso. In Deutschland beginnt e. o. plauen (Erich Ohser) mit Vater und Sohn. ANDERE MEDIEN: Donald Duck hat in dem Disney-Kurzzeichentrickfilm »The Orphan's Benefit« in einer kleinen Rolle sein Debüt. 1935 COMIC STRIPS: Bill Holman beginnt Smokey Stover und Spooky tbe Cat. GUS Edson übernimmt nach Sidney Smiths Tod The Gumps. Fred Lasswell wird Assistent bei Barney Google and Snuffy Smith und übernimmt schließlich 1941 die Serie. COMIC BOOKS: Delacorte verlegt M. C. Gaines Populär Comics. EUROPA: Mary Tourtel zieht sich zurück, aber ihr Bär Rupert lebt weiter. ANDERE MEDIEN: Burroughs Tarzan Enterprises produzieren die Filme »The New Adventures of Tarzan« und »Tarzan and the Green Goddess« mit Herman Brix als Tarzan. Die »Hopalong Cassidy«-Filmserie, die später vor allem in Fernsehen und Comics berühmt wird, beginnt. Gene Autry verdient sich im Rundfunk die ersten Sporen. 1936 COMIC STRIPS: Erstmals erscheinen Mickey Finn von Lank Leonard, Barney Baxter und The Phantom von Lee Falk (17. Februar). Die Zeichner des Phantoms sind Ray Moore, später Wilson McCoy und schließlich Sy Barry. ANDERE MEDIEN: Buster Crabbe spielt den Flash Gordon in der Filmserie von Universal. »Bugs Bunny« hat sein Film debüt bei den Warner Brothers. 1937 COMIC STRIPS: Ihren ersten Auftritt haben Prince Valiant (in the Days of King Arthur) von Harold R. Foster und The Great Gusto von Zeichner Eimer Woggon und Texter Allen Saunders. The Great Gusto wird später zu Cbief Wahoo und mit Zeichner William Overgard zu Steve Köper (& Mike Nomad). Am 5. Mai übernimmt Burne Hogarth den TarzanSonntagsstrip. COMIC BOOKS: Im März erscheint als erstes »echtes« Co mic Book Detective Comics. EUROPA: Opera Mundi lanciert die Zeitschrift Robinson, die den Franzosen die amerikanischen Serien nahebringt. In England ersinnt Stephen Dowling für den Daily Mirror den Detektivstrip Bück Ryan, der 25 Jahre lang läuft. ANDERE MEDIEN: Walt Disneys erster abendfüllender Zeichentrickfilm, »Snow White and the Seven Dwarfs« erweist sich schnell als einer der größten Erfolge der Disney Produk tion. 1938 COMIC STRIPS: Neu sind The Lone Ranger von Charles Flanders und der Donald Duck Strip von Walt Disney. 1938 bis 1942 zeichnet Vernon Green The Shado-w. Martha Orr gibt Apple Mary auf. Die Serie wird von Allen Saunders und Ken Ernst zu Mary Worth umgearbeitet. Ernie Bushmiller übernimmt Fritzi Ritz und läßt die Titelfigur allmählich zugunsten ihrer Nichte Nancy aus dem Strip verschwinden. Popeye wird nach Segars Tod von verschiedenen Zeichnern und Autoren fortgeführt. (In jüngster Zeit von Ralph Stein und Bud Sagendorf.) COMIC BOOKS: Superman tritt in Heft l von Action Comics auf. Bei Dell erscheint das Tarzan-Heh bis Nummer 7 mit Fosternachdrucken.
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EUROPA: In Belgien wird am 21. April die Zeitschrift Spirou gegründet. Das faschistische Regime Italiens verbietet amerikanische Comics. ANDERE MEDIEN: In einem Zeichentrickfilm tritt Micky Maus als »Das tapfere Schneiderlein« auf. 1939 COMIC STRIPS: Alex Raymond übergibt Secret Agent X-9 an Mel Graff und konzentriert sich auf Flash Gordon und Jungle Jim. Alfred Andriola beginnt Charlie Chan, Jim Gary King of the Royal Mounted. Superman erscheint nach erfolgreichen Heftverkäufen auch als Zeitungsstrip. COMIC BOOKS: Im Frühjahr erscheint Superman Qttarterly Magazine. In Heft 27 von Detective Comics (Mai) tritt erst mals Batman auf. Im November steigt die Timely Comics Group mit Marvel Comics No. l in Fortführung der Pulps ins Superheldengeschäft ein. Sheena und Flash Comics (mit Hawkman) erscheinen. ANDERE MEDIEN: In diesem Jahr laufen in den Kinos unter anderem die Filmserien »Tarzan«, »Charlie Chan«, »Blondie«, »The Thin Man«, »Hopalong Cassidy«, »Dr. Kildare«, »The Cisco Kid«, Torchy«, »Mr. Moto«, »Sherlock Holmes« und »Topper«. 1940 COMIC STRIPS: Brenda Starr von Dale Messick beginnt. COMIC BOOKS: Die Superhelden vermehren sich: Sub-Mariner von Bill Everett, Human Torch von Carl Burgos sowie Captain Marvel von C. C. Beck greifen ein. Im Frühjahr erscheint Batman Heft 1. Im April bekommt Batman in Detective Comics Nr. 38 Robin als Gehilfen. Im Juli erscheint Green Lantern. In All Star Comics schließen sich Superman, Batman, Green Lantern, Spectre, Flash usw. zur Justice Society of America zusammen. 1940 bis 1945 verwendet die U.S. Armee Comic Books als Instruktions-Handbücher. Die Classics Illustrated werden gestartet. ANDERE MEDIEN: Am 12. Februar wird »Superman« in einer Rundfunkserie hörbar. Walt Disneys Zeichentrickfilme »Pinocchio« und »Fantasia« werden gezeigt. 1941 COMIC STRIPS: Clyde Lewis zeichnet Private Bück, einen der ersten Cartoons über das Armeeleben. Will Eisner beginnt The Spirit. COMIC BOOKS: Captain America von Joe Simon und Jack Kirby beginnt, ebenso Wonder Woman. EUROPA: Vom 29. Januar bis 22. September erscheint in Frankreich die Zeitschrift Tarzan, bis sie mit Nr. 34 wegen Amerikanismus und Unmoral eingestellt wird. Stattdessen erscheinen Zeitschriften wie Le Temeraire, Sirocco, Fanfan la Tulipe. ANDERE MEDIEN: Walt Disneys Dumbo kommt in die Kinos. 1941 bis 1943 produziert Paramount 18 SupermanZeichentrickfilme unter der Regie von Dave Fleischer. Walt Kelly verläßt die Disney Studios, wo er seit 1935 gearbeitet hatte. 1942 COMIC STRIPS: Neu sind Crockett Johnsons Barnaby, Dave Bregers Private Breger, Dick Wingerts Hubert und Milton Caniffs Male Call. Caniffs Terry and the Pirates vom 17. Oktober wird monatelang nachgedruckt und kommt in den Congressional Record. COMIC BOOKS: In den Animal Comics zeichnet Walt Kelly in Heft l unter anderem »Albert the Alligator«, in der auch ein Opossum namens Pogo auftaucht. In den nächsten vier Jahren nähern sich Pogo und Albert in den Comic Books der Gestalt, die sie heute im Comic Strip Pogo haben. ANDERE MEDIEN: Walt Disney dreht den Zeichentrickfilm »Bambi« nach dem Buch von Felix Saiten. Das American Institute of Graphic Arts richtet die erste Ausstellung über Comics ein.
1943 COMIC STRIPS: Neuerscheinungen sind Kerry Drake von Alfred Andriola, Rusty Riley von Frank Godwin, The Flop Family von George Swanson und Buz Saivyer von Roy Crane. Cranes Assistent Leslie Turner führt Captain Easy weiter. Im Mai beginnt in der New Yorker Zeitung PM die Reihe Vic Jordan von Paine und Wexler. (In dieser Serie hilft ein Amerikaner der europäischen Untergrund-Bewegung.) EUROPA: Im Juli tritt im Daily Mirror Englands Superman Garth von Stephen Dowling auf. ANDERE MEDIEN: Columbia bringt die Filmserie »Batman and Robin« heraus. 1944 COMIC STRIPS: Frank Robbins beginnt seinen Fliegerstrip Johnny Hazard. Krazy Kat wird mit George Herrimans Tod eingestellt. 1945 COMIC STRIPS: Coulton Waughs Hank läuft von April bis Ende Dezember in PM. Bei Publishers Syndicate wird Rex Morgan, M. D. ausgetüftelt. EUROPA: Die Editions du Lombard werden gegründet und verlegen zunächst Tzntoj-Alben. 1946 COMIC STRIPS: Alex Raymond beginnt Rip Kirby nach einer Story von Ward Greene. Die National Cartoonist So ciety wird gegründet. COMIC BOOKS: Heft l von Walt Kellys Albert and Pogo erscheint als Einzelnummer und löst die Anim al Comics ab. Heft 2 erscheint erst im folgenden Jahr. EUROPA: In Belgien wird die Zeitschrift Tintin gegründet (26. 9.). Noch vor Jahresende erscheint Tintin in Holland unter dem Titel Kuifje. In Frankreich erscheint als erste Nachkriegs-Kinderzeitschrift Coq Hardi, gefolgt von Vaillant. 1947 COMIC STRIPS: Am 19. Januar beginnt Milton Caniff mit Steve Canyon. George Wunder übernimmt Terry and the Pirates. EUROPA: Für Spirou erfindet Morris (= Maurice de Bevere) Lucky Luke. Im Kampf gegen die Inflation verwendet die belgische Regierung Comics-Anzeigen. ANDERE MEDIEN: Die »Tom and Jerry«-Filme laufen an. 1948 COMIC STRIPS: Walt Kellys Pogo erscheint im New York Star. Mac Raboy übernimmt im Frühjahr Flash Gordon. EUROPA: Die französische Ausgabe von Tintin entsteht. ANDERE MEDIEN: Columbia produziert die zweite Batman-Filmserie: »The New Adventures of Batman and Robin«. Außerdem entsteht eine Superman-Filmserie. Vom 28. November 1948 bis 30. Dezember 1951 bringt NBC die sehr erfolgreiche Fernsehserie »Hopalong Cassidy«, in der die alten Filme gezeigt werden. 1949 COMIC BOOKS: Dell belebt Pogo Comics wieder, nachdem der Star eingegangen ist. Syndikatspräsident Robert Hall nimmt sich der Serie Pogo an. Im März erscheint Superboy Heft 1. EUROPA: Das Gesetz vom 16. Juli setzt in Frankreich eine Kommission ein, die Jugendzeitschriften überwacht. Die finnische Zeichnerin Tove Jansson beginnt Mumintrollet. ANDERE MEDIEN: Bei Terrytoons startet die Zeichentrickserie »Mighty Mouse«, Walt Disney br ingt den Trickfilm »Cinderella« heraus. 1950 COMIC STRIPS: Die Strips Peanuts von Charles M. Schulz, Beetle Bailey von Mort Walker und Big Ben Bolt von John Cullen Murphy und Elliott Caplin beginnen. COMIC BOOKS: E. C. beginnt nach den Kriegscomics mit Horrorserien. ANDERE MEDIEN: »Superman Vs. the Atom Man« heißt die neue Columbia Filmserie. »Gunsmoke« startet im Rundfunk.
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1951 COMIC STRIPS: Neu ist Dennis the Menace von Hank Ketcham. Jose Luis Saunas und Rod Reed beginnen The Cisco Kid nach O. Henrys unsterblicher Gestalt. Beetle Bailey wird ins Armeemilieu versetzt. COMIC BOOKS: In einer Druckauflage von 2,5 Millionen erscheinen Pogo Comics Heft 4 bis 8. EUROPA: In Deutschland erscheint im September Heft l von Micky Maus. ANDERE MEDIEN: Ein weiterer Film um Superman und eine Fernsehserie werden angefangen. Bei Walt Disney wird »Alice in Wonderland« fertiggestellt. Das erste Pogo -Buch erscheint. 1952 COMIC STRIPS: In der letzten Märzwoche heiraten Abner Yokum und Daisy Mae in Li'l Abner. COMIC BOOKS: M AD wird aus der Taufe gehoben. EUROPA: Peyo beginnt in Spirou mit Johan. 1953 COMIC STRIPS: Neu ist The Heart of Julie t Jones von Stan Drake und Elliott Caplin. EUROPA: Fix und Foxi geht aus Till Eulenspiegel hervor. Ab Juli importiert der Lehning Verlag italienische Piccolohefte nach Deutschland. Im Mondial Verlag erscheinen Tarzan, Pecos Bill und Der kleine Sheriff. Phantom -Hehe erscheinen. ANDERE MEDIEN: Walt Disney präsentiert »Peter Pan«, Henry Hathaways Cinemascope-Film Prince Valiant mit Robert Wagner in der Titelrolle wird die erfolgreichste Comicstrip-Verfilmung. 1954 COMIC STRIPS: Neu ist Hi and Lois von Dik Browne und Mort Walker. Al Smith übernimmt nach Bud Fishers Tod Mutt and Jef), Vernon Greene übernimmt George McManus Bringing Up Father und Joe Musial übernimmt die Katzenjammer Kids von Doc Winner. COMIC BOOKS: Frederic Wertham wettert in »Seduction of the Innocent« gegen die Comics. E. C. Comics stellen ihr Erscheinen ein. Im September erscheint Jimmy Olsen Nr. 1. Am 26. Oktober treten die Statuten der Comics Code Authority in Kraft. EUROPA: Die Editions du Lombard gründen ihre Filmabteilung Beivision. Albert Weinberg erfindet für Tintin die Serie Dan Cooper. In Spirou erscheint der Western Jerry Spring von Jije (Joseph Gillain). ANDERE MEDIEN: Am 3. September wird die Rundfunkserie »The Lone Ranger« eingestellt, von Fernsehen und Film aber bald wieder aufgenommen. Die Comics laufen weiter. 1955 COMIC STRIPS: Das Newspaper Comics Council wird gegründet. EUROPA: Auch in Deutschland erscheinen Illustrierte Klassiker. ANDERE MEDIEN: Am 10. September beginnt die Fernsehserie »Gunsmoke«. Walt Disneys Zeichentrickfilm »The Lady and the Tramp« füllt die Kassen, sein Spielfilm »Davy Crockett« macht Furore. 1956 COMIC STRIPS: Bob Montanas Archie wird ein Comic Strip, weil die Hefte sich so gut verkaufen. Jules Feiffer bringt die Psychoanalyse in die Comic Strips ein. COMIC BOOKS: Bei Dell erscheinen Fernseh-»tie-ins« wie Gunsmoke. EUROPA: Jean Gratons Michel Vaillant erscheint in Tintin. ANDERE MEDIEN: »The Lone Ranger« reitet über die Kinoleinwand. »Li'l Abner« wird ein erfolgreiches Broadway-Musical, das einige Jahre später verfilmt wird. 1957 COMIC STRIPS: Unter den neuen Serien ragt Leonard Starrs On Stage heraus. Ferd Johnson führt Moon Mullins nach Frank Willards Tod weiter.
COMIC BOOKS: Wegen der nachlassenden Comicsbegeisterung werden Hefte wie Captain America eingestellt. ANDERE MEDIEN: William Hanna und Joseph Barbera verlassen MGM und starten ihre eigene Zeichentrickfirma für Screen Gems. Sie beginnen die lange Reihe ihrer Zeichentnckfernsehserien mit »Ruff and Reddy«, der bald »Huckleberry Hound«, »Yogi Bear«, »Quick Draw McGraw« und »The Flintstones« folgten. Wie die Disney Produktion sorgte die Hanna-Barbera-Produktion schnell für eine parallele Auswertung ihrer Serien in Comic Books und Strips. 1958 COMIC STRIPS: Neu sind B. C. von Johnny Hart, Rick O'Shay von Stan Lynde und Mr. Abernathy von Ralston Jones und Frank Ridgeway. Cliff Sterrett tritt in den Ruhestand, seine Serie Polly and Her Pals wird nach 46 Jahren eingestellt. .COMIC BOOKS: Im April erscheint Lois Lane Heft 1. EUROPA: In Frankreich werden durch Erlaß vom 23. Dezember die Sanktionen gegen Jugendzeitschriften verstärkt. In Belgien entstehen nebenbei Les Schtroumpfs. In Deutschland erscheint Felix. 1959 COMIC STRIPS: Tillie the Toiler und The Gumps werden eingestellt. Stephen Beckers Buch »Comic Art in America« erscheint. EUROPA: In Frankreich wird die Comiczeitschrift Pilote gegründet. Zu ihrem beliebtesten und bekanntesten Strips wird schnell Asterix von Rene Goscinny und Albert Uderzo. 1960 COMIC STRIPS: Neu ist Ponytail von Lee Holley. EUROPA: Greg (Michel Regnier) nimmt Zig et Puce für Tintin wieder auf. Europress Junior, eine Vereinigung der Jugendschriftenverleger Europas wird gegründet. ANDERE MEDIEN: Walt Disneys Superbreitwandzeichentrickfilm »Sleeping Beauty« ist nach mehrjähriger Arbeit fertiggestellt. 1961 COMIC BOOKS: Fantastic Four, gefolgt von The Amazing Spider-Man, schicken sich an, die Superheldenwelt zu revolutionieren. »Fanzines« wie Alter Ego, Masquerader, Co mics Heroes Revisited, The Comics Cellector usw. setzen sich mit den Comics auseinander. ANDERE MEDIEN: Da das Fernsehen die alten »Popeye«Filme völlig verbraucht hat, werden neue Fernsehtrickfilme angefertigt. 1962 COMIC STRIPS: Alex Kotzky beginnt Apartment 3-G, Ken Bald fertigt Dr. Kildare. COMIC BOOKS: Western Publishing Company trennt sich von Dell und bringt die Hefte jetzt in der »Gold Key«-Reihe heraus. Bei Gold Key beginnt im Oktober Thriller, ein Fernseh-»tie-in« zu Boris Karloffs Fernsehserie. EUROPA: Jim Holdaway zeichnet für den Londoner Evening Standard den Comic Strip Modesty Blaise. Im Parisien Libere erscheint Fu Manchu. In der französischen Zeitschrift V erlebt Barbarella von Jean-Claude Forest ihre ersten Abenteuer. In Frankreich wird der erste Comics Club gegründet. In Italien beginnt mit der Serie Diabolik von A. und L. Giussani die Ära der »fumetti neri«. ANDERE MEDIEN: In der Oktobernummer des Playboy wird Little Annie Fanny eingeführt. 1963 EUROPA: Für Pilote erfindet Jean-Michel Giraud den Western Fort Navajo. Zeichner ist Jean Giraud. ANDERE MEDIEN: Krazy Kat, Snuffy Smith und Beetle Bailey dienen Fernsehtrickfilmserien als Vorlage.
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1964 COMIC STRIPS: Morrie Turners Wee Pals werden bei der Berkeley Post gestartet. Brant Parker und Johnny Hart be ginnen (am 9. November) Wizard of Id. EUROPA: Die Wochenzeitschrift Chouchou präsentiert neue, zum Teil experimentelle französische Comic Strips, muß aber nach 13 Heften eingestellt werden. Barbarella erscheint als Buch und wird in Frankreich verboten. Die Societe Civile d' Etudes et de Recherches des Litteratures Dessinees (SOCERLID) wird in Paris gegründet. 1965 COMIC STRIPS: Neben Humorstrips wie Moose von Bob Weber, Tiger von Bud Blake, Eek & Meek von Howie Schneider und Tumbleweeds von Tom K. Ryan erscheint Tales of the Green Beret von Joe Kubert nach Robin Moores Roman. ZEITSCHRIFTEN: Creepy, gefolgt von Eerie, widmen sich dem Horror-Genre im Comicstil. COMIC BOOKS: Bei Gold Key beginnen in Tarzan die Romanadaptionen von RUSS Manning. Jules Feiffers Buch »The Great Comic Book Heroes« erscheint. EUROPA: Im April werden in Deutschland die ersten Tarz‹z«-Hefte verlegt, die nicht Nachdrucke der Zeitungsstrips sind. In Bordighera findet der erste Comics-Kongreß Europas statt. In Italien erscheint die Fanzeitschrift Linus mit eigenen Comic Strips für Erwachsene. Im Zusammenhang mit der Ausstellung »Die phantastische Welt der Comics« wird in Göteborg die Svenska Serieakademien gegründet. ANDERE MEDIEN: Walt Disneys »Mary Poppins« erzielt Besucherrekorde. Im Fernsehen läuft »I Spy« mit einem Weißen und einem Schwarzen in gleichberechtigten Hauptrollen. 1966 EUROPA: In Deutschland erscheinen ab März Gold-KeyHefte wie Magnus, ab August unter dem Sammeltitel Hit Comics die Marvelhefte und ab September Superman. Hermann (Hermann Huppen) zeichnet für Tintin die Serien Bernard Prince und Jugurtha. In Frankreich erscheint Jodelle von Guy Peellaert und Pierre Bartier. SOCERLID bringt die Zeitschrift Phenix heraus. In Italien findet der zweite Comics Kongreß von Lucca statt. ANDERE MEDIEN: In der Zeitschrift Evergreen Review erscheint Phoebe Zeit-Geist. Ein Superman-Musical entsteht. Das Fernsehen bringt die Serien »Batman« und »Tarzan«. Nach Walt Disneys Tod geht die Disney-Produktion unbeirrt weiter. 1967 COMIC STRIPS: Neu ist Redeye von Gordon Bess. EUROPA: Im September erscheint Deutsches M AD Heft 1. Im Louvre wird die Ausstellung »Bande dessinee et figuration narrative« eröffnet. ANDERE MEDIEN: CBS startet Zeichentrick-Fersehserien um »The Lone Ranger«, »Superman«, »Mighty Mouse«, »Space Ghost« usw. Die Walt Disney Produktion präsentiert den Zeichentrickfilm »The Jungle Book«. Ein »Peanuts« -Musical wird auf die Beine gestellt. In Frankreich stellt Beivision den Trickfilm »Asterix le Gaulois« fertig. 1968 COMIC STRIPS: Neu sind Boner's Ark von Addison (Mort Walker) und Dateiine: Danger von A. McWilliams und John Saunders. RUSS Manning übernimmt Tarzan. Nach Harold Grays Tod führt Tex Blaisdell Little Orphan Annie weiter. Buck Rogers wird eingestellt. EUROPA: In Deutschland erscheinen einige neue Eigenproduktionen wie Perry und Tom Berry. In den Niederlanden wird der Comics Club Het Stripschaft gegründet. ANDERE MEDIEN: Robert Crumb geht mit Zap Comix in den »Underground«. In Frankreich beendet Beivision die Arbeit am Zeichentrickfilm »Asterix et Cleopatre« und nimmt »Le Temple du Soleil« in Arbeit.
1969 EUROPA: In Deutschland erscheinen neue aus Amerika importierte Serien wie Blitzmann und Grüne Laterne, daneben aber auch die Taschencomics der Kaukaproduktion (mit einem Teil belgischer Importe). 1970 COMIC STRIPS: Neu sind Half Hitch von Hank Ket cham, Lancelot von Penn und Coker, Jr., sowie Friday Foster von Jim Lawrence und Jörge Longaron. COMIC BOOKS: Bei Marvel erscheint Conan the Barbarian. Die Academy of Comic Book Art wird gegründet.
1971 COMIC STRIPS: Dark Shadows, gezeichnet von K. Bruce, ist der erste Comic Strip nach einer erfolgreichen Fernsehserie aus dem Nachmittagsprogramm. COMIC BOOKS: Der Comics Code wird gelockert. Im Januar beginnt für Superman i;n Heft 233 eine neue Ära. SpiderMan erscheint ohne das Siegel des Codes, weil er die Thematik des Drogenmißbrauchs anschneidet. Bei Marvel Comics Group werden größerformatige Comicszeitschriften wie Savage Tales und M (für »mature readers«) herausgebracht.
CODE OF THE COMICS MAGAZINE ASSOCIATION OF AMERICA, INC. CODE FOR EDITORIAL MATTER General Standards Part A 1) Crimes shall never be presented in such a way as to create sympathy for the criminal, to promote distrust of the forces of law and justice, or to inspire others with a desire to Imitate criminals. 2) Np comics shall explicitly present the unique details and methods of a crime. 3) Policemen, judges, .government officials and respected institutions shall never be presented in such a way as to create disrespect for established authority. 4) If crime is depicted it shall be as a sordid and unpleasant activity. 5) Criminals shall not be presented so as to be rendered glamorous or to occupy a position which creates a desire for emulation. 6) In every instance good shall triumph over evil and the criminal punished for his misdeeds. 7) Scenes of excessive violence shall be prohibited. Scenes of brutal torture, excessive and unnecessary knife and gun play, physical agony, gory and gruesome crime shall be eliminated. 8) No unique or unusual methods of concealing weapons shall be shown. 9) Instances of law enforcement officers dying as a result of a criminal's activities should be discouraged. 10) The crime of Kidnapping shall never be portrayed in any detail, nor shall any profit accrue to the abductor or kidnapper. The criminal or the kidnapper must be punished in every case. 11) The letters of the word "crime" on a comics magazine cover shall never be appreciably greater in dimension than the other words contained in the title. The word "crime" shall never appear alone on a cover. 12) Restraint in the use of the word "crime" in titles or sub-titles shall be exercised.
General Standards
Part B
1) No comic magazine shall use the word horror or terror in its title. 2) All scenes of horror, excessive bloodshed, gory or gruesome crimes, depravity, lust, sadism, masochism shall not be permitted. 3) All lurid, unsavory, gruesome illustrations shall be eliminated. 4) Inclusion of stories dealing with evil shall be used or shall be published only where the intent is
to illustrate a moral issue and in no case shall evil be presented alluringly nor so as to injure the sensibilities of the reader. 5) Scenes dealing with, or Instruments associated with walking dead, torture, vampires and vampirism, ghouls, cannibalism and werewolfism are prohibited.
General Standards
Part C
All elements or techniques not specifically mentioned herein, but which are contrary to the spirit and intent of the Code, and are considered violations of good taste or decency, shall be prohibited.
Dialogue 1) Profanity, obscenity, smut, vulgarity, or words or Symbols which have acquired undesirable meanings are forbidden. 2) Special precautions to avoid references to physical afflictions or deformities shall be taken. 3) Although slang and colloquialisms are acceptable, excessive use should be discouraged and wherever possible good grammar shall be employed.
Religion 1) Ridicule or attack on any religious or racial group is never permissible.
Costume 1) Nudity in any form is prohibited, as is indecent or undue exposure. 2) Suggestive and salacious Illustration or suggestive posture is unacceptable. 3) All characters shall be depicted in dress reasonably acceptable to society. 4) Females shall be drawn realistically without exaggeration of any physical qualities. NOTE: It should be recognized that all prohibitions dealing with costume, dialogue or artwork applies as specifically to the cover of a comic magazine as they do to the contents.
Marriage and Sex 1) Divorce shall not be treated humorously nor represented as desirable.
2) Illicit sex relations are neither to be hinted at or portrayed. Violent love scenes as well as sexual abnormalities are unacceptable. 3) Respect for parents, the moral code, and for honorable behavior shall be fostered. A sympathetic understanding of the Problems of love is not a license for morbid distortion. 4) The treatment of love-romance stories shall emphasize the value of the home and the sanctity of marriage. 5) Passion or romantic interest shall never be treated in such a way as to stimulate the lower and baser emotions. 6) Seduction and rape shall never be shown or suggested. 7) Sex perversion or any inference to same is strictly forbidden.
CODE FOR ADVERTISING MATTER These regulations are applicable to all magazines published by members of the Comics Magazine Assoziation of America Inc. Good taste shall be the guiding principle in the acceptance of advertising. 1) Liquor and tobacco advertising is not acceptable. 2) Advertisement of sex or sex instruction books are unacceptable. 3) The sale of picture postcards, "pin-ups," "art studies," or any other reproduction of nude or semi-nude figures is prohibited. 4) Advertising for the sale of knives, concealable weapons, or realistic gun facsimiles is prohibited. 5) Advertising for the sale of fireworks is prohibited. 6) Advertising dealing with the sale of gambling equipment or printed matter dealing with gambling shall not be accepted. 7) Nudity with meretricious purpose and salacious postures shall not be permitted in the advertising of any product; clothed figures shall never be presented in such a way as to be offensive or contrary to good taste or morals. 8) To the best of his ability, each publisher shall ascertain that all Statements made in advertisements conform to fact and avoid misrepresentation. 9) Advertisement of medical, health, or toiletry products of questionable nature are to be rejected. Advertisements for medical, health or toiletry products endorsed by the American Medical Association, or the American Dental Association, shall be deemed acceptable if they conform with all other conditions of the Advertising Code.
COMICS MAGAZINE ASSOCIATION OF AMERICA, INC. 300
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PARK
AVENUE
SOUTH
NEW
YORK,
N. Y. 1 0 0 1 0
Code der Comics Magazine Association of America, Inc. Die Anwendung dieses am 26. Oktober 1954 ratifizierten Codes ist die Grundlage für das Selbstregulierungsprogramm der Comicsindustrie. CODE FÜR DEN REDAKTIONELLEN TEIL Allgemeine Richtlinien Teil A 1
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Verbrechen dürfen niemals in einer Art und Weise dargestellt werden, die Sympathie für den Verbrecher wecken, Mißtrauen gegenüber den Vollzugsorganen von Gesetz und Justiz erregen, oder andere dazu anstiften könnte, Kriminelle nachzuahmen. In Comics dürfen die speziellen Details und Methoden eines Verbrechens nicht in ihren Einzelheiten dargestellt werden. Polizisten, Richter, Regierungsbeamte und ehrbare Institutio nen dürfen nie in einer Art und Weise dargestellt werden, die Respektlosigkeit gegenüber der etablierten Autorität erwekken könnte. Wenn ein Verbrechen abgebildet wird, dann als scheußliche und widerliche Tätigkeit. Kriminelle sollen nie so dargestellt werden, daß sie heldenhaft erscheinen oder eine Position innehaben, die Anlaß ge ben könnte, ihnen nachzueifern. Stets soll das Gute über das Böse triumphieren und der Verbrecher für seine Untaten bestraft werden. Szenen mit übertriebener Gewalttätigkeit sind verboten. Szenen mit brutaler Folterung, übertriebener und unnötiger Handhabung von Messern und Schußwaffen, körperlichem Schmerz, blutigen und grausigen Verbrechen sind zu eliminieren. Es dürfen keine besonderen oder ungewöhnlichen Methoden des Versteckens von Waffen gezeigt werden. Episoden, in denen Gesetzeshüter infolge einer Handlung eines Verbrechers sterben, sollten möglichst unterbleiben. Das Verbrechen des Kidnapping darf nie in irgendeinem Detail dargestellt werden, noch soll dem Entführer oder Kidnapper aus seinem Tun irgendein Vorteil erwachsen. Der Verbrecher oder der Kidnapper muß auf jeden Fall bestraft werden. Die Buchstaben des Wortes »crime« auf dem Titelblatt einer Comicszeitschrift dürfen im Format nie merklich größer als die anderen Worte im Titel sein. Das Wort »crime« soll nie allein auf einem Titel erscheinen. Im Gebrauch des Wortes »crime« in Titeln oder Untertiteln ist Zurückhaltung zu üben.
Allgemeine Richtlinien Teil B 1 2
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Keine Comicszeitschrift darf das Wort »horror« oder »terror« im Titel führen. Alle Szenen mit Horror, übertriebenem Blutvergießen, blutigen oder grausigen Verbrechen, Verderbtheit, Wollust, Sadismus, Masochismus sind untersagt. Alle unheimlichen, ekeligen, grausigen Illustrationen müssen entfernt werden.
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Geschichten, die das Böse behandeln, dürfen nur dann benützt oder veröffentlicht werden, wenn beabsichtigt ist, einen ethischen Standpunkt zu illustrieren. In keinem Fall darf das Böse verlockend oder so dargestellt werden, daß es das Empfinden des Lesers verletzt. 5 Szenen mit wandelnden Toten, Folter, Vampiren und Vampirismus, Ghulen [leichenfressende Dämonen; Anmerkung der Autoren], Kannibalismus und Werwolftum oder mit Gerät schaft, die zu diesen in Beziehung steht, sind untersagt.
Allgemeine Richtlinien Teil C Alle Punkte oder Techniken, die hierin nicht ausdrücklich angeführt sind, die aber im Gegensatz zu Geist und Intention des Codes stehen und die als Verletzung des guten Geschmacks oder des Anstands angesehen werden, sind untersagt. Dialog 1
Flüche, Obszönitäten, Zoten, Vulgarismen oder Worte oder Symbole, die eine unerwünschte Bedeutung angenommen haben, sind verboten. 2 Es sind besondere Vorkehrungen zu treffen, um Bezüge auf körperliche Gebrechen oder Mißbildungen zu vermeiden. 3 Obgleich Slang und Umgangssprache akzeptabel sind, soll von ihrem übertriebenen Gebrauch abgeraten werden. Wo immer möglich, sollte grammatikalisch richtiger Text verwendet werden.
Religion 1
Verhöhnung oder Angriff auf eine religiöse oder ethnisch-rassische Gruppe ist niemals statthaft.
Kleidung \
Nacktheit in jeder Form ist verboten, ebenso anstößige oder unschickliche Entblößung. 2 Suggestive oder wollüstige Illustrationen oder suggestive Körperstellungen sind unannehmbar. 3 Alle Personen müssen in einer der Gesellschaft annehmbar erscheinenden Gewandung dargestellt werden. Anmerkung: Es ist zu beachten, daß alle Verbote in punkto Kleidung, Dialog oder Zeichnung sowohl speziell auf den Umschlag einer Comicszeitschrift als auch auf den Inhalt zu be ziehen sind. 4 Weibliche Figuren müssen realistisch, ohne Übertreibung irgendwelcher körperlicher Qualitäten dargestellt werden. Figuren aus Zeichentrickfilm, Anime und Superhelden reihe serien darunter Micky Maus, Winnie Puuh, Schneewittchen, Cinderella, Looney Tunes, Popeye, Betty Boop, Felix the Cat, Tom und Jerry, Woody Woodpecker, Familie Feuerstein, Scooby-Doo, Die Jetsons, Rocky und Bullwinkle, Pink Panther, Mighty Mouse, Casper, Katzenjammer Kids, Mighty Mouse, Klein Lulu, Die Biene Maja, Superman, Batman, Wonder Woman, Hulk, Spider-Man, X-Men und Marvel-Charaktere.
Ehe und Beziehung der Geschlechter 1 Scheidung darf nie humoristisch abgehandelt oder als wünschenswert dargestellt werden. 2 Verbotene sexuelle Beziehungen dürfen weder angedeutet noch dargestellt werden. Wilde Liebesszenen, ebenso wie sexuelle Abnormitäten sind unannehmbar. 3 Es soll Respekt vor den Eltern, den Moralvorstellungen und ehrenwertem Benehmen gefördert werden. Mitfühlendes Verständnis für die Probleme der Liebe ist kein Freibrief für morbide Verzerrungen. 4 In der Behandlung von Geschichten mit Liebes-Romanzen sollen die Werte des Heimes und die Unverletzlichkeit der Ehe betont werden. 5 Leidenschaft oder romantisches Interesse darf nie in einer Weise behandelt werden, die die niederen und gemeinen Emotionen stimulieren könnte. 6 Verführung und Vergewaltigung dürfen nie und nimmer gezeigt oder angedeutet werden. 7 Sexuelle Perversionen oder irgendeine Anspielung auf diese sind strikt verboten.
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CODE FÜR DEN WERBETEIL Diese Maßstäbe sind an alle Magazine anzulegen, die von den Mitgliedern der Comics Magazine Association of America, Inc. veröffentlicht werden. Bei der Annahme von Reklame sei der gute Geschmack das leitende Prinzip.
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Werbung für alkoholische Getränke und für Tabak ist unannehmbar. Werbung für Sex oder Unterweisungsbücher für Sex ist unannehmbar. Der Verkauf von Bildprospekten, »pin -ups«, »Kunststudien« oder anderen Reproduktionen von nackten oder halbnackten Körpern ist verboten. Werbung für den Verkauf von Messern, verborgen tragbaren Waffen oder realistischen Schußwaffenimitationen ist verboten. Werbung für den Verkauf von Feuerwerk ist verboten. Werbung für den Verkauf von Glücksspielgerät oder Gedrucktem, das sich mit Glücksspiel befaßt, darf nicht angenommen werden. Nacktheit zwecks verführerischer Absicht und wollüstige Körperstellungen sind bei keiner Werbung für ein Produkt zulässig. Bekleidete Personen sollten nie so dargestellt sein, daß sie anstößig wirken oder gegen guten Geschmack und Moral verstoßen. Jeder Verleger soll nach bestem Vermögen Sorge tragen, daß die Behauptungen, die in der Reklame gemacht werden, den Fakten entsprechen und nicht irreführend sind. Reklame für Arzneien und Mittel zur Gesundheit oder Körperpflege dubioser Natur sind zurückzuweisen. Werbung für Arzneien und Mittel zur Gesundheits- oder Körperpflege die von der American Medical Association oder der American Dental Association unterstützt werden, kann für akzeptabel erachtet werden, wenn sie allen anderen Forderungen des Werbe-Codes Genüge leisten.
Register
Kursiv gesetzte Seitenangaben beziehen sich auf Abbildungen. Alle nicht anders gekennzeichneten Sachschlagworte verweisen auf amerikanische Comics.
COMIC STRIPS Abbie an' Slats 79 Abie the Agent 15, 146 Ace Drummond 90 Aggie 43 Alley Oop 68, 234 Alphonse and Gaston 15, 30 And Her Name Was Maud 14, 15,30,44 Andy Capp (engl.) 182, 182, 200—202 Apartment 3-G 82 Aventures du Professeur Nimbus, Les (frz.) 177 Barney Baxter 90 Barney Google and Snuffy Smith 17,30—31,37, 173 B.C. 58 Beelzebub Jones (engl.) 200 Beetle Bailey 30, 42, 47, 57—58, 57, 145—146, 145, 173, 223 Belinda Blue Eyes (engl.) 200 Ben Casey 82, 225 BigBenBolt 93,201,23* Blondie 9, 15, 16, 23, 26, 38—42, 40,-«,66, 132, 133, 146, 152, 155,164, 185 Boob McNutt 32 Boner's Ark 9, W, 59 Born Loser, The 25, 42 Brenda Starr 78, 78, 145, 166 Brick Bradford 71,7; Bringing Up Father 15,30, 37—38, 37, 147, 223, 224 Bronc Peeler 95 Buck Rogers 61, 62, 68—71,69,73, 101, 164, 166, 167,206 Bück Ryan (engl.) 177,200 Bugs Bunny 44, 44, 134, 172, 182, 196,233 BusterBrown 14,34,176 Buz Sawyer 57, 91—92, 92, 182, 232 Captain and the Kids, The 12, 14,34, 182 Captain Easy 91,91,182 Carol Day (engl.) 202 Charlie Chan 88, 228 Cisco Kid, The 23, 95—96, 168, 170 Colonel Potterby and the Duchess 18, 32, 66 Count Screwloose of Toulouse 32 Dateiine: Danger 243 David Crane 82, 145
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Dennis the Menace 26, 30, 34, 34, 36 Dickie Dare 88 Dick's Adventures in Dreamland 47 Dick Tracy 23, 53, 84—87, 85, 164, 173 Dr. Bobbs 82 Dr. Kildare 82, 83, 160 Donald Duck 172,185 Don Kiyoti and Sancho Pansy 48 Down Hogan's Alley 11 Dreams of a Rarebit Fiend 47 Drift Mario 71 Dumb Dora 40 Eek and Meek 27 Emmy Lou 43 Etta Kett 43 Familie Biegler (Siehe: Hi and Lois) Familie Fenouillard, La (frz.) 175 Family Upstairs, The 48 Fearless Fosdick 53,152, 153 Feiffer 214,215 Felix the Cat 48, 171 Flash Gordon 66,69—71, 70, 87, 101, 164—166, 165, 184, 185, 193, 196, 225 Flook (engl.) 202 Flop Family, The 42 Fred Basset (engl.) 202 Friday Foster 82, 242, 243 fünf Schreckensteiner, Die (dt.) 176 Gambols, The (engl.) 202, 202 Garth (engl.) 177, 200 Gasoline Alley 17, 36, 38—39, 39, 146, 155 Gumps, The 17, 36—38 Gun Law (engl.) (Siehe auch: Gunsmoke) 97,98, 168, 202, 202 Hairbreadth Harry 34 Hank 94 Hapless Harry 32 Happy Hooligan 15, 15, 30, 158 HaroldTeen 17 Heart of Juliet Jones, The 80—82, 80, 225, 232 Henry 26, 32 Hi and Lois 41, 42 Hubert 41 James Bond (engl.) 87, 202 Jane's Journal (engl.) 200,
207—208 Jeff Hawke (engl.) 202 Jimmy das Gummipferd (jetzt: Julios abenteuerliche Reisen) (dt.) 185 Joe Palooka 52, 92, 201 Johnny Hazard 92, 92, 225,228 Judge Parker 82 Jungle Jim 66, 67, 71, 87, 208, 226 Just Jake (engl.) 200 Just Kids 34 Katzenjammer Kids, The 12—15, 12, 13,34, 132, 159, 176, 185 KerryDrake 88,145,228 Kids 35 Kin-der-Kids 141 King of the Royal Mounted 98, 160 King Sweepca 200 KrazyKat 15,30,44, 47—49, 48, 176, 233 Lancelot 41,42 Li'l Abner 9, 52—54, 52, 53, 155, 160 Little Bears and Tigers 14,44 Little lodine 34 Little Jimmy 10, 34 Little King, The 32, 33 Little Nemo in Slumberland 14,2,9,47,158 Little Orphan Annie 9, 51, 82—84,53, 155, 164,200, 215,232 Little Tiger 14 Lone Ranger, The 95, 95, 98, 150, 163—164, 164 Long Sam 53 Looie 79 Louie 32 Male Call 90, 200, 207, 208 Mandrake the Magician 20, 88, 88, 150, 153, 163, 164, 166, 196 Mary Perkins on Stage 23, 81, 82, 166, 225, 230, 232 Mary Worth 53, 78 Max und Moritz (dt.) 12 Mediaeval Castle, The 77 MickeyFinn 87,147 Mickey Mouse 172 Mike and Ike — They Look Alike 32 Miss Peach 34, 58, 59 Mr. Mum 32 Modesty Blaise (engl.) 202 Monsieur Cryptogame (schweiz.) 175
Moon Mullins 17, 38, 39 Mumin (firm.) 200, 201 Muttand Jeff 14,17—18, 30, 134, 158, 159, 171, 226 Nancy 36 Ne' er-do-well Ally Sloper (engl.) 175 Newlyweds, The 15, 37, 158 Nubbin 34 Origin of a New Species, or the Evolution of the Crocodile Explained, The 11, 11 Peanuts 7, 8, 23, 27, 30, 34, 47, 54—58, 54, 55, 56, 140, 152, 155, 160, 173, 173, 181, 182, 185,202, 232 Peck's Bad Boy 34 Penny 43 Petzi, Pelle, Pingo (dän.) 200 Phantom, The 20, 23, 66—67, 66, 101—103, 166, 185, 196 Pip, Squeak and Wilfred 175,200 (engl.) Pogo 30, 47, 49—51, 50, 51, 54, 58,202,216,245 Polly and Her Pals 36, 37 Ponytail 43 Pop (engl.) 175 Popeye 31—32, 31, 193 Pottsy 87, 147 Prince Valiant 20, 23, 76—78,76, 145, 155, 164, 166, 222, 225 Private Breger 57, 93 Private Buck 57 Puck the Comic Weekly 153 Red Barry 85 Redeye 58, 59, 96 Red Ryder 95, 164 Reg'lar Fellers 34 Rex Morgan M. D. 82 Rex Star (siehe auch: Flash Gordon) 184, 185 Rickard och hans Katt (schwed.) 200 Rick O'Shay 23, 23, 96 RipKirby 21,27,71,56, 87, 185,202 Ruggles (engl.) 200 Rupert (engl.) 175 Sad Sack 57 Sappo 19,66
Scamp 46 Scarth (engl.) 203 Scorchy Smith SO, 92 Secret Agent Corrigan (Siehe: Secret Agent X-9) Secret Agent X-9 20, 87, 87, 227 Skippy 34 Skyroads 90 Small Society, The 59 Smilin' Jack 90, 90 Smitty 17', 34 Smokey Stover 32, 32 Snookums (Siehe auch: The Newlyweds) 158 Steve Canyon 57, 89, 90—92, 90, 140, 155, 166, 182, 188,228 Sunflower Street 146 Tailspin Tommy 90 Tales of the Green Beret 93, 166 Taro(dt.) 184, 185 Tarzan 25, 60, 62—66, 63, 64,65,66,68—69, 101, 147, 153, 159—160, 160, 182,207,216,223—226, 224, 229, 232, 2.32 Teena 43 Teen-Wise! 43 Terry and the Pirates 23, 57,88—92, 155, 164,208, 225, 228, 239 Thimble Theatre 19, 31, 66 Thorn McBride 57 Tiger 34 Tillie the Toiler 36, 37 Tim and Tom the Terrible Twins 34 Tim Tyler's Luck 66, 67 Tobias Seicherl (österr.) 177 Toots and Casper 40 Totor (frz.) 176 Tumbleweeds 58,96,182 Twin Earths 72 Vater und Sohn (dt.) 176 Wash Tubbs 61 Weary Willie and Tired Tim (engl.) 175 WeePals 182,241,247, 242 Winnie Winkle 78, 79, 176 Winthrop 34 Wizard of Id 58 Yellow Kid, The 30
12,18,
Zig et Puce (frz.)
176,190
COMIC BOOKS UND COMICSZEITSCHRIFTEN Achille Talon (frz.) 191 Action Comics 18,104, 126 Adam Strange 73 Adventure Comics 106 Adventures of Obidiah, The 17 AgenteSSO 18 (ital.) 198 Air Boy 225 Akim(ital.) 67,180,186, 186, 193 Albert and Pogo 49 Alix, l'Intrepide (belg.) 186 All Star Comics 117 All-True Crime 135 Ally Sloper's Half Holiday (engl.) 11 American Comic Book, The 117 Angel, The 117 Animal Comics 49 Apache Kid (frz./ital.) 194 Aquaman 118,173,181, 240 Archie 30,42,42,151,173 Artagowv le Fils des Dieux (frz.) 67 - Asterix (frz.) 8, 25, 173, 175, 178, 190—191, 191 Astounding Stories (engl.) 205 Atom, The 117 Authentic Police Cases 135 Avengers, The 120, 124, 181,225,241,242 Avventuroso, L' (ital.) 193 Arys Bück (frz.) 190 Barbarella (frz.) 173,192, 198,208,210,212 Barbe Rouge (frz.) 181, 191 - Batman 18,88,102,105, 107, 118, 120, 122—127, 133, 134, 150, 155, 162—164, 166, 166, 171, 193,200 Beadle's Dirne Library 158 Beano (engl.) 205 Becassine (frz.) 175 Belfagor (ital.) 198 Benjamin Pampe (dt.) 175 Bernard Prince (belg.) 188, 189, 190, 193 Bessy (dt.) 181 Beware . . . the Monsters Are Corning! 74 Bianca Torturata (ital.) 212 BigAssComix 218 Big Town 225 BijouFunnies 218,220 Billy the Kid 96, 97 Bilobul (ital.) 175
262
Binky 43 Black Canary 126, 228, 239 Black Cat 125 Blackhawk 150, 181 Black Rider, The 96, 98 Black Widow, The 126, 239 Blake et Mortimer (belg.) 73, 186 Blonde Phantom, The 125 BlueBeetle 118 BlueBolt 117 Bob Moräne 73,188,191, 192 Bonanza 96, 181 Bonaventura (ital.) 175 Boris KarlofPs Tales of Mystery 74, 171 Boy Commandos 122 Bravo (frz.) 186 Brothers of the Spear 64, 225 -Bruno Brazil (belg.) 188, 189,190 BuffaloBill 96,180,181 Bunny 43 Buntes Allerlei (dt.) 179, 180 Butterfly (engl.) 11 Captain Action 152 Captain America 106, 108, 109, 112, 113, 114, 117, 120, 122, 124—128, 727, 152, 154, 155, 173,220 Captain Atom 117 Captain Marvel 104, 105, 124, 125, 150,225 Captain Marvel, Jr. 105, 225 Career Girl Romances 82 Casper the Friendly Ghost 36 Centaur Funny Pages 150 Chamber of Darkness 74 Cheyenne 96 Cheyenne Kid, The 96 Chuckles (engl.) 175 Cisco Kid, The 96,166, 168 Classici Audacia (ital.) 193 - Classics Illustrated 19, 29, 140—143, 140, 141, 142, 143 Collana Rodeo (ital.) 196, 196 Comanche (belg.) 98, 190, 790 Comet, The 117 Comic Cuts (engl.) 11,175, 205 Comic Life (engl.) 11,175 Commandante Mark, 11 (ital.) 194 Conan the Barbarian 74, 163, 244, 244 Coq Hardi (frz.) 186
Corriere dei Piccolo (ital.) 24, 175 Cowboy Picture Library (engl.) 205,205 Cowboy Western 98 Cracked 218 Creatures on the Loose 74 Creepy 73,74,137,168, 193, 193,231 Creepy Worlds (engl.) 205 Crime and Justice 135 Crime and Punishment 135 Crime Does Not Pay 134, 225 Crime SuspenStories 137, 737 Criminals on the Run 135 Crimson Avenger 117 Dagwood 30, 38 Dan Cooper (belg.) 73, 188, 188 Dandy (engl.) 205 Dan Leno's. Comic Journal (engl.) 175 Daredevil 106, 108, 709, 779, 181,240 Deadman 10,151,225, 229 Destroyer, The 117 Detective Comics 18, 105, 128 Diabolik (ital.) 173, 196—198, 799 District Attorney 138 Dobie Gillis 43 Doc Savage 101, 162, 762, 163,244 DoctorDoom 126,127, 128, 729 Dr. Fate 117 Dr. Mid-Nite 117 Doctor Strange 74, 75, 75, 108 Donald Duck 7, 8, 24, 44, 44,45,97,93 732, 134, 178,224,233 Drag Cartoons 218 Durango Kid 96, 98 Educational Comics 19 Eerie 73, 74, 138, 138, 168, 168, 193 Einsame Reiter, Der (dt. Siehe auch: The Lone Ranger) 96,764,181 El Bravo (ital.) 180 El Camera (ital.) 180,193 Ellery Queen 88 Elongated Man, The 118 Enemy Ace 94, 94, 749 Epoxy (frz.) 210, 212, 272 Falk(dt.) 180 Famous Crimes 137 Famous Funnies 18 Fantastic (engl.) 205
Fantastic Four 73, 106, 108, 709, 114, 774, 775, 116, 122, 124, 128, 72*, 729,181,238,241 Fantastic Giants 777 Fantasy Masterpieces 127 Fear 74 Felix (dt.) 181 Felix the Cat (»Underground«) 218,279 Fiery Furnaces (engl.) 204 Film Fun (engl.) 175, 205 Firefly, The (engl.) 175 Fix und Foxi (dt.) 179, 779,180 Flash, The 22,101,106, 706, 118—120, 124, 181, 230 Flash Gordon 165 Fleetway Pictur e Libraries (engl.) 205 Fliegenden Blätter, Die (dt.) 11,175 Flintstones, The 173 Fort Navajo (frz.) 98, 774, 191, 193 From Beyond the Unknown 73 Fu Manchu 163 Funnies, The 18 Funny Wonder, The (engl.) 175 Gangsters Can't Win 134 Gene Autry 95, 96, 164, 166 Ghost Rider, The 96, 98 Gold Key-Comics (dt.) 180, 181 Goldrake (ital.) 198 Grandma Duck 46 Green Arrow, The 101, 108, 122,240 Green Hornet, The 163, 164 Green Lantern 101, 106, 108, 119—120, 779, 123, 164, 181,206,240,240 Guardian, The 117 Guns against Gangsters 135 Gunsmoke 96, 168—169, 769, 181,227 Hangman 117 Haunt of Fear, The 73 Have Gun, Will Travel 168, 769, 227, 227 Hawkman 101,118,125 HeadComix 218,279 Heitere Fridolin, Der (dt.) 175 Help! 217 Hit Comics (dt.) 110, 180—181 Hollywood Romances 82, 767 Hopalong Cassidy 95, 96, 166
Hostile-Man 215 Hot Stuff 36 Hour-Man 117 House of Mystery 74, 171 House of Secrets 74 Howard Flynn (belg.) 188, 188 -Hulk, The Incredible 106, 108, 108,173, 181 Human Torch, The 20, 117, 122 Hurricane, The 117 I Love You 82 Illustrated Chips, The (engl.) 11,175,205 Illustrierte Klassiker (dt.) 29, 180 Images d'Epinal (frz.) 11 Incredible Science-Fiction 71 Indian Chief 98 Invaders, The 72 IronMan 106,181,239 Isabella (ital.) 198, 198, 199 Iznogoud (frz.) 191 Jacula (ital.) 198 Jena, La (ital.) 198 Jerry Spring (belg.) 98 Jesse James 96 Jessica (ital.) 198 JimmyOlsen 106,122,164 Jiz 218 Jodelle (frz.) 192, 209, 210 Jo et Zette (belg.) 186 Johan (belg.) 179, 190 Johnny Quick 117,180 Johnny Thunder 96 Jojo, Congo King 208 Josie 43 Journal de Mickey (frz.) 188 Jugend, Die (dt.) 175 Jugurtha (belg.) 190 Jungla (ital.) 198 Jungle Comics 163,207 Justice League of America 72, 106, 120 Justice Society of America 120 Justice Traps the Guilty 125, 725 Justine (ital.) 198 Just Married 82 Kaänga 67, 207, 208, 208 Kalar (frz.) 180 Kara Ben Nemsi (dt.) 180 Ka-Zar 67,108,117,244 Kid Colt Outlaw 96,181 Kid Montana 96 Kid Sloane 96 King Comics 18,22 Kit Carson 96 Kit Carson (engl.) 180, 205
Kladderadatsch (dt.) 175 kleine Sheriff, Der (dt.) 180, 186 Korak Son of Tarzan 64, 181 Kriminal (ital.) 198, 199 Kris le sherif (frz.) 186, 1S6 Laatsch und Bommel (dt.) 175 Lancelot (frz.) 187,757 Laramie 96 LashLaRue 96,166,180 Lassie 181 Lasso (dt.) 181 Lawbreakers always Lose 135 Lawman 169 Legion of Superlieroes, The 120 Lieutenant Savage and His Rebel Raiders 148 Life Story 82 Linus (ital.) 49, 192, 198, 210 Little Annie Fanny 206, 210,215 Little Dot 36 Little Lulu 36,152 LoisLane 106,123,724, 198,236,239 Lone Eagle 98, 243 Lone Ranger, The 95—98, 163—164, 164, 196 Lone Sloane (frz.) 192, 212 Love Diary 82 Lucky Luke (frz.) 179,185, 186, 186 Luc Orient (belg.) 190, 193 Lucrezia (ital.) 198 Lupo-modern (dt.) 179 MAD 57, 120, 137, 138, 152, 153,206,215—218, 275,276,2/7,225 Magnus Robot Fighter 4000 A.D. 72,72,181 Man from U.N.C.L.E., The 92, 170, 196 Manhunter 117 Marco Polo (frz.) 180, 186, 186 M.A.R.S. Patrol 72 Marvel(frz.) 186 Marvel Boy 117 Marvel Family, The 105 Marvel Comics 108 Marvel Superheroes 119 Masked Raider, The 96, 98,9* Maverick 96, 767 Maverick Marshai 96 Messalina (ital.) 198 Michel Vaillant (belg.) 173, 177, 188, 192, 193 Mickey Mouse 44, 45, 47, 93, 193,233 Micky Maus (dt.) 25,175, 177, 179, 180, 185
263
Mighty Mouse 179 Mighty Samson 72 Mike Shayne 88 Millie the Model 43 Monsters on the Prowl 74 Mosaik (dt.) 181 Münchhausen (dt.) 178, 179 Murder Incorporated 135 Mysteries of Unexplored Worlds 74 Mystery in Space 72, 73 Nabil Fawzi (Superman, arab.) 200 Nardn'Pat 227 Nembo Kid (Superman, ital.) 193 Neutron (ital.) 210 Newsboy Legion, The 122 NickCarter 101 Nick der Weltraumfahrer (dt.) 180 Nick Fury, Agent of S.H.I.E.L.D. 6, 73, 755, 212 Nighthawk 96, 98 Nightmaster 74 Not Brand ECCH 277 Nyoka the Jungle Girl 67, 177,208 Official True Crime 135 Our Army at War 26, 93, 148, 148 Outlaw Kid 96, 98 Out of This World (engl.) 205 Panic 215 Panthera Bionda (ital.) 177 Paperino (ital.) 47 PecosBill 94,180,187, 757, 193 Pelefant (schwed./dt.) 200 Perry Mason 88 Perry Rhodan (dt.) 173, 181 Phantom, The 702 Phantom-Hefte (dt.) 179, 180 Phantom Lady, The 126, 133,207 Phenix (frz.) 190, 192 Phoebe Zeit -Geist 207, 210—213,272,273 Piccolo Ranger, II (ital.) 193, 194, 794 Piccolo Sceriffo, II (ital.) 193, 194 Picture Stories from the Bible 140, 141 Pieds Nickeies, Les (frz.) 175 Pilote (frz.) 24, 186, 188—192 Playbox, The (engl.) 175 Playful Little Audrey 36 Planet Comics 71, 163 PlasticMan 117,191 Pogo Comics 49 Populär Comics 18
Pow-Wow Smith 98, 243 Pravda(frz.) 192,210,270 Prinz Eisenherz-Hefte (dt.) 179 Public Enemies 135 Puck (engl.) 175 4 x 8 = 32 l'espion-cameleon (frz.) 191, 797 Quick et Flupke (belg.) 177, 186 Radio Fun (engl.) 205 Rainbow, The (engl.) 175 Ralph Kendall (argent./ ital.) 196—197,797,225 Ranger (engl.) 196, 205 Rauhfell Kid (dt. Siehe: Rawhide Kid) Rawhide 96 Rawhide Kid 96,99,181 Ray Ringo (belg.) 98, 188, 188 Rayon U, Le (frz.) 186 Real Clue Crime Stories 736 Red Wolf 242, 243 Remi Herphelin (frz.) 191 Richie Rieh 36 Ric Hochet (belg.) 188, 188, 192 Rifleman, The 96 Ringo Kid 96 Rin Tin Tin & Rusty (ital.) 196 Robotman 117 RockyLane 96,166 Romantic Secrets 82 Romantic Story 82 Rose and the Thorn 239, 244 Roy of the Rovers (engl.) 207 Roy Rogers 95, 96, 164, 166,225 Roy Tiger (dt.) 181 Rulah — Jungle Goddess 67, 208 Saäri the Jungle Goddess 208 Sadik (ital.) 198 Saga de Xam (frz.) 212 Sandman 117,122 Sargento Kirk (argentin./ ital.) 196 Satanik (ital.) 198 Savage 245 Savage Tales 244 Scarlett Dream (frz.) 212 Schtroumpfs, Les (belg.) 179, 190, 192 Secret Romance 82 Secrets of the Unknown (engl.) 205 Semaine de Suzette, La (frz.) 175 Seraphina (frz.) 212 Sgt. Fury and His Howling Commandos 93, 93, 94, 148, 149
Sergeant Preston of the Yukon 98, 164, 168 Sgt. Rock 93, 148, 149, 155 Sergente York, II (ital.) 196, 796 77 Sunset Strip 64, 769 Shadow, The 88,101,161, 162,163,244 Sheena 67, 207, 208 Sheriff Klassiker (dt.) 180 Sherlock Holmes 88,101 Shield, The 122 Shock SuspenStories 137 Shotgun Slade 96 Showcase 73 Sigurd (dt.) 180 Simplicissimus (dt.) 175 Silv«Su.r{« IQ, !QQ,1G6, 110, 124, 151,225,230 Sinister Tales (engl.) 205 Sky Girl 207 Skyman 117 Smash! (engl.) 205 Smokey the Bear 152 Snatch 218 Space Adventures 72 Space Family Robinson 72, 181 Space War 72 Sparkler Comics 67 Spectre, The 118 Spider (engl.) 180 Spider-Man, The Amazing 707, 106, 108—111, 709, 770, 777, 126, 162,173, 181,228,235,238, 243—244, 243 Spirit, The 88,215,227 Spirou (belg.) 186, 187, 188, 190, 192 Starman 117 Star Spangled Comics 117, 749 Star Trek 72 Storia del West (ital.) 196, 796 Straight Arrow 98 Strange (frz.) 186 Strange Adventures 72, 73, 229 Strange Suspense Stories 117 Strange Tales 75 Stripschrift (holl.) 49 Strang Bow 98, 243 Sub-Mariner, The 20, 102, 106, 108, 117, 181,239 Superboy 705, 106, 126 Super Comics 22 Supergirl 725, 126 238 Super Goof 46 Superman 18,79,73, 101—105, 703, 120, 122—128, 140 150, 153, 155, 157, 160, 162, 164, 166, 173, 177, 193,200, 220, 237—239, 237 Superman und Batman (dt.) 107, 126, 178, 178
Super Pocket Pilote (frz.) 188 Suspense (engl.) 205 Sweethearts 82 Swing with Scooter 43, 43
Taka Takata (belg.) 755 Tales from the Crypt 73, 137 Tales of Asgard 102 Tales of Wells Fargo 168, 188,227 Tanguy et Laverdure (frz.) 173, 191, 192 Tarzan (dt.) 180 Tarzan of the Apes 64—67, 160, 168, 180, 181, 185, W4,l%,207,TiS Teenage Love 82 Teen-Age Romance 82 Teen Confessions 82 Teen Titans 120 Terrytoons Comics 19 Tex (ital.) 193—195, 793, 794, 795 Thor, The Mighty 102, 103, 106, 727, 124, 173, 181 Thunder Agents 127 Thunderer, The 117 Tibor(dt.) 180 Tiger and Hurricane (engl.) 201,204,205 Till Eulenspiegel (dt.) 178, 179 T ime for Love 82 Tim Holt 96, 98 Timmy the Timid Ghost 36 Tintin (belg.) 24, 73, 173, 176, 776, 185—190, 192 Tintin Selection (belg.) 188, 755 Tipi (frz.) 187, 757 Tip Top Comics 18 Tippy 43 tollsten Geschichten von Donald Duck, Die (dt.) 24, 178,775 Tomahawk 180,247 Tom and Jerry 44, 134, 172,196 Tom Berry (dt.) 181 Tom Mix 95, 96, 166, 167, 180 Tommy Tomorrow 72, 180 Tonto 98 Tony Barrett 96 Top Comics (dt.) 119, 180—181 Topolino (Mickey Mouse, ital.) 97, 193 Torchy Todd 207 Tough Kids Squad 122 Tower of Shadows 74, 171 Treasure Chest of Fun and Fact 730, 141, 747 True Life Secrets 767 True Love 82
Trump 217 Trigger Twins, The 96 True Comics 19, 140 True Crimes 137 Turok Son of Stone 67—68, 168, 181 Tweety and Sylvester 44, 172 Twilight Zone, The 74,171 Two-Gun Kid 96, 98, 98 Uncanny Tales (engl.) 205 Uncle Scrooge 45, 45, 224 Unexpected, The 74 Uranella (ital.) 181,198
U.S.A.
117
Vaillant (frz.) 186, 192 Valentina (ital.) 192, 210, 211 Valerian (frz.) 191, 192 Vampirella 193 Vault of Horror, The 73, 137 Vigilante 98, 180 Viking Prince, The 74 Wagon Train 96 Walalla (ital.) 198 Walt Disney Micky-
vision (dt.) 177, 178, 178 Walt Disney's Comics and Stories 19, 24, 44—45, 44, 172,224,224 Wanted:Deador Alive 96 War Picture Library (engl.) 205, 20) Web, The 117 WeirdFantasy 71,137 Weird Planets (engl.) 205 Weird Science 71,137 Weird Science-Fantasy 71 Wham! (engl.) 205 Where Creatures Roam 74 Where Monsters Dwell 74
Whiz Comics 105 Wildcat 117 Wild Wild West 96 -Winnetou (dt.) 180 Witching Hour, The 74 Witzend 225, 226, 245 Wonder Wart -Hog 218 Wonder Woman 125, 133, 140, 207, 238 Woody Woodpecker 44, 172 World Around Us, The 140 World's Finest Comics 106
WyattEarp 64,181 Wyoming Kid 96 X-Men, The
127,181
Young Allies 122 Young Love 82, 144, 161 Young Romance 234 Zago — Jungle Prince 207 Zagor 194 Zakimort (ital.) 198 Zap Comix 218 Zegra-Jungle Empress 208 Zorro 163
PERSONEN Adams, Neal 225, 229, 23,7,237,240,24; Addams, Jo 203 Addison (Siehe: Mort Walker) Alger Jr., Horatio 34, 122, 158 Alloway, Lawrence 233 Anderson, Carl 32, 33 Andreasson, Rune 200 Andriola, Alfred 88, 145 Angiolini, Alessandro 199 Appleby, Dobs und Barry 202 Ayers, Dick 99 Azara, Jo-El 188 Baker, George 57 Bald, Ken 83 Barbera, Joseph 173 Barcus, Francis E. 146 Barlog 175 Barry, Dan 69, 225 Barry, Sy 66, 66 Bartier, Pierre 210 Barx, Carl 45, 4), 46, 132, 224 Beck, C. C. 225 Bell, Geo 93 Berg, David 217, 225 Berndt, Walter 17, 34 Berrill, Jack 43 Bess, Gordon 58, 59 Biggers, Earl Derr 88 Bishop, Harry 97, 202, 202 Blackton, J. Stuart 158 Blaisdell, Tex 21,232 Blake, Bud 34 Blum, Alexander 143, 143 Bob-Vel 190 Bonelli, G. L. 194 Bradbury, Ray 68, 71, 73, 137 Brand, Max 160, 166 Branner, Martin 78, 79, 176 Breger, Dave 57, 93 Brickman 59 Broome, John 72 Brown, Tom 175 Browne, Dik 41, 42
264
Bunker, Max 198, 199 Buntline, Ned 158 Burnett, Sam 34 Burroughs, Edgar Rice 61 62,64,65,68,74, 159, 160, 163, 180,207,225 Buscema, John 100, 164, 225, 228, 230, 242 Busch, Wilhelm 11,12, 175 Bushmiller, Ernie 36 Byrnes, Gene 34 Calkins, Dick W. 62, 69, 90 Caniff, Milton 88—92, 89 90, 137, 200, 207, 224, 22 Capp, Al 9, 29, 49, 52—54,52,53, 152, 1)3 Cardy, Nick 62 Carter, Ad 34 Cavalli, Dick 34 Celardo, John 62, 66 Charlier, Jean-Michel 174 191 Christin, P. 192 Coker, Phil 41,42 Colan, Gene 108, 113 Colletta, Vince 236 Colomb, Georges 175 Cooke, Tom 71 Couperie, Pierre 193 Craig, Johnny 137 Crandall, George 34 Crane, Roy 61,90,97,23 Crepax, Guido 192, 210—212,2/7 Crosby, Percy 34 Crumb, Robert 218—220. 219 Cuvelier, Paul 212, 212 Daix, A. 177 D'Amy, Roy 196, 196 Darvin, Eeonard 237 Davis, Jack 96,133,137, 215,275,217 deBeck, Billy 31 De Camp, L. Sprague 74 de Groot 191 Delacorte, George T. 18, 153
del Castillo, Arturo 196, 197, 200, 228 Devil, Nicolas 212 Dille, John F. 62, 68 Dirks, Rudolph 12, 12, 226 Disney, Walt 19, 44, 46, 47,49, 155, 168, 171, 172, 178, 179 Ditko, Steve 74, 75, 102, 108, 110, 117, 118, 171, 228 Dore, Gustave 11,101 Dowling, Stephen 177 Doyle, Sir Arthur Conan 138 Drake, Stan 80, 82, 225, 232 Drucker, Mort 276, 217 Druillet, Phillipe 212 Eatley, Geo 32 Ecco, Umberto 198 Eisner, Will 88,215,226, 227, 241 Eider, Will 206,215,217 Elias, Lee 125, 228 Evans, George R. 142, 143 Everett, Bill 102,117 Falk, Lee 20, 66, 88, 102 Fawkes, Wally 202 Feiffer, Jules 7, 93, 101, 122, 124, 145, 150, 182, 207,274,215,224 Feininger, Lyonel 14 Feldstein, Al 137 Fellini, Federico 171,193 Fiedler, Leslie 122,150 Field, Marshall 90 Finger, Bill 105,171 Fisher, Harn 52, 92 Fisher, Harry Conway (»Bud«) 14, f7, 30, 226 Flanders, Charles 95 Fleischer, Dave 166 Fleischer, Max 32 Fleming, lan 87, 202 Flessel, Creig 145 Forest, Jean Claude 192, 208
Forrest, Hal 90 Forton, Louis 175 Foster, Harold R. (Hal) 20,21,25,61—63,63, 76—78,76,77,117, 145, 222, 226—228, 232 Fox, Gardner F. 72, 73 Fox, Roy 43 Franquin, Andre 190 Frazetta, Frank 73, 73, 193,225 Fredericks, Fred 88 Gaines, M. C. 18,19,140 Gaines, William 131,137, 138,217 Galep 193, 194, 194 Gigi, Robert 212 Giolitti, A. 168, 169, 194, 195,204,227,227 Giussani, A. und L. 196, 799 Giraud, Jean 174, 191 Goldberg, Rübe 30, 32 Goodman, Martin 163 Goscinny, Rene 186,190 Gould, ehester 53, 84—87 85 Gould, Will 85 Graff, Mel 87 Grant, Maxwell 162 Graton, Jean 188 Gray, Clarence 71 Gray, Harold 51, 82—83, 83, 232 Green, Bert 35 Greg 190 Grey, Zane 98, 160 Griff in, Rick 220 Gross, Milt 30 Haenigsen, Harry 43 Haggard, Sir H. Rider 159,207 Hamilton, Richard 234 Hammett, Dashiell 87 Hamlin, Vince T. 68 Hanan, Harry 32 Hanna, William 173 Hansen, Vilhelm 200 Harman, Fred 95 Hart, Johnny 58
Hatlo, Jimmy 34 Hearst, William Randolph 11, 12, 14, 15, 17,48 Heath, RUSS 26,215 Heckt, George 19, 140 Heimdahl, Ralph 44 Henry, O. 96, 170 Herge (= Georges Remi) 176, 176, 185—186 Hermann (= Hermann Huppen) 188—190, 189,190 Herriman, George 15, 30, 47—49, 48, 58 Hershfield, Harry 15,146 Hogarth, Burne 60, 62, 63, 66, 117, 180,223—229, 224, 229, 232 Holdaway, Jim 202 Holley, Lee 43 Holman, Bill 32, 32 Hörn, Maurice 193 Howard, Robert E. 74, 163,244 Hrdlicka, Alfred 177 Hubinon, Victor 191 Infantino, Carmine 126, 166, 230, 240, 244 Irving, Jay 87, 147 Jacobs, Edgar-Pierre 186 Jaffee, Al 215 Jansson, Tove 200, 201 Jetter, Al 208 Johns, Jasper 234 Johnson, Ferd 38, 39 Jordan, Sidney 202 Kahles, Charles W. 34 Kane, Bob 105, 107, 171, 227, 245 Kane, Gil 119,228,243 Karloff, Boris 74, 168 Kauka, Rolf 179 Kelly, Walt 44, 49—51, 50, 5;, 54, 137,202,245 Ketcham, Hank 34, 34 King, Frank 155 Kipling, Rudyard 159
Kirby, Jack 93, 99, 102, 103, 108, 112, 114, 115, 116, 120, 121, 122, 122, 124, 127, 128, 129, 143, 227, 228 Kirne, Otis 74 Kmoch, Ludwig 777 Knerr, Harold H. 13 Knight, Clayton 90 Koenigsberg, Moses 17 Kohlsaat, Roland 185 Kotzky, Alex 82 Kuben, Joe 93, 94, 148, 149 Kurtzman, Harvey 137, 206, 215, 217 Lasswell, Fred 31 Lawrence, Jim 82, 242 Lazarus, Mel 58, 59 Lebeck, Oscar 72 Leblanc, Raymond 185 Lee, Stan 23, 99, 102, 103, 106, 108, 110—116, 139, 151—152, 182,223,226, 235, 238, 243, 244, 245 Legman, Gershom 132—134 Lehti, John 62 Leonard, Lank 87, 147 Lewis, Bob 87 Lewis, Clyde 57 Lichtenstein, Roy 233—234, 233, 234 Lieber, Larry 235 Lignante, Bill 130 Lind, Mary 43 Liney, John 33 Little, Tom 146 Longaron, Jörge 82, 242 Losfeld, Eric 208 Lovecraft, Howard P. 73, 74, 163 Lubbers, Bob 53, 62 Lupoff, Richard 159 Lynch, Jay 218,227 Lynde, Stan 23, 96 Magnus 198, 799 Manning, RUSS 64—66, 64, 65, 72, 72, 160, 164, 225, 228,232
Marge 36 Marston, Charles Moulton 125 Martin, Don 217,277 Martin, Jacques 186 Massey, Tom 67 Maxon, Rex 62, 232 McCay, Winsor 14,25,47, 158 McCoy, Wilson 66 McDougall, Walt 34 McLuhan, Marshall 58, 72, 151 McManus, George 15,30, 37,37,38,47, 158,223, 224,224 McWilliams, Alden 72, 72, 143 Messick, Dale 78, 79, 145 Mezieres, J.-C. 792 Micale, Albert 164 Miller, Frank 90 Moliterni, Claude 193,212 Montana, Bob 42 Moore, Ray 66 Moore, Robin 93 Morris 186, 186 Morrow, Gray 144 Moscoso, Victor 220 Mosley, Zack 90, 90 Murphy, Jimmy 40 Murphy, John Cullen 93, 235 Musial, Joe 137 Mussini, Attilio 175 Nemes, Eric 212 Newman, Paul S. 95 Norris, Paul 71,77 Nowlan, Phil 62, 69 O'Donnell, Peter 202 O'Donoghue, Michael 212—213 O'Keeffe, Neil 47 Opper, Frederick Burr 11, 14, 15, 7.5,30,44 Orr, Martha 78 Outcault, Richard Feiton 11, 77, 14,30,34,226 Paape, Eddy
190
Page, Gregory 126, 207 Parker, Brant 58 Patterson, Joseph Medill (»Captain«) 17, 84 Peellaert, Guy 209, 210, 270 Perry, Bill 39 Peters, H. G. 125 Pett, Norman 207 Peyo 190 Pmchon, Jean-Pierre 175 plauen, e. o. 176 Poe, Edgar Allen 73, 137, 138 Powell, S. R. 207 Pratt, Hugo 196, 200 Prentice, John 21, 27 Pulitzer, Joseph 11 Raab, Fritz 184 Raboy, Mac 69, 754, 225 Rauschenberg, Robert 234 Raymond, Alex 66, 69—71, 70,56,87, 117,224—226, 226, 227, 228, 232 Resnais, Alain 171,193, 198 Richter-Johnsen, F. W. 754, 185 Ritt, William 71 Robbins, Frank 92, 92, 225,228,232 Robeson, Kenneth 162 Robinson, Jerry 171 Robinson, Paul 43 Roca, Luis 203 Rohmer, Sax 163 Rollin, Jean 212 Romita, Johnny 235, 243 Roth, Werner 236 Rubimor 62 Rubino, Antonie 175 Ryan, Tom K. 58 Saenger, Gerhart 146 Sagendorf, Bud 37, 32 Saint-Ogan, Alain 176, 190 Salinas, Jose Luis 96, 770, 200 Samson, Art 25, 42 Saunders, Allen 53
Saxon, Jack 218 Schäfer-Ast 175 Schaffenberger, Kurt 724, 198 Schneider, Howie 27 Schulz, Charles M. 21,27, 54—57, 54,55,56, 145, 182 Segar, Elzie Crisler 79, 31, 32 Seldes, Gilbert 47 Serling, Rod 74 Severin, John 97,218 Shelton, Gilbert 218 Shores, Syd 772, 125 Shuster, Joe 104 Sickles, Noel 90 Siegel, Jerry 104 Silas (Siehe: Winsor McCay) Silverstein, Shel 215 Sinnott, Joe 773, 774, 115, 116 Smith, Al 14 Smith, Barry 244 Smith, Francis S. 157 Smith, Sidney 17, 38 Smythe, Reg 182, 752, 200—202 Soglow, Otto 32, 33 Spiegle, Dan 767 Spillane, Mickey 136,150 Springer, Frank 212—213, 272,273 Starr, Leonard 57, 82, 225, 230, 232 Steranko, Jim 6, 154, 7.56, 227, 229 Stern, Ralph 32 Sterrett, Cliff 36 Stoffel, Al 44 Street, Francis S. 157 Sullivan, Pat 48 Swan, Curtis 725 Swan, George 42 Swinnerton, James 70,11, 14, 34, 44, 226 Terry, Hilda 43 Terry, John 90 Terry, Paul 19, 172 Thomas, W. F. 175 Thomas, W. Morgan 207 Tibet 188, 755
Ticci, Giovanni 194, 795 Toffano, Sergio 175 Tolkien, J. R. 74 Töpffer, Rodolphe 11,17 Torres, Angelo 735 Toth, Alex 164 Tourtel, Mary 176 Trendle, George W. 95, 163 Trimpe, Flerb 2 Turner, Morrie 241,247, 242 Uderzo, Albert 25, 190—191, 797 Van Buren, Raeburn 79 Vance, William 188— 190 755, 759 Van Hamme, Jean 212 Vernes, Henri 191 Walker, Mort 9, 10, 41—42,57—59,57,59, 145, 745,223 Warhol, Andy 233 Watt, J. Millar 175 Waugh, Coulton 38, 94 Weinberg, Albert 188, 18 Weisinger, Mort 166 Wertham, Frederic 131—134, 137, 138, 150, 198 Westover, Russ 36, 37 Willard, Frank 77, 38 Williamson, Al 20,21,87 57, 137, 765,227 Williamson, Skip 218,22 Wingert, Dick 47,42 Wright, David 202 Wood, Wallace 779, 137, 157, 765, 215—217, 276, 223, 226, 245 Wunder, George 239 Young, Chic 9, 76, 75, 32 38—41,40,47 Young, Lyman 66, 67 Zaboly, Bela
265
32